Protokoll der Sitzung vom 21.07.2004

Das war im Jahre 1993. Dann wurde bis zum Jahre 2000 gearbeitet. Das große Projekt hat kein einziges so genanntes Produkt auf den Markt gebracht. Es war nicht anwendbar. Im Jahre 1999 habe ich in der Finanzministerkonferenz gesagt, Bayern wird aus dem Fiscusverbund austreten, wenn nicht in einem Jahr Ergebnisse vorliegen. Ich habe noch einmal ein Jahr zugegeben. Danach lagen immer noch keine Produkte oder anwendbaren Programme vor. Man gründete die fiscus GmbH. Ich habe nicht mitgemacht, weil ich der Meinung war, dass diese GmbH erfolglos sein wird. Bayern hat deshalb nicht mitgemacht und auf eine andere Methode, nämlich auf die Methode EOSS gesetzt, die pragmatisch Schritt für Schritt vorgeht und nicht versucht, auf der grünen Wiese ein neues Haus zu bauen. Mit uns im Boot sind das Saarland und alle neuen Bundesländer.

Bei der Sonderkonferenz der Finanzminister zu „Fiscus“ wurde Folgendes beschlossen: Erstens. Das Konzept „Fiscus“ ist beendet. Als Bayer könnte ich sagen, dass wir das im Gegensatz zu allen anderen Ländern schon drei Jahre früher gewusst haben. Ich sage das aber nicht.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Wir haben damit sehr viele Steuergelder des Freistaates Bayern gespart.

Zweitens. Die fiscus GmbH bleibt als Dienstleister möglicherweise erhalten. Ich bin nicht Gesellschafter. Die Gesellschafterversammlung muss entscheiden, wie das abgewickelt werden soll. Offenbar gibt es die Vorstellung, dass man die Dienstleistungen abruft, verantwortlich sind aber die Länder. Zentral verantwortlich ist unter anderem Bayern, in einem wesentlichen Teilstück gemeinsam mit Niedersachsen und in einem anderen Teilstück gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Wir tragen die zentrale Verantwortung für die EDV-Entwicklung, obwohl wir an der fiscus GmbH nicht beteiligt sind. Wir werden mit diesem Konzept – von Bayern durchgesetzt und von mir verantwortet – sicherlich erfolgreich sein und nicht solche Misserfolge haben wie die fiscus GmbH. Ich füge hinzu: Der Bund war es, der diese Missgeburt am Leben erhalten hat, indem er für alle neuen Bundesländer die Kosten der fiscus GmbH übernommen, aber inhaltlich nichts beigetragen hat. Die Herren des Bundes saßen nur dabei und hatten – entschuldigen Sie, dass ich das so sage – keine Ahnung.

Ich glaube, auf der Basis der letzten Finanzministerkonferenz sind wir auf gutem Wege, was nicht zuletzt dem Einfluss und der Durchsetzungskraft und der Konzeptionsstärke des Freistaates Bayern zu verdanken ist.

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Wir müssen versuchen, dass wir eine bessere Administration bekommen. Deshalb machen wir Befragungen, Evaluationen, inszenieren Wettbewerbe zwischen den Finanzämtern usw. Die bayerischen Finanzämter haben im Ländervergleich stets mit guten Noten abgeschnitten.

Entscheidend ist, dass es erstens keinen Einfall beim Steuerrecht und zweitens keine Zentralisierung geben darf. Würde auf ein zu kompliziertes Steuerrecht auch noch eine zentralisierte Steuerverwaltung draufgesetzt werden, wäre das nicht nur ein Anschlag auf unsere Verfassung, sondern auch ein Anschlag auf unsere Bürger; denn das Ergebnis wird eine drastische Verlängerung der Verfahrenszeiten und eine Verschlechterung des Services sein. Dies gilt es zu verhindern. Weiterhin gilt es zu verhindern, dass Mitglieder dieses Landtags dieses unsägliche Konzept vertreten.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/1468 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion angenommen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Jürgen Dupper, Dr. Heinz Kaiser und anderer und Fraktion (SPD) Wiedereinführung der bisherigen Biersteuermengenstaffel (Drucksache 15/1469)

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat sich Kollege Dupper zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, unserem Dringlichkeitsantrag zur Wiedereinführung der bisherigen Biersteuermengenstaffel zuzustimmen. Der Nachtragshaushalt 2004 schlug eine ziemlich breite Schneise in die bayerische „Landschaft“. Polizeibeamte, Forstbeamte, Sportvereine, Feuerwehren, behinderte Menschen, alte Menschen – nichts war vor den Kürzungen der Bayerischen Staatsregierung sicher.

