Protokoll der Sitzung vom 19.10.2005

Zum zweiten Vorgang: Gefl ügelkarkassen. Die Deggendorfer Frost GmbH hat auch genussuntaugliche Gefl ügelkarkassen aufgekauft. Diese Gefl ügelkarkassen verkaufte sie als Lebensmittel an zwei bayerische Betriebe, einen Betrieb in Thüringen und in Niedersachsen sowie nach Ungarn. Die zuständigen Landesministerien und das Bundesverbraucherschutzministerium sind darüber informiert worden. Einer der beiden bayerischen Abnehmer ist die Firma Rottaler Gefl ügelprodukte im niederbayerischen Gangkofen. Aus dem gelieferten Material wurden den Ermittlungen zufolge im Zeitraum vom 15. Dezember 2004 bis 24. Februar 2005 Hühnerklein und ein Hühnersuppentopf hergestellt. Die Produkte wurden von der Firma Gelha unter dem Handelsnamen „Gelha Hühnerklein“ und „Gelha Hühnersuppentopf“ vertrieben; sie haben eine Haltbarkeit von 18 Monaten. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand sind sie an Abnehmerfi rmen in SachsenAnhalt, Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Thüringen und Baden-Württemberg geliefert

worden. Damit sind die Empfänger der Verarbeitungsprodukte identifi ziert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an diesem Beispiel das Vorgehen und die rechtliche und tatsächliche Problematik deutlich machen. Hier ist also ein Teil der Gefl ügelkarkassen in einem bayerischen Betrieb weiterverarbeitet worden. Durch die Ermittlungen der Bundeszollverwaltung – die Bundeszollverwaltung stützt sich auf Zeugenaussagen – konnte im Betrieb die Verarbeitung der Gefl ügelkarkassen festgestellt und konkretisiert werden. Ferner konnte herausgefunden werden, in welche Endprodukte das Ganze verarbeitet wurde.

Wir haben uns daraufhin im Sinne der Verbraucherinformation dafür entschieden, diesen Fall öffentlich zu machen, weil von dem Unternehmen eine Haltbarkeitsdauer von 18 Monaten genannt wurde und nicht ausgeschlossen ist, dass die Produkte noch im Handel sind und vom Verbraucher noch nicht verzehrt wurden.

Wie sensibel das Thema ist, mögen Sie daran erkennen, dass bereits gestern, also am gleichen Tag, die Rechtsanwälte der Firma an den Freistaat Bayern herangetreten sind und den Widerruf der Äußerungen verlangt haben. Die Rechtsanwälte behaupten, die Aussagen des bayerischen Verbraucherschutzministeriums seien unzutreffend, und verlangen den Widerruf unserer gestrigen Pressemitteilung unter gleichzeitiger Androhung von Schadensersatzansprüchen und dem Vorbehalt sämtlicher weiterer rechtlicher Schritte gegen den Freistaat Bayern.

Ich will heute vor dem Hohen Haus erklären, dass das bayerische Verbraucherschutzministerium nichts von dem zurücknimmt; wir haben gestern hier Ross und Reiter genannt, weil sich die Verbraucherschutzbehörden auf Ermittlungsergebnisse der Bundeszollverwaltung stützen und sich letztere wiederum auf ihr vorliegende Zeugenaussagen stützt. Ich will all denjenigen, die in ihren Dringlichkeitsanträgen pauschal die bundes- und europaweite Veröffentlichung der Namen von Firmen fordern, die irgendwelche Zwischenprodukte erhalten haben, sagen, welch vermintes rechtliches Terrain es hier gibt.

Die Verwaltung muss sich an Recht und Gesetz halten. Das einschlägige Gesetz ist das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, das, wie Sie wissen, erst im vergangenen Monat neu erlassen worden ist und seit September 2005 Gültigkeit beansprucht. Darin sind ganz klare Regeln getroffen, wer was wann an Informationen geben darf.

