Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

Nun zur Aussprache: Frau Kollegin Sonnenholzner. Bitte schön.

Ich möchte den beiden Kolleginnen ganz kurz antworten. Frau Stahl, wir sind anderer Auffassung, was die Formulierung „Bestattungsrecht“ angeht. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass sie korrekt ist. Darüber werden wir aber im Ausschuss diskutieren.

Nun zur Informationspfl icht. Bei Schwangerschaftsabbrüchen wird jetzt schon darüber informiert. Sie werden doch nicht ernsthaft wollen, dass alle Frauen, die schwanger

werden, im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen routinemäßig über die Bestattungsmöglichkeiten einer Fehlgeburt informiert werden.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das habe ich nicht gesagt! Ich habe von Schwangerschaftsabbrüchen gesprochen!)

Bei den Schwangerschaftsabbrüchen haben wir ja gar keinen Konfl ikt, weil da die Information sowieso im Rahmen der Beratung wird gegeben werden müssen. Das habe ich im Übrigen auch in meinem Redebeitrag gesagt. Wenn das so ist, haben wir keinen Konfl ikt. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, dass es keine Lösung ist, jede Frau darauf hinzuweisen, dass sie potenziell eine Fehlgeburt erleiden könnte, und ihr dann noch zu sagen, wie sie damit umgehen kann.

Frau Dr. Fickler, ich bitte Sie doch, auch bei allem Dissens bei der Wahrheit zu bleiben. Die Erzählungen von Feten und Embryonen aus Krankenhäusern, die in der Kanalisation oder im Straßenbau landen, sind einfach nicht zutreffend. Jene, die nicht bestattet werden, kommen in den Kliniksondermüll wie auch alles andere menschliche Material – dabei geht es um die hygienische Beseitigung. Diejenigen aus der Region München werden in einer entsprechenden Anlage in Augsburg verbrannt; sie werden nach unserem Kenntnisstand in Bergwerksstollen gelagert. Was allerdings schon in der Kanalisation landet – das werden Sie aber mit Ihrem Gesetzentwurf nicht verhindern –, sind frühe häusliche Fehlgeburten. Das ist genau einer der Gründe, weswegen wir die Bestattungspfl icht ablehnen. Wir meinen, dass sich diese Frauen durch diese Pfl icht unnötig unter Druck gesetzt fühlen könnten, wenn ein solcher Fall eintritt.

(Beifall bei der SPD)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Danke. Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 c auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes und anderer Vorschriften (Drs. 15/3477) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Bayerischen Staatsregierung begründet. Herr Staatsminister Dr. Schnappauf steht schon bereit. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben zehn Minuten zur Verfügung.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten das bayerische Gesetz zuletzt 1997/ 1998 mit damals zahlreichen Änderungen und Innovationen novelliert. Wir haben jetzt erneut Reformbedarf, um das novellierte Bundesrecht und die Europäische Zoo

Richtlinie umzusetzen. Ich möchte mich, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst beim Hohen Haus herzlich dafür bedanken, dass es trotz knapper Fristen möglich ist, den Entwurf des Gesetzes noch vor der Sommerpause zu beraten.

Auch in diesem neuen Entwurf für das Bayerische Naturschutzgesetz zeigt sich, dass wir die Verantwortung für die Schöpfung, die Vielfalt in der Schöpfung und den Eigenwert der Natur ganz vorne anstellen. Nach dem vorliegenden Entwurf wird auch in diesem novellierten Bayerischen Naturschutzgesetz deutlich, dass wir die Natur nicht nach Nützlichkeitskategorien aus Sicht des Menschen beurteilen, sondern ihr einen Eigenwert zumessen. Damit war Bayern schon seinerzeit 1998 Vorreiter, indem wir zum ersten Mal den Eigenwert der Natur in ein Gesetzeswerk geschrieben haben. Zwischenzeitlich hat auch der Bund diese Formulierung übernommen.

Oberste Leitlinie ist und bleibt daher der Eigenwert der Natur und die Verantwortung des Menschen für die nachfolgenden Generationen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir aber nicht bürokratische Regelungen, die letztlich niemandem nützen, sondern eine schlanke, klare, übersichtliche und vollzugsfreundliche Umsetzung. Wir erreichen dies am besten durch Partnerschaft mit den Betroffenen, vor allem den Grundstückseigentümern, allen voran unseren Bäuerinnen und Bauern, und durch einen offenen Dialog in unserer Gesellschaft. Nur dann kann und wird Naturschutz nachhaltig funktionieren und auch dauerhaft auf Akzeptanz stoßen.

