Protokoll der Sitzung vom 26.04.2006

Niedersachsen hat laut Finanzplan ein Ziel von 2013, Brandenburg erstaunlicherweise auch 2011, und Mecklenburg-Vorpommern ist mit dem Ziel 2010 vorgeprescht. Sachsen, glaube ich, meine Damen und Herren, ist das einzige Land, das nach meiner heutigen Vorausschätzung den ausgeglichenen Haushalt wie geplant im Jahr 2009 realisiert.

Fazit ist, lieber Herr Kollege Dupper: Das, was wir mit dem ausgeglichenen Haushalt machen, haben Sie als Ideologie diffamiert. Dabei machen es uns alle anderen nach.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, das Einzige, was man in diesem Land machen kann, ist, endlich mit der Verschuldung aufhören. Oder ist es unbedingt erstrebenswert, eine gigantische Nettoneuverschuldung zu haben wie der Bund im Jahr 2006 in der Größenordnung von 38,3 Milliarden Euro? Ist es nachahmenswert, eine Nettoneuverschuldung zu haben wie Nordrhein-Westfalen, mit dem wir uns gern vergleichen, von 6 Milliarden Euro im Jahr 2006? Die übrigen Flächenländer haben übrigens im Schnitt eine Nettoneuverschuldungsquote von 10 %. Wollen Sie das? Wir wollen das nicht,

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

und deshalb, glaube ich, ist dieser ausgeglichene Haushalt ein Beispiel für andere Länder. Ich hoffe, dass wir uns mit diesem Beispiel noch weiter durchsetzen können.

Meine Damen und Herren, unsere nachhaltige Haushaltspolitik, unser ausgeglichener Haushalt ist, wie Standard & Poor’s es ausdrücklich formuliert, die Grundlage für das Triple A. Deshalb wiederhole ich, was eigentlich schon in die Fragestellung des Kollegen hineingelegt wurde: Der Bund hat erstaunlicherweise tatsächlich noch „AAA/ Stabil/A-1+“. Aber die schriftliche Erläuterung, nicht die dargelegte mündliche Meinung, von Standard & Poor’s lautet: Diese Bestnote geben wir deshalb, weil sich der Bund jederzeit durch Steuererhöhungen davor schützen kann, