Das heißt: Das Europäische Parlament bleibt etwa 50 Milliarden Euro unter dem Vorschlag der Kommission.
Sie haben einen Beschluss gefasst. Aber das ist nicht der Endpunkt; der Rat muss sich einigen, und er muss einstimmig entscheiden. Auch das Parlament muss sich einigen. Das ist die erste Überforderung. Gerade Deutschland kann in einer Zeit des stagnierenden Wirtschaftswachstums nicht mehr Geld nach Brüssel geben. Es geht dabei zum einen um einen Beitragssatz zur EU in Höhe von 1,0 % des Bruttonationaleinkommens, um die Frage eines Briten-Rabatts und um die Kofi nanzierung der Agrarpolitik. Das Europäische Parlament hat durchaus wichtige Hinweise gegeben, wie man strukturelle Verbesserungen erreichen kann.
Bei der Frage „Woher kommt das Overstretching?“ ist die Bundesregierung natürlich gewaltig gefordert. Wir sind die größte Volkswirtschaft Europas, und es ist einfach nicht richtig, dass Europa mit Wachstum und Jobs nichts zu tun hat.
(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Nicht originär! – Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Ich habe das nicht gesagt, sondern ich habe das Gegenteil gesagt!)
Das hat Herr Förster gesagt. Die gleichen Regierungschefs, die jetzt diskutieren, haben den Lissabon-Prozess beschlossen und wollen uns zur weltweit führenden Zone des Wachstums und der Beschäftigung machen. Wir haben in der Regionalförderung das Ziel 2 neu. Oben steht drüber: „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“. Diesen Zielen steht die deutsche Wirklichkeit gegenüber: Deutschland steht mittlerweile auf Platz 25 der europäischen Wachstumsskala.
Wenn wir über die Europäische Union hinausgehen, sehen wir, dass Deutschland auf dem vorletzten Platz steht. Moldawien ist noch hinter uns, aber Moldawien ist gerade dabei, uns zu überholen. Das zeigt, dass die Regierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat und dass die jetzige Bundesregierung Deutschland wirtschaftspolitisch an die Wand gefahren und auch Europa gewaltig beschädigt hat.
Europa ist nicht nur eine Frage von Euro und Cent, sondern eine Frage der Werte. Das haben wir jetzt in der Grundrechtscharta beschrieben. Die Bürger verstehen nicht, dass zwar geschriebene Werte da sind, es aber an der Umsetzung mangelt. Wenn es darum geht zu sagen, wer diese Werte umgesetzt hat, möchte ich feststellen, dass der Bundeskanzler merkwürdig laut wird, wenn es um das Waffenembargo in China geht, dass er aber merkwürdig still wird, wenn es um Demokratie und Menschenrechte in Russland geht. Hier stimmt das tatsächliche Handeln mit dem nicht überein, was Europa an Werten darstellt.
Jetzt kommt die Debatte zur Türkei. Die Eröffnung der Verhandlungen mit Kroatien war für den 17. März angesetzt. Dabei geht es um Den Haag und um Frau Del Ponte; es gibt einen Verbrecher namens Gotowina, der einen französischen Pass hat, in der Fremdenlegion war und in Frankreich rechtskräftig verurteilt ist. An diesem Verbrecher wird festgemacht, dass der Verhandlungstermin mit Kroatien verschoben wird. Gleichzeitig wissen wir, dass die Menschenrechte in der Türkei auch noch nicht verwirklicht sind. - Sie schauen mich so aufmerksam an. Sie haben doch miterlebt, was wir da unten diskutiert haben.
Da kommen 20 000 Asylbewerber pro Jahr; 2000 werden anerkannt. Da sind natürlich die Frauenrechte nicht so verwirklicht, wie Sie, Herr Volkmann, es sich vorstellen. Die gleichen Regierungen setzen dann den Beginn der Verhandlungen mit Kroatien aus. Und da fordern Sie mit einer Riesendynamik, in der Türkei nach dem Motto zu verfahren: Augen zu und durch.
Das machen die Bürger nicht mehr mit. Deswegen sagen wir: Die Osterweiterung ist von der großen Europäischen Union natürlich noch keineswegs verdaut. Wir weisen darauf hin, dass Kroatien vor unserer Haustür liegt, ein europäisches Land, mit dem man zu verhandeln beginnen sollte. Aber die Zeitachse ist auch hier offen. Europa muss erst seine Krise überwunden haben. Kroatien ist doch näher dran an Europa als Bulgarien und Rumänien, und es ist deutlich besser in der Entwicklung. Hier müssen wir unsere Prioritäten setzen, nicht in der Türkei.