Die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes setzen wir eins zu eins um, ohne etwas draufzusatteln. Ich will einige Regelungsbereiche ansprechen.

Erstens, Ziele und Grundsätze. Nachdem diese im neuen Bundesrecht nicht mehr unmittelbar gelten, werden sie jetzt im bayerischen Landesrecht geregelt. Wir werden auch unserer besonderen bayerischen Verantwortung gerecht. Dies gilt insbesondere für die Alpen als besonders schützenswerte Landschaft, aber auch für die Moore; denn Bayern verfügt über eine besondere Vielfalt unterschiedlicher Moortypen mit zum Teil europaweiter Bedeutung.

Zweitens, Landschaftsplanung. Hierzu fi ndet sich im Gesetzentwurf eine bedeutende Neuerung mit der Verpfl ichtung zur fl ächendeckenden örtlichen Landschaftsplanung. Unser Entwurf unterscheidet sich aber ganz wesentlich vom Gesetzentwurf der GRÜNEN aus dem vergangenen Jahr. Die fl ächendeckende Landschaftsplanung ist nach dem nun vorliegenden Entwurf mit einem Ausnahmevorbehalt verbunden, um in der Sache fachlich nicht gebotenen Verwaltungsaufwand und Kosten zu vermeiden. Das heißt: Landschaftsplanung wird nicht um ihrer selbst willen betrieben, steht nicht nur auf dem Papier, sodass sie letzten Endes auch der Natur nichts nützt.

Drittens, Eingriffsregelung. Sie wird einfacher und fl exibler gestaltet. Wir schaffen ein Ökokonto, das auch zeitlich vorgezogene Kompensationsmaßnahmen ermöglicht. Damit können für beide Seiten Effi zienzsteigerungen

erreicht werden: Für den Investor wird das Vorhaben kostengünstiger, weil er keine teuren Baulandpreise zahlen muss, und das Vorhaben wir rascher durchführbar. Die Natur profi tiert also schon vor dem Eingriff davon, dass ein entsprechender Ausgleich, eine entsprechende Kompensation erfolgen kann.

Viertens, Verhältnis Naturschutz – Landwirtschaft. Wie bei der letzten großen Novellierung wird die besondere Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft für unsere Kulturlandschaft auch im vorgelegten neuen Entwurf besonders berücksichtigt. Jeder, der heute in unserer bayerischen Landschaft unterwegs ist – ich spreche stellvertretend einmal die Almen an – weiß, dass ohne bäuerliche Bewirtschaftung der Erhalt der Vielfalt nicht möglich wäre. Deshalb wollen wir auch im neuen Gesetz die besondere Bedeutung unserer Land- und Forstwirtschaft für den Erhalt einer vielfältigen Kulturlandschaft unterstreichen. Die Novelle setzt insofern im Bereich der Landwirtschaft ein deutliches Signal. Die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes werden so schlank, so nutzerfreundlich und so deregulierend wie nur irgend möglich umgesetzt. Der kooperative Naturschutz wird weiter gestärkt und ausgebaut.

Im Gegensatz zu der Politik des Bundes setzen wir auf Vertrauen zu Kooperation mit unseren Landwirten, nicht auf verdeckte Feldbeobachtung, um nur ein Beispiel für die unterschiedlichen Herangehensweisen anzusprechen.

Die Umsetzung der guten fachlichen Praxis wird nach den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes beschränkt auf eine Regelung zum Grünland. Die bayerische Regelung ist im Gegensatz zur Verbotsregelung des Bundes als Gebot, also als Soll-Vorschrift formuliert. Grünland auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten „soll“ erhalten werden. Für den Naturschutz bedeutet die Umformulierung im Ergebnis keine Schlechterstellung. Sie ermöglicht aber Landwirten die Inanspruchnahme des Kulturlandschaftsprogramms, des KULAP. Hätten wir es als Verbot ausformuliert, wäre den Landwirten von vorneherein die Möglichkeit genommen worden, dafür KULAP-Mittel zu beantragen.

