Es ist der Eindruck erweckt worden, die Kernenergie in Deutschland könne durch regenerative Energie relativ rasch ersetzt werden. Auch das ist eine Illusion. In Deutschland gibt es einen Anteil an Kernenergie von mehr als 30 % und in Bayern haben wir einen Anteil von etwa 60 %.
Beim Strom, richtig! Aber niemand hat ein Szenario, dass es innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren möglich ist, diesen Anteil durch regenerative Energien mit vergleichbaren Sicherheitsstandards zu ersetzen. Es ist auch von der Preisgestaltung her sehr problematisch. Das muss man in diesem Zusammenhang auch sehen. Wenn wir heute den Strom aus der Photovoltaik mit 51 Cent pro Kilowattstunde fördern, dann ist das eine riesige Subvention in diesem Bereich, und dennoch ist die Photovoltaik weit weg von jeder Wirtschaftlichkeit.
(Susann Biedefeld (SPD): Wie erklären Sie sich die hohen Strompreise in Frankreich? Sie sind höher als in Deutschland und stammen zu 100 % aus der Kernkraft!)
Wir haben allerdings nach Italien die höchsten Strompreise in Europa; 40 % dieses Strompreises sind heute
Ich behaupte, dass der Anteil, den die Kernenergie heute hat, in einer überschaubaren Zeit von zehn Jahren nicht durch regenerative Energien ersetzt werden kann. Sie setzen eine Illusion in die Welt, wenn Sie sagen, das sei auf diese Art und Weise möglich.
Ich möchte Ihnen kurz die Zahlen für Bayern nennen. Bayern hat bei den regenerativen Energien insgesamt einen Anteil, der doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt. Auf Bundesebene hat man etwa 3,8 bis 3,9 % Anteil am Gesamtenergieverbrauch; in Bayern sind wir bei 7,8 %.
Wir haben über lange Zeit eine Politik vertreten, die nicht so ausgerichtet war, wie Sie unterstellen – nämlich nur Kernenergie –, sondern wir haben immer auf eine Energiepolitik gesetzt, die vom so genannten Energiemix getragen war, das heißt von einer Mischung aus Kernenergie, Wasserkraft, Kohle, Gas. In Bayern ist der revierferne Einsatz von Kohle allerdings wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Deswegen muss man sagen: Wer aus der Kernenergie aussteigt, wie Sie es wollen, kann die Stromerzeugung letztlich nur durch den Einsatz fossiler Energieträger – in erster Linie wird dies Gas sein – erfüllen. Es wäre eine Illusion, es in anderer Weise zu machen.
Dann entsteht aber die Klimaproblematik. Neben der Entsorgung haben Sie die Klimaproblematik ausgeblendet. Das ist das Täuschungsmanöver, das Rot-Grün heute im Bayerischen Landtag vorgenommen hat.
Angesichts der Tatsache, dass wir in Bayern die doppelte Quote an regenerativen Energien haben, ist es auch bei höchstem Einsatz regenerativer Energien nicht möglich, über Wind, Photovoltaik, Biomasse und dergleichen den Anteil der Kernenergie zu ersetzen. Deshalb wird es – das ist doch die Praxis – zu einem verstärkten Bau von Gasbetrieben in Kraftwerken kommen. Derzeit werden drei große Turbinen in Deutschland gebaut, davon eine in Bayern. Es ist gar nicht anders möglich, als in dieser Art und Weise zu reagieren. Aber man weiß: Die Verbrennung von Gas ist naturwissenschaftlich nicht möglich, ohne dass es zu einem CO2-Ausstoß kommt.
Herr Kollege Werner Schnappauf wird zur Klimaproblematik noch selbst etwas sagen. Aber Sie erwecken den Eindruck, dass Sie, wenn hier die Klimadebatte geführt wird, als Erste sagen: Treibhauseffekt, Erwärmung der Erde, Abschmelzung der Pole und dergleichen mehr. Damit malen Sie wieder das gleiche Schreckensszenario
an die Wand, wenn es um Kernenergie geht. Denn dann sind Sie für den Ausstieg, ohne die Zusammenhänge zu sehen. Das ist das Grundproblem vor allem der GRÜNEN, dass sie nicht in Zusammenhängen denken können, sondern eine Problematik nur isoliert sehen.
Was beabsichtigen wir? Die Energiepolitik der Staatsregierung ist der Energiemix. Wir sehen auch nicht, dass es irgendwo in Deutschland die Absicht gäbe, ein neues Kernkraftwerk zu bauen. So etwas steht gar nicht zur Debatte. Sie haben den Eindruck erweckt, morgen stehe irgendwo eine Entscheidung an, ein neues Kernkraftwerk zu bauen. Wir wollen eigentlich nur, dass die jetzigen Kernkraftwerke, die die sichersten der Welt sind, so lange betrieben werden können, wie es von der Sicherheit her zulässig ist.
Der Ausstieg im Jahr 2019, den Sie propagieren und den Rot-Grün in einem Vertrag beschlossen hat, ist in keiner Weise sicherheitsrelevant oder durch irgendwelche Vorgaben einer Sicherheitsphilosophie bedingt, sondern es ist eine rein politisch-ideologische Vorgabe.
In den Vereinigten Staaten von Amerika werden heute Kernkraftwerke bis zu 50 und 60 Jahre betrieben. Dazu muss man sagen: Wenn wir diese Energieform bei uns nutzen können, sollten wir sie einsetzen, solange es ein Reaktor von der Sicherheit verantwortbar macht. Das ist unsere Energiepolitik.
Die SPD hat die Organisation des Ministeriums, für das ich die Verantwortung trage, zum Thema gemacht. Dazu sage ich zunächst einmal: Die Organisation der Verwaltung und eines Ministeriums gehört zum Kernbereich der Verantwortung einer Regierung.
Hinzu kommt dies: Wenn wir von einem Energiemix ausgehen und die Kernenergie in Deutschland zumindest noch 10 oder 20 oder mehr Jahre haben, dann ist es sinnvoll, dass die Fragen der Sicherheit in einem Cluster, das heißt zusammen mit Wirtschaft und Wissenschaft, bearbeitet werden. Deshalb ist die Aufl ösung von Referaten und Abteilungen in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, bringt uns nicht weiter und ist ideologisch bedingt. Ich bitte Sie, diese Anträge abzulehnen.
Ich fasse zusammen. Die Staatsregierung verfolgt eine Energiepolitik, die darauf ausgerichtet ist, die Energieversorgung unserer Wirtschaft mit einem Höchstmaß an Sicherheit, mit einem hohen Ausmaß an Versorgungssicherheit, mit Preiswürdigkeit, Umweltverträglichkeit und regionaler Ausgewogenheit zu gewährleisten. Neben den relativ hohen Lohnkosten im Vergleich zum internationalen Markt sind es zunehmend die hohen Energiepreise, die den Standort Deutschland im Wettbewerb benachteiligen. Deshalb brauchen wir eine Energiepolitik, die darauf ausgerichtet ist, neben der Versorgungssicherheit auch die Preiswürdigkeit des Energieangebots zu
beachten. Denn mit vernünftigen Energiepreisen sind wir in der Lage, im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein und Arbeitsplätze in Deutschland zu halten.
Wir brauchen also eine vernünftige, pragmatische und auf Erfolg ausgerichtete Energiepolitik und nicht eine ideologische nach dem Muster von Rot-Grün.
Herr Präsident, Hohes Haus, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Tschernobyl – das hat Herr Kollege Lerchenfeld deutlich gemacht – war schlimm. Auch ich erinnere mich als Vater von drei Kindern sehr genau an die damalige Situation, an verseuchte Kinderspielplätze, Informationschaos und an eine Verunsicherung, die sich damals in unserem Land und in ganz Europa breit gemacht hat.
Deshalb ist es richtig, dass wir den 20. Jahrestag zum Anlass nehmen, darüber zu diskutieren. Aber wir müssen fair und sachlich diskutieren. Zur fairen und sachlichen Diskussion gehört auch,
dass wir von vornherein für unsere Öffentlichkeit eines deutlich machen. Wir haben in unserem Land – das gilt für Bayern und für Deutschland – eine ganz andere Reaktortechnologie, als sie der Tschernobyl-Reaktor hat. Was in Tschernobyl vor 20 Jahren passiert ist, ist schon von der Reaktortechnologie her in Bayern und Deutschland objektiv unmöglich. Ein Graphitbrand im Reaktor ist in unserem Land deshalb unmöglich, weil Graphit als Moderatormedium in unseren Reaktoren überhaupt nicht verwendet wird.
Deshalb sage ich den Damen und Herren der Opposition: Wenn Sie das Thema diskutieren, dann hat die Öffentlichkeit den Anspruch, dass Sie redlich diskutieren. Sie dürfen Tschernobyl nicht mit den Reaktoren in unserem Land – Deutschland oder Bayern – gleichsetzen.
Kollege Erwin Huber hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir völlig unabhängig von Tschernobyl und bereits vor dem dortigen Reaktorunglück nicht nur eine andere, sicherere Reaktortechnologie verwenden – auch mit wesentlich umfangreicheren Sicherheitsredundanzen –, sondern dass wir in Bayern – Bayern war da das erste Land in der ganzen Welt – auch ein eigenes Kernreaktorfernüberwachungssystem für unsere Anlagen aufgebaut haben.
