Protokoll der Sitzung vom 10.05.2005

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie dürfen!)

Vielen Dank, Herr Dr. Dürr.

Sie können nicht warten, Frau Kollegin Bause, Sie sind immer zu früh dran. Das Thema Regionalfl ughäfen ist nämlich erstens ein verkehrspolitisches Thema. Es ist zweitens ein regionalstrukturpolitisches Thema. Und drittens ist es ein fi skalisches Thema. Genau in dieser Reihefolge müssen Sie die Dinge sehen. Das zeigt mir aber auch, dass Sie mit wichtigen Politikfeldern grundsätzliche Schwierigkeiten haben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Da haben wir auf Sie gewartet! – Lachen bei den GRÜNEN)

Verkehrspolitik ist für Sie, obgleich Ihr Umweltminister Trittin auch bei den GRÜNEN eine neue Lust an der Mobilität erkennt, noch weitgehend ideologisch geprägt. Ich denke hier an das Antragspaket, das wir erst kürzlich im Ausschuss abgearbeitet haben. Die Presse hat darüber ausführlich berichtet. Bei der regionalen Strukturpolitik liefern Sie nur einen Totalausfall. Von Quartalsausfällen gegen Oberfranken abgesehen, sagen Sie nichts zum Thema Strukturpolitik.

Verkehrliche Maßstäbe, die man anlegen muss, heißen wie folgt: Erstens. Gibt es für einen Regionalfl ughafen ein wirtschaftliches Potenzial für die Verkehrserschließung? – Das muss man fragen, das ist richtig. Hier zählen harte Fakten und keine Wunschträume, ebenso wenig Luftschlösser. Deshalb gibt es hier auch keine Luftnummern, Herr Magerl.

Der strukturpolitische Maßstab muss folgende Frage sein: Wofür muss die Strukturpolitik sorgen? – Sie muss dafür sorgen, dass die Regionen Bayerns den Anschluss an Oberbayern fi nden und, dass wir eine ausreichende Vielfalt an Strukturen haben.

(Christine Kamm (GRÜNE): Kommen wir jetzt von Schwaben nach Oberbayern?)

Das geht nicht mit einer nebulösen „Verclusterung“ von bestehenden oder noch bestehenden Strukturen, die rein zufällig gegeben sind. Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Kollege Herrmann, kann im Moment nicht anwesend sein. Er hat neulich davor gewarnt, dass die Clusterpolitik nicht zu Lasten des ländlichen Raumes gehen darf. Das heißt,

dass auch die CSU-Fraktion beginnt, langsam umzudenken. Wir sind der festen Überzeugung, wir brauchen eine aktive, gestaltende Politik für Rahmenbedingungen in den Regionen. Das bedeutet, wir brauchen eine aktivierende Infrastruktur. Nun können Sie sich wieder aufregen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, aber hier wird im Rückblick Ihr historischer Fehler dieser Legislaturperiode liegen. Ich denke an die Ethylen-Pipeline: Sie blockieren jedes Projekt, und wenn es noch so viele Arbeitsplätze schaffen würde. Das ist Ihnen völlig egal, solange Sie haushaltspolitische Zahlen entgegenstellen können.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Geht es auch differenzierter?)

Die SPD-Fraktion hat ein klares Eckpunkte-Programm zum Thema Regionalfl ughäfen vorgelegt.

(Zurufe von den GRÜNEN: Klar?)

Die Initiative für den Regionalfl ughafen Hof/Plauen, wie auch die für den Flughafen in Schwaben, verstehen wir als Diskussionen im Rahmen einer regionalen Entwicklungspolitik. Dies begrüßen wir.

Zweitens. Für die Finanzierung solcher Maßnahmen haben wir klare Kriterien. Von Ihnen, Herr Kollege Magerl, habe ich so etwas nicht gehört. Die Landtagsfraktion der SPD setzt voraus, dass die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte nachgewiesen wird.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Dafür gibt es einschlägige Verfahren, und die werden nicht am Wirtshaustisch durchgeführt, auch nicht hier im Plenarsaal, den Sie zum Wirtshaustisch machen, sondern wir haben die luftverkehrsrechtlichen Verfahren, die Planrechtfertigung, und dort gehört das Thema auch hin.