Zur Türkei kann man doch sagen: Mit der privilegierten Partnerschaft hätten wir eine Anbindung an die Europäische Union. Sie würde auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die Türkei Nato-Partner ist. Man kann aber das System „Europa“ nicht überfordern, auch nicht in den Köpfen der Menschen, wenn die Corporate Identity, die Europa braucht, durch das Ausufern der Union nicht mehr gegeben ist und die Menschen nicht mehr bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Wir haben ein entsprechendes Signal von Frankreich bekommen; wir haben ein Signal aus den Niederlanden bekommen. Man kann doch nicht sagen: Darauf reagieren wir nicht. Im Verfassungsvertrag steht einfach nicht drin, womit sich die Menschen beschäftigen. Die Abstimmungen sind ein Signal der Menschen, die sich schlicht und einfach überfordert fühlen, wie es in der Erklärung von Laeken beschrieben ist.
Darauf müssen wir reagieren. Ich frage noch einmal: Was passiert denn politisch, wenn die Türkei, so wie es Chirac und Schröder wollen, Mitglied würde, was aber eine neue Bundesregierung so sicher nicht mitmachen würde? Chirac sagt: Am Ende mache ich eine Volksabstimmung; liebe Türken, ihr dürft jetzt einmal verhandeln und Reformen durchführen, die teilweise sehr intensiv sind; am Ende mache ich eine Volksabstimmung, und dann sagt Frankreich natürlich ja. Wer das sagt, der erzählt Märchen aus „Tausend und einer Nacht“. Ehrlicher wäre es dann, den Türken zu sagen, dass wir eine Lösung anstreben, die weder die Türkei noch Europa überfordert und die ehrlich ist, statt diese Märchenpolitik weiterzubetreiben und am Ende in ein Fiasko hineinzusteuern, welches gerade wegen der diffi zilen Beziehungen zur islamischen Welt für Europa keine Lösung sein kann.
Meine Damen und Herren, was ist im Augenblick die Lösung? - Natürlich brauchen wir eine Konsolidierung der Finanzen. Wir müssen die Konditionen in den Beitrittsprozessen transparent machen. Es kann nicht sein, dass Konditionen nicht eingehalten werden. Wir müssen Handlungsfähigkeit beweisen, indem wir endlich einen Haushalt bekommen und endlich den Lissabon-Prozess in Gang bringen. Wenn Deutschland mit der stärksten Volkswirtschaft seiner Führungsrolle in Europa nicht gerecht wird, kommt nichts in Gang. Es ist wunderbar, wenn die Wirtschaft der Beitrittsstaaten mit 5, 6 oder 8 % wächst. Dieses Wachstum bezieht sich aber nur auf 500 Milliarden Euro. Wenn unsere Wirtschaft mit 3000 Milliarden Euro nicht wächst, weil die Bundesregierung unfähig ist, Wachstumspolitik zu betreiben, kommen wir nicht weiter. Im Gegensatz zu Tony Blair, der seit 1997 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen hat, ist es Schröder in der gleichen Zeit gelungen, 1,5 Millionen Jobs zu vernichten. Die Österreicher haben Wachstum. Sie haben eine Arbeitslosenquote von 4,5 %. Wir müssen gar nicht so weit gehen.
Durch Handlungsfähigkeit nach außen und Bürgernähe nach innen können wir zeigen, dass wir Europa wieder fl ottmachen können. Wesentlich dabei ist, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben erfüllt. Wenn Schröder jetzt sagt, er löse die Krise Europas, wird das eher als Bedrohung statt als Chance empfunden. Die SPD ist in einer Krise, Deutschland ist in einer Krise, und letzten Endes brauchen wir eine neue Führungskraft in Europa, damit wir Europa aus dieser Krise herausführen können. Dazu ist die Union bereit, und das werden wir durchsetzen.
Wenn das Mitglied der Staatsregierung länger als zehn Minuten gesprochen hat, kann auf Antrag der Fraktionen ein zusätzlicher Redner sprechen.
