Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Herr Kollege Volkmann, die Unterstellung oder Mutmaßung in Ihrer Frage, dass die historische Substanz mit all den schutzwürdigen Gegebenheiten nach dem Landesdenkmalschutzgesetz nur durch eine staatliche Nutzung zu sichern sei, ist geradezu absurd. Die Regelungen gelten für alle Nutzungen. Ich erwarte einen interessanten Abwägungsprozess, der vielleicht sogar einige Verbesserungen bringen wird.

Ich glaube, dass dieser Platz durch eine andere Nutzung, als sie dort derzeit durch das Landesamt für Statistik betrieben wird, im Hinblick auf seine Durchlässigkeit wesentlich attraktiver wird. Eine andere Nutzung wird einen städtebaulichen Gewinn bedeuten. Heute ist dieses Gebäude gewissermaßen eine Administratorenburg, in die kein Mensch rein kann. In Zukunft werden die Leute – nach unseren groben Vorstellungen – durch dieses Gebäude gehen können. Ob für das Gebäude eine Erbpacht vergeben oder ob es verkauft wird, ist eine andere Frage.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Volkmann.

Herr Staatsminister, ich möchte Sie abschließend fragen, ob ich Ihre Antwort richtig verstanden habe. Sind Vorgaben an den Käufer beabsichtigt und werden – wie das früher in solchen Fällen üblich war – durch eine Grunddienstbarkeit mit der Zielrichtung eines denkmalgerechten Umgangs bestimmte Denkmalziele verfolgt? Oder wollen Sie sich im Wesentlichen nur auf die gesetzlichen Vorgaben beziehen, die ohnehin jeder Bürger in diesem Freistaat zu beachten hat?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Kollege Volkmann, ich bezweifle, dass wir zur Durchsetzung gesetzlicher Vorgaben eine Grunddienstbarkeit brauchen. Ich kann nur sagen: Gesetzliche Rahmenbedingungen, sind einzuhalten. Darauf werden wir achten. Wenn das Statistische Landesamt nicht mehr in diesem Gebäude ist, sollten wir es den Bürgern Münchens aufgrund seines historischen Wertes und seiner historischen Fassade zurückgeben.

Damit ist die Fragestunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Wolfgang Vogel, Adelheid Rupp, Karin Radermacher und Fraktion (SPD) Für ein gebührenfreies Studium (Drucksache 15/2607)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Renate Dodell, Dr. Otmar Bernhard und anderer und Fraktion (CSU) Einführung von Studiengebühren in Bayern (Drucksa- che 15/2609)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Keine Studiengebühren an bayerischen Hochschulen (Drucksache 15/2611)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Rupp. Anschließend werden Herr Kollege Dr. Spaenle und Frau Kollegin Gote sprechen. Bitte, Frau Kollegin Rupp.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war ein schwarzer Tag für die Studierenden. Nur in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wird das Erststudium gebührenfrei bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eines sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Das Verfassungsgericht hat gestern nicht gesagt, dass Ihre Pläne verfassungsgemäß seien. Es hat nicht gesagt, dass Studiengebühren, wie Sie sie einführen wollen, korrekt seien. Es hat nur gesagt, die bundeseinheitliche Regelung, die von der Bundesregierung vorgesehen war, sei nicht möglich.

Der Wissenschaftsminister Corts aus Hessen scheint ein vernunftbegabter Mensch zu sein. Er hat gesagt, bei diesem Thema bestehe kein Grund zur Eile. Die hessischen Hochschulen seien solide finanziert. Herr Staatsminister Dr. Goppel, in Bayern besteht anscheinend Grund zur Eile. Sie bauen einen Zeitdruck auf, der für mich überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Sie diskutieren nicht vernünftig über dieses Thema, sondern sagen: Im Wintersemester wollen wir die Studiengebühren haben. Für mich stellt sich die Frage, ob in Bayern die Hochschulen nicht solide finanziert sind. Sonst wäre es nicht nötig, dieses Thema, wie Sie das tun, zu forcieren. Wenn wir so tiefe Eingriffe in unser Hochschulwesen vornehmen, sollten wir das nicht auf die Schnelle und nicht mit derart konfusen, konzeptlosen und teilweise dreisten Argumenten tun.

