Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

(Unruhe bei der CSU)

Das hat irgendwo sogar Stil und Charme; wir haben uns auch schon daran gewöhnt, dass das so ist. Aber ich sage Ihnen mit aller Ernsthaftigkeit: Sie haben recht, natürlich muss man die ganzen Erfahrungen der letzten Kommunalwahl im Rahmen einer Überprüfung verwerten – das wird Ihr Ministerium natürlich machen, Herr Herrmann, das ist keine Frage –, aber in der Frage, um die es hier geht, läuft man Gefahr, dass bei jeder in den nächsten Monaten oder im nächsten halben Jahr anstehenden Bürgermeisterwahl – diese Wahlen können auch außerhalb der gewöhnlichen Termine stattfi nden; zum Beispiel ist der Oberbürgermeister von Freising noch nicht gewählt worden und wird außerhalb der Zeit gewählt – das, was in Burgkirchen an der Alz, aber auch in anderen Gemeinden in Bayern passiert ist, wieder geschieht.

Ich denke, das ist peinlich, das muss wirklich nicht sein, und ich mache Ihnen den großherzigen Vorschlag, dass Sie ganz schlicht und ergreifend unserem Antrag zustimmen. Sie geben sich aufseiten der CSU auch keine Blöße, wenn Sie das einmal tun. Wir vermeiden damit nur die Situation, dass eine Wahlwiederholung in der Form stattfi ndet, wie es hier der Fall war.

Lassen Sie mich noch einen Satz dazusagen: Ich möchte die Kommunalpolitiker von Burgkirchen an der Alz loben, die es folgendermaßen gemacht haben: Nachdem – erfreulicherweise – der SPD-Kandidat die meisten Stimmen hatte, haben die anderen Parteien für die Wahlwiederholung auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten verzichtet – aus Gründen der Fairness vielleicht,

sich bewährt und welche haben sich nicht bewährt. Wir bereiten im Moment einen Antrag an die Staatsregierung vor, dass bei uns im Innenausschuss im Herbst berichtet werden soll, was hat sich bei diesen Kommunalwahlen als problematisch herausgestellt hat und wo wir etwas ändern können. Wir sollten dann gemeinsam im Ausschuss darüber beraten, wie wir nicht nur dieses Problem, sondern vielleicht auch das eine oder andere Problem, das sich hier aufdrängt, lösen können.

Kurzum, Herr Kollege: Ich gebe Ihnen recht, dass wir die gegenwärtige Rechtslage ändern sollten, halte allerdings Ihren Weg nicht für den richtigen. Ich würde vorschlagen, wir könnten den Antrag auch ein bisschen langsamer beraten, sodass wir die ganze Sache im Herbst mit neuer Kraft angehen können. Ich glaube, wir sollten uns schon auf die Erfahrungen, die das Innenministerium dann aufgrund der Berichte der Kommunen gesammelt hat, stützen. Wir sollten gemeinsam beraten und eine Lösung fi nden, die wir vielleicht sogar gemeinsam aus voller Überzeugung vertreten können.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Weiß, ich habe Ihre Ausführungen so verstanden, dass die bestehende Regelung einer Änderung zugeführt werden soll und dass Sie vorschlagen, man sollte ein bisschen langsamer beraten. Angesichts der Gesetzesfl ut, die derzeit aus dem Innenministerium kommt, denke ich, wäre das auch im Hinblick auf andere Gesetze – Stichwort: OnlineDurchsuchung, Versammlungsrecht – sinnvoll. Ich fi nde, wir sollten darüber nachdenken, wie wir wirklich gute Regelungen fi nden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Derzeit ist die Situation im Gemeinde- und Landkreiswahlrecht so, dass es ein Recht auf Rücktritt von der Stichwahl gibt, und als Begründung für dieses Rücktrittsrecht wird – meiner Meinung nach nicht ganz stichhaltig und eher fadenscheinig – ausgeführt, dass dieses der Vermeidung unnötiger Stichwahlen dienen soll, weil etwa der rücktrittswillige Stichwahlbewerber im Falle seiner Wahl vielleicht die Wahl gar nicht annehmen könnte.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich denke, die jetzige Regelung ermöglicht Rücktrittsspielchen und taktische Kandidaturen, und das ist genau das, was wir nicht wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Frage ist allerdings in der Tat – und hier erscheint es schon richtig, in Ruhe gemeinsam darüber zu reden -in welche Richtung wir das Gesetz ändern wollen.

