Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

… um Räumlichkeiten für den Unterricht während des ganzen Schultages sowie eine sinnvolle Versorgung der Schülerinnen und Schüler während der Mittagszeit sicherzustellen.

Sie haben also erkannt, dass es da einen Bedarf gibt und etwas gemacht werden müsste. Nur zahlen wollen Sie nicht. Es wurde gesagt, wenn man Geld brauche, sollte man sich auf das Bundesprogramm IZPB konzentrieren. Es ist schön, dass die CSU und die Staatsregierung jetzt endlich einmal bereit sind, diese Möglichkeit als positiv anzuerkennen und anzunehmen.

Aber die Probleme, die die Kommunen damit haben, werden dadurch nicht gelöst. Sie wissen so gut wie ich, dass das Geld allein für Baumaßnahmen zur Verfügung steht. Man kann damit Essensräume, Aufenthaltsräume, Küchen – oder wie immer Sie die Räume bezeichnen wollen – bauen, aber man braucht ja auch jemanden, der dann das Essen austeilt, der hinterher aufräumt und die Kinder beaufsichtigt. Wer soll dies machen, und wer soll es bezahlen? Dazu haben die Landräte nichts gehört, außer der Empfehlung, man sollte mit Elterninitiativen sprechen, die da etwas übernehmen könnten, und dergleichen mehr.

Ich habe die große Befürchtung, dass die Dinge genauso ablaufen wie in der sechsklassigen Realschule. Es wird immer wieder etwas beteuert und gesagt, das alles koste kein Geld. Und es wird gesagt, das, was die Sache vielleicht kosten könne, würde der Staat bezahlen. Aber hinterher lässt man die Kommunen mit der ganzen Zeche sozusagen im Regen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, spricht ganz genau dieselbe Sprache. Wer ihn liest, könnte meinen, wir hätten niemals ein neunjähriges Gymnasium gehabt. Wo eigentlich das eine Schuljahr mit dem Stoff hingekommen ist, kann man sich nicht mehr vorstellen. Die Stundentafeln werden zusammengestrichen, damit ja kein Nachmittagsunterricht notwendig wird. Und dort, wo er sich nicht vermeiden lässt, wird er kleingerechnet. Es werden wunderbare Tabellen aufgestellt, die einem vorgaukeln,

dass es ganz einfach sei, 36 oder 37 Stunden in zwei Nachmittagen unterzubringen.

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Herr Sibler, diejenigen, die die Stundenpläne machen, können Ihnen sagen, dass das nicht gehen wird. So viele Stunden wird man dort nicht unterbringen können. Herr Sibler, Sie wissen genau, dass allein schon durch die Intensivierungsstunden, für die man die Klasse teilen muss und einen zweiten Raum braucht, im Stundenplan Löcher entstehen werden. Dann ist es untermeidlich, auf den Nachmittag auszuweichen.

Dieser Gesetzentwurf – das wissen nicht nur die sozialdemokratisch geführten Landratsämter und Rathäuser, sondern das sagen auch Ihre eigenen Leute vor Ort; Sie müssen nur einmal zuhören, wenn die etwas erzählen – ist ein geschicktes Täuschungsmanöver, das den Kritikern die Argumente nehmen soll und Sie vor finanziellen Aufwendungen bewahren soll.

Gespannt sind wir natürlich – ebenso wie Sie wahrscheinlich auch – auf den neuen Lehrplan. Da wird sich zeigen, wie sinnvoll das Zusammenstreichen der Stundentafel gelingt, wie sich das konkret auf die Fächer verteilt und ob es wirklich gelingt – wie Sie in diesem Antrag schreiben –, den Stoff deutlich zu straffen und dennoch Zeit zu lassen für Üben, Vertiefen und Wiederholen. Diesen Aussagen können wir zustimmen, Herr Kollege Sibler, denn das sind Binsenweisheiten, die alle unterstützen können. Der Teufel liegt im Detail. Die Umsetzung gelingt nicht. Solange ich im Landtag bin, höre ich immer wieder solche Parolen. Leider haben wir hinterher immer feststellen müssen, dass sich die Änderungen von Lehrplänen stets weitgehend auf die Schriftgröße oder das Layout beschränkten. Die Überschriften sind geblieben, die detaillierten Ausführungen bezüglich des Stoffs aber sind gekürzt worden. So viel ist meistens nicht herausgenommen worden, wie es wünschenswert gewesen wäre. Darüber werden wir noch zu diskutieren haben.