Ich kann, wenn Sie das wünschen, in der Debatte auch noch einen weiteren Fall anklingen lassen. Die Schweineschwarten gingen an eine Speisegelatinefi rma in Rheinland-Pfalz, wie ich vorhin ausgeführt habe. Wir haben die Verbraucherschutzbehörde Rheinland-Pfalz gebeten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Die Firma wurde zwischenzeitlich konkret kontrolliert. Dabei hat sich gestern Nacht, während ich meine Unterlagen für die heutige Parlamentsbefassung zusammengestellt habe, ergeben, dass die aus der Schweiz stammenden Schweineschwarten, eingeführt über Baden-Württemberg, direkt

geliefert in das Gelatinewerk Rheinland-Pfalz, dort zu Gelatine verarbeitet wurden und als Gelatine unter anderem auch an Betriebe im Freistaat Bayern geliefert wurden. Noch bevor wir gestern Nacht dem Vorgang weiter nachgehen konnten, kam schon der Justiziar des betroffenen bayerischen Unternehmens auf das Verbraucherschutzministerium zu und wies noch gestern Nacht darauf hin, dass das, was aus der Speisegelatine hergestellt wurde, also wo sie Verwendung fand, zwischenzeitlich längst verbraucht ist. In diesem Fall handelt es sich nämlich um ein kurzlebiges Produkt. Die Haltbarkeitszeiten sind längst abgelaufen; nichts mehr kann auf dem Markt sein. Laut Schreiben des Justiziars von gestern Nacht würde „jede Information der Öffentlichkeit einschließlich der Presse gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz § 40 Absatz 4 verstoßen“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben gespürt, dass die bayerische Verbraucherschutzbehörde alles daransetzt, um den Skandal aufzuklären, mithilfe von Staatsanwaltschaft und Zollverwaltung den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir wissen sehr wohl auch um die Möglichkeit eines schwerwiegenden Schadenseintrittes für das Unternehmen. – Denken Sie an den großen Vorgang Birkel vor einigen Jahren, als die Landesregierung von Baden-Württemberg zu Schadensersatzleistungen in Millionenhöhe verurteilt wurde, weil eine Information an die Öffentlichkeit gelangte, die nach der Gesetzeslage nicht an die Öffentlichkeit hätte gehen dürfen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Ja, und?)

Deshalb müssen wir uns sauber an die Gesetze halten. Das ist das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir für die konsequente Aufklärung des Falles, unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten, was Verbraucherinformation angeht, was Zur-Rechenschaft-Ziehung der Verantwortlichen angeht und was Verbesserung der Umstände angeht.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Kollege Wahnschaffe, ich komme gleich noch auf Ihren Zwischenruf zurück. Lassen Sie mich aber zunächst den Sachverhalt weiter schildern.

Ich habe gesagt, es gibt in Bayern zwei Betriebe, die Gefl ügelkarkassen erhalten haben sollen. Bei dem Betrieb in Gangkofen habe ich die Kette schon zu Ende geführt, der zweite Betrieb liegt in Oberfranken, der ebenfalls im Verdacht steht, K-3-Material aus Deggendorf bezogen zu haben. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen sagt aber das Unternehmen: Wir haben das Material nicht erhalten, sondern waren nur als Vermittler tätig, und die Ware wurde in diesem oberfränkischen Betrieb nicht weiterverarbeitet. Das ist die Einlassung des Unternehmens; so ist der Stand der Ermittlungen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das BermudaDreieck ist dagegen eine realistische Variante!)

Nach dem letzten Ermittlungsstand ist die Ware in einen Betrieb nach Polen verbracht worden. In dem gleichen Betrieb in Oberfranken hat die landesweite Überprüfungsaktion ergeben, dass in dem Betrieb vier Tonnen Kategorie-3-Material lagerten, ohne dass der Betrieb die dafür erforderliche Zulassung hat. Die Ware ist deshalb beschlagnahmt worden. Dieses beschlagnahmte Material – ich sage das im Detail, nicht um Sie zu verwirren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern um deutlich zu machen, wie verwirrend der Sachverhalt letztlich ist – in dem oberfränkischen Betrieb stammte nicht aus Deggendorf, sondern war für Deggendorf bestimmt. Das zeigt die Problematik.