Ich wollte eigentlich eine persönliche Erklärung abgeben, aber so ist es noch besser. Ich will es auch gar nicht lange ausdehnen. Ich möchte nur Herrn Sackmann Folgendes sagen: Wenn Sie der erste Redner Ihrer Fraktion sind, die ganze Debatte aber nicht verfolgen, sondern erst zum Ende der Aussprache wiederkommen, empfi nde ich das als einen Ausdruck von maßloser Arroganz. Es ist dem gesamten Parlament gegenüber unanständig, so etwas zu tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn es jetzt von der CSU bestritten wird: Die Abwesenheit von Herrn Sackmann war Tatsache. Im Grunde aber kann es uns wurscht sein, ob er dabei ist oder nicht; denn er hätte hinterher das Gleiche gesagt wie zuvor. Die Reihenfolge der Redner und deren Beiträge waren aber wieder ein Beispiel für Ihr Doppelspiel und für Ihre Doppelzüngigkeit. Zuerst kommt ein Herr Sackmann; er holzt und hetzt gegen Rot-Grün und gegen die Bundesregierung, er malt das Türkei-Thema an die Wand und lässt sich auf diffuse Art und Weise über den Islam aus. Dann kommt eine Reihe von inhaltlich sicher diskussionswürdigen Beiträgen, dann erst lässt
man die Europapolitikerinnen und Europapolitiker der CSU sprechen, und es wird über den Verfassungsvertrag und dessen Ratifi zierung, über den Finanzrahmen und über Themen diskutiert, bei denen wir in der Debatte wirklich alle offen sind.
Nun zum Thema Türkei, das Minister Sinner angesprochen hat. Hier ging es wieder um die Werte. Sie haben Corporate Identity erwähnt. Wir müssen jedoch klar festhalten, dass eine Rechtsanwältin in Istanbul einer Studentin in München in ihrer Anschauung und ihren Werten sicher näher ist als ein Bauer in der Kaschubischen Schweiz. Wir könnten viele weitere solche Beispiele bringen. Diese Argumente ziehen nicht.
Jetzt noch einmal zu den politischen Themen: Wir sagen ganz klar, dass die Verhandlungen von allen Staats- und Regierungschefs einstimmig beschlossen sind. Diese Verhandlungen werden sehr hart und sehr langwierig sein. Es wäre eine Illusion, wenn wir sagen, die Türkei könnte in fünf oder zehn Jahren beitreten. Das wäre hetzerische Scharfmacherei. Wir sagen auch ganz klar, dass die Verhandlungen offen sind. Herr Sinner, Sie und Ihre gesamte Partei machen jetzt aber eine Wendung um 180 Grad. Ich könnte Ihnen dazu reihenweise Zitate vorlesen. Sie sagen zu den Verhandlungen Ja, aber das Ziel dürfe nicht die Vollmitgliedschaft der Türkei sein. Damit machen Sie sehr viel kaputt. Dagegen verwahren wir uns.
Zur Volksabstimmung über den Türkeibeitritt möchte ich ganz klar sagen, dass es tatsächliche eine Farce wäre, wenn es so ablaufen wird, wie Sie es skizziert haben. Wenn man zu einem solchen Thema eine Volksabstimmung macht, kann sie nur vor dem Gipfel stattfi nden, bei dem darüber beschlossen wird, dass wir mit den Verhandlungen beginnen. Andernfalls würde man es sich sehr leicht machen; denn man könnte hinterher sagen: Ätsch, wir haben uns zwar bemüht, aber die anderen wollten nicht mitmachen. Hier wäre mehr Redlichkeit wünschenswert.
Bevor ich in der Tagesordnung weiterfahre, möchte ich an einige Kollegen noch herzliche Glückwünsche zum Geburtstag aussprechen. Einen halbrunden Geburtstag feierte Herr Kollege Henry Schramm am 15. Mai. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute vom Hohen Hause, vor allen Dingen Gesundheit!
Am 6. Juni feierte Herr Kollege Fischer einen runden Geburtstag. Lieber Herr Kollege Fischer, herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit und viel Erfolg!
Weitere Glückwünsche spreche ich Herrn Kollegen Johann Neumeier aus. Er hatte am 7. Juni einen runden Geburtstag. Das Hohe Haus gratuliert ihm, ich bitte, das an ihn weiterzugeben. Alles Gute!
Antrag der Staatsregierung Staatsvertrag über die Bildung eines Gemeinsamen Prüfungsamtes zur Abnahme der Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (Drs. 15/3424) – Erste Lesung –
Der Staatsvertrag wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Eine Aussprache fi ndet ebenfalls nicht statt. Im Ältestenrat wurde vereinbart, den Staatsvertrag dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist es auch so beschlossen.