(Beifall bei der SPD)

Ich verstehen, dass Sie damit Probleme haben. Damit hat möglicherweise auch die kommunale Überprüfung der Bürgschaft zu tun.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Belehren kann uns die Staatsregierung aber besser!)

Herr Dr. Dürr, es ist doch klar, dass es kein Geld gibt, ohne eine Prüfung und eine genehmigungsfähige Planung. Etwas anderes ist auch nie behauptet worden.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie müssen noch viel üben!)

Sie bauen hier doch einen Popanz auf, der überhaupt nicht zutrifft. Zweitens müssen Maßnahmen dieser Art dazu dienen, dass zusätzliche Kapazitäten im Luftverkehr in Bayern bewältigt werden können. Eine bloße Verlagerung des Verkehrsaufkommens zwischen bestehenden Flughäfen in Bayern wäre in der Tat ein Nullsummenspiel. Das wäre ökologisch, ökonomisch, struktur- und regional

politisch falsch. Das lehnen wir ab, denn das wäre kontraproduktiv.

Drittens. Die staatliche Unterstützung darf nicht zu Lasten der Wettbewerbsbedingungen der bestehenden Flughäfen gehen. Darauf wird beim Thema Betriebskostenzuschüsse zu achten sein. Das sind Selbstverständlichkeiten, für die ich gerne Ihre Unterstützung hätte. Soweit kommen Sie aber gar nicht.

Das sind klare Kriterien und angesichts des Getöses von den GRÜNEN und dem Schweigen bei der CSU – von der niemand da ist – sind wir von der SPD offensichtlich die einzigen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Wir haben dazu ein klares Konzept und auch klare Beschlüsse. Ich denke, das festzustellen, ist sehr interessant.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das weiß nur noch niemand!)

Die Dinge sind nicht so einfach, wie Sie diese darstellen. Im Einstein-Jahr, Sie kennen Ihren großen Vordenker, sollte man wie Einstein sagen: Man soll die Dinge einfach machen, aber auch nicht einfacher, als sie nun einmal sind. Das möchte ich Ihnen als Mahnung am heutigen Tag mitgeben.

Die CSU sagt: „In Gottes Namen, weil wir es einmal so besprochen haben.“ Die GRÜNEN sagen: „Es sind Luftschlösser“ und geben sich wieder einmal als die vermeintlich Modernen, die vermeintlich Klugen. In Wirklichkeit aber entscheiden Sie in München am grünen Tisch, ohne Sachprüfung. Sie sind kalt, selbstgefällig und Sie haben kein Interesse an den Menschen in der Region. Sie vertreten eine Politik, die wir ablehnen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei den GRÜ- NEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Zeller.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Da Herr Kollege Zeller so überrascht reagiert, nenne ich gleich den nächsten Redner: Herrn Kollegen Wolf.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Magerl, zu dem, was Sie heute hier geliefert haben, kann ich nur sagen, Sie waren auch gegen den Flughafen München II, der eine der interessantesten Entwicklungen in Bayern überhaupt genommen hat. Die GRÜNEN waren praktisch gegen jede Autobahn. Ich könnte sie einzeln aufzählen. Was wollen Sie denn überhaupt? – Ich glaube, mit Stricken und Kräutersammeln können wir unser Fortkommen und Einkommen in diesem Land nicht sichern.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, Bayern ist zweifellos das Fremdenverkehrsland Nummer eins der Bundesrepublik Deutschland. Ich sage Ihnen mit aller

Deutlichkeit, wir können zwar das Fremdenverkehrsland Nummer eins in Deutschland bleiben; entscheidend ist aber, ob wir uns auf dem Tourismusmarkt im Wettbewerb mit allen Ländern um uns herum halten können. Die Tourismusbranche ist weltweit die am stärksten wachsende Branche.

