Protokoll der Sitzung vom 21.07.2004

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Das ist kein Vorbild für unsere Schülerinnen und Schüler. Deswegen müssen Sie die Konsequenz ziehen. Frau Hohlmeier, ersparen Sie uns den quälenden Ablösungsprozess, wie Sie ihn bei der Münchner CSU praktiziert haben. Tun Sie das unseren Schülerinnen und Schülern nicht an! Ich fordere Sie auf: Treten Sie von Ihrem Amt zurück.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile das Wort Frau Kollegin Tolle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Bruder in Christo - Herr Stahl -, mit Blick auf die Vorgänge seit der Verkündung des achtjährigen Gymnasiums fällt mir oft ein Märchen ein. Das Märchen heißt: „Des Kaisers neue Kleider“. Herr Kollege Sibler, es wurde viel gewebt und gesponnen, viele feine Broschüren wurden herausgegeben, Dialogveranstaltungen wurden durchgeführt. Am Ende bleibt eine Erkenntnis – Frau Hohlmeier, Sie erlauben mir diesen Ausspruch: Sie haben gar nichts an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Marketing allein genügt nicht; es muss auch etwas dahinter sein. So lernt es ein Student schon im ersten Semester. Um beim Bild der Kleidungsstücke zu bleiben: Wir reden über ein kürzeres Gewand. Sehr verehrte Frau Ministerin, bereits jetzt, bei der ersten Anprobe, stellt sich heraus, dass es Risse und Löcher hat.

Herr Kollege Sibler, die Anmeldezahlen sind kein Beweis für die Qualität des G 8. Die Eltern hätten ihre Kinder so

wieso angemeldet. Mir hat erst letzte Woche eine Mutter gesagt, sie möchte kein Versuchskaninchen sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Schneider – das habe ich mir noch einmal durchgelesen – hat bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs viel versprochen. Herr Schneider, Sie haben gesagt, Sie werden die Qualität nicht nur erhalten, sondern Sie werden die Qualität ausbauen. Außerdem, Herr Kollege Schneider, haben Sie neue didaktische Konzepte versprochen. Ich habe von beidem noch nichts bemerken können; ich kann keine ausgebaute Qualität erkennen; denn es fehlen Ihnen die Lehrerinnen und Lehrer, die dem G 8 das nach Ihrem Duktus entscheidende Qualitätsmerkmal verleihen sollen. Das sind die Lehrerinnen und Lehrer für die Intensivierungsstunden. Die Kollegin von der SPD hat schon ausgeführt, dass diese fehlen.

Frau Hohlmeier, Sie haben bei der Ersten Lesung versprochen: „Wir verbessern die begabungsgerechte Förderung“. Wie soll das gehen, wenn die Lehrerinnen und Lehrer fehlen? Sie geben in dem von der Kollegin erwähnten Schreiben zu, dass sich eine leichte Unterversorgung nicht immer vermeiden lasse. Wer soll denn unter solchen Umständen begabungsgerecht gefördert werden? Wer soll es denn machen, wenn an Münchens Gymnasien durchschnittlich ein Lehrer fehlt? Wie soll das gehen, wenn man mit mehr als 30 Schülerinnen und Schülern pro Klasse planen muss?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie sollen die Qualität verbessert und wie sollen neue didaktische Ansätze eingeführt werden? Herr Kollege Schneider, die CSU hat im Bildungsausschuss ein von uns gefordertes pädagogisches Konzept abgelehnt, dieses aber bei der Ersten Lesung angekündigt.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben uns seit der Ersten Lesung im April außer mit Hochglanzbroschüren und Internetseiten nicht wesentlich erhellt. Es gibt einen Lehrplan, der sich aber nicht auf alle Jahrgangsstufen bezieht. Damit unsere Pädagogen gut arbeiten können, brauchen sie ein Ziel, auf das sie hinarbeiten. Eine neue Schule muss aus einem Guss und darf kein Stückwerk sein, Herr Kollege Sibler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe gesagt, es kommt mir manchmal wie im Märchen vor. Ich breche das jetzt auf die Verhältnisse in Bayern herunter.

