Protokoll der Sitzung vom 05.04.2005

(Ruth Paulig (GRÜNE): Ich habe genau zugehört!)

Ich habe eben klargestellt – ich wiederhole das noch einmal –, dass die von Berlin verursachte Rechtsunsicherheit durch die Beschlussfassung der Bayerischen Staatsregierung für unser Land beseitigt worden ist. Nach dieser Klarstellung können die Kreisverwaltungsbehörden von ihrer Zuständigkeit nach der StVO Gebrauch machen und zum Schutz der Bevölkerung auch verkehrsleitende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen vornehmen, und zwar unabhängig von den Luftreinhalteplänen.

(Susann Biedefeld (SPD): München wollte doch nichts anderes!)

Die Kommunen müssen sich zunächst selbst ein Bild davon machen, ob die Maßnahmen geeignet und verhältnismäßig sind.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum nicht gleich so?)

Sie müssen das am Ende mit der Bezirksregierung als Rechtsaufsichtsbehörde abklären.

(Zuruf der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Das bedeutet, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen alles daran, mit einem langfristig angelegten und umfassend konzipierten Maßnahmenbündel – wie es Kollege Müller gesagt hat – die Feinstaubemissionen zu reduzieren. Hier ergreift der Freistaat Maßnahmen und versetzt die Kommunen in die Lage, kurzfristig vor Ort maßgeschneiderte Konzepte entwickeln und umsetzen zu können. Damit sind die Weichen gestellt, um eine der letzten großen Herausforderungen in Sachen Luftreinhaltung zu bewältigen; Schwefel ist gemeistert, Benzol ist gemeis

tert, Blei ist gemeistert und Kohlenmonoxid ist gemeistert. Wir erfüllen heute schon die strengen Grenzwerte von 2010. Es bleiben die Feinstaubbelastung und die Stickoxidbelastung, aber auch hier werden wir genauso energisch und konsequent vorgehen wie bei den anderen Belastungen.

Ich würde es mir als Landeshauptstadt München nicht gefallen lassen, wenn Verbändevertreter von einer schmutzigen oder gar der schmutzigsten Stadt Deutschlands sprechen. München ist eine schöne Stadt, und sie ist auch eine saubere Stadt. Wir sollten alles daran setzen, an dieser Stelle mit der Bekämpfung des Feinstaubes das Tüpfelchen auf das „i“ zu setzen, indem wir die Feinstaubbelastung unter die Grenzwerte drücken.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen nun zur eigentlichen Tagesordnung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der CSU vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Schluss mit über fünf Millionen Arbeitslosen in Deutschland! – Vorfahrt für Arbeitsplätze durch Perspektiven für Wachstum.“ beantragt. In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auf mein Signal zu achten, und ich bitte auch, auf die Uhr zu schauen. Nachdem keine Abstimmung erfolgt, werden wir die Aktuelle Stunde noch durchführen, auch über 18.00 Uhr hinaus, damit wir sie abschließen können.

Als Erster hat sich Herr Kollege Dr. Bernhard zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland immer dramatischer entwickelt. Auch im März dieses Jahres hatten wir knapp 5,2 Millionen Arbeitslose; das ist die höchste Arbeitslosenzahl, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Dies ist ein absoluter Negativrekord, der uns sehr zu denken geben muss; denn die sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit sind gravierend. Ebenso gravierend sind die Folgen für die Sozialversicherung, wenn man einmal von der Bevölkerungsentwicklung absieht. Sie sind die wesentliche Ursache für die Schwierigkeiten, die wir hier haben. Gestern ist die Meldung durch die Presse gegeistert, dass es zum ersten Mal Rentenkürzungen geben werde, und auch die Pflegeversicherung läuft total aus dem Ruder.

Das ist die mieseste Bilanz in Europa. Wir haben gestern von der EU-Kommission bescheinigt bekommen, dass das Wachstum nicht 1,6 % betragen wird, sondern lediglich 0,8 % – das ist genau die Hälfte –, mit den damit zu erwartenden Ausfällen beim Steueraufkommen und den sich daraus ergebenden Folgen für die öffentlichen Haushalte.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die im Bund die Regierung stellen, stellen Konjunkturprognosen auf, die nur vom Prinzip Hoffnung getragen sind und die im Lichte der wirtschaftlichen Realität der Bundesrepublik Deutschland zerrinnen. Sie haben in dieser Frage nun wirklich jede Glaubwürdigkeit und auch das Vertrauen der Bürger verloren. Die Vertrauenskrise in Deutschland ist eine ganz wesentliche Ursache für die Konsumzurückhaltung und die Schwierigkeiten, die wir auf diesem Feld in Deutschland haben.

