Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein ausgesprochen schöner Anblick. Es ist sehr interessant, die andere Seite auch einmal kennen zu lernen.
Wir befi nden uns seit einem halben Jahr in der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs. Diese Bemerkung ist mir sehr wichtig. Wir nehmen zur Kenntnis, dass dieser Gesetzentwurf durch die aktuellen Geschehnisse des letzten Monats an Aktualität gewonnen hat. Das war jedoch nicht der Grund für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs.
Wir haben diesen Gesetzentwurf eingebracht, weil wir aus vielen Ecken und Richtungen – auch von Mitarbeitern der Ministerien – den Hinweis bekommen haben, dass ein Gesetz dieser Art auch in Bayern dringend notwendig ist. Aus diesem Grunde haben wir diesen Gesetzentwurf nach vielen Vorgesprächen eingebracht. Ich sage das so deutlich, weil es bei einem aktuellen Thema nicht darum gehen sollte, nach dem Windhundverfahren in Aktionismus zu
Wir hätten diesen Gesetzentwurf heute nicht einbringen müssen, wenn ein ähnlicher Gesetzentwurf, der vor drei Jahren von der alten Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebracht worden ist, von Ihnen im Bundesrat akzeptiert und nicht abgelehnt worden wäre. Wenn Sie damals zugestimmt hätten, wären wir in der Sache drei Jahre weiter.
Ich möchte Ihnen ganz kurz die Inhalte dieses Gesetzes nennen: Artikel 1 befasst sich mit dem Geltungsbereich. Hier handelt es sich um ein Informationsgesetz, mit dem geregelt wird, wie der Verbraucher in Zukunft bei Vorkommnissen, die Lebensmittel und so genannte Bedarfsgegenstände betreffen, informiert wird. Wir sind der Meinung, der Verbraucherschutz muss vor dem Schutz von Menschen stehen, die ungerechtfertigt zum Beispiel Ekelfl eisch oder Ähnliches in den Verkehr bringen. Das ist der Kernpunkt, um den es hier geht.
Artikel 2 regelt die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ist ein heikler Punkt. Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Vor einigen Jahren gab es in Baden-Württemberg eine Veröffentlichung, die dazu geführt hat, dass eine Nudelherstellerfi rma Schadenersatz bekommen hat, weil die in der Veröffentlichung gemachten Angaben nicht richtig waren. In diesem Artikel 2 versuchen wir deshalb zu regeln, unter welchen Voraussetzungen wir zu vernünftigen Informationen kommen. Wenn der Hersteller selbst darauf kommt, dass er Ware in den Verkehr gebracht hat, die nicht in Ordnung ist, soll in Absprache mit dem Ministerium von der Veröffentlichung Abstand genommen werden; denn dies würde von Einsicht und nicht vom Vorhandensein krimineller Energie zeugen. Fehler können passieren.
Gerade diesen Punkt halte ich für ausgesprochen wichtig, damit nicht Kleine, die irgendwann einmal Fehler machen, bestraft werden. Noch heute fi ndet man beispielsweise alte Rezepte für Lebkuchen, die, wenn sie wie vor 50 Jahren angewendet würden, zu Acrylamid-Belastungen führen würden. Vor 50 Jahren konnte das in dieser Form noch gar nicht nachgewiesen werden. Wir wollen einen Regelmechanismus, was zu geschehen hat, wenn jemand etwas mit krimineller Energie tut. Hier gibt es nur ein Schwert, das tatsächlich etwas nützt, nämlich die Namensnennung. Dann wird mit diesen Vorkommnissen Schluss sein.
Der dritte Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist die Koordination unter den Ländern. Dem Informationsbedürfnis der Länder untereinander muss Rechnung getragen werden.
Im Artikel 4 wird schließlich geregelt, dass dem Landtag in jedem Jahr ein Verbraucherschutzbericht gegeben wird, damit wir über die Entwicklung informiert sind.