Der Aussage im ersten Spiegelstrich kann man durchaus zustimmen, dass es Ziel ist, die gymnasiale Qualität zu erhalten, und dass alles getan werden muss, die Abiturientenquote auf dem heutigen Stand zu halten und zu vermeiden, dass die Qualität sinkt und die Abiturienten noch weniger werden. Auch dem kann man nur zustimmen.

Ich bin erfreut, dass Sie in diesem Antrag endlich auf den Begriff der sozialen Auslese eingehen und dass Sie jetzt, genauso wie der Philologenverband, endlich erkennen, dass zu viele Schülerinnen und Schüler in den Gymnasien sitzen bleiben, dass zu viele scheitern und das Abitur nicht erreichen. Ich kann mich noch an Zeiten vor der Wahl erinnern, als Sie uns für dumm erklärt haben, wenn wir auf dieses Problem hingewiesen haben und mehr individuelle Förderung in den Gymnasien gefordert haben.

(Beifall bei der SPD)

Diese individuelle Förderung soll nun über die Intensivierungsstunden kommen. Das begrüßen wir. Aber es gibt für diese Intensivierungsstunden kein Konzept. Man sagt, das sollen die Schulen vor Ort ausarbeiten. Ein noch grö

ßeres Problem ist, dass Sie die Intensivierungsstunden, wo immer Sie hinkommen, als die Wunderwaffe, das Mittel der Lösung für alles, verkaufen, für die Förderung der Schwachen, für die Förderung der Superguten. Für alles, was von Lehrern, Eltern oder Schülern an Kritik an Sie herangetragen wird, müssen diese Intensivierungsstunden herhalten.

Unmöglich finde ich es – Gott sei Dank gehen Sie im Antrag jetzt darauf ein –, ein achtjähriges Gymnasium einzuführen, einen neuen Lehrplan vorzulegen und nicht zu wissen, wie die gymnasiale Oberstufe aussehen soll. Ich meine schon, dass es einen Zusammenhang gibt, was die Erfordernisse im Gesamtkonzept angeht, und dass man wissen muss, wenn man einen Lehrplan vorlegt, was sich in der Schule ändert, welche Fächer im Abitur belegt werden müssen und was sich in der Stundenzahl tut. Sie problematisieren diese Thematik im Antrag allerdings ziemlich dürftig. Es ist so eine Art Abhandlung, aber Sie werden der Bedeutung der gymnasialen Oberstufe damit nicht gerecht. Da sollten Sie sich schon einer intensiven Diskussion im Bildungsausschuss stellen. Wir sollten dort gemeinsam und wirklich intensiv und unter Abwägung aller Argumente über diese gymnasiale Oberstufenreform reden und nach Lösungen suchen.

Alles in allem ist es nach meiner Auffassung Zeit geworden, dass die CSU nun von sich aus dieses Thema in den Landtag gebracht hat und sich nicht immer dazu drängen lässt. Es muss hier entschieden werden. So ist es bisher gelaufen, Herr Pachner, das wissen Sie genauso gut wie ich. Mit Händen und Füssen haben Sie sich gewehrt, als Sie dieses Thema aufs Tablett bringen sollten. Darüber muss hier im Landtag entschieden werden, das darf nicht nur in CSU-Klausurtagungen behandelt werden; denn es muss das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz geändert werden.

Der Antrag lässt mich allerdings vermuten, Sie haben ihn nur gestellt, um nicht länger den Eindruck zu erwecken, dass Sie in dieser Frage der Staatsregierung hinterherlaufen und danach fragen, wie die das haben will, als ob Sie nichts zu sagen hätten.

(Beifall bei der SPD)

Die Aneinanderreihung von allgemein gehaltenen Aussagen in sieben Spiegelstrichen, die vage Andeutung in dem einen Spiegelstrich, was Sie mit der gymnasialen Oberstufe wollen, sowie die wirklich unverschämte Weigerung, das Konnexitätsprinzip anzuerkennen und für die Folgekosten einzutreten, machen diesen Antrag zu einem Antrag, der den Problemen wirklich nicht gerecht wird.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist zynisch!)

Dieser Antrag zeigt einmal mehr, dass Sie immer noch nicht bereit sind, sich wirklich damit zu beschäftigen, eine dringend notwendige, gründliche und richtige Vorbereitung und Umsetzung des G 8 auf den Weg zu bringen, anstatt die Staatsregierung einfach alleine machen zu

lassen. Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU: Oh, oh, oh!)

Als Nächste hat Frau Kollegin Tolle das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum G 8 ist gestern und heute schon viel gesagt worden. Ich kann mich im Wesentlichen der Kollegin Schieder anschließen.