(Beifall bei der CSU)

Sie betreiben jedes Mal, wenn die Zahlen bekannt werden, nichts anderes mehr als Gesundbeterei. Herr Clement ist zu einer Art „Clementine“ – daran erinnern Sie sich vielleicht noch – verkommen, der nur noch mit politischer Waschmittelwerbung versucht, Reformen zu vermeiden.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Ein echter Brüller! Haben Sie heute Humor oder was?)

Die politische Landschaft ist in Bezug auf dieses Thema übersät mit gebrochenen Versprechen. Ich habe jetzt keine Zeit, all das zu wiederholen, was Sie seit 1998 geäußert – oder besser: verzapft -haben, ohne dass sich irgendetwas verändert hat.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Und was ist mit Stoiber? – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Der Stoiber wollte die Arbeitslosigkeit halbieren! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Nicht Herr Stoiber, sondern Herr Schröder hat damals gesagt, er wolle nicht wieder gewählt werden, wenn er die Arbeitslosenzahl nicht auf 3,5 Millionen zurückschrauben könnte. Auch dieses Versprechen hat er leider gebrochen. Herr Schröder hat zum Jahresende sogar gesagt, er habe alles getan. Ein solches Armutszeugnis hat sich bisher noch kaum jemand in der Bundesrepublik ausgestellt. Das war der Wechsel von der ruhigen zur abgeschlafften Hand und letztlich die Kapitulation vor den Problemen, die wir in Deutschland bei diesem Thema haben.

Was tun Sie nun? Mit kaum mehr zu überbietender Lächerlichkeit haben Sie damals im Französischen Dom in Berlin Hartz IV inszeniert. Herr Hartz sprach damals vom „Masterplan“, mit dem die Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren halbiert werden könne. Wo wir heute stehen, wissen wir alle. Die Maßnahmen sind im Wesentlichen gescheitert. Sie aber tragen Hartz IV nach wie vor als Monstranz vor sich her, um nichts auf dem deutschen Arbeitsmarkt tun zu müssen.

Die Bundesagentur wird weiter von Krisen, Fehlgriffen und Versagen geschüttelt und erschüttert; die Instrumente sind nicht annähernd erfolgreich. Sie haben immer noch nicht begriffen – das ist das Schlimmste –, dass Hartz IV keinen einzigen Arbeitsplatz in Deutschland schafft und allenfalls, wenn es funktionieren würde, eine bessere Verwaltung der Arbeitslosigkeit ermöglichte.

(Zuruf der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Frau Kollegin, wir erleben weiterhin eine Deindustrialisierung in Deutschland und eine Abwanderung von Arbeitsplätzen, die dramatisch ist. Es sind 1000 Arbeitsplätze pro Monat und mehr. Der Job-Gipfel hat Sie kurzfristig aufgescheucht, aber heute hören wir wenig, wie das Ganze umgesetzt werden soll.

Wir sind nach einer Schweizer Untersuchung zur Regulierung des Arbeitsmarkts auf dem schlechten Platz 59 von 60 möglichen Plätzen. Was haben Sie auf dem Job-Gipfel dagegen getan? – Überhaupt nichts! Sie haben sich nicht bereit erklärt, auch nur einen der Vorschläge aus unserem 10-Punkte-Programm, das wir konkret vorgelegt haben, aufzugreifen. Ob Tarifrecht oder Teilzeitrecht, Sie haben sich bei all diesen Vorschlägen geweigert, etwas zu tun. Sie tun nichts. Sie ignorieren unsere Vorschläge und tragen Ihre Handlungsstarre, die Sie in diesem Bereich auszeichnet, auf dem Rücken der Arbeitslosen in Deutschland aus.

Zu einer Unternehmens- und Erbschaftsteuerreform sind Sie hingeprügelt worden. Auch da haben Sie sich bis zuletzt geweigert, etwas zu tun. Ich hoffe, dass Sie nun bald Vorschläge dazu vorlegen, wie eine aufkommensneutrale Reform – das muss es sein – zustande kommen kann. Es ist das für uns eine unumgängliche Voraussetzung. Alle Möglichkeiten, wie dies geschehen könnte, sind längst diskutiert worden. Tun Sie etwas! Legen Sie etwas vor! Wir haben unsere Kooperationsbereitschaft in dieser Frage zugesagt.

