Protokoll der Sitzung vom 21.07.2005

Drei Kriterien für Standorte sind in Betracht zu ziehen: die ländliche und die städtische Hintergrundbelastung sowie die Hotspots. Es reicht nicht aus, die Messstation von einem Hotspot – wie in Passau – wegzunehmen und an

einem Ort mit städtischer Hintergrundbelastung aufzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beides ist nötig. Dafür muss es Finanzmittel geben.

In Ingolstadt ist es genau so. Dort gibt es städtische Hintergrundbelastung. Die Messstation steht in einer Grünanlage und ist gut von Bäumen und Büschen umgeben, welche die Luft fi ltern und die Luftbelastung mindern. Die Messstation steht in einem gesunden Ambiente. Aber die Ingolstädter wollen wissen, wie es an den Hotspots, im Gewerbepark und im Industriegebiet aussieht. Bei Windrichtung aus Westen ist die Situation dort möglicherweise etwas entspannter, als wenn die Emissionsbelastungen im Westen der Stadt entstünden. Nichtsdestotrotz muss kritisch hinterfragt werden, wo die jeweiligen Messstationen stehen.

Die GRÜNEN haben klar gesagt, dass in Städten, die erst jetzt in die Grenzwertüberschreitung hineinwachsen, bereits jetzt Maßnahmen ergriffen und Luftreinhaltepläne erstellt und in Aktionsplänen wirksame Maßnamen erarbeitet werden müssen. Schauen wir uns Bayreuth, Augsburg und München an. Diese drei Städte liegen innerhalb der Bundesskala an der Spitze. An erster und zweiter Stelle liegen München und Augsburg, bereits an dritter Stelle liegt Bayreuth, Hohenzollernring.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Diese Messstation ist weggeräumt worden!)

Ach, die ist weggeräumt worden. Dort wurden bis dato 29 Überschreitungen gemessen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Da war die Belastung zu hoch!)

Wie in Passau.

In Bayreuth gibt es keinen Luftreinhalteplan, keine zielgerichtete Debatte und nicht den Druck aus dem Umweltministerium oder von der Regierung, damit an die Arbeit gegangen und nicht abgewartet wird, bis die 35 Grenzwertüberschreitungen eingetreten sind.

In der Gabelsbergerstraße in Neu-Ulm gab es 26 Überschreitungen. In Landshut gibt es ebenfalls keinen Luftreinhalte- oder Aktionsplan; dort gab es in der Podewilstraße 24 Überschreitungen. Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. In Ingolstadt gibt es, obwohl die Messstation in der Grünanlage steht, 21 Überschreitungen. Ich glaube, in den verantwortlichen Stellen wird geschlafen. Jetzt müssen endlich die Aktionen greifen, und man muss etwas tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Städte und Kommunen brauchen dringend den schnellen Einsatz mobiler Messstationen; drei oder vier – das Umweltministerium wird die Zahlen nennen können – sind zu wenige. Wir brauchen mehr Möglichkeiten in den

Kommunen, erst zu messen und dann zu handeln. Dazu müssen mobile Messstationen eingesetzt werden.

Zum Antrag der CSU: Ich fi nde die Forderung in Ordnung, zu den von Ihnen genannten Punkten zu berichten. Ich weise allerdings darauf hin, dass ein Antrag der GRÜNEN am 03.03.2005, Drucksache 15/2977, im Plenum beschlossen wurde. Der Bericht steht bis heute aus. Den letzten Bericht erhielten wir im Oktober 2004. Es ist dringend angezeigt, einen vernünftigen Sachbericht zu erarbeiten. Ich bitte Sie, diesen möglichst in der Sommerpause zuzustellen; denn wir werden diese Debatte im Sommer nicht unter den Teppich kehren können, schließlich haben wir erhöhtes Verkehrsaufkommen durch den Ferien- und den Touristikverkehr und den Lkw-Verkehr. Wir sollten an heißen Sommertagen wissen, woran wir sind. Die Kommunen sollten trotz Sommerferien weiterplanen können, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein letzter Punkt: Durch Untersuchungen in Berlin – angeblich gibt es diese auch in Bayern – ist bekannt geworden, dass es in Klassenzimmern hohe Feinstaubbelastungen gibt. Ich möchte die Staatsregierung bitten, dazu Stellung zu nehmen. Die Berliner Ergebnisse haben Dramatisches enthüllt. Die Feinstaubbelastung ist im Klassenzimmer circa dreimal so hoch wie in der Außenluft, doppelt so hoch wie in Büros und Wohnungen. Das können wir den Kindern und den Lehrkräften nicht länger zumuten. Wir müssen ganz konsequent Lüftungs- und Reinigungsmaßnahmen als Sofortmaßnahmen durchführen. In den Ferien kann daran gearbeitet werden. Eventuell könnten die Böden und die Heizsysteme bewertet und daraufhin geprüft werden, wie die Feinstaubbelastung in den Schulen reduziert werden kann. Das ist in der Tat ein Problem.

Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne Auskünfte erhalten, um welche Partikelgröße es sich handelt. Sind es die gefährlichen Partikel aus Verbrennungen, die dort die hohen Werte verursachen? Oder sind es Feinstäube nahe an der PM10-Belastungs-Grenze? Sollten es die ultrafeinen Partikel sein, wäre das gesundheitlich sehr bedenklich, weil sich hier Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, toxische Stoffe anlagern, was zu gesundheitlichen Belastungen führt. Es wäre schön, heute etwas über das Messprogramm in den bayerischen Schulen zu hören. Sie sind dann gleich aufgefordert, an die betroffenen Schulen heranzutreten. Möglicherweise lassen sich schon in den Ferien erste Vorsorgemaßnahmen in den Schulgebäuden treffen.

Dieses Problem ist sicherlich nicht einfach zu lösen. Es ist sehr komplex, es ist multifaktorell, und es hilft in der Debatte nicht, darauf hinzuweisen, dass die Dieselpartikelfi lter nur 5 bis 7 % reduzieren im gesamten Geschehen. Wir haben an den einzelnen Standorten unterschiedliche Bedingungen, und es gibt eine breite Palette von Handlungen, die es anzugehen gilt.

Sie reicht von den Verbrennungsvorgängen im Verkehr über die in der Industrie hin zum Hausbrand. Die Haus

brandbelastung in Nürnberg ist zum Beispiel relativ hoch. Die Palette reicht bis zur Bauwirtschaft, zur Landwirtschaft und dem gesamten Gewerbebereich. Es macht keinen Sinn, die Bereiche gegeneinander auszuspielen, sondern es gilt, in allen Bereichen zu handeln.

Noch zwei Bemerkungen zur Bundesebene. – Wir wollten die Neuwahl nicht. Wir wollten vielmehr auf diesem Gebiet weiter handeln. Leider liegt einiges, was dringend notwendig wäre, im Bundesrat. Die Bundesratsmehrheit ist aufgefordert, auch in der Sommerpause endlich in den Ausschüssen zu Entscheidungen zu kommen, um im September bei der ersten Sitzung Fakten zu schaffen. Wir brauchen die Kennzeichnungsverordnung dringend, die auch die Einrichtung von Umweltzonen erleichtert.

Lieber Herr Kollege Hintersberger, ich sehe, Sie schreiben eifrig; offensichtlich wollen Sie sich noch einmal zu Wort melden. Vielleicht stört Sie an der Kennzeichnungsverordnung, dass die Kennzeichnung grüne Plaketten für die emissionsärmsten Autos vorsieht und schwarze für die Autos, die den meisten Ruß ausstoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich muss sagen: Ich fi nde das nur schlüssig und richtig. Aber wenn’s um die Durchsetzung geht und Sie nur zustimmen, wenn die Autos mit den schwarzen Plaketten die saubersten sind, dann bitte tun Sie es. Wir brauchen schließlich saubere Luft, aber keinen Heckmeck auf Kosten der Gesundheit unserer Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können auch keine weiteren Verzögerungen der steuerlichen Entlastung brauchen. Ich sage ganz klar: Sollte der Entwurf vorgelegt werden, dass man bei der Einführung des Partikelfi lters nur die Altfahrzeuge steuerlich entlasten will, so werden wir zustimmen.

(Johannes Hintersberger (CSU): Das ist ja schon was!)

Bei den Neufahrzeugen soll die Industrie handeln. Die Autoindustrie soll da endlich in die Puschen kommen. Dem stimmen wir also zu. Aber benutzen Sie doch dann bitte auch Ihre Mehrheit, die Sie derzeit im Bundesrat haben, und bringen Sie das zur Verabschiedung; denn wir brauchen hier einen steuerlichen Anreiz, der zeitlich befristet ist, damit die Umrüstung kommt. Da sollten wir nicht politischen Hickhack auf die Tagesordnung setzen, sondern handeln.

Aus dem Umgang mit der Feinstaubproblematik hat hoffentlich nicht nur die Politik einiges gelernt. Wir müssen vielmehr grenzüberschreitend und konsequent global und lokal handeln. Hoffentlich hat aber auch die Automobilindustrie einen gewissen Lerneffekt gehabt. Es geht nicht an, hier strenge Umweltvorschriften zu missachten. Im Gegenteil: Wer sich auf strenge Umweltvorschriften einstellt, wer umweltbewusst handelt, wer umweltgerechte Produkte entwickelt, hat Wettbewerbsvorteile. Das sollte endlich auch in der Automobilindustrie ankommen. Andere Industrien im Emissionshandel, die ihre Emissi

onen mindern, haben dies bereits erkannt. Sie haben wirtschaftliche Vorteile im Emissionshandel und dies gerade angesichts der gestiegenen Ölpreise. Die Automobilindustrie wäre gut beraten, auch diese Maxime endlich zur Kenntnis zu nehmen und spritarme Fahrzeuge zu entwickeln. Irgendwann kommt auch die CO2-Begrenzung, weil die Selbstverpfl ichtung noch nicht greift. CO2-arme, lärmgeminderte Fahrzeuge müssen auf den Markt gebracht werden; denn der Käufer und die Käuferin werden künftig noch bewusster auswählen. Sie wollen ja die Umwelt schützen und wollen mit dem Gebrauch ihres Automobils nicht als Verkehrsteilnehmer in der Gesellschaft dastehen, die die Umwelt belasten. Die Wirtschaft muss lernen, den Umweltschutz in der Produktentwicklung, im Produktgebrauch und in der Produktrücknahme umzusetzen. Das sind Wettbewerbsvorteile. Wenn wir dies aus der Debatte lernen, ist das ein ganz gewaltiger Lernfortschritt für Wirtschaft und Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Hintersberger.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Margarete Bause (GRÜNE): Werden die Wapperl jetzt schwarz oder grün!?)

Wir werden die grünen Wapperl nehmen, damit Sie Ruhe geben! – Ich darf noch einmal in aller Kürze einige Aspekte beitragen. – Ich habe bereits vorhin auf den anfänglich sehr hysterischen, aufgeregten Aktionismus, auf den Sie hier ebenfalls sehr aufgeregt eingegangen sind, hingewiesen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Engagiert!)

Was ist hier gemeint? – Da unterscheiden wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie handeln nach dem Motto: Wir müssen etwas tun, egal was, egal, ob sinnvoll oder nicht, egal ob zielführend oder nicht, egal ob effi zient oder nicht. So kommt mir das vor, was Sie, die GRÜNEN, hier in dieser Sache gemacht haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das hätten Sie gestern mal dem Herrn Beckstein sagen sollen!)

Das ist nicht unser Weg, das war auch nicht unser Weg.