Lassen Sie mich zum Schluss kommend noch zwei Anmerkungen machen, zum einen zur Information der Öffentlichkeit, zum anderen zum weiteren Vorgehen. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher besteht nach Einschätzung aller befragten Experten kein Gesundheitsrisiko. Aber auch wenn die Gesundheit der Verbraucher nicht gefährdet ist, ermächtigt das schon genannte Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch die Behörden, die Öffentlichkeit zu informieren, wenn ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere Ekel erregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt ist. Darauf stützen wir uns. Das ist für uns die Berechtigung, in diesem Fall die Rückverfolgung der Ware zu betreiben und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Voraussetzung der Verarbeitung von K-3-Material ist zweifellos in diesem Fall gegeben, die Menge sicherlich auch nicht unerheblich.

Allerdings – ob es mir passt oder nicht, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie spüren, glaube ich, dass mir der Schutz unserer Verbraucherinnen und Verbraucher ein persönliches Anliegen, ein Herzensanliegen ist – steht im Gesetz: Die Ware muss noch im Verkehr sein, und der Unternehmer darf nicht von sich aus die Öffentlichkeit informieren. Nur dann kann der Staat, die Verbraucherschutzbehörde, das tun. Stets ist dabei zu beachten, dass die vorschnelle Information oder die sachlich nicht gerechtfertigte Information den Ruf eines Betriebes auf Jahre schädigen kann. Deswegen ist eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall unerlässlich.

Die Rottaler Firma sagte den zuständigen Mitarbeitern zu, die Öffentlichkeit zu informieren und die Produkte Hühnerklein und Hühnersuppentopf zu nennen. Wir wussten, dass diese Produkte angesichts des Haltbarkeitszeitraums von 18 Monaten noch auf dem Markt sein können, und haben uns deshalb zu diesem Schritt entschlossen. Trotz der gegenteiligen Äußerungen der Anwälte der Firma stehen wir zu dieser Position. Für die Abnehmerfi rmen in Sachsen-Anhalt, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thüringen und Baden-Württemberg müssen die dort zuständigen Landesbehörden ermitteln, ob und in welcher Form Produkte auf dem Markt sind. Der Entscheidung dieser Landesbehörden über die Information der dortigen Öffentlichkeit kann Bayern nicht vorgreifen.

Lassen Sie mich nun zum letzten Punkt kommen, zu den Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen. Dabei darf ich noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen, in ganz

einfachen Worten deutlich machen, wie der Ausgangspunkt dieser Problematik ist. Es wird ein Schwein geschlachtet, es wird ein Huhn geschlachtet. Ein großer Teil wird als Lebensmittel verkauft: als Kotelett, als Hähnchenkeule, als Hähnchenbrust. Es bleibt ein gewisser Teil übrig, beim Gefl ügel das Gefl ügelgerippe, die Gefl ügelkarkasse, beim Schwein zum Beispiel ein Teil der Schwarte. Der Unternehmer, der das Schwein oder das Hähnchen schlachtet, entscheidet selbst, ob er es als Lebensmittel verkaufen kann – wenn ja, dann wird er es tun, denn dafür bekommt er mehr Geld. Wenn er es nicht mehr als Lebensmittel verkaufen kann, weil niemand Schweineschwarte am Schweinebraten haben will, dann kennzeichnet es der Unternehmer als Schlachtabfall ist gleich K-3-Material. Es ist also nicht von Haus aus untaugliches Material. Es wird aber, wenn er es nicht anderweitig verkaufen und als Lebensmittel verwerten kann, durch Entscheidung des Unternehmers zu Schlachtabfall, zum K-3-Material.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles Entscheidende ist: Wenn es einmal K-3-Material geworden ist, dann muss es das auch immer bleiben. Es darf kein Zurück in die Lebensmittelkette geben.

