Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Herr Runge, Sie sind nicht angesprochen worden. Es ist Herr Kollege Memmel angesprochen worden, deswegen kann er antworten, und dafür hat er zwei Minuten.

Herr Kollege Haedke, ich verweise auf den Protokollauszug über meine Rede in der seinerzeitigen Plenarsitzung. Damals haben Sie Zwi

schenrufe gemacht. Daraus konnte ich nicht erkennen, dass Sie immer dafür gekämpft haben. Ich freue mich aber jetzt, dass Sie gemeinsam mit uns weiterarbeiten wollen. Wir werden es dann bei der Feiertagsregelung auch sehen.

Zu einer weiteren Zwischenbemerkung hat Herr Kollege Dr. Runge das Wort. Sie haben Ihre Redezeit schon um eine Minute überschritten. Ich ziehe Ihnen jetzt die Minute von der Zwischenbemerkung ab.

Herr Kollege Haedke, wir müssen doch bei der Wahrheit bleiben. Für München haben Sie die Änderung begrüßt und sich dafür stark gemacht. Hier haben Sie sie aber abgelehnt. Das ist ein Verfahren, wie wir es häufiger erleben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Damit ist es so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 c Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (Drucksache 15/1947) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Dazu hat Frau Staatsministerin Stewens das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich um die notwendigen Ausführungsbestimmungen für zwei neue Bundesgesetze, nämlich für das SGB II und für das SGB XII. Das SGB II ist besser bekannt unter dem Namen Hartz IV, und hinter dem SGB XII verbirgt sich das ehemalige BSHG, die wohl bekannte Sozialhilfe.

Bevor ich die landesrechtlichen Regelungen kurz vorstelle, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen.

Erstens. Wir schaffen nicht zwei neue Ausführungsgesetze, also ein AGSGB II und ein AGSGB XII, sondern wir stellen Regelungen in ein bestehendes Gesetz, das AGSGB, ein. Dieses soll dann im Laufe der Zeit zu einem umfassenden Ausführungsgesetz für alle Sozialgesetzbücher ausgebaut werden. Dadurch wird die Zahl der Gesetze im Freistaat reduziert. Dies dient der Übersichtlichkeit und dem Bürokratieabbau.

Zweitens. Wie die Verbände sehe auch ich hinsichtlich der Zuständigkeit in der Sozialhilfe Handlungsbedarf. Dass für einheitliche Leistungen wie die Eingliederungshilfe oder die Hilfe zur Pflege die Bezirke sowohl für den stationären Bereich als auch für den teilstationären Bereich zuständig sind und die Landkreise und die kreisfreien Städte für die ambulanten Leistungen, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Das heißt: Um das Prinzip „ambulant vor stationär“ wirklich durchhalten zu können, brauchen wir Leistungen aus einer Hand. Das ist für mich keine Frage; das ist weiterhin mein Ziel.

Ich lege Ihnen heute dennoch einen Gesetzentwurf vor, der zum Ziel hat, die heute geltenden Zuständigkeiten auch im Jahr 2005 zu bewahren, wobei ich aber gleichzeitig sage: Das ist ein Moratorium für ein Jahr. Das hat gute Gründe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Zuständigkeitsverlagerungen dürfen, auch wenn sie insgesamt keine Mehrkosten verursachen, eine Kommune oder mehrere kommunale Ebenen nicht überfordern. Ob dies und wie dies tatsächlich der Fall sein wird, können wir leider heute noch nicht abschließend beurteilen. Hartz IV wird – das ist zweifellos – finanzielle Auswirkungen auf die Kommunen haben, die wir heute noch nicht verlässlich einschätzen können. Belastbare Zahlen dazu werden wir erst im nächsten Jahr – die erste Revision findet im März, die zweite im Oktober statt –, vorlegen können. Erst dann können wir beurteilen, auf welche Art und Weise wir Zuständigkeitsverlagerungen vornehmen und wie die Finanzausgleichsverhandlungen – Artikel 15 FAG– dann auch gestaltet werden müssen.

Deswegen habe ich dem Petitum des Landkreistages und des Verbandes der bayerischen Bezirke nicht nachgegeben, die Zuständigkeiten für die Leistungen an Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler auf Landkreise und kreisfreie Städte zu verlagern. Das hätte nämlich zu erheblichen Mehrbelastungen bei den Städten und in den Ballungsgebieten geführt, und das hätte einzelne Städte schlicht und einfach überfordert.

Zielrichtung des Gesetzentwurfes ist es daher, geltende Zuständigkeiten im Sinne eines Moratoriums im nächsten Jahr eins zu eins beizubehalten. Wenn wir dann im nächsten Jahr belastbare Zahlen haben, werden wir mit den Kommunen erneut sprechen und sinnvolle und notwendige Veränderungen bei den Zuständigkeiten auf einer verlässlich einschätzbaren Basis zeitnah durchführen. Das habe ich den kommunalen Spitzenverbänden zugesagt.