(Beifall bei der CSU)

Insofern kam auch der Kabinettsbeschluss am 5. April dieses Jahres zustande – hier stehen wir absolut auf dem gleichen Gleis –, in dem danach gefragt wurde, woher diese Feinstäube kommen und wie sie zusammengesetzt sind. Gerade von Ihnen, Frau Kollegin Paulig, weiß man ja: Sie hauen alles in einen Kübel, rühren dann darin um und entwerfen irgendwelche Szenarien. Sie verunsichern die Leute mehr, als sie von der Sache her aufzuklären oder ordentlich zu informieren, um so zu helfen.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, im „Spiegel“ oder „FOCUS“ waren vor zwei oder drei Wochen Ergebnisse von Feinstaubuntersuchungen in Berliner Schulen abgedruckt. Es hilft nicht, sondern verunsichert, wenn Sie diese Untersuchungsergebnisse in Schulen in den gleichen Kübel werfen wie mit ganz anderen toxischen Belastungen belegten Feinstäuben im Bereich des Verkehrs, der Dieselfahrzeuge. Dies ist nicht sachgerecht, dies hilft nicht weiter, sondern verunsichert.

(Beifall bei der CSU)

Bei einem zweiten Punkt stimme ich Ihnen durchaus zu, und ich freue mich, wenn Sie hier einen Lernprozess durchgemacht haben. In der Frage der Optimierung umwelttechnischer Entwicklungen und Anwendungen im Fahrzeugbereich sind wir d’accord. Ich frage mich nur, warum Sie dann einem Antrag von uns, der vor vier, fünf Wochen eingebracht wurde, nicht zugestimmt haben, obwohl die SPD zugestimmt hat. Das freut mich ausgesprochen; das möchte ich hier noch einmal betonen. In diesem Antrag steht, dass wir die Forschung und Entwicklung der Wasserstoff-Brennstoffzelle zusätzlich fördern müssen. Diesem Antrag haben Sie nicht zugestimmt. Heute sagen Sie hier, dass die Umwelttechnik bei den Kraftfahrzeugen verbessert werden muss. Das ist doch nicht konsequent. Darauf möchte ich den Finger legen. Wir sind gegen ideologische Verbote des Autoverkehrs, wir sind nicht gegen den Ausbau des Autoverkehrs wie Sie, sondern wir setzen auf intelligente Lösungen im umwelttechnischen Bereich genauso wie im integrierten Mobilitätsmanagement. Dies habe ich dargestellt, und das macht unser Antrag noch einmal deutlich.

Ein letzter Punkt zum Bund. – Frau Paulig, jetzt, im beginnenden Vorwahlkampf habe ich manchmal den Eindruck, dass in den letzten sieben Jahren nicht Rot-Grün in Berlin regiert hat, sondern die Union. So stellen Sie es jedenfalls im Wahlkampf dar.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Die Union hat auf jeden Fall blockiert!)

Sie haben hier doch in keiner Weise gehandelt. Dieser Luftballon Ende Januar von Herrn Trittin, um mit steuerlichen Aspekten Prioritäten im Neufahrzeugbereich zu setzen, blieb heiße Luft. Das war noch dazu vollkommen falsch. Nach unserem Dafürhalten müsste eine steuerlich neutrale Nachrüstung der Altfahrzeuge in den Vordergrund gerückt werden. Sie haben hier geredet, aber die Dinge in keiner Weise entsprechend Ihrer Verantwortung weiterentwickelt, geschweige denn gehandelt. Insofern müssen Sie hier schon die Kirche im Dorf lassen.

Sie haben hier einzelne Beispiele gebracht, zum Beispiel aus Bayreuth. Sie haben kritisiert, dass seitens des Freistaates keine Luftreinhaltepläne gefordert worden sind. Aber dazu wird die Staatssekretärin noch etwas sagen. Hierzu gibt es eine sicher nicht parteipolitisch verdächtige Untersuchung des Bayerischen Städtetages vom 3. Mai 2005. In 18 betroffenen Städten über 50 000 Einwohnern wurde eine Umfrage gemacht. Darin heißt es, die Stadt Bayreuth ist seit Jahren bemüht, die Luftsituation konsequent zu verbessern, unter anderem durch ver