Zu dieser schwarzen Liste der ganz besonderen Art gesellte sich im Sommer 2004 die bayerische Brauwirtschaft, genauer gesagt die kleinen und mittelständigen Brauereien in Bayern. Das ganze Ausmaß der pittoresken Politik der Bayerischen Staatsregierung wird aus einem Zitat deutlich, das in einem Brief steht, das die zwölf Brauereien aus den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau an mich – wahrscheinlich nicht nur an mich – geschrieben haben. Wörtlich heißt es:

Die Verärgerung gerade der Betriebe der bayerischen Brauwirtschaft resultiert auch aus dem

Umstand, dass es sich bei der Biersteuer um eine Steuer handelt, von deren Erhöhung aufgrund der Struktur unserer Branche nahezu ausschließlich der Freistaat Bayern profitiert. Ohne anderen Bundesländern, ja sogar dem Bund zu schaden, hätte der Freistaat Bayern deshalb mit Blick auf die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse der Brauwirtschaft im Vermittlungsausschuss auf eine Erhöhung der Biersteuer verzichten können. Es ist für uns völlig unverständlich, dass die einzigartige Vielfalt des bayerischen Brauwesens, die ausschließlich auf seiner mittelständischen Struktur beruht, von den politischen Vertretern des Freistaates zwar bei jeder Gelegenheit lobend herausgestellt wird, dass dann aber gleichzeitig durch steuerpolitische Maßnahmen die einzigartige Vielfalt leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.

Ich hätte es nicht schöner sagen können, als es das Zitat von zwölf Brauereien aus dem schönen Niederbayern ausdrückt.

Vielleicht der Reihe nach: Der Vermittlungsausschuss war in Not, vermittelte und versuchte, die vorgezogene Steuerreform gegenzufinanzieren. Wir erkennen die Anstrengungen an. Irgendwann um Mitternacht wurde die Koch/ Steinbrück-Liste auf den Tisch gelegt

(Franz Josef Pschierer (CSU): Von wem?)

ich komme noch darauf, Herr Pschierer, das wird eine wunderbare Überraschung –, in der sich auch die Biersteuermengenstaffel befand. Sie wurde beschlossen, und sah einen 12-prozentigen Subventionsabbau vor, der in drei Schritten erfolgen soll. Das Ganze kam ins Haushaltsbegleitgesetz und wurde im Bundestag und Bundesrat beschlossen – aus, Äpfel Amen. So sieht es aus. Das hat drastische Auswirkungen für Bayern. Über dieses Problem müssen wir uns heute unterhalten. 640 Brauereien haben in Bayern ihren Sitz. Das sind immerhin 50 % der deutschen Braustätten. Wir haben einen durchschnittlichen Ausstoß von 10 000 Hektolitern und sind von der Abschaffung der Biersteuermengenstaffel betroffen. Die Bayern der früheren Jahrzehnte waren schlauer. Schon 1889 haben sie die Biersteuermengenstaffel eingeführt. Niemand anderes als Theo Waigel hat die Steuerstaffel gegen die EU verteidigt. Deshalb ist er jetzt sehr verärgert über seine CSU.

Unser Begehr im Zusammenhang mit der Biersteuermengenstaffel ist dasselbe wie das des bayerischen Brauerbundes und das des Verbandes der mittelständischen Privatbrauereien.

Sie alle haben die einschlägigen Schriftsätze zu Gehör und zu Gesicht bekommen; denn die Abschaffung und der teilweise Abbau der Biersteuermengenstaffel hatten kuriose Ergebnisse. Zum einen wurde die Wettbewerbsneutralität der Steuerreform verletzt. Herr Minister, ich muss Ihnen das nicht erzählen. Sie wissen das. Zum anderen wurde für Brauereien mit einem Jahresausstoß zwischen 40 000 und 200 000 Hektolitern ein Subventionsabbau von de facto 36 % fällig. Ursprünglich waren 12

% vorgesehen. So kommt es, dass eine Passauer Brauerei mit 145 000 Hektoliter Ausstoß mit 41 000 Euro zusätzlich im Jahr belastet wird. Dieses Phänomen führt dazu, dass der Staat, Herr Finanzminister, statt der prognostizierten drei Millionen Euro, wie das Koch/Steinbrück ursprünglich wollten, sieben bis acht Millionen Euro kassiert.