Ich komme zu den Regelungen zum SGB XII. Die Regelungen zum SGB XII bauen auf dem bisherigen Ausführungsgesetz zum BSHG auf. Bei den geltenden Zuständigkeiten gibt es keinerlei Veränderungen. Die Bezirke bleiben also zuständig für Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler, ferner für alle stationären und teilstationären Leistungen. Gleichzeitig wird die Verteilung der Bundesmittel für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung klar geregelt. Bislang erfolgte die Verteilung nach Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden – jetzt haben wir eine gesetzliche Regelung. Es erfolgt auch eine Deregulierung. Die Regelungen über den Sozialhilfeausschuss entfallen künftig. Das Kommunalrecht enthält ausreichende Regelungen für die

Bildung von Ausschüssen. Die Pflicht, auf allen Ebenen Arbeitsgemeinschaften zwischen öffentlichen und freien gemeinnützigen Trägern zu bilden, entfällt. Die kommunale Selbstverwaltung wird also gestärkt.

Allein nach Bundesrecht – damit komme ich zum SGB II – wären für die in kommunaler Verantwortung liegenden Leistungen an Arbeitssuchende für Unterkunft und Heizung die Landkreise und die kreisfreien Städte zuständig. Damit hätten wir hinsichtlich der Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler eine Zuständigkeitsverlagerung von den Bezirken auf die örtliche Ebene, die wir ja derzeit so nicht wollen. Wir wollen, dass die geltende Verteilung im Jahr 2005 noch aufrechterhalten wird. Das heißt: Der Entwurf verhindert die Verlagerung, in dem er die Bezirke für die genannten Personen für zuständig erklärt und damit auch im Bereich des SGB II bei der Zuständigkeit den Status quo aufrechterhält. Gleichzeitig übernehmen in den Arbeitsgemeinschaften die Städte und die Landkreise die Durchführung der Aufgaben hinsichtlich Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler. Die Bezirke sind aber für die Finanzierung zuständig, damit die Ausgleichsfunktion der Bezirke weiterhin aufrechterhalten bleibt. In München haben wir zum Beispiel 50 % der Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler Oberbayerns. Deswegen ist es auch wichtig, dass diese Ausgleichsfunktion der Bezirke im Jahr 2005 aufrechterhalten bleibt. Die Landkreise und die kreisfreien Städte übernehmen aber die Aufgabe in den Arbeitsgemeinschaften. So ist die Aufteilung künftig vorgesehen.

Ich möchte aber gleichzeitig sagen, dass wir dann, wenn wir verlässliche Zahlen haben, durchaus auf andere Aufgabenverlagerungen gehen können. Ich habe das schon einmal gesagt. Dies habe ich auch den kommunalen Spitzenverbänden so zugesagt.

Ich möchte mich beim Hohen Haus und beim Ältestenrat ganz herzlich für die zügige Behandlung bedanken. Ich möchte auch sagen, dass Hartz IV und das Optionsgesetz erst im Juni im Vermittlungsausschuss beschlossen worden sind, dass ich langwierige Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden hatte und dass diese Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden vor dem Hintergrund des Ausführungsgesetzes zum SGB durchaus nicht einfach waren. Ich bin sehr daran interessiert, dass das AGSGB zum 1. Januar 2005 in Kraft tritt. Deswegen bitte ich um eine zügige Behandlung in den Ausschüssen und im Landtagsplenum.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überführung des bisherigen Sozialhilferechts in das neue SGB XII, die Umsetzung der Zielsetzungen von Hartz IV im neuen SGB XII und die Anwendung der bisherigen landesrechtlichen Vorschriften zum Ausführungsgesetz zum Sozialhilferecht sind Ziel dieses Gesetzentwurfs – Frau Staatsministerin Stewens hat bereits darauf hingewiesen.

Die Kommunen übernehmen nach diesen Überlegungen zum Vollzug des SGB II übertragene Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, so zum Beispiel die Kostenübernahme für Heizung und Unterkunft für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und für die Psychosoziale Beratung. Auch inhaltlich gibt es in verschiedenen Kommunen noch einen großen Handlungsbedarf. Als besonders wichtige – das wird in den Kommunen immer wieder thematisiert – Bestimmung wird aufgenommen, dass die Ausgleichsleistungen des Bundes für Kosten der Unterkunft – das sind rund 29 % der Gesamtkosten – unmittelbar nach Eingang beim Freistaat an die Kommunen weitergeleitet werden. Dies wird als deutliche Aussage festgehalten.