Verursacht hat das der Herr Ministerpräsident. Wenn wir das einmal umschreiben, kann man sagen: Vor vielen Jahren lebte ein Fürst, der von nichts anderem träumte als davon, Kanzler von Deutschland zu werden. Deshalb unternahm er alles, um für seine Aufgabe recht geputzt zu erscheinen. Damit er vor einer anderen großen christlichen Landesfürstin gut dastand, wollte er immer unter allen der Erste sein, und es kümmerte ihn dabei wenig, was aus seinen Landeskindern wurde. Er hatte einen Rat für jedes Problem der Deutschen parat. Wie man von ande

ren Fürsten sagte: „Sie reden mit ihren Landeskindern und hören ihnen zu“, so sagte man hier immer: „Er kümmert sich um Deutschland“. Sie, Frau Ministerin, und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, weben mit an einem achtjährigen Gymnasium, das unsere Kinder als Versuchskaninchen missbraucht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bildung braucht Vertrauen. Ich habe Ihnen das bei der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs gesagt. Seither ist nichts geschehen, um wieder an Boden zu gewinnen. Im Gegenteil, der Lehrermangel und die Ablehnung eines pädagogischen Konzepts beweisen: Es kommt Ihnen nicht auf Bildung an, sondern einzig und allein darauf, unsere Kinder schneller durch das Schulsystem zu schleusen. – Sie müssen überhaupt nicht seufzen, Herr Kollege Sibler, ich habe Ihnen schon einmal gesagt, manche Leute bräuchten mehrere Wiederholungen, um einen Lernprozess dauerhaft zu speichern. Sie werden unsere Zustimmung für ihr kurzes und schlecht gewobenes Gewand nicht bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat sich Herr Kollege Herrmann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf die Debatte über das G 8 an dieser Stelle nicht näher eingehen. Ich möchte aber, nachdem sich Frau Bause zu Äußerungen verstiegen hat, die mit der Debatte über das G 8 wirklich überhaupt nichts zu tun haben,

(Beifall bei der CSU)

nachdrücklich sagen, dass ich namens der CSU-Landtagsfraktion Ihre Rücktrittsforderung gegenüber Frau Staatsministerin Hohlmeier nachdrücklich zurückweise.

(Beifall bei der CSU)

Monika Hohlmeier ist nach unserer festen Überzeugung eine ganz ausgezeichnete Kultusministerin. Ich habe das heute früh auch in der Sitzung unserer Fraktion erklärt, und in unserer Fraktion ist mit breitem Beifall deutlich geworden, dass sie die volle Unterstützung unserer Fraktion hat. Ich denke, gerade – ich greife das aktuelle Thema auf – die aktuelle Entwicklung beim G 8 und die Entscheidung der Eltern, ihre Kinder mehr denn je gerade in diesem Sommer anzumelden, zeigt, dass wir uns mit der Schulpolitik, die Monika Hohlmeier verantwortet, auf einem sehr guten Weg für die Zukunft der bayerischen Schülerinnen und Schüler befinden.

(Beifall bei der CSU)

Es ist nicht meine Aufgabe, im Bayerischen Landtag den Umgangston innerhalb eines Partei-Bezirksverbandes zu kommentieren, der sich nun schon seit vielen Jahren

durch einen vielleicht etwas anderen Stil auszeichnet, als das in den übrigen Bezirksverbänden der CSU üblich ist.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Das gilt, wie die Vergangenheit gezeigt hat, offensichtlich für viele Beteiligte in diesem Bezirksverband München. Was die Parteiangelegenheit anbetrifft, ist gestern eine klare Entscheidung gefallen, und diese steht auch nicht zur Disposition dieses Hohen Hauses. Wir reden hier über die Arbeit der Bayerischen Staatsregierung und die bayerische Schulpolitik. Ich möchte unterstreichen, dass diese vorbildlich ist. Die Kultusministerin hat für das G 8, die gesamte Schulpolitik und auch ganz persönlich als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung die uneingeschränkte Unterstützung der CSU-Landtagsfraktion. Deshalb weise ich Ihre Angriffe, Frau Bause, noch einmal nachdrücklich zurück.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Ministerin Hohlmeier das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich schlicht und ergreifend der Sachdebatte im Plenum und dem widmen, worum es wirklich geht, nämlich um das achtjährige Gymnasium und einen Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden wollen. Das G 8 findet sichtlich die Zustimmung der Eltern, da es in diesem Jahr einen historischen Höhepunkt bei den Übertrittszahlen an das Gymnasium gegeben hat. Das zeigt die Akzeptanz des achtjährigen Gymnasiums und die Maßnahme vonseiten der Eltern sehr deutlich.

(Beifall bei der CSU)

Ein Erfolg Ihrer Kampagnen, die Sie gefahren haben, indem Sie versucht haben, die Eltern dadurch zu verschrecken, dass Sie ein Schreckgespenst an die Wand gemalt haben, ist nicht eingetreten, und er wird auch nicht eintreten. Wir haben einen modernen Lehrplan. Sie haben immer gezweifelt, ob er überhaupt entstehen könnte; wir haben einen hochmodernen Lehrplan, der den Lehrkräften den notwendigen Freiraum gibt und inhaltlich die Möglichkeit eröffnet, selbst Schwerpunkte zu setzen. Er bietet optimale Bedingungen, unsere Schülerinnen und Schüler gut qualifiziert an die Hochschulen oder auf den Arbeitsmarkt zu entlassen.