Es ist Handlungsbedarf. Es gibt allen Grund, die Biersteuermengenstaffel wieder einzuführen. Bayern hat es in der Hand. Es hätte dann alle Verbände hinter sich. Es ist ziemlich überraschend, dass die Großbrauereien ebenso wie die kleinen mit einer Zunge sprechen.

Bayern hat grünes Licht von den rot-grünen Bundestagsfraktionen. Es liegt schriftlich vor, dass diese eine Initiative Bayerns unterstützen würden. Deswegen beschwöre ich Sie: Unterstützen Sie heute diesen Dringlichkeitsantrag und starten Sie im Bundesrat zum Wohl der bayerischen Brauereien diese Initiative. Ich habe mich über die Hitzigkeit der Debatte im Wirtschaftsausschuss und auch im Haushaltsausschuss, Kollege Ach, gewundert und frage mich: Warum unterstützen Sie uns in dieser Frage nicht? Warum wird die bayerische Staatsregierung nicht tätig?

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Pschierer. Die erste Antwort ist eine Auskunft des Bayerischen Brauerbundes. Schon im Oktober hat der Bayerische Brauerbund Herrn Finanzminister Faltlhauser und Herrn Wirtschaftsminister Wiesheu auf die Probleme aufmerksam gemacht. Keiner von beiden wurde tätig – das habe ich schriftlich. Sie haben im Vermittlungsausschuss die Brauereien auflaufen lassen.

Die zweite Antwort ist noch viel dramatischer, Herr Kollege Pschierer. Bei der Durchsicht der Bundestagsprotokolle stieß ich auf das Protokoll der Bundesratssitzung vom 11. Juni 2004. Erwin Huber, Ihr Staatsminister, vielleicht sogar unser aller Staatsminister, sagte:

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es im Rahmen der Vermittlungsverfahren im Herbst und im Dezember letzten Jahres mit Hilfe der so genannten Koch/Steinbrück-Liste möglich war, Subventionen … zu kürzen. Diese Initiativen sind nicht von der Bundesregierung, sondern von der Länderseite ausgegangen, und Sie sind letztlich Begünstigte dieser Entscheidungen.

(Zuruf von der SPD: Respekt!)

Herr Kollege, im Eifer über die Biersteuer ignorieren Sie nachhaltig meine Hinweise, dass Ihre Redezeit zu Ende ist.

(Heiterkeit)

Bei der Leidenschaft hinsichtlich dieses Themas hat alles nichts genutzt. Ich gebe Ihnen noch eine letzte Frist, nämlich eine Minute Zugabe.

Herr Präsident, ich bitte tausendmal um Entschuldigung, aber wenn es um das Bier geht, geht bei mir der Gaul durch.

Das verstehe ich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurzum, sei es, wie es sei, wie es geschehen ist; darüber schlagen wir jetzt ein Ei. Ich würde sagen: Unser Blick muss sich nach vorne richten. Wie soll man diese Geschichte aus der Welt bringen? – Stimmen Sie dem Antrag zu, und dann erfreuen wir uns an der bayerischen Volksfestsaison.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich teile mit, dass die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat. Das Wort hat nun Staatsminister Prof. Faltlhauser.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, war ich zwischen 1980 und 1995 Mitglied des Deutschen Bundestages und lange Zeit für meine Fraktion für die Finanz- und Steuerpolitik zuständig. In diese Zeit fällt die Initiative zur Einführung der Biersteuermengenstaffel, erfunden vom damaligen Finanzstaatssekretär Zeitler aus Bayern und umgesetzt von Finanzminister Theo Waigel. Dies war eine bayerische Initiative mit Blick auf die mittelständische Struktur der bayerischen Brauwirtschaft. Meine Damen und Herren, insofern ist das ein Gegenstand, der aus unserer Mitte kommt und der von mir immer mit großer Überzeugung vertreten wurde. Die Biermengensteuerstaffel ist eine klassische, hervorragende Förderung für mittelständische Brauereien, die vor allem in Bayern ihre Heimat haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dann passt es ja!)