Mit dem Gesetz, das in Berlin vor zweieinhalb Jahren eingebracht worden ist, haben wir eine vernünftige Lösung
Im Übrigen gibt es viele Bundesländer, die ein Gesetz dieser Art eingebracht haben. Eine interessante Entwicklung ist in Berlin festzustellen: In Berlin gab es viele Fälle von Missständen, in denen die Behörden früher nicht tätig werden konnten. Seitdem es dieses Gesetz gibt, hat sich die Situation umgekehrt: Bis heute gab es keine einzige Veröffentlichung von Namen – obwohl es möglich wäre –, weil es seit dieser Zeit keinen Vorgang gab, der es wert gewesen wäre, öffentlich genannt zu werden. Das macht deutlich, dass wir auf einem vernünftigen Weg sind, wenn wir das Gesetz so schnell wie möglich einbringen.
Der Chor derer, die sagen, wir brauchen dringend ein solches Gesetz, ist sehr weit reichend. Er geht weit über die bayerische SPD hinaus und reicht bis nach Berlin in den Regierungssitz. Ich höre wohlmeinende Worte des Bundesministers Seehofer, die sich im Unterton an die zuständigen bayerischen Stellen richten, dass vor drei Jahren eine Lösung möglich gewesen wäre, was man nicht verheimlichen sollte. Ich erinnere auch daran, dass der Bauernverband der Meinung ist, das Gesetz sollte kommen.
Im Moment haben wir in Bayern nur ein Sieben-PunkteProgramm und in Berlin ein Zehn-Punkte-Programm. Das reicht nicht aus. Das sind Absichtserklärungen. Entscheidend ist, dass ein Gesetz vorgelegt wird, das auch Sanktionen enthält. Das ist der Punkt, um den es geht. Deswegen bringen wir den Gesetzentwurf ein.
Der Herr Präsident hat heute in seiner Rede darauf hingewiesen, dass wir dann, wenn wir schon in einem neuen Plenarsaal sind, nicht in alte Rituale zurückfallen sollten, sondern dass wir den neuen Saal für einen Neuanfang nutzen sollten. Übertragen auf diese Situation bedeutet dies, das übliche politische Ritual wäre, zu sagen, es liegt ein Gesetzentwurf vor, der zwar in der Sache richtig und notwendig ist, aber einen Makel hat, er kommt nämlich von der SPD und deshalb müssen wir ihn ablehnen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will diese Eingangsbemerkung nicht zum entscheidenden Punkt machen, sondern darauf hinweisen, dass uns die Skandale um das Ekelfl eisch gezeigt haben, dass wir im Interesse der Verbraucher nicht länger warten dürfen mit Handlungen und Gesetzen, um Sanktionen treffen und derartige Skandale künftig ausschließen zu können. Politische Rituale verbieten sich in diesem Zusammenhang, egal, von wem die Vernunft kommt. Es wäre ein gutes Zeichen, wenn wir heute in diesem neuen Plenarsaal gemeinsam in diese Richtung marschieren könnten.
Ich habe natürlich Bedenken, ob mein Wunsch in Erfüllung geht. Diese Bedenken darf ich kurz artikulieren. Sehen Sie, warum ich das meine. Wir haben neulich im Umweltausschuss sehr lang und intensiv über das Thema
diskutiert. Ich habe mich selbst zu Wort gemeldet und über das Gesetz gesprochen. Was ist im Umweltausschuss geschehen? – Vonseiten der CSU habe ich gehört, das Gesetz brauchen wir. Die GRÜNEN haben gesagt, das Gesetz brauchen wir. Wir haben sowieso gesagt, das Gesetz brauchen wir. Ich habe niemanden von der Staatsregierung gehört, der gesagt hätte, das Gesetz brauchen wir nicht. Davon habe ich überhaupt nichts gehört. Also war ich guten Mutes, dass das Gesetz in einer vernünftigen Form, die auch die Probleme der vergangenen drei Jahre aufarbeitet, verabschiedet wird.
Mein Optimismus hat allerdings einen Dämpfer erhalten, weil das Kabinett heute getagt und eine Begründung geliefert hat, die Herr Minister Dr. Schnappauf noch einmal überdenken sollte. Herr Minister, Sie werden in einem Bericht über die Kabinettssitzung zitiert. Ich lese: „Zwei Argumente sprechen für eine bundesweite Lösung.“ – Wir haben nichts gegen eine bundesweite Lösung, aber es entspricht den Regeln des Wettbewerbs, wenn wir jetzt in Bayern wie andere Bundesländer damit anfangen, ein Gesetz zu schaffen. Wenn der Bund später dazukommt, soll derjenige das Sagen haben, der das beste Gesetz hat. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Sie sagen, zwei Argumente sprechen für eine bundesweite Lösung:
Erstens. Alle Bürger sollen möglichst schnell den gleichen hohen Qualitätsstandard bei der Verbraucherinformation über verdorbene Lebensmittel haben. Darf ich Sie fragen, ob dieses Argument nicht auch vor drei Jahren gegolten hat? Warum haben Sie dieses Argument vor drei Jahren nicht für sich verwendet?
„Zweitens. Eine Rechtszersplitterung leistet kriminellen Machenschaften Vorschub, weil Fleischprodukte oft nicht nur regional vermarktet, sondern im ganzen Bundesgebiet von einem Kühllager in das nächste gefahren werden.“ Herr Minister, dieses Argument mag für sich genommen nicht falsch sein, aber bei der Geschichte, die das Gesetz hat, könnte man das Ganze auch umdrehen, was ich eigentlich nicht tun möchte. Aber wenn Sie in der Begründung sagen, dass kriminellem Handeln Vorschub geleistet würde, wenn ein Gesetz dieser Art heute angenommen würde, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie dies vor drei Jahren mit offenen Augen in Kauf genommen haben, weil Sie verhindert haben, dass eine bundeseinheitliche Regelung zustande kommt. Dann richtet sich der Vorwurf ganz auf Ihre Seite.
Ich nehme nicht an, dass Sie das gemeint haben, aber ich kann Ihnen nur sagen, es gibt kein Argument dagegen, sich heute für das Gesetz einzusetzen und dafür im Wettbewerb der guten Ideen zu kämpfen. Wir sind für Verbesserungsvorschläge offen und nehmen diese gern von Ihnen entgegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Müller, leider muss ich Ihre Hoffnungen schon an dieser Stelle dämpfen. Das ist für Sie sicher unerwartet, aber ich muss es tun.
Nachdem ich gehört habe, dass Sie das Gesetz von 2002 wieder aus der Hutschachtel geholt haben und in leicht modifi zierter Fassung heute noch einmal vorstellen, muss ich Sie darauf hinweisen, dass Sie vergessen haben, auf das Haltbarkeitsdatum dieses Gesetzes zu achten. Da steht nämlich ein Ablaufdatum drauf, das die rechtliche Situation des Jahres 2005 nicht ganz berücksichtigt. Ich will ebenso wie Sie herausstellen, ein solches Gesetz ist nur eines der Werkzeuge, die wir jetzt brauchen. Ein Verbraucherinformationsgesetz ist sicher richtig. Wir sind auch Ihrer Meinung, dass Verbrauchersicherheit und Transparenz vor Datenschutz und Betriebsschutz gehen.
Wir müssen es aber nicht nur gut meinen, sondern auch gut machen. Deswegen muss ich zum Thema des Datenschutzes etwas sagen. Sie, die Sie immer als die Gralshüter des Datenschutzes auftreten, haben gestern in Ihrer Pressemitteilung etwas geschrieben, das mich zusammenzucken hat lassen:
Wichtig ist, dass die Behörden ausdrücklich das Recht haben, zu informieren, auch wenn damit tief in die Belange von Herstellern und Vertrieben eingegriffen wird. Durch das Gesetz wird die oberste Landesbehörde
Zugegeben, das sind starke Worte. Ich habe mich richtig darüber gefreut, aber das scharfe Schwert, das Sie hier gezogen haben, ist wahrscheinlich nur Bestandteil der Presseerklärung. Wenn man genauer liest und die stille Rückrufaktion, die Sie gerade darstellten, rechtlich analysiert, kommt man schnell darauf, dass das im klaren Widerspruch zum Lebensmittelrecht der EU steht. In Artikel 19 Absatz 1 der EU-Verordnung zum Lebensmittelrecht heißt es ganz klar, Unternehmen informieren bei einer Rückrufaktion den Verbraucher effektiv und genau über den Grund der Rücknahme. Das heißt, das aktuell auf EU-Ebene geltende Recht geht weiter als das, was Sie fordern.
Zum Haltbarkeitsdatum möchte ich sagen: Vieles von dem, was Sie hier einbringen, bezieht sich auf das alte Lebensmittelbedarfsgegenständegesetz von 2002. Seit Mitte dieses Jahres haben wir ein Lebens- und Futtermit
telgesetzbuch. Wir haben ein Gesundheits- und Verbraucherschutzgesetz, in dem vieles von dem, was Sie hier anmahnen, bereits klar geregelt ist. Aus diesem Grund ist Ihr Gesetz nicht mehr ganz aktuell.
Das Prinzip „Verbraucherschutz vor Datenschutz“ halte ich für richtig. Wir sind allerdings gehalten, das Ganze von Profi s ganz genau prüfen zu lassen. Ich sage ganz bewusst, das müssen Profi s prüfen, also Juristen. Ich selbst bin leider nur Tierarzt. Juristen müssen das ganz genau prüfen, damit wir nicht in eine Situation geraten, wie sie Staatsminister Dr. Schnappauf vor kurzem erleben durfte. Eine Stunde, nachdem er erstmals einen Betrieb genannt hat, ist der Justiziar schon an die Presse gegangen und hat gesagt, wir nehmen Sie hiermit wegen Verleumdung in Regress.
Nun zum eigentlichen Hauptkritikpunkt. Es geht um den Geltungsbereich. Der Geltungsbereich muss sich genau so gestalten, wie die Machenschaften und die Vertriebswege, und das heißt nicht regional, sondern national oder noch besser international.
Von Ihrem Beschleunigungs-Argument, wir würden das Gesetz schneller auf den Weg bringen, wenn wir beginnen, das Ganze erst einmal in Landesrecht umzusetzen, halte ich nichts. Wenn wir gemeinsam an einem nationalen Gesetz arbeiten, dann sollten wir uns die Arbeit auch nur einmal machen. Ihr Verweis auf Berlin hat mich, ehrlich gesagt, zum Schmunzeln gebracht. Angesichts der Zahl der Kühe und Schweine, die in der Region Berlin produziert werden, überzeugen mich die Erfahrungen aus Bayern oder Baden-Württemberg doch wesentlich mehr.
Wenn ich mir die Ziele des Gesetzentwurfs ansehe, dann machen diese, so wie Sie diese dargestellt haben, keinen Sinn. Ich darf Sie dringend auffordern, Ihre guten Ideen, Ihre Erfahrungen, das ganze Hirnschmalz, das Sie aufgebracht haben, bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Bundesgesetzes einzubringen. Vielleicht wird dieser Gesetzentwurf einer der ersten Großtaten der Großen Koalition. Seehofer ist dabei, das haben Sie schon erwähnt. Machen wir doch Nägel mit Köpfen, machen wir so schnell als möglich gemeinsam ein Bundesgesetz zu diesem Themenkomplex. Einem Landesgesetz, wie Sie es fordern, kann ich nicht zustimmen.
Frau Präsidentin, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Wir begrüßen ausdrücklich, dass endlich ein Verbraucherinformationsgesetz zur Diskussion steht. Ein solches Gesetz ist längst überfällig, und wir hätten es eigentlich schon seit Jahren gehabt. Wie Sie wissen, hat unsere Verbraucherschutzministerin Renate Künast zweimal einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, und zwar in den Jahren 2002 und 2004. Beide Male wurde der Gesetzentwurf von Ihnen, der CSU, blockiert. Er wurde unter anderem auch von dem damaligen Bundestagsabgeordneten Horst Seehofer abgelehnt, der