Auf dem Job-Gipfel ist ein bescheidener Bürokratieabbau vereinbart worden, aber was tun Sie? Ehe eine einzige Vorschrift abgebaut ist, legen Sie den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes vor, der nichts anderes ist, als ein Bürokratiemonster, eine Maßnahme mit übereifrigem gesellschaftspolitischem Engagement, das weit über die EU-Richtlinie hinausgeht.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Und was haben Sie auf diesem Gebiet getan?)

Ihr Entwurf bringt weitere Regulierungen und Bevormundungen. Sie sollten den Entwurf schnellstmöglich auf das zurückführen, was die EU verlangt und sollten schnell handeln, aber nicht mehr tun.

(Christa Steiger (SPD): Und was haben Sie in den letzten drei Wochen gemacht? Wo waren Sie? Was haben Sie denn gelesen?)

Meine Damen und Herren, Sie haben den Stabilitätspakt ausgehebelt, auch wenn das 3-%-Kriterium noch besteht, da Sie dieses nicht abschaffen konnten, weil es im Vertrag

festgelegt ist. Die Bundesbank hat Sie eindringlich davor gewarnt, und auch viele Ökonomen haben davor gewarnt, weil die Schulden von heute die Steuern von morgen oder die Inflation von morgen sind. Es wird die Wachstumschancen, die wir heute in Deutschland haben, weiter beeinträchtigen, wenn es Ihnen jetzt möglich wird, hemmungslos Schulden zu machen, ohne dass irgendwelche Sanktionen zu befürchten sind.

Sie sind auch in vielen anderen Bereichen ein ausgesprochenes Standorthindernis in Deutschland. Sie haben es verstanden, die Liberalisierung des Strommarktes und die erhofften Vorteile durch administrative Belastungen wieder vollständig kaputtzumachen. Sie bekämpfen die Gentechnik – siehe zuletzt Frau Künast –, führen Kreuzzüge gegen Genmais und vertreiben Forschung und Arbeitsplätze in diesem Bereich aus Deutschland.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gott sei Dank!)

Sie haben gegen die Neutronenquelle in München bis zuletzt gekämpft. Sie kämpfen weiter gegen das hoch angereicherte Uran. Sie lassen sich vor der Karren der Amerikaner spannen, die ihre Anlagen natürlich mit hoch angereichertem Uran betreiben.

Sie stehen auf den Barrikaden, wenn es um Infrastrukturmaßnahmen geht. – Da schütteln Sie den Kopf. – Sie sind jeweils dagegen. Hier wurde der Autobahnsüdring angesprochen, und es wurde die A 99 angesprochen. Ich nenne auch den Mittleren Ring in München. Sie sind jedes Mal dagegen, wenn es um den Ausbau von Infrastruktur geht.

Die Investitionsquote wurde massiv heruntergefahren. Damit beschädigen Sie die Anstoßwirkung der öffentlichen Haushalte in Bezug auf Wirtschaft und Arbeitsplätze.

Sie sollten endlich begreifen – das ist ganz wichtig –, dass es nicht um Umverteilung, sondern um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Sozial ist das, was Arbeitsplätze schafft. Das müssen Sie endlich lernen. Nehmen Sie zur Kenntnis – das ist doch die Dramatik –, dass sich die Wettbewerbssituation der Bundesrepublik ständig weiter verschlechtert, wenn man sie mit anderen Ländern vergleicht. Viele Länder in Europa haben uns inzwischen überholt, was Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit anlangt, weil Sie sich nicht bewegen.

Sie blockieren mit Ihrem Verhalten unser ökonomisches und technologisches Potenzial, das wir in Deutschland haben könnten. Dies ist das Schlimme an der Sache.

Tun Sie endlich etwas. Bewegen Sie sich, damit wir die dramatische Entwicklung, die wir auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen haben, im Interesse derer stoppen können, die Arbeit in Deutschland suchen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bernhard.

Die nächste Wortmeldung für die SPD-Fraktion kommt von Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt: die Arbeitslosigkeit ist die Herausforderung in unseren Jahren. Ich sage aber auch: Die hohe Sockelarbeitslosigkeit war auch schon die Herausforderung für die Kohl-Regierung in 16 Jahren. Bitte schauen Sie nach. Damals waren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sehr zurückhaltend.

Herr Kollege Bernhard, wenn man Ihnen zugehört hat, hat man gedacht: Entweder sind Sie autistisch oder ignorant,