Projiziert auf meine Allgäuer Heimat – das gilt aber auch für ganz Bayern – kann man feststellen, wir haben in einem relativ kleinen Gebiet 18 Millionen Übernachtungen bei 3,2 Millionen Gästeankünften. Dabei kommen allerdings rund 95 % der Gäste aus Deutschland. Wir wissen, dass die demographische Entwicklung in diesem Land nicht darauf hindeutet, dass wir zusätzliche Märkte erschließen und zusätzliche Urlauber anlocken können. Deswegen müssen wir die Chance einer Internationalisierung auch der Tourismuswirtschaft im Auge behalten. Eine Internationalisierung können wir aber nur erreichen, wenn wir die Möglichkeit eröffnen, schneller an seinen Urlaubsort zu gelangen und von dort schneller zurückzukommen.

Eine Untersuchung, die wir vom Tourismusverband Allgäu-Bayerisch Schwaben zusammen mit der Universität Nürnberg-Erlangen haben erstellen lassen, hat ergeben, dass Gäste im Allgäu die Grenze, bei der sich für sie ein Flug lohnen würde, bei vier Stunden fünfzig Minuten ansetzen. Sie würden dann lieber fl iegen, als stundenlang im Stau auf der Autobahn zu stehen.

(Franz Maget (SPD): Also doch Memmingerberg!)

Das habe ich nicht gesagt. Aber die von mir genannten Gedankengänge scheinen Sie von den GRÜNEN völlig außer Acht zu lassen. Tatsächlich ist es aber so, dass wir eine positive Entwicklung nur dann haben werden, wenn wir die Internationalisierung voranbringen.

Ich bringe einen Vergleich: In Österreich gibt es einige Regionalfl ughäfen. Wir wissen, dass 3 % des Flugaufkommens in Salzburg dem Tourismus dienen. Im Umland von Salzburg existieren Fremdenverkehrsorte, deren Gäste zu 20 % über den Flughafen Salzburg anreisen. Ähnliches gilt für Klagenfurt und Innsbruck. Schauen Sie in die Schweiz: Graubünden lebt zum Großteil vom Flughafen Zürich und dem Kleinfughafen Samedan, während das Berner Oberland auf den Flughafen Gstaad zurückgreifen kann.

An diesem Punkt taucht die Frage auf, ob wir diesen Markt links liegen lassen können. Es gibt Untersuchungen, die besagen, im Jahr 2000 haben die Low-Cost-Carrier einen Anteil von 5 % am Flugaufkommen gehabt. 2003 lag der Anteil bereits bei 19 %. Die Prognose für 2010 liegt bei 32 %. Die Charterfl üge machten im Jahr 2000 20 % vom Flugaufkommen aus, im Jahr 2003 19 %. 2010 werden es nur noch 12 % sein. Eine Abnahme in ähnlicher Größenordnung ist auch beim Linienverkehr zu erwarten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Märkte werden neu verteilt. Das heißt, wenn wir nicht bald mit unseren Regionalfl ughäfen etwas zu bieten haben, dann begeben sich die Touristen eben zu anderen Destinati

onen. Ich meine, ein Tourismusland wie Bayern kann es sich nicht leisten, auf eine gute Flughafeninfrastruktur zu verzichten.

Provozierend könnte man sagen, wenn wir im Allgäu – und das gilt auch für andere Regionen Bayerns –, die Zahl der Gäste um 3 % steigern könnten, dann hätten wir 100 000 Gäste zusätzlich. Prognosen sprechen sogar von noch mehr. Ich meine, dies sollte uns nachdenklich machen. Wir sollten nicht immer nur Nein schreien, sondern die Chancen für die Zukunft nutzen.

Ich habe Memmingerberg zwar nicht genannt, sage aber am Rande, dass Memmingerberg nicht extra neu gebaut werden muss. Es handelt sich von der Größe her um eine der interessantesten Flugverkehrseinrichtungen in Deutschland. Sie, die GRÜNEN, und die Bundesregierung haben es nicht geschafft, eine Konversion zu erreichen. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, ob wir dort nicht den zivilen Luftverkehr zum Wohle und zur Entwicklung eines peripheren Raumes aufnehmen können.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wolfrum.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Magerl, man kann es drehen und wenden wie man will: Die bayerischen GRÜNEN beweisen in der heutigen Aktuellen Stunde einmal mehr, von der aktiven Unterstützung ländlicher Räume wollen Sie nichts wissen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CSU)