Die forst- und fi schereiwirtschaftlichen Anforderungen werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs in den jeweiligen Fachgesetzen, also im Wald- und Fischereigesetz geregelt. Damit werden sinnvollerweise nur naturschutzfachlich relevante Sachverhalte im Naturschutzgesetz geregelt. Eine schlagspezifi sche Dokumentation über den Einsatz von Dünger- und Pfl anzenschutzmitteln, wie das der Entwurf der GRÜNEN vorsah, hat im Naturschutzrecht nichts zu suchen.

Bei den Landschaftselementen soll eine ausreichende, naturraumbezogene Ausstattung erreicht werden. Dazu ist kein eigenes Verfahren zur Festlegung der Mindestdichte von Landschaftselementen erforderlich, sind auch keine prozentualen Vorgaben für die Mindestdichte erforderlich. Wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch keine aufwendigen und kostenträchtigen Planungen, die mangels

Durchsetzungsmöglichkeit schließlich in Schubladen verschwinden und mit viel Aufwand am Ende doch nichts bewirken. Das Ziel einer ausreichenden Dichte soll und kann nur auf freiwilligem Weg, das heißt über Förderprogramme und Vereinbarungen erreicht werden.

Zum FFH- und Vogelschutz sieht das neue Recht eine Ermächtigung des Umweltministeriums vor, durch Rechtsverordnung Gebietsbegrenzungen und Erhaltungsziele der europäischen Vogelschutzgebiete festzulegen. Die Regelung war aufgrund der Rechtsprechung erforderlich geworden. Gebiete müssen Dritten gegenüber rechtswirksam und verbindlich abgegrenzt sein, und die Erhaltungsziele müssen hinreichend bestimmt sein. Nur dann kann für europäische Vogelschutzgebiete ein Wechsel zum schwächeren Schutz nach der FFH-Richtlinie erfolgen, was insbesondere für Infrastrukturvorhaben wie Straßenbau von erheblicher Bedeutung ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wir „schlankes“ Vorgehen verstehen, wird auch an dieser Stelle deutlich.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir wollen mit einer Verordnung die Grenzen für alle 83 Vogelschutzgebiete ziehen, das heißt, es soll keine 83 Einzelverordnungen, sondern eine gemeinsame Verordnung geben. Es werden keine zusätzlichen materiellen Verbote eingeführt. Es bleibt bei dem schon bestehenden allgemeinen Verschlechterungsverbot und der Zusage, dass vertragliche Regelungen Vorrang vor hoheitlichen Schutzgebietsverfahren haben.

Der Inhalt dieser Verordnung war bereits Gegenstand des Dialogverfahrens. Nichts anderes wird in der Verordnung geregelt. Wir beschränken uns bewusst auf Vogelschutzgebiete, weil nur dazu die höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.

Letzter Punkt, Biotopverbund. Das Bundesrecht verpfl ichtet dazu, auf mindestens 10 % der Landesfl äche einen Biotopverbund einzurichten. Obwohl wir alle wissen, dass starre Zahlen der Vielfalt der Natur nicht gerecht werden, ist diese Grenze im Bundesrecht so gesetzt. Wir haben auch ohne eine solche Grenzziehung die Bedeutung des Biotopverbundes für Bayern längst erkannt. Der Landtag hat schon Mitte der Achtzigerjahre den Aufbau eines eigenen bayerischen Biotopverbundes beschlossen. Inzwischen haben wir über 300 Verbundprojekte initiiert und 11,3 % der Landesfl äche als FFH- und Vogelschutzgebiete gemeldet. Nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf werden der europäische Biotopverbund und „BayernNetzNatur“ in einer Vorschrift zum bayernweiten Biotopverbund und damit zu einem einheitlichen System zusammengeführt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Zielsetzung des kooperativen Naturschutzes verfolgen wir auch im Zusammenhang mit dem Biotopverbund. Dafür stehen in Bayern im erheblichen Umfang Mittel zur Verfügung: für den Vertragsnaturschutz 22 Millionen Euro, für die Landschaftspfl ege 9 Millionen Euro und für Umset

zungsmaßnahmen von Projekten aus „BayernNetzNatur“ vom Naturschutzfonds nochmals 9 bis 10 Millionen Euro jährlich. Das zeigt, dass sich der kooperative Ansatz wie ein roter Faden durch das Gesetz und für das praktische Handeln durch den Haushalt zieht.