Genau das ist hier aber passiert. Dem inkriminierten Deggendorfer Unternehmer wird vorgeworfen – und deshalb sitzt er in Haft –, dass er ein Material, das einmal zum K-3Material bestimmt worden ist, als Abfall billig erworben und dann wieder in den Lebensmittelkreislauf zurückgeführt hat. Das heißt, er hat schnell Geld gemacht, hat aus Abfall Lebensmittel gemacht. Warum darf dieses Material auf keinen Fall mehr zurück? – Weil die Anforderungen an ein Lebensmittel scharf geregelt sind. Insbesondere wird eine durchgängige Kühlkette verlangt, und es werden hohe hygienische Anforderungen gestellt. Die Anforderungen an das K-3-Material sind wesentlich niedriger. Insbesondere gibt es hier keine Vorschriften zur Einhaltung bestimmter Kühlvorschriften. Deshalb muss der Verbleib in Kategorie 3 gewährleistet sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir das sehr gründlich angesehen. Lassen Sie mich die Dimension dieses Problems deutlich machen. Wir haben allein in Bayern jährlich etwa 400 000 Tonnen so genannten K-3Materials. Nach der Statistik von Eurostat gibt es auf dem Binnenmarkt in Europa 14 Millionen Tonnen solchen K-3Materials. Sie sollten sich einmal die präzisen, konkreten und scharfen Anforderungen an den Umgang mit Lebensmitteln anschauen. Ich habe mir einmal die Anforderungen an unsere Bäuerinnen und Bauern beim Umgang mit Lebens- und Futtermitteln und deren Herstellung angeschaut: Das ist bis ins letzte Detail geregelt. Ich habe mir gestern hierzu die europäischen Verordnungen herausgesucht. Für die Landwirte gibt es Vorschriften zum Melkgeschirr und für die Betriebsräume, in denen Milch gelagert und gekühlt wird. Es gibt Vorschriften, dass die Eier im Erzeugerbetrieb bis zur Abgabe wirksam vor Stößen und vor Sonneneinstrahlung geschützt sein müssen. Das geht so weit, dass man den Bauern sagt: Wenn du dein Getreide im Herbst von der Ernte heimfährst, musst du eine Plane auf die Ladung breiten, damit der Vogelschiss nicht das Futtergetreide kontaminiert. So weit gehen die Vorschriften bei den Bauern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Europa gibt es aber für 14 Millionen Tonnen

Schlachtabfallmaterial, also für K-3-Material, keine ausreichende Regelung zur Kennzeichnung. Das ist ein Defi zit, und das müssen wir in Europa beheben.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

Ich bin ohnehin gleich am Ende meiner Ausführungen angelangt. Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie mich nur noch diese eine Schlussfolgerung ziehen: Wer fordert, dass K-3-Material nie mehr zurück in den Lebensmittelkreislauf darf, muss auch feststellen, dass es in der gesamten Europäischen Union gegenwärtig keine sicheren Begleitpapiere gibt. Es gibt keine einheitliche Kennzeichnung der Transportbehälter. Jeder kann ein Wapperl draufmachen, wie er will: Der eine nimmt einen Klebezettel, der andere nimmt dieses, und wieder ein anderer nimmt jenes. Jeder kann das Begleitpapier selbst herstellen, kann es aus dem Computer ausdrucken oder von Hand ausfüllen. Auf einem Zettel – einem Handelspapier – müssen zwar gewisse Angaben stehen, aber es gibt keine Norm, die zum Beispiel besagen würde, dass das Begleitpapier für K-3-Material rot oder grün oder wie auch immer sein soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen dazu kommen – das macht dieser Lebensmittelskandal deutlich, und das war Ihr Zwischenruf, sehr geehrter Herr Kollege Wahnschaffe –, dass diese Schlachtabfälle, wenn sie einmal K-3-Material geworden sind, leicht als solches Material erkenntlich sind, entweder durch eine bessere Kennzeichnung des Transportbehälters, oder durch Kennzeichnung des Materials selbst, zum Beispiel durch farbliche Kennzeichnung, durch Beifügung von Aromastoffen oder Ähnliches. Das ist notwendig, um Missbrauch zu verhindern. Ich werde deshalb morgen eine Expertenrunde zusammenrufen, um von Bayern aus eine EU-Initiative zu starten und aus diesem Lebensmittelskandal die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Damit soll erreicht werden, dass die Nebenprodukteverordnung der Europäischen Union verschärft wird mit dem Ziel, solchen Kriminellen wie in diesem Fall das Handwerk zu legen und damit von vornherein für mehr Verbrauchervertrauen und Verbraucherschutz zu sorgen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rütting. Bitte.