Herr Staatsminister Dr. Goppel, auch wenn ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht läuft, darf man trotzdem nachdenken. Ich habe den Eindruck, Sie haben erst gestern wieder begonnen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und haben ganz unglaubliche Vorschläge gemacht: Die Studierenden sollten zum Beispiel ihr Handy abschaffen oder in der Woche zwei Stunden Nachhilfe erteilen, um die Studiengebühren zu finanzieren. Ich vermute, dabei handelt es sich um eine konzertierte Aktion von Ihnen und Frau Hohlmeier. Die Studenten würden nämlich in diesem Fall in der Woche 500 000 Nachhilfestunden erteilen, die unser marodes Bildungswesen und unser marodes Schulwesen offensichtlich brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Unsinniger geht es nicht. Sie hatten viel Zeit, über dieses Thema nachzudenken. Jetzt sagen Sie den Studenten: Gebt halt Nachhilfestunden. Sie schreiben immer sehr einfühlsame Briefe zu den Geburtstagen. Wir alle kennen diese Briefe. Bei den Studierenden jedoch, insbesondere den Studierenden aus sozial schwachen Verhältnissen, geht Ihnen offenbar jedes Einfühlungsvermögen ab. Das finde ich in höchstem Maße bedenklich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Des Weiteren wurde eine Regelung vorgeschlagen, wonach die BAföG-Empfänger das nötige Geld vom Bund bekommen sollten. Dieses Argument muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Bund darf nicht regeln, ob Studiengebühren zulässig sind oder nicht. Zahlen darf er sie jedoch. Pro Semester würden für den Bund Kosten in Höhe von 350 Millionen Euro entstehen. Diese Umfinanzierungsidee von der Bundes- auf die Länderebene ist das Unsinnigste, was ich je gehört habe.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Der Liberalismus lässt grüßen!)

Für den Bund ist es eine Zumutung, wenn Sie mit solchen Argumenten daherkommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun noch einmal konkret zur Lage der Studierenden. Wir sind der Ansicht – deshalb sagt die SPD ein klares Nein zu Studiengebühren –, dass Studiengebühren die soziale Schieflage klar verschärfen.

Bereits jetzt kommen nur 12 % der Studierenden aus Arbeiterhaushalten. Das ist meiner Ansicht nach entschieden zu wenig. Sie haben als Argument angeführt, man könne über ein Stipendienwesen, das von der Leistung abhängt, nachdenken. Das hätte zur Konsequenz, dass Studierende aus sozial schwächeren Verhältnissen besser sein müssen als diejenigen, bei denen der Geldbeutel zu Hause stimmt. Was ist das denn für ein Gesellschaftsbild? Was ist denn das für ein Gedanke? – Diejenigen, die kein Geld haben, müssen schlauer sein als alle anderen. Eine solche Haltung gegenüber unseren Studierenden und unseren Hochschulen finde ich widerlich.

(Beifall bei der SPD)

Großbritannien hat 1991 Studiengebühren eingeführt. Innerhalb von sechs Jahren ist der Studierendenanteil aus Arbeiterhaushalten von 13 auf 7 % gesunken. Was bleibt also übrig? – Was Sie in der Schulpolitik betreiben, betreiben Sie genauso in der Hochschulpolitik. Ihr Leitmotiv ist die soziale Selektion. Das ist das, was Sie vorantreiben; das ist das, was Sie wollen, und das ist genau das, was die SPD definitiv nicht will.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Für uns steht ganz klar fest: Jeder junge Mensch in Deutschland muss unabhängig vom Geldbeutel der Eltern seine individuelle Chance auf eine erstklassige akademische Ausbildung erhalten. Nicht weniger, sondern mehr junge Menschen müssen studieren.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Das ist bei eurem BAföG unter eurer Verantwortung … dahin gewandert!)