Nach Tschernobyl wurden vielfältige weitere Sicherheitskonsequenzen gezogen, vor allem zur Information der
Bevölkerung. Ich nenne das Strahlenschutzvorsorgegesetz, die Einrichtung des Bundesamtes für Strahlenschutz und vor allem den Aufbau eines Messnetzes, des so genannten IMIS, das mittlerweile weit über 2000 Messpunkte hat, um frühzeitig eventuelle radioaktive Belastungen zu erkennen, wo immer sie auch herkommen, und damit die Bevölkerung besser, konkreter und frühzeitiger informieren zu können. Begleitet wird dies von einen ganzem Cordon von internationalen Vereinbarungen über frühzeitige Informationen.
Die Konsequenzen aus diesem Unfall müssen international berücksichtigt werden. Ich komme damit zu einem Punkt, den Herr Kollege Huber schon kurz angesprochen hat: Die Frage der Energieerzeugung und der Energieverwendung ist heute nicht mehr von der Frage der Klimaerwärmung zu trennen. Die Erwärmung des Klimas ist heute die Hauptherausforderung und dadurch die Hauptanforderung an die Energiepolitik; denn bei jeder Form von Energieerzeugung und -verwendung wird in irgendeiner Weise die Umwelt beeinträchtigt. Das gilt für die fossilen Energieträger wie Kohle und Gas ebenso wie für andere Energieträger. Naturgemäß wird bei der Verwendung dieser Energieträger Kohlendioxid freigesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, wenn Sie über Tschernobyl oder über das Thema Kernenergie diskutieren, diskutieren Sie einseitig unter dem Gesichtspunkt der Risiken der Kernenergie. Diese Risiken sollen nicht wegdiskutiert und in keiner Weise verniedlicht werden. Gerade in Bayern und in Deutschland ist die Sicherheit die oberste Prämisse schlechthin.
Ich möchte deshalb auch ganz deutlich zu dem von Ihnen angesprochenen Punkt der möglichen Laufzeitverlängerungen sagen: Ich bin nicht bereit, eine solche Diskussion pauschal zu führen und nur die Frage zu stellen, ob die Reaktoren 30, 40, 50 oder 60 Jahre laufen sollen. Eine solche Diskussion kann nur unter dem Gesichtspunkt der höchsten Sicherheit der einzelnen Anlagen geführt werden. Ein Fahrzeug muss alle paar Jahre zum TÜV und bekommt die TÜV-Plakette nur, wenn es eine positive Sicherheitsprognose hat. Ebenso darf eine kerntechnische Anlage nur weitergefahren werden, wenn sie auch für die nächsten Jahre die weltweit höchsten Sicherheitsanforderungen – wie wir sie in Deutschland haben – erfüllen würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten die Diskussion um die Kernenergie vor dem Hintergrund der brandaktuellen Analyse der Max-Planck-Gesellschaft führen. Das MaxPlanck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat am Wochenende ein Gutachten über die Folgen der Klimaerwärmung am Standort Deutschland veröffentlicht. Staatsminister Huber hat bereits auf den unabänderlichen Zusammenhang hingewiesen. Dieser Zusammenhang mag im vergangenen Jahrhundert bei der Diskus
sion über die Kernenergie noch nicht bewusst gewesen sein. Wenn wir heute über die Energieerzeugung und die Energieverwendung reden, müssen wir die Aspekte der Klimaerwärmung in den Mittelpunkt stellen.
Ich möchte nur zwei Gedanken aus diesem Klimagutachten der Max-Planck-Gesellschaft zitieren: Allein in den vergangenen zehn Jahren beliefen sich die Schäden durch die Folgen der Klimaerwärmung, zum Beispiel die großen Hochwässer, in Deutschland auf 13 Milliarden Euro. Die Hitze- und Dürreschäden machten eine Milliarde Euro aus. Die Sturmschäden beliefen sich auf 2,5 Milliarden Euro. Als Folge dieser Extremereignisse waren allein in Deutschland mehr als 7000 Todesfälle zu beklagen. Die wetter- und klimabedingten Schadenskosten dürften künftig exponentiell steigen und könnten bis zur Mitte des Jahrhunderts jährlich etwa 27 Milliarden Euro betragen. Das schreibt das Max-Planck-Institut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn Sie über die Kernenergie diskutieren, geht es immer nur um die Frage des Ausstiegs.
Frau Kollegin Paulig fordert über den so genannten Atomkonsens hinaus, das bayerische Kernkraftwerk Isar 1 nicht im Jahr 2011 abzuschalten, wie das Rot-Grün mit den Betreibern vereinbart hat, sondern vorher, möglichst sofort. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern offen sagen: Wenn wir heute die Kernenergie abschalten, zum Beispiel das Kraftwerk Isar 1 oder andere Anlagen, können diese Anlagen nur durch fossile Energieträger, zum Beispiel Kohle und Gas, ersetzt werden.