Dabei handelt es sich um eine reine Durchlauffunktion. Verteilungsmaßstab ist der Anteil der einzelnen Kommunen an den Kosten aller kommunalen Träger für Unterkunft und Heizung. Wegen der angesprochenen Verteilungsfragen soll zunächst einmal die Zuweisung der Zuständigkeit für Leistungen an Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler an die Bezirke erfolgen. Diese Ausgleichsfunktion ist besonders wichtig.

Wir wissen aber – das möchte ich ausdrücklich noch einmal betonen –, dass im Hinblick auf das erklärte Ziel einer Zuständigkeitsverlagerung in der Eingliederungshilfe im Gegenzug zumindest mittelfristig an eine Verlagerung an die Kommunen gedacht ist. Da es im Sinne der Deregulierung wichtig erscheint, dass nicht für jedes Sozialgesetzbuch ein eigenes bayerisches Ausführungsgesetz geschaffen wird, sollen auch die Bestimmungen des SGB XII aufgenommen werden.

Um dem Subsidiaritätsprinzip in den Kommunen eine stärkere Geltung zu verschaffen, schlägt die Staatsregierung vor, dass die Kommunen in Zukunft nach ihren jeweiligen rechtlichen Grundlagen die Sozialhilfeausschüsse bilden sollten. Die bisher gesetzlich geregelte Pflicht, Arbeitskreise mit der freien Wohlfahrtspflege zu bilden, wird durch die Delegation der Entscheidung an die Kommunen ersetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Bestimmungen sind gerade im Hinblick auf das SGB II und die Umsetzung von Hartz IV dringend notwendig. Wegen der unklaren weiteren Entwicklung muss dieser Gesetzentwurf möglichst bald beschlossen werden. Hier zeigt sich wieder einmal, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung von Hartz IV viele handwerkliche Fehler begangen hat. Die CSU-Landtagsfraktion fordert die mittelfristige Einführung eines einheitlichen Ausführungsgesetzes für alle Bücher des Sozialgesetzbuchs, um Zuständigkeiten zu bündeln und die Eigenverantwortung der Betroffenen zu stärken. Dies gilt in besonderer Weise für eine Verlagerung der ambulanten Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung, die schnellstmöglich in einer Hand zu bündeln und auf die Bezirke zu verlagern sind. Dadurch könnten auch Verschiebebahnhöfe und negative Kompetenzkonflikte vermieden werden.

Im Gegenzug soll eine Entlastung der Bezirke durch die Übertragung der Zuständigkeiten für die Hilfen an Ausländer, Aussiedler und Spätaussiedler auf die Städte und

kreisfreien Gemeinden erfolgen. Deshalb ist eine schnelle Klärung erforderlich. Um die Beratung des Gesetzentwurfs zu beschleunigen, beabsichtigt meine Fraktion parallel hierzu, einen Entschließungsantrag einzubringen, der diese Ziele noch einmal fixiert. Inwieweit auch die Anregungen der freien Wohlfahrtspflege zur Zusammenarbeit im Bereich der Grundsicherung der Zuständigkeiten und des Anspruchs auf die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften im Gesetz ihren Niederschlag finden werden, werden sicherlich die Beratungen im federführenden sozialpolitischen Ausschuss zeigen.

Wir halten das Gesetz und die in unserem angekündigten Entschließungsantrag festgelegten begleitenden Zielsetzungen für dringend erforderlich, um die neuen bundesrechtlichen Bestimmungen umzusetzen und verbunden damit neue Impulse zu einer Straffung und Kompetenzverlagerung im Sinne des Prinzips „ambulant vor stationär“ zu erreichen. In diesem Sinne werden wir eine konstruktive und schnelle Entscheidung im federführenden Ausschuss anstreben.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Steiger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Dieses Vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs ist eines der wichtigsten Landesgesetzesvorhaben. Der Bund hat durch die Änderung des SGB XII oder SGB II oder Hartz IV die Notwendigkeit dafür geschaffen. Frau Staatsministerin Stewens und Herr Kollege Unterländer, dies ist seit langem bekannt und Beschlusslage. Dass diese bundesgesetzlichen Änderungen zum 1. Januar 2005 in Kraft treten und die entsprechenden Ausführungsgesetze auf Landesebene daher ebenfalls zum 1. Januar 2005 in Kraft treten müssen, ist auch klar.