Jetzt fordert gleichzeitig aber auch alle Welt jeden Tag – im Übrigen auch die Bundesregierung, ohne dass sie irgendetwas vorlegt –: Subventionsabbau! Gegenwärtig läuft die Bundesregierung herum mit den Worten: Eigenheimzulage streichen, dann können wir alles finanzieren. Wenn Sie sie aber streichen, haben Sie im ersten Jahr 100 Millionen Euro. Das ist kein Ansatz.

Wenn Sie wirklich Subventionsabbau machen wollen, dann müssen Sie dies linear über alle Bereiche hinweg tun; sonst haben Sie keine reale Chance. Die Realisierung der so genannten Koch/Steinbrück-Liste – weder Herr Koch noch Herr Steinbrück hat etwas mit Bayern zu tun; Herr Steinbrück ist Ministerpräsident von NordrheinWestfalen und von der SPD – hat dies bewiesen. Das war eine große Liste zum Subventionsabbau, und zwar in Stufen und insgesamt in Maßen. Alle Länder und der Bund sind über die Ergebnisse dieses Subventionsabbaus froh. Ich habe keinen Verantwortlichen gehört, der dies jemals in Zweifel gezogen hat. Wie kann man diese Methode, mit der man im steuerlichen Bereich und bei der direkten Finanzierung, bei Zuschüssen Kürzungen vornimmt, im demokratischen Prozess durchbringen? – Nur dadurch,

dass man kaum oder keine Ausnahmen macht. So war auch die Debatte im Vermittlungsausschuss.

Meine Damen und Herren, im Vermittlungsausschuss gab es eine Fülle von Bitten und Anträgen, Ausnahmen von der großen Liste zu machen. Die entsprechende Initiative aus Bayern war natürlich, die Biermengensteuerstaffel herauszunehmen. Sie ist unsere Erfindung, sie betrifft in erster Linie unsere Brauer. Das Ergebnis war, dass sämtliche anderen Gesprächspartner natürlich gesagt haben: Herr Finanzminister, dann nehmen Sie bitte schön auch die Nummer soundso und die Nummer soundso heraus. Dutzende von Ausnahmen wurden gefordert. Dies wäre die Schleifung des Subventionsabbaukonzeptes von Koch/Steinbrück gewesen. Nichts wäre herausgekommen. So hat man sich im langen Diskussionsprozess darauf geeinigt, bis auf zwei überhaupt keine Einzelpunkte herauszunehmen – das war die große Gemeinschaftsaufgabe, die Regionalförderung.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Münchner Kollegen?

Aber mit Sicherheit, Herr Memmel.

Herr Staatsminister, könnten Sie sich vielleicht vorstellen, dass diese Biersteuermengenstaffel unter einem historischen Bestandsschutz steht? Nicht Waigel hat sie eingeführt, sondern sie wurde 1889 eingeführt und hat alle schlimmen Zeiten Deutschlands überstanden.

Herr Kollege Memmel, auch wenn Sie biererfahren sind,

(Heiterkeit bei der CSU)

darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Biersteuermengenstaffel, so wie sie ist, ein Konzept ist, das zunächst im bayerischen Finanzministerium und dann, nach Bonn mitgenommen, von Herrn Staatssekretär Zeitler entwickelt wurde und von Herrn Waigel in einem Gesetzgebungsverfahren, das Sie nachblättern können, durchgesetzt wurde. Vorher gab es auch Staffelungen, aber nicht diese feinziselierte Biersteuermengenstaffel, die wir jetzt haben.

Meine Damen und Herren, man hätte auf diese Weise also das gesamte Gebäude der Koch/Steinbrück-Liste zerstört. Sie konnte nur dadurch zusammengehalten werden, dass alle, ob aus Nordrhein-Westfalen, aus BadenWürttemberg oder aus Niedersachsen, ihre Spezialwünsche und ihre besonderen Forderungen zurückgestellt haben. Nur deshalb ist diese Biersteuermengenstaffel im Paket geblieben – zu unserem Bedauern.