Vor der Änderung des Gesetzes im Jahr 2006 war die Rechtslage so, dass man den Spezialfall im Gesetz bereits gesehen hatte, der in kleinen Gemeinden vorkommen kann: Wenn kein bzw. nur ein Kandidat nominiert ist, dann haben die Bürger die Möglichkeit, eigenhändig einen anderen Namen auf den Stimmzettel zu schreiben. In diesem Fall kann es in der Tat vorkommen, dass jemand, sozusagen durch Verschwörung der Bürgergemeinschaft, zum Bürgermeister gewählt wird, obgleich diese Person das partout nicht will. Diesen Fall hatte das Gesetz früher bereits im Blick und hat gesagt, in einem solchen Fall kann der Betreffende es ablehnen, beispielsweise in die Stichwahl zu kommen. Es hat keinen Sinn, die Stichwahl mit einer Person durchzuführen, die das Amt partout nicht will. Diese Regelung bis zur Gesetzesänderung im Jahr 2006, enthält nach meiner Auffassung nach wie vor eine gewisse Logik. Ich erachte es deshalb als sinnvoll, diese spezielle Fallkonstellation künftig im Gesetz so zu regeln, wie sie bereits vor dem Jahr 2006 geregelt war.

Eine andere Frage aber ist, ob es überhaupt notwendig und sinnvoll ist, auch in anderen Fällen einen Rücktritt in der Stichwahlphase zu erlauben. Ich kann Ihnen heute nicht mehr sagen, was wir uns damals bei der Änderung gedacht haben. Ich war damals nicht in dem Ausschuss, habe allerdings dem Hohen Hause angehört.

(Heiterkeit bei der SPD – Simone Tolle (GRÜNE): Das dauert jetzt!)

Hier stellt sich in der Tat eine Frage. In allen anderen Fällen handelt es sich um jemanden, der ursprünglich seiner Aufstellung zum Bürgermeisterkandidaten zugestimmt und dies auch unterschrieben hat. Aus heutiger Betrachtung – das sage ich ganz ehrlich – sehe ich keinen zwingenden Grund, der es einer solchen Person ermöglicht, aus der Stichwahl, sozusagen mittendrin, wieder auszusteigen. Vor allem könnte es sein, dass jemand, wenn er gewählt wird, dann trotzdem die Wahl nicht annimmt. Aus heutiger Sicht sage ich dazu: Wenn jemand ursprünglich seiner Nominierung zugestimmt hat, in die Stichwahl kommt und dann, wenn er tatsächlich obsiegt, es ablehnt, das Amt anzunehmen, ist das in der Tat eine zwar nicht völlig auszuschließende, aber doch sehr unwahrscheinliche Konstruktion. Das räume ich ganz offen ein. Mit dieser Frage muss man sich also noch näher beschäftigen.

Sollte man dabei bleiben, dass man gleichwohl eine Rücktrittsmöglichkeit einräumen will, dann wäre es eine Möglichkeit, wenn mehrere Kandidaten da sind, einer aber zurücktritt, dass die Stichwahl automatisch mit der Nummer 3 stattfi ndet. Ich denke, es gibt hier vernünftige Konstellationen, über die man nachdenken kann. Ich bin zum sachlichen Austausch hierüber bereit. Mein Haus

aus welchen Gründen auch immer. Das fand ich ein ganz tolles Verhalten der Kommunalpolitiker vor Ort, weswegen ich es positiv erwähnt haben will, aber das wird nicht immer so sein. Wir sollten es einfach vermeiden, dass sich Probleme wiederholen.