Deshalb lassen Sie mich folgendes Fazit ziehen: Mit dem neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes soll die Bereitschaft zu eigenverantwortlichem und kooperativem Handeln weiter gestärkt werden. Der Entwurf steht für die klare Wertevorstellung zur Erhaltung unserer bayerischen natürlichen Lebensgrundlagen. Er ist gleichzeitig ein Kompromiss zwischen den Notwendigkeiten eines modernen Naturschutzes und den berechtigten Interessen der Landnutzung und Landbewirtschaftung; und er sichert ein ausgewogenes Verhältnis von Ökonomie und Ökologie im Sinne unseres Leitbildes, nämlich der nachhaltigen Entwicklung.

Ich wäre Ihnen deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus, sehr dankbar, wenn der Gesetzentwurf wie vorgesehen noch vor der Sommerpause in den Gremien beraten und zur Beschlussfassung gebracht werden könnte. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und die Unterstützung.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner. Anschließend kommen Herr Kollege Dr. Hünnerkopf und Frau Kollegin Paulig zu Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei dem, was Staatsminister Dr. Schnappauf vorgestellt hat, musste ich einen Moment lang nachdenken, ob wir von denselben Dingen reden.

(Henning Kaul (CSU): Kommt darauf an, was Sie jetzt vortragen!)

Der Gesetzentwurf, der uns vorliegt, stellt nicht das dar, was der Minister gerade beschrieben hat. Das war ein Zurückrudern, ein Einknicken, ein Nachgeben, und das ist ein weichgespültes Gesetz, das der Aufgabe der Pfl ege der Heimat und der Natur nicht gerecht wird.

(Henning Kaul (CSU): Wir halten uns an die Bundesvorgaben!)

Sie gehen dahinter zurück. Das ist das Problem.

(Henning Kaul (CSU): Das geht gar nicht!)

Im Übrigen, Herr Minister, Sie sagten, Sie seien ein Verfechter des Eigenwerts der Natur. Das passt doch nicht ganz zu dem Tanz, den Sie im Bundesrat aufgeführt haben. Das war ganz anders. Der Eigenwert der Natur war für Sie ein schwieriges Thema, und man konnte Sie nur mühsam dazu bringen, zuzustimmen. Das sollte man der Wahrheit halber auch feststellen.

Meine Damen und Herren, ich will den Inhalt nur kursorisch darstellen, weil wir das Gesetz noch beraten werden. Offensichtlich ist der Bayerischen Staatsregierung völlig entgangen, dass die Alpenkonvention in Kraft ist. Darauf wird im Gesetz inhaltlich nicht Bezug genommen. Grundwasser scheint kein Thema zu sein. Eines der wertvollsten Güter Bayerns fi ndet keine Berücksichtigung. Kolleginnen und Kollegen, es gilt nachzubessern. Wir sind gerne bereit, dies zu tun, und hoffen auf Ihre Unterstützung.

(Henning Kaul (CSU): Wir werden Ihnen sagen, was wir wollen!)

Zum Thema Land- und Forstwirtschaft fehlt im Gesetz auch einiges. Wegen des Eingriffs in die Natur und wegen der Ausgleichsmaßnahmen müssen wir erheblich nachbessern – zur Bodennutzung sowieso. Interessant war, wie Staatsminister Dr. Schnappauf die Ausgleichszahlungen interpretiert hat. Das zeigt deutlich, dass er in seinem Hause, dem Umweltministerium, nichts zu sagen hat, sondern dass ein ganz anderes Ministerium die Feder führt. Er hätte einräumen sollen, dass er sich in der Ressortabstimmung nicht durchsetzen konnte. Anstatt zu beschönigen, hätte er zugeben sollen, dass er vor einer starken Lobby in Bayern eingeknickt ist.

Für den Einsatz der Grabenfräse gab es schon naturfreundlichere Regelungen. Jetzt wird zurückgerudert nach dem Motto: Was interessiert uns das Getier; es geht nur noch um die Wirtschaftlichkeit.