Darüber können wir gerne diskutieren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Nicht ausweichen! Wir sind heute nicht beim Thema „BAföG“, sondern beim Thema „Studiengebühren“. Ich bitte um vernünftige Argumente und darum, nicht auszuweichen und einfach zu sagen, was Ihnen gerade einfällt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Wie viele Akademiker brauchen wir denn? Nach Bayern werden nach wie vor Akademiker aus anderen Bundesländern importiert. Das muss man sich einmal auf der

Zunge zergehen lassen. Unser Hochschulwesen in Bayern ist nicht so ausgebaut, dass in Bayern tatsächlich ausreichend Menschen mit einem Hochschulabschluss vorhanden sind.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Und wenn’s zu viele sind, sollen die dann Maurer werden? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie wissen doch ganz genau, dass die Studienanfängerzahlen zurückgehen, wenn Studiengebühren eingeführt werden. In den OECD-Ländern studieren 51 % der jungen Menschen; bei uns sind es 37 %. Darauf kann man sich seinen Reim machen.

Ihr Konzept ist nicht die Gremienhochschule, wie wir sie im Moment haben, sondern ein profitorientiertes Unternehmen. Genau das lehnen wir grundsätzlich ab.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Ich halte nichts von dem Geschwätz neoliberaler Jungökonomen. Ich zitiere Herrn Schwittner:

Durch Studiengebühren wird es für Studenten teurer, am Bedarf des Marktes vorbei zu studieren, und es kommt zu einer verbesserten Abstimmung von Ausbildung und Beschäftigungssystem.

Genau das ist es, was wir nicht wollen. Dieses gesellschaftliche Leitbild teilen wir nicht. Sie haben doch vor, dass jedes Individuum seine Lebensplanung wie eine betriebswirtschaftliche Investition gestalten muss. Das erwarten Sie von den Studierenden. Für uns ist völlig klar, dass wir nach wie vor einen emanzipatorischen Anspruch an die Ausbildung haben, dass wir eine Teilhabe am gesellschaftlichen und ökonomischen Leben wollen, und diese Teilhabe verbinden wir mit einer guten Ausbildung. Man kann mit Menschen nicht umgehen wie mit einem Betrieb. Genau das wird doch erwartet. Nach dem Studium sollen sie viel verdienen, und daran sollen sie sich orientieren. Das ist ein Leitbild, das wir nicht teilen.

Sie werden sicher noch das Argument vorbringen, dass man für den Kindergarten auch zahlen muss. Ich muss sagen: Ja, leider; denn ich bin der Meinung, dass der Freistaat Bayern diese Kosten übernehmen soll

(Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger (CSU): Aha!)

und nicht die Kommunen dazu zwingen soll, Gebühren zu erheben.

(Beifall bei der SPD)

Es gäbe noch viel zu diesem Thema zu sagen. Wenn Studiengebühren kommen, wird die Frage der Mobilität sehr schwierig. Ich habe den Eindruck, dass Sie das Thema „Föderalismus“ völlig falsch verstanden haben. Bei Ihnen heißt es: Bayern soll alles bekommen. Das ist eine Rückkehr zur Kleinstaaterei. Inzwischen werden Studienab

schlüsse auf europäischer Ebene geregelt, aber Ihre einzige Überlegung ist: Was können wir alles an uns reißen? Mit dem, was Sie planen, sorgen Sie für eine Uneinheitlichkeit der Lebensverhältnisse; das hat dem Bundesverfassungsgericht als Argument gefehlt. Sie werden mit dieser Planung das Sozialgefüge in der Bundesrepublik durcheinander bringen. Sie privatisieren die Bildung; ich nenne als Stichworte Büchergeld, Studiengebühren, Schulwegkostenfreiheit, Verwaltungsgebühren usw.