(Beifall bei der SPD)

Um das Wort hat noch einmal Herr Kollege Dr. Weiß gebeten.

Herr Kollege Volkmann, Sie waren wahrscheinlich von meinem ersten Satz, dass ich Ihnen recht gebe, so begeistert, dass Sie den zweiten Satz gar nicht mehr gehört haben. Ich habe im ersten Satz gesagt, ich gebe Ihnen recht, dass die gegenwärtige Regelung nicht günstig ist. Der zweite Satz war: Ich bedauere, dass Ihr Vorschlag die Lage nicht verbessert, sondern die Problematik hinausschiebt. Wir sind uns darin einig, dass wir etwas ändern sollten, aber wir sind uns nicht einig, dass wir das mit Ihrem Vorschlag tun sollten. Wie gesagt, ich halte den Vorschlag für ungünstig. Man müsste doch noch einmal in die Wahl gehen, wenn man kein Rücktrittsrecht hat. Da sollten wir uns lieber etwas anderes überlegen.

Also: Im Prinzip sind wir uns einig, allerdings mit der kleinen Nuance, dass wir dem Antrag so nicht zustimmen können, wenn Sie auf einer Abstimmung bestehen.

Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Herrmann um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns erfreulicherweise offensichtlich in der Analyse einig, dass die Gesetzesänderung, die vor zwei Jahren in diesem Hohen Hause beschlossen worden ist, nicht zu den seinerzeit erwarteten Ergebnissen geführt hat. Ich denke, so, wie sich das an einzelnen Orten in Bayern entwickelt hat, war das damals sicher weder von der Mehrheitsfraktion noch von der Opposition beabsichtigt. Sie haben vielleicht damals schon manche Fehlentwicklungen vorausgesehen.

Hier müssen wir also etwas korrigieren, daraus mache ich keinen Hehl.

Es gibt Fälle – Sie, Herr Volkmann, haben einen angesprochen –, in denen man sehr fair miteinander umgeht. Es gibt aber auch andere Fälle, und wenn ich das parteipolitisch zuordnen will, so halten sie sich die Waage. Es gibt auf der einen Seite die Fälle, bei denen so mancher Rücktritt etwas merkwürdig erscheint. Es gibt auch die anderen Fälle. Es steht uns aber gar nicht zu, darüber zu urteilen, denn das Gesetz gibt die Möglichkeit. Man kann niemandem verübeln, wenn er hiervon Gebrauch macht. Unsere Aufgabe ist es, dieses Gesetz wieder zu ändern.

Ja, die CSU-Fraktion wird mir dankbar sein.

Kinder haben Rechte, daran zweifelt heute niemand mehr. Ich glaube, das werden alle bestätigen. Ich empfi nde es als Schande, dass die Kinderrechte bei uns noch immer nicht im Grundgesetz verankert sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Kindeswohl wird bei uns nämlich in Verwaltung, Politik und Rechtsprechung leider nicht immer ausreichend berücksichtigt. Die Interessen der Kinder und der Jugendlichen spielen in Deutschland leider nur immer eine Nebenrolle, Bayern ist hierbei keine Ausnahme. Wie sonst wäre es zu verstehen, dass sich bei der Einrichtung eines Kindergartens in München die ganze Wohnbevölkerung dieses Gebietes gegen die Einrichtung ausspricht und man keinen Kindergarten in einem Wohngebiet errichten kann?

(Engelbert Kupka (CSU): Das betrifft das Baurecht!)

Da muss man sich schon fragen, wie es dazu kommen kann. Wir haben allerdings auch noch eine Erste Lesung zur Bayerischen Bauordnung, bei der man das Thema noch besprechen muss.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wie ich gelesen habe, hat die CSU eine Art TÜV angeregt, also eine Kinderverträglichkeitsprüfung. Wenn wir die Kinderrechte im Grundgesetz hätten, bräuchten wir so einen TÜV ganz bestimmt nicht.