Er ist selbst von denjenigen, die dem G 8 kritisch gegenüber standen, sehr gelobt und sehr positiv aufgenommen worden. Wir hatten sehr viele Rückmeldungen in der offiziellen Anhörung und bei den Diskussionen über das Internet oder sonst in mündlicher oder schriftlicher Form. Ich glaube, dass kaum eine Schulreform so intensiv mit Eltern, Lehrern und Schülern diskutiert worden ist. Auf zig Veranstaltungen mit über 6000 Beteiligten hat eine offensive inhaltliche Diskussion stattgefunden, die diese Reform zum achtjährigen Gymnasium vorbereitet hat.

In Bezug auf Latein und Mathematik, Frau Schieder, gibt es kein Problem beim achtjährigen Gymnasium, sondern

es gab bereits im letzten Jahr ein Problem, weil insgesamt nicht genügend Studenten für die Fächer Mathematik, Physik und Latein vorhanden waren. Wir haben deshalb Sondermaßnahmen durchgeführt, um Diplomstudenten in den Schuldienst übernehmen zu können, damit der Unterricht abgedeckt werden kann. Wir bemühen uns intensiv, um möglichst viel Unterricht in diesen Fächern, in denen nicht das Geld fehlt, sondern zum Teil die Bewerber fehlen – das hat nichts mit G 8 oder G 9 zu tun – sinnvoll und ausreichend abdecken zu können, soweit dies irgend möglich ist.

Dass wir dabei auch Maßnahmen zur Einschränkung der Teilzeit vornehmen, ist wohl eine Selbstverständlichkeit. Ich kann doch nicht jedem die Möglichkeit der Teilzeit geben, so wie er sie möchte, wenn gleichzeitig Unterrichtsausfall besteht und Bedarf für einzelne Fächer vorhanden ist. Es gibt eine bestimmte Verpflichtung, den Unterricht abzudecken. Wenn Lehrkräfte vorhanden sind und es einen dienstlichen Grund für die Nichtgewährung von Teilzeit gibt, dann kann man diese nicht gewähren, da wir den Schülern einen adäquaten Unterricht geben wollen. Das ist notwendig, und das muss in einer solchen Zeit akzeptiert werden. Es handelt sich um keine Sparmaßnahme, sondern schlichtweg um eine Maßnahme, die aus organisatorischen und schulischen Gründen notwendig ist.

(Marianne Schieder (SPD): Das ist eine kurzsichtige Mangelverwaltung!)

Die Zahl der Bewerber kann man nicht x-beliebig erhöhen. Wir haben versucht, die Zahl der Bewerber auszuweiten. Auch die Sondermaßnahmen sind exzellent angenommen worden. Wir haben auf diesem Weg, Frau Schieder, sehr viel geleistet.

(Beifall bei der CSU)

Die Einführung der zweiten Fremdsprache wäre übrigens zu Ihrer Information nicht nur beim G 8 erfolgt, sondern wäre genauso beim G 9 ab der sechsten Klasse vorgenommen worden, sodass selbstverständlich die Planungen schon länger laufen. Das hat nichts mit dem G 8 zu tun. Das ist eine fehlerhafte Einschätzung von Ihnen. Die Situation in diesem Bereich ist völlig normal bzw. unproblematisch.

Am meisten stört mich an Ihrer Argumentation, dass Sie ständig versuchen, Unsicherheit weiter zu schüren.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Wenn keine Sicherheit da ist, ist das doch das Problem!)

Eine Schulreform bringt am Anfang auch mal bei dem einen oder anderen eine gewisse Unsicherheit mit sich,

(Margarete Bause (GRÜNE): Von wegen „eine gewisse Unsicherheit“! Das ist doch das pure Chaos!)

ruft manchmal Diskussionen in dem einen oder anderen Lehrerkollegium hervor, enthält Neuerungen wie die Intensivierungsstunden, bringt Veränderungen des Lehrplans mit sich. Da ist es notwendig, dass an den Schulen diskutiert wird, dass man sich mit den Eltern auseinander setzt, dass man gemeinsam Konzepte sucht und versucht, das Vorhaben möglichst gut umzusetzen. Diesen Neubeginn, diese Einführung einer Schulreform versuchen Sie gezielt zu unterminieren, indem Sie Unsicherheiten streuen und Fragen aufbauschen, anstatt dabei mitzuhelfen, dass unsere zukünftigen Gymnasiasten auf einem stabilen Weg gehen können. Sie versuchen, durch gezieltes Streuen von Unsicherheitsmomenten