(Zurufe von der CSU: Oh, oh! – Unruhe)

Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass wir über zwei verschiedene Dinge sprechen. Es gibt zum einen den Gesetzentwurf und zum andern den Antrag. Der Antrag kam erst, als die Gesetzesvorlage schon im Umlauf gewesen ist.

Ich spreche jetzt zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion. Wir begrüßen, dass endlich eine Anhörung stattfindet. Damit wird sich dann der Bildungsausschuss – man höre und staune – zum zweiten Mal mit diesem Thema beschäftigen.

Selbstverständlich lehnen wir den Antrag auch ab.

(Zuruf von der CSU: Oh, schade!)

Er ist, wie Frau Kollegin Schieder schon gesagt hat, aus der Hüfte geschossen und hat viel Vertrauen zerstört. Wir hätten uns mehr Zeit gewünscht, um die Modellversuche auszuwerten und die Lehrpläne in einer gesellschaftlichen Diskussion sinnvoll zu straffen und Schlüsselqualifikationen hineinzunehmen. Ich glaube, dass die Dialogveranstaltungen die Betroffenen noch nicht zu Beteiligten gemacht hat. Sie hätten mehr Zeit für ein pädagogisches Konzept gebraucht, das sich über den ganzen Tag erstreckt.

Für mich ist es auch wichtig, noch einmal klarzumachen, dass die Mittagspause in das pädagogische Konzept integriert und als Aufgabe der Schule begriffen werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist sinnvoll, die Aufsicht über die Kinder auch während einer oder einer Dreiviertelstunde Mittagspause der Schule zu überlassen. Eine Überlegung, die Sie in die Mittagsbetreuung noch hätten mit einbringen können, sind Gedanken über Schulsozialarbeiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf einzelne Kritikpunkte zu Ihrem Antrag möchte ich jetzt kurz eingehen. Ich bedauere sehr, dass die jetzigen fünften Klassen aufgenommen werden; denn sie bekommen

ein Modell aufoktroyiert, für das sie sich nicht entschieden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn dem so ist – ich stehe auch im Dialog mit den Eltern, Lehrern und Schülern –, ist es gut, die jetzigen fünften Klassen schon ein bisschen darauf vorzubereiten, was auf sie zukommt. Sie rutschen ja in einen neuen Lehrplan hinein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu den Intensivierungsstunden erlauben Sie mir die Anmerkung, dass das Vertrauen in Ihre G 8-Politik abhanden gekommen ist. Ich bin sehr gespannt, wie das mit den Intensivierungsstunden aussehen wird. Ich erkenne hier übrigens Unterschiede zwischen Ihrem Antrag und dem Gesetzentwurf. Im Gesetzentwurf steht nichts, aber im Antrag schreiben Sie, dass Sie die Verantwortung für die Intensivierungsstunden an die Schulen delegieren wollen.

Ich möchte auch noch auf eine Diskrepanz aufmerksam machen, die Sie, Kollege Sibler, mir sicherlich noch erklären können. Sie sprechen in Ihrem Antrag von einem Gesamtumfang von 274 Stunden; im Gesetzentwurf sind 206 Wochenstunden zu finden.

(Manfred Weber (CSU): Sie sollten rechnen und bis 12 zählen können!)

Zu der von Ihnen vorgeschlagenen Neugestaltung der Oberstufe halte ich Ihnen entgegen, dass ich das für einen Rückfall in die Bildungssteinzeit halte. Auch aus pädagogischen Gesichtspunkten heraus glaube ich, dass das Lernen des wissenschaftlichen Arbeitens ein Teil eines Konzeptes sein muss, das bereits in der fünften Klasse beginnt.

Ein Fach zu haben, in dem die Schüler üben, wie man wissenschaftlich arbeitet, ist höchstens peinlich. Das muss in der fünften Klasse beginnen, und die Kür muss in der Oberstufe stattfinden.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist ja eine ganz neue Pädagogik!)

Sie haben noch ein paar Jährchen Zeit, die Hochschulen müssen noch zwei Jahrgänge aufnehmen. Vielleicht überdenken Sie für den nächsten Haushalt die Kürzungspläne für die Hochschule, damit diese dann auch darauf vorbereitet sind, die Jahrgänge aufzunehmen. Nachdem Sie Transparenz in einem Haushaltstitel gestern abgelehnt haben, mahne ich weiterhin an, dass Sie die zusätzlichen Kosten nicht den Sachaufwandsträgern aufbürden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen ende ich mit dem, was ich mir vorgenommen habe, jetzt öfter zu tun: Ich mahne meine zwei K an: erstens: Konzept. zweitens: Kohle.