Herr Präsident, Herr Staatsminister! Ich habe den ganzen Vormittag aufmerksam zugehört und stelle fest, dass die Fragen nach wie vor offen sind. Hier scheint nur eine Symptombehandlung stattzufi nden, ohne dass die Ursache erkannt wird: das Hin- und Herschieben so genannter Lebensmittel quer durch die Staaten. Da kommen die Schwarten aus der Schweiz, werden hier umfunktioniert, gehen dann nach Litauen, irgendwie bekommen wir sie zurück, und sie landen ausgerechnet zu Weihnachten als Allerlei von Hühnerleckerchen auf dem Teller des Verbrauchers. Die

Schlussfolgerung daraus kann doch nur sein, regionale und saisonale Produkte und Bioprodukte einzukaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb bleiben wir bei unserem Dringlichkeitsantrag, mit dem wir die Staatsregierung auffordern, für Schlachtabfälle der Kategorie 3 – nicht für den menschlichen Verzehr geeignet – schnellstmöglich ein System einzuführen, das eine lückenlose Warenfl usskontrolle für dieses Material in Bayern sicherstellt, und entsprechende Finanz- und Personalmittel bereitzustellen. Außerdem fordern wir die Staatsregierung auf, sämtliche Namen und Chargen der Endprodukte einschließlich der Herstellernamen zu benennen, in die die falsch deklarierten Schlachtabfälle gelangt sind, damit Verbraucher noch nicht verzehrte Produkte aussortieren und zurückgeben können. Dabei frage ich mich, ob diese Produkte noch im Handel sind – Sie sagten einmal, sie sollen zurückgeholt werden – oder ob sie schon verzehrt sind. Das müsste doch herauszufi nden sein. Renate Künast hat einmal ein sehr gutes Gesetz geschaffen, das von Bayern leider blockiert wurde.

Skandalös fi nde ich auch, dass seit Mai Meldungen vorlagen und ermittelt wird und die Verbraucher so lange Zeit nicht aufgeklärt worden sind, weil die Staatsanwaltschaft noch ermittelt. Hat der Verbraucherschutz denn so wenig Bedeutung, dass es wichtiger ist, einen Ganoven dingfest zu machen, als Tausende von Verbrauchern zu schützen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch wenn diese verunreinigten Lebensmittel nicht gesundheitsgefährdend sein sollten, sind sie doch ekelhaft. Ob sie wirklich nicht gesundheitsgefährdend sind, wird sich noch herausstellen. Wohl nicht nur Vegetariern ist der Appetit darauf vergangen.

Ich möchte folgenden Indianerspruch zitieren: Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen. Genau das passiert. Schuld ist wieder einmal – ich muss ganz kurz die Vogelgrippe ansprechen – der Eingriff der Menschen in die Tierwelt. Wie gestern in der Sendung „Glasklar“ gesagt wurde, war dieser Virus schon 1978 bekannt, trat aber erst in China durch die Massentierhaltung groß in Erscheinung. Das gilt nicht nur für die Vögel, sondern auch für Schweine und Hühner. Ich habe den Verdacht, dass die Gefl ügelhalter die Käfi ghaltung gerne wieder einführen wollen und darum die Vogelgrippe so hochstilisieren. Salmonellen, Schweinepest, BSE, Dioxinskandal und die Vogelgrippe bezeichnet ein amerikanischer Arzt als die Rache der gequälten und gepeinigten Tiere. Da müssen wir ansetzen. Wir müssen die Wege verkürzen und für mehr Transparenz in der Herstellung sorgen. Das haben wir auch schon angekündigt. Ich freue mich, wenn das tatsächlich passieren wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin natürlich vor allem daran interessiert, die Verbraucher aufzuklären; deshalb bin ich hier in dieser Funktion. Die Wurzel des Übels muss aber beseitigt werden. Sie haben gesagt, dass das Motiv „Geiz ist geil“ falsch ist. Wir müssen wirklich dazu kommen – das sage ich immer

wieder –, dass unsere Bauern mehr Geld für gesunde Lebensmittel bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CSU)

