produkte – eingruppiert wurden und dann zur Lebensmittelgewinnung herangezogen wurden. Das heißt, das Umgehen mit solchen Fleischteilen ist etwas anderes, wenn sie weiterhin zur Lebensmittelgewinnung genutzt werden sollen. Aus diesem Grund ist eine Verfehlung gegeben, wenn beispielsweise die Kühlkette nicht eingehalten wurde oder wenn die Hygiene nicht in einer Art und Weise erfolgte, wie wir das bei der Lebensmittelherstellung erwarten.
Lassen Sie mich das Ganze aus einer gewissen Distanz betrachten. Wir haben hier wieder einmal eine typische Konstellation: Ein Betrüger hat ein Ereignis zu seiner Bereicherung provoziert, und das löst allgemeine Entrüstung aus. Man hat sehr schnell einen griffi gen Namen dafür gefunden, nämlich den „Ekelfl eisch-Skandal“. Man hätte auch „Deklarations-Betrugsfall“ sagen können, aber es ist ein „Ekelfl eisch-Skandal“ geworden. Damit wird ein üblicher Refl ex provoziert. In der allgemeinen Meinung hat jemand versagt, es folgt die Forderung: Die Kontrollen müssen vermehrt werden. Dabei handelt es sich hier bei der Lebensmittel-Urproduktion um einen Bereich, liebe Kolleginnen und Kollegen, der – nach meiner Auffassung –, vielfach bereits überreguliert ist. Hier müssen wir Nüchternheit walten lassen und unser Ziel im Auge behalten, nämlich Schlupfl öcher zu schließen, die von einem Verbrecher ausgenutzt wurden. Wir müssen versuchen, die Angelegenheit ganz nüchtern, ganz konsequent zu analysieren, und unsere Konsequenzen daraus ziehen.
Um zu zeigen, in welcher Situation wir uns derzeit befi nden, will ich folgenden Vergleich bringen: Die Konstellation ist nicht anders als bei Scheckkartenbetrug oder bei Hackern. Dabei handelt es sich in unserem Fall allerdings um ein emotional behaftetes Gebiet, weil wir es mit verdorbenem Essen zu tun haben. Das berührt uns weitaus stärker, als wenn durch Scheckkartenbetrug mehrere Millionen Euro verschoben wurden. Das dahinter stehende Prinzip ist aber das gleiche. Jemand, der für Firewalls zuständig ist, der Sicherheitssysteme für Computer macht, reagiert täglich darauf, dass ein intelligenter Hacker einen Weg gefunden hat, Sicherheitsbarrieren zu umgehen. Es gibt einen ganzen Software-Industriezweig, der davon lebt, Nachbesserungen der Sicherheitsprogramme auf den Markt zu bringen. Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass wir auch bei den Lebensmitteln keine hundertprozentige Sicherheit bekommen werden, solange es Menschen gibt, die kriminelle Energie aufwenden, um die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen zu durchbrechen.
(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Die Frage ist doch, ob man sich mit dem zufrieden gibt!)
Wir wollen uns damit nicht zufrieden geben. Wir müssen jetzt gemeinsam daran arbeiten, diesen DeklarationsBetrug, der hier entdeckt wurde, künftig sicher auszuschließen. In dieser Frage sind wir sicher einig. Jetzt geht es darum, eine Lösung zu suchen. Diese Lösung muss zunächst einmal die Deklaration betreffen. Wir müssen uns überlegen, ob wir die Deklarationspapiere nicht europaweit vereinheitlichen, um damit eine bessere Transparenz zu gewährleisten. Wir müssen uns aber auch darüber einig sein, dass nicht an jedes Hähnchengerippe eine
Nummer gehängt werden kann, um den Stoffkreislauf zu verfolgen. Bei 400 000 Tonnen Separatorenfl eisch allein in Deutschland und bei 14 Millionen Tonnen in Europa ist das sicher nicht möglich. Deshalb muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Man muss darüber nachdenken, ob Material, das nicht mehr für den menschlichen Genuss herangezogen wird, am besten einfach untauglich gemacht werden soll.
Das könnte zum Beispiel durch Einfärben geschehen, wie das bei spezifi schem Risikomaterial gemacht wird. Ich bitte Sie aber zu bedenken, dass ein großer Teil dieser Ware in die Tierfutterindustrie geht, und ich weiß nicht, ob man dem Verbraucher auf Dauer blau gefärbtes Katzenfutter zumuten kann. Ich weiß nicht, wie der Markt darauf reagiert; erwägenswert wäre es aber allemal. Auch ein Vergällen, eine geschmackliche Veränderung, wie das beispielsweise beim Spiritus gemacht wird, ist erwägenswert. Ich bitte Sie aber, den Fachleuten zur Beantwortung dieser Fragen Raum zu geben. Umweltminister Dr. Schnappauf hat angedeutet, dass bereits morgen eine Konferenz mit Fachleuten einberufen wird, in der all diese Aspekte untersucht werden. Es wird überlegt, wie diese Schlupfl öcher geschlossen werden können.
Noch ein Satz zu den organisatorischen Schwachstellen, die sich hier möglicherweise abzeichnen. Wenn man den Zeitungsberichten Glauben schenken kann, dann haben die Staatsanwaltschaft und die Bundeszollbehörden sowie eine Spezialtruppe der EU zur Betrugsbekämpfung – die Truppe OLAF – bereits im Mai Kenntnis von solchen Vorgängen gehabt. Hier ist die Frage zu untersuchen, ob es rechtens ist, solche Sachverhalte aus verfahrenstaktischen Gründen so lange unter Verschluss zu halten, bevor sie den zuständigen Behörden zur Kenntnis gegeben werden.
Ich glaube sagen zu können, dass die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden nach dem, was ich bisher gehört habe und was Staatsminister Dr. Schnappauf inzwischen hier dargelegt hat, keine Schuld trifft. Die Reaktion vom 11. Oktober 2005, als die Behörden erstmals davon Kenntnis erhielten, bis heute war sicher ohne schuldhaftes Zögern. Wenn der Hauptverdächtige bereits heute hinter Schloss und Riegel sitzt, wenn Hausdurchsuchungen und Rückrufaktionen veranlasst wurden, dann kann nicht davon gesprochen werden, dass die bayerischen Lebensmittelkontrollbehörden gezögert hätten. Wir müssen also gemeinsam nach einer Lösung suchen, um die Deklarationslücken so zu schließen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Ich bitte die Opposition deshalb, die Angelegenheit sachlich und ohne Aufregung mit uns durchzuarbeiten.
dass uns der Ekel und der Wille, diese Missstände abzustellen, verbinden. Wir sind uns wohl auch darin einig, dass wir den Sachverhalt nachhaltig verfolgen sollten, und zwar ohne Schaum vor dem Mund, wobei Sie mir trotzdem gestatten sollten, in Bezug auf manche Dinge meiner Verwunderung Ausdruck zu geben.
Ich denke, der neuerliche Skandal ist wie ein Kropf: Auf der einen Seite ist er übrig, auf der anderen Seite kann er uns die Luft abschnüren, was ihn bedenklich macht. Im Zuge des BSE-Skandals haben wir genau wie jetzt die Warenströme als Hauptproblem erkannt. Aus diesem Grund wurde die Rückverfolgbarkeit von Waren so wichtig und ihre Verankerung im Gesetz vorangetrieben. Dass gerade auf diesem Sektor aus Gewinnsucht so viel gepfuscht und gepanscht wird, dürfte spätestens seit der Vermischung von genverändertem und nicht genverändertem Saatgut bekannt sein.
Trotzdem stehen Sie nach jedem Skandal hier und tun so, als ob alles perfekt liefe und als ob alles getan worden wäre, was von unserer Seite getan werden kann. Jedes Mal sagen Sie, man könne kriminellen Elementen nicht an den Karren fahren und eine gewisse Kriminalität sei hinzunehmen. Hier muss ich entschieden widersprechen. Wenn wir Gesetze haben und deren Einhaltung kontrollieren, dann werden wir der kriminellen Machenschaften Herr werden.
Dort, wo Profi t winkt, sind überall gewissenlose Menschen, die den schnellen Euro höher schätzen als Moral, Ethik und Gesundheit. Davor müssen die Menschen geschützt werden.
Nach dem BSE-Skandal wurde ein Verbraucherschutzministerium aus dem Boden gestampft. Es wurde eine Task Force gegründet, die in meinen Augen vor allem die Aufgabe hatte, Schwachstellen festzustellen, Risikoanalysen vorzunehmen, an den Schwachstellen anzusetzen und die Kontrolle in den Flaschenhälsen und nicht fl ächendeckend zu etablieren. Für meine Begriffe fehlt hierzu nach wie vor die personelle und fi nanzielle Ausstattung.
Durch die Umressortierungen ist eine erhebliche Unsicherheit aufgekommen, die wir schnellstens beenden müssen.
Welche Auswirkungen die Verwaltungsreform auf die Lebensmittelkontrolleure und die Veterinäre hat, wissen wir alle. Der Hauptfehler ist nach meiner Auffassung nach wie vor, sie bei der Kreisverwaltung statt beim Ministerium anzusiedeln. Ich denke, wir werden auch künftig immer
wieder darüber sprechen müssen, ob die Ansiedelung an diesem Platz richtig ist. Für meine Begriffe ist sie nicht richtig. Für mich ist nach wie vor die Bündelung der Aufgaben bei einem Ministerium unabdingbar.
Pikant ist auch die fehlende – Herr Kollege Dr. Huber hat es angesprochen – bzw. späte Information des Verbraucherschutzministeriums durch die Zollbehörden und den Staatsanwalt. Hier müssen wir unbedingt nachbessern und nachfragen, wie so etwas geschehen kann.
Ich fordere Sie weiterhin auf, endlich konsequent die Herausforderungen anzunehmen und eine Verbraucherpolitik aus einem Guss zu machen. Man kann nicht hier ein bisschen und da ein bisschen tätig werden, sondern man muss alle Gebiete nahtlos abdecken. Es ist nämlich nicht einzusehen, dass unsere Bauern – das ist von Ihnen, Herr Minister, angesprochen worden – bis ins letzte Mauseloch hinein mit teils an Schikane grenzenden Methoden überprüft und kontrolliert werden, während gegen kriminelle Firmen mit Samthandschuhen vorgegangen wird, weil wir die gesetzlichen Vorgaben nicht haben, wie Sie gesagt haben.
Wir wollten die gesetzlichen Vorgaben ändern, aber Sie haben es verhindert. Es ist höchste Zeit, diese Vorhaben umzusetzen.
Natürlich brauchen wir eine massive Aufklärung der Verbraucher. Natürlich fehlen auch hier die Ernährungsberater, deren Stellen zu schnell gestrichen worden sind. Ernährungsberater könnten zum Beispiel darüber aufklären, was Separatorenfl eisch ist. Ich bin überzeugt davon, wenn ich hier in diesem Hohen Hause nachfrage, dann stellt sich heraus, dass bei weitem nicht jeder weiß, dass Separatorenfl eisch nicht nur abgeschabtes Fleisch ist, sondern mit Hochdruck von den Knochen abgesplittertes und teilweise Knochensplitter enthaltendes Material, das zusammengepresst und als Separatorenfl eisch verkauft wird. Sie können sich denken, was man sich darunter vorstellen kann. Wer weiß, was das bedeutet, sagt das, was ein Herr aus der Fleischverarbeitung meiner Kollegin gegenüber wörtlich erklärt hat: „Wenn die Leute nicht zahlen wollen, müssen sie eben den Dreck fressen. Ich tät’s nicht.“
Wir brauchen auch – ich hoffe, da sind Sie dabei – eine nahtlose und umfassende Risikoanalyse, um mögliche Probleme erkennen zu können. Herr Dr. Huber, dies muss wie bei Hackern und wie bei der Polizei vorausschauend geschehen, nicht immer erst hinterher, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen vorausschauend vorgehen und prüfen, wo kriminelle Elemente ihre Hand im Spiel haben könnten.
Dazu muss eine Task Force personell und fi nanziell ausreichend ausgestattet werden. Nur dann werden wir kriminelle Handlungen besser und schneller bekämpfen können. Sie haben uns zwar auf Ihrer Seite bei allen Initiativen, die über die Bundesebene auf Europaebene gestartet werden, aber wir können auch in Bayern mit einem Verbraucherinformationsgesetz sofort eine gewisse Lücke schließen. Ich fordere Sie auf, über Parteigrenzen hinweg ohne Rücksicht die Maßnahmen gemeinsam zu ergreifen, die notwendig sind. Ich denke, alle drei Anträge sind zielführend. Über Details kann man sich sicher streiten, aber wir sollten in diesem Hause unserer Absicht Nachdruck verleihen, dass wir vorangehen wollen und dass wir für die Zukunft Lücken schließen wollen, um kriminellen Elementen die Möglichkeit zu verbauen, die guten Waren, die unsere Bauern erzeugen, im Nachhinein mit Ekel erregenden oder sonstigen Dingen zu vermengen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive gemeinsame Arbeit.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst meine Verwunderung über die Vorgehensweise zum Ausdruck bringen. Nicht dass das ein Beinbruch ist, aber es ist zumindest ungewöhnlich, dass der Minister bei der Behandlung von Dringlichkeitsanträgen als Erster das Wort ergreift.
Er hat natürlich das Recht dazu, aber es wäre eher angebracht gewesen, zum Thema eine Regierungserklärung abzugeben, anstatt Dringlichkeitsanträge zum Anlass für eine Rede zu nehmen.
Zum Thema: Kolleginnen und Kollegen, dieser Fleischskandal hat deutlich gemacht, dass wir auf dem Gebiet der Lebens- und Futtermittel – um es genauer zu sagen: bei den K-3-Schlachtabfällen – erhebliche Lücken in der Kontrolle haben. Das wird für mich an zwei Punkten deutlich: Erstens wurde dieser Skandal nur entdeckt, weil das K-3Material importiert wurde. Würde es sich hier um reine Inlandsgeschäfte handeln, wäre also das K-3-Material bei einem deutschen bzw. bayerischen Schlachthof abgeholt worden und innerhalb Deutschlands umdeklariert und weiterverkauft worden, könnte man dies heute noch tun, ohne dass irgendjemand darauf käme.
Zweitens. Wie Sie, Herr Staats minister, selbst erklärt haben, wurde die Firma Frost GmbH in Deggendorf im letzten halben Jahr bereits siebenmal kontrolliert. Ich habe mir sagen lassen, dass sich die übliche Kontrolle auf zwei Überprüfungen pro Jahr beschränkt. Von daher ist die Firma um ein Mehrfaches strenger kontrolliert worden als andere, und zwar genau kontrolliert worden, und trotzdem wurde nichts gefunden.
Um es klar zu sagen: Das lag nicht an der Nachlässigkeit der Kontrolleure und nur zum Teil daran, dass die Umdeklarierung auf der Straße stattfi ndet. Es lag nach meiner Meinung und meiner Erkenntnis vielmehr einfach daran, dass die Überprüfung des Warenfl usses wohl nicht zum Kontrollauftrag der zuständigen Behörden gehört.
Ich bin mir sicher, dass ein Blick in die Bücher der beteiligten Firmen sehr wohl Aufklärung darüber gebracht hätte, wie der Warenfl uss gelaufen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es über diese Transaktionen keine Rechnungen gibt. Wenn es auf beiden Seiten keine Rechnungen gäbe, wären die aufnehmenden Firmen doch auch an dem Skandal beteiligt. Das würde ich zunächst einmal aber nicht vermuten. Es muss also Rechnungen geben. Wenn es aber niemand kontrolliert, der vom Verfahrensablauf her sachverständig ist – ein Betriebsprüfer wird den dafür notwendigen Sachverstand nicht haben –, kann man das natürlich auch nicht entdecken.
Es gibt also ganz offensichtlich seit dem Jahre 2001 einen Bereich, der nicht ausreichend kontrolliert wurde, ohne dass sich jemand daran gestört hätte oder ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Der ständige Verweis auf die Zuständigkeit der EU ist da zwar verständlich, aber wenig hilfreich.