Wir haben die internationale Verpfl ichtung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Bis zum 05.04.2009 muss Deutschland nämlich einen Bericht darüber abgeben, wie es die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht übertragen hat. Wir haben bereits im Jahr 2004 eine Mahnung bekommen. In meinen Augen ist es deshalb mehr als notwendig, jetzt endlich Zeichen zu setzen. Der Freistaat Bayern soll im Bundesrat die Initiative ergreifen, weil die Fraktionen im Bundestag das Thema zwar fraktionsübergreifend bearbeiten, aber anscheinend keine Zweidrittelmehrheit zusammenkommt, die notwendig ist, um das Grundgesetz zu ändern. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht am 1. April 2008 ein Urteil gefällt, das deutlich macht, dass das Wohl des Kindes ins Zentrum gestellt werden muss und dass sich aus dem Grundgesetz ein Grundrecht auf Pfl ege und Erziehung ergibt, aber das sollte uns nicht davon abhalten, die Kinderrechte explizit ins Grundgesetz zu schreiben.

Erfreulicherweise haben wir in der Bayerischen Verfassung eine Änderung erreicht, und zwar im Jahr 2003. Darauf sind wir alle sehr stolz. Ich bin besonders stolz, weil die SPD hier ihre Handschrift deutlich gemacht hat. In Artikel 125 der Bayerischen Verfassung haben wir den

wird im Herbst einen Bericht vorlegen, der Aspekte enthält, die bei dieser Kommunalwahl nicht optimal gelaufen sind.

Auch bei einigen Formalismen müssen wir darüber nachdenken, ob wir sie tatsächlich brauchen. Wir haben eine Reihe von Fällen, bei denen es leider zu Wahlanfechtungen gekommen ist. Das Wahlrecht muss sehr präzise und formal sein, es wird aber auch zu überlegen sein, ob es nicht Formalismen gibt, die nicht zwingend notwendig sind. Wenn sie nicht unbedingt einen Einfl uss auf den Ausgang der Wahlen haben, kann man vielleicht darauf verzichten. Über all diese Fragen sollten wir im Hohen Hause in Ruhe reden, auch mit allen Aspekten, die Sie, Herr Volkmann, hier vorgetragen haben. Wir werden die Informationen, die wir im Innenministerium haben, dem Ausschuss gern für die Beratungen zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als dem federführenden Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Nachdem wir gleich 15.00 Uhr haben, rufe ich jetzt die Dringlichkeitsanträge auf, weil das auch für diese Uhrzeit vorgesehen war.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Johanna Werner-Muggendorfer, Dr. Linus Förster, Joachim Wahnschaffe u. a. u. Frakt. (SPD) Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen (Drs. 15/10676)

Der nachgezogene Dringlichkeitsantrag 15/10690 der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, betreffend vorbehaltlose Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, wurde zurückgezogen. Ich kann deshalb jetzt gleich die Aussprache eröffnen und darf hierzu Frau Kollegin Werner-Muggendorfer das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte als erstes namentliche Abstimmung zu diesem Antrag ankündigen.

Was ich bis jetzt beschrieben habe, ist die Theorie. Es hat für das alltägliche Leben aber Bedeutung. Die Bedeutung liegt zum Beispiel darin, dass ein Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Institution wie Kinderkrippe oder Kindergarten bestehen muss. Es kann ein kostenfreies Angebot geben, zum Beispiel für das letzte Kindergartenjahr.

In diesem Zusammenhang muss ich eine kurze Bemerkung zu dem Antrag der CSU machen, der nachgezogen wurde. Was da steht, ist wirklich ein Verweis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag für die Kostenfreiheit von Betreuungseinrichtungen.

(Beifall bei der SPD)