Sicherlich ist es sinnvoll, dass dieses Ausführungsgesetz als Dach für diese Gesetze zusammenführt. Die Verzögerung im Vermittlungsausschuss haben aber Sie zu verantworten. Herr Kollege Unterländer, Sie konnten es nicht lassen und haben die Verantwortung dafür wiederum auf den Bund geschoben. Meine Kritik lautet, dass Sie das Ausführungsgesetz zu den Ausführungen sehr kurzfristig eingebracht haben. Ich halte das für unverantwortlich, und ich halte das auch nicht für besonders seriös.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben genau gewusst, wann die gesetzlichen Änderungen in Kraft treten werden. In sieben Wochen soll dieses Gesetz in Kraft treten. Wir haben noch vier Sitzungswochen bis dahin. Die Drucksache liegt dem Parlament aber erst seit gestern vor. Das ist nicht seriös – ich wiederhole das noch einmal.

Sie werden nicht müde, dem Bund immer vorzuhalten, er würde zu schnell und zu kurzfristig handeln. Sie in Bayern tun dies jedoch mit diesem Ausführungsgesetz über die Maßen. Sie wollen dieses Gesetz nach dem Motto

durchpeitschen: Das Parlament – also der Gesetzgeber im Freistaat Bayern – braucht das nur abzuwinken.

Wir werden diese Beratungen und dieses Gesetzgebungsverfahren genau begleiten. Viele Punkte sind unstrittig. Frau Stewens, Sie haben angekündigt, dass Sie einige Regelungen für das Jahr 2005, die Sie angesprochen haben, so belassen wollen. Das lässt sich jetzt wohl nicht mehr ändern. Diese Interimslösung ist aber sicherlich nicht auf ungeklärte finanzielle Mittel zurückzuführen, sondern darauf, dass Sie diesen Gesetzentwurf so spät eingebracht haben. Nach meiner Meinung haben Sie ihn viel zu spät eingebracht.

Ich möchte neben diesen Verfahrensfragen noch zwei inhaltliche Punkte nennen, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind: Der erste Punkt ist die Zuständigkeitsregelung. Sie haben von der Notwendigkeit gesprochen, ambulante und stationäre Eingliederungshilfen und Maßnahmen der ambulanten und stationären Pflege zu vereinheitlichen. Das ist unstrittig. Sie haben mit Ihrem Gesetzentwurf jedoch die Chance vertan, endlich klare Strukturen und Zuständigkeiten zu schaffen. Sie wollen die ambulanten und stationären Hilfen nicht auf einen Sozialhilfeträger konzentrieren. Vorerst bleibt es bei Ihrem Wollen, diese Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern zu verhindern. Dieses Hinausschieben halte ich für falsch.

Ihre Begründung mit den noch unklaren Kosten durch Hartz IV bzw. durch das SGB II greift nicht; denn die Kosten der ambulanten und stationären Hilfe sind bekannt. Durch die Zusammenlegung werden sich Synergieeffekte ergeben.

Der zweite Punkt, den ich kritisiere, ist der Umstand, dass Sie unter dem Zauberwort „Deregulierung“ den Sachverstand der Wohlfahrtspflege ausbremsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie wollen keine Sozialhilfeausschüsse mehr und keine Beratung durch sozial erfahrene Personen. Sie wollen auch keine Arbeitsgemeinschaften. Da gibt es jetzt eine windelweiche Kann-Bestimmung in Ihrem Gesetzentwurf. Damit ergibt sich eine bayernweit uneinheitliche Gemengelage, weil es dann jeder machen kann, wie er es will. Das kann es ja wohl nicht sein. Die Wohlfahrtsverbände und die Fachleute der Sozialhilfe, die vor Ort mit dem Gesetz arbeiten müssen, werden vor der Tür gelassen. Das geschieht auch noch im Hinblick auf das unsägliche KEG. Ich halte es für falsch, dass Sie diese Regelung in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen haben.

Sie nehmen die freie und die öffentliche Wohlfahrtspflege nicht ernst; denn die Stellungnahmen zu Ihrem Gesetzentwurf wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Sie nehmen außerdem den Verband der Bezirke, der sich bereits im Mai dazu geäußert hat, nicht ernst. Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege hat sich im September und Oktober noch einmal dazu geäußert. Ich sage Ihnen: Das ist keine tragfähige Grundlage für ein Gesetz, das in den nächsten Jahren greifen soll.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie ignorieren fachlich fundierte Stellungnahmen. Das ist keine Beteiligung, von der Sie sonst so gern sprechen. Klar ist, demokratische Prozesse sind anstrengend. Wer jedoch eine tragfähige Basis haben will, muss das in Kauf nehmen. Das ist notwendig. Bei den Beratungen im Ausschuss werden wir über diese Fragen noch ausführlich diskutieren müssen. Das ist keine Frage. Mit diesen zwei Kritikpunkten, vor allem mit dem Kritikpunkt, dass Sie die Wohlfahrtspflege ausgrenzen, werden Sie bewährte Strukturen vor Ort massiv verändern. Kolleginnen und Kollegen, das können wir nicht gutheißen.