1960 wurden 30 % des Haushaltseinkommens für Lebensmittel ausgegeben, heute sind es nur 12,3 %. Das ist skandalös. Ich möchte eine Lanze sowohl für die Biobauern als auch für die konventionellen Bauern brechen; auch die müssen mehr Geld für ihre Lebensmittel bekommen. Ich frage mich auch, was Abfallprodukte wie Schwarten überhaupt an Lebensmitteln zu suchen haben. Für unser Auto nehmen wir das teuerste Öl und für den Salat das billigste. Das müssen wir ändern. Deshalb mein Aufruf an die Verbraucher:

Lasst das Zeug stehen: Kauft Bioprodukte, regional, saisonal. Das hilft den Bauern, das hilft den Verbrauchern, das hilft den Tieren, und das hilft unserer Gesundheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort: Herr Kollege Dr. Huber.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was uns alle eint, das ist wohl der Ekel vor dem Gedanken, unbewusst minderwertiges oder verdorbenes Fleisch zu uns genommen zu haben. In dieser Frage sind wir sicher alle einig. Die Medien unterlegen diese Vorstellung mit Bildern von Gefl ügelgerippen und von Containern mit Schweineschwarten. Damit werden sicherlich ungute Gefühle assoziiert.

Ich möchte an dieser Stelle eine Bemerkung machen zu dem Thema, über das wir heute schon gesprochen haben: die Gewinnung von Separatorenfl eisch aus Gefl ügelkarkassen. Das Abschaben von Fleischresten von Gefl ügelgerippen, von denen das wertvolle Fleisch bereits herausgeschnitten wurde, ist, abgesehen vom kulinarischen Aspekt, eine vollkommen normale Sache. Unsere FastFood-Gesellschaft, aber auch unsere Geiz-ist-geil-Mentalität – Frau Rütting hat das bereits deutlich angesprochen – haben dazu geführt, dass wir uns längst an Pressfl eischprodukte, an künstliches Fleisch, beispielsweise auf Pizzen, gewöhnt haben. Gelatineprodukte sind im Prinzip ebenfalls nicht anrüchig. Die Herstellung von Gelatine wäre ohne Schweineschwarten gar nicht möglich. Gummibärchen, Schaumzuckerprodukte, selbst Weißwürste hätten wir nicht, wenn wir Schwarten nicht entsprechend verarbeiten würden.

Frau Rütting, Sie haben gerade einen Indianerspruch bemüht. Bei den Indianern herrscht eine große ethische Sensibilität dafür, einem Tier, welches man zur Nahrungsmittelgewinnung töten musste, gerecht zu werden. Deshalb muss es vollständig verwertet werden, bis zum letzten Knöchelchen und bis zum letzten Fleischteil. Die Verwendung aller Fleischteile ist also durchaus in Ordnung. Darin liegt die Verfehlung nicht. Die Verfehlung liegt vielmehr, wie unser Staatsminister Dr. Schnappauf das bereits ausführlich dargestellt hat, in der Umdeklaration der Schlachtabfälle, die in Kategorie 3 – tierische Neben

produkte – eingruppiert wurden und dann zur Lebensmittelgewinnung herangezogen wurden. Das heißt, das Umgehen mit solchen Fleischteilen ist etwas anderes, wenn sie weiterhin zur Lebensmittelgewinnung genutzt werden sollen. Aus diesem Grund ist eine Verfehlung gegeben, wenn beispielsweise die Kühlkette nicht eingehalten wurde oder wenn die Hygiene nicht in einer Art und Weise erfolgte, wie wir das bei der Lebensmittelherstellung erwarten.