Protokoll der Sitzung vom 22.04.2004

Es wird auch die Zeit kommen, zu der wir die Rückführung in den Irak vornehmen werden. Auch da sage ich: Derjenige, der als Helfer, als Abgeordneter oder als diakonischer Berater sagt, das machen wir schon, wir werden das solange hinauszögern, alle Rechtsmittel ausschöpfen und Unterschriftenlisten auslegen,

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜ- NE))

der hilft den Leuten nicht, sondern macht ihnen etwas vor.

(Beifall bei der CSU – Alexander König (CSU): Das schadet meistens den Kindern!)

Diejenigen, die geraten haben, versprecht, in nächster Zeit zu gehen, ohne das vorzuhaben, haben dieser Familie einen Tort angetan. Diejenigen, die das getan haben, haben den Kindern nichts Gutes getan, sondern etwas verhängnisvoll Schlechtes; vor denen habe ich keine Achtung. Leuten etwas vorzumachen, ist unmenschlich, das führt nur zu noch größeren Schwierigkeiten.

Wir können aber nicht deswegen, weil Leute denen etwas vorgemacht haben – ich glaube sogar, zu wissen, wer das gewesen ist –, die gesamte Verwaltungspraxis umstellen. In Zehntausenden anderer Fälle, in denen die Leute korrekt beraten worden und ausgereist sind, die sich an die Gesetze gehalten und nicht alle Verzögerungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, würden sich die Betroffenen betrogen fühlen. Wir müssen auch den anderen in die Augen schauen können. Unsere Spielregeln sind klar; die heißen in Bayern: Wo wirkliche Not herrscht, wird geholfen, mehr als in anderen Ländern; Missbrauch wird abgestellt, und auch das konsequenter als in anderen Ländern.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatsminister hat dreizehn Minuten gesprochen. Nach der Geschäftsordnung stehen jeder Fraktion auf Antrag jetzt noch acht Minuten Redezeit zu. Als Erste hat sich Frau Kollegin Paulig zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, Ihre Argumentation stützt sich darauf, andere wurden abgeschoben, also müssen diese auch abgeschoben werden. Sie sehen nicht, dass es sich hierbei um eine Familie mit drei Jugendlichen handelt. Wir tragen eine Verantwortung für die Zukunftsperspektiven dieser jungen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Hier wurden heute einige Details genannt. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob diese oder jene Regelung des IMS vom Mai 2001 eingehalten ist. Ich möchte drei Punkte daraus anführen. Zum einen heißt es, das IMS soll Regelungen bieten für Menschen – damit sie hier bleiben können –, die „seit Jahren in Deutschland faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind und die bei ihrer Rückkehr eine eigenständig geschaffene und gesicherte Lebensgrundlage aufgeben müssten.“ Das ist der Kern des IMS; der trifft hier zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe im Vorfeld viel mit den Mitarbeitern in Ihrem Haus diskutiert. Es wurde mir immer gesagt: Damals, zum Stichtag, war der Lebensunterhalt nicht gesichert, da gab es dies und jenes, da fehlten die zwei Jahre Beschäftigung, da wurde zwischenzeitlich Sozialhilfe bezogen, da bestand zwischenzeitlich Arbeitslosigkeit bei der Mutter.

Damals war der Lebensunterhalt nicht gesichert. Auch das Landratsamt hat im Oktober 2002 gesagt: „Es kann zum Stichtag nicht die Prognose getroffen werden, dass

der Lebensunterhalt sicher ist“. Jetzt kann der Lebensunterhalt aber als gesichert festgestellt werden. Die Prognose war falsch. Das haben wir jetzt zu berücksichtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben auch die Erklärung der Regens-Wagner-Stiftung der Caritas, dass die Mutter einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten würde, sobald ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis möglich würde. Das liegt uns schriftlich vor. Zwischenzeitlich wurden sieben oder acht Arbeitsplätze in zwei Pizzabäckereien in Bad Tölz und Miesbach geschaffen.

Die drei Jugendlichen befinden sich in der Ausbildung. Es gab eine Petition des Apothekers, bei dem Negrite eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin macht, dass Negrite in Deutschland bleiben darf.

Wir haben tatsächlich viele Leserbriefe und Pressemeldungen, aus denen hervorgeht, dass sich die Bevölkerung für diese Familie einsetzt.

Zum zweiten Punkt, das IMS betreffend: Sie sagen, die Mutter hält sich weniger als sechs Jahre in Deutschland auf. Im IMS steht:

Im Bundesgebiet lebende Ehegatten und einbezogene Kinder können eine Aufenthaltsbefugnis auch dann erhalten, wenn ihr Aufenthalt weniger als sechs Jahre beträgt.

Zum dritten Punkt, das IMS betreffend: Sie haben den Vater bzw. die Familie als fast kriminelle Mitbürger aus ExJugoslawien hingestellt; das IMS nennt klare Ausschlussgründe:

Ein vorsätzliches Hinauszögern... ist in erster Linie bei nachgewiesenen Fällen des Untertauchens oder der Täuschung über die Identität und die Staatsangehörigkeit gegeben.

Ein vorsätzliches Hinauszögern der Beendigung des Aufenthalts durch Untertauchen oder Täuschung liegt nicht vor. Ich lese weiter:

Für einen Ausschluss von der Regelung genügt in der Regel nicht, dass der Betroffene von seinen gesetzlichen Rechten auf verwaltungsrechtliche Überprüfung und/oder seinem Petitionsrecht Gebrauch gemacht hat.

Wenn wir das IMS in seiner Gesamtheit beurteilen, dann hätten wir die Möglichkeit, dieser Familie das Aufenthaltsrecht zu gewähren. Ich bitte Sie, nicht einfach zu sagen, andere mussten auch gehen. Ich bitte Sie, die Zukunftsperspektiven dieser Familie zu sehen, auch angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Kosovo, der dort erneut aufflammenden Gewaltbereitschaft in den letzten Wochen und der unstabilen gesellschaftlichen Verhältnisse.

Abschließend möchte ich aus einem Schreiben eines Mannes aus Holzkirchen zitieren, der mir persönlich aber nicht bekannt ist:

Es gehen acht Arbeitsplätze verloren und laufende Steuereinnahmen

aus Pizzaniederlassungen –

in Bad Tölz und Miesbach. Hier wird unser Geld, das auch ich als mündiger Steuerzahler an meine bayerische Regierung gerne abgebe, wenn es nutzbringend verwendet wird, unwirtschaftlich, unlogisch verwaltet und abgesehen davon eine fünfköpfige Familie möglicherweise in eine menschliche Katastrophe entlassen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung, dieser Familie Zukunftsperspektiven zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächste hat sich Frau Kollegin Dr. Strohmayr gemeldet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will dazu kurz Stellung nehmen. Herr Minister, Sie haben vorhin davon gesprochen, natürlich müsse der Grundsatz gelten, dass wir die Menschen, denen wir hier helfen, die wir zu uns holen, auch bitten, in ihre Länder zurückzukehren, nachdem wir ihnen Hilfe geleistet haben und Möglichkeiten für die Rückführung in ihre Länder bestehen. Das tragen wir von der SPD mit. Ich glaube, dass unsere Linie im Petitionsausschuss immer wieder deutlich wird. Es ist nicht so, dass wir uns in jedem Fall dafür einsetzen, dass Familien oder die Betroffenen hier bleiben dürfen.

Es gibt aber immer wieder Einzelfälle, die ganz knapp nicht mehr unter den IMK-Beschluss fallen; dies ist ein solcher Einzelfall. Man muss sich vergegenwärtigen: Herr Morina kann aufgrund seines Arbeitsunfalls kein zweijähriges Arbeitsverhältnis nachweisen. Er hat – das haben Sie selbst ausgeführt – rechtmäßig Rente bezogen.

Er kann nur aufgrund seines Arbeitsunfalls den Voraussetzungen des IMK-Beschlusses nicht entsprechen. Ich denke, dies ist ein Härtefall. Wir sind doch keine Richter, die an jedem Wort des Gesetzes hängen. Wir sind dafür da, in solchen Härtefällen zu sagen: Hier können wir eine Ausnahme machen. Dies ist eine begründete Ausnahme. Ähnlich sieht es bei Frau Morina aus. Auch sie kann ganz knapp keine vollen zwei Jahre Arbeitstätigkeit nachweisen. Die GRÜNEN haben ausgeführt, dass Frau Morina das nicht kann, weil ihr die Arbeitserlaubnis entzogen wurde.

Ich bitte darum, hier zu differenzieren. Grundsätzlich gesehen ist es richtig: Wenn wir den Menschen geholfen haben, müssen sie in ihre Länder zurückgehen. Es gibt aber immer wieder Einzelfälle, in denen ein berechtigtes Anliegen besteht, dass eine Familie hier bleibt. So ein Ein

zelfall liegt hier vor. Wir machen uns dafür stark. Ich bitte Sie, uns dabei zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Staatsminister Dr. Beckstein um das Wort gebeten.

Ich will nur noch drei Sätze sagen. Erster Satz. Das Schreiben des Innenministeriums vom 01.06.2001, das sich auf den Beschluss der Innenministerkonferenz bezieht, ist keine allgemeine Härtefallregelung, sondern eine abschließende Altfallregelung.

Zweiter Satz. Wer Menschen etwas anderes vormacht und den Eindruck erweckt, man könnte hierauf eine allgemeine Härtefallregelung aufbauen, wer ankündigt, man könnte bleiben, hilft diesen Menschen nicht. Er verschärft die Schwierigkeiten vielmehr.

(Beifall bei der CSU)

Dritter Satz. Gerechtigkeit heißt für mich Gleichbehandlung, auch dann, wenn einige Presseartikel und Unterschriftenlisten vorgelegt werden.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bra- vo!)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden hat beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 4 des Bayerischen Landtags aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären. Wie bereits angekündigt, hat die Fraktion der GRÜNEN namentliche Abstimmung beantragt. Wer dem Votum des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden zustimmen will, den bitte ich, die blaue Ja-Karte zu benutzen. Für Gegenstimmen ist die rote Nein-Karte zu verwenden. Stimmenthaltungen sind mit der weißen Stimmkarte anzuzeigen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechenden Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion. Die NeinUrne ist auf der Seite der Opposition im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Urne für die Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch vor mir. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Sie haben fünf Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 13.02 bis 13.08 Uhr)

Die Frist für die Abstimmung ist abgelaufen. Damit ist die Abstimmung abgeschlossen. Ausgezählt wird außerhalb des Saales. Meine Damen und Herren, wir haben uns für den weiteren Ablauf darauf verständigt, dass wir mit den Dringlichkeitsanträgen um 14.30 Uhr beginnen. Damit ist noch eine verträgliche Mittagspause gegeben. Ich sehe eine Menge fragender Gesichter.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir beginnen um 14.30 mit den Dringlichkeitsanträgen. Wir machen jetzt die mündlichen Anfragen. Herr Staatsminister steht schon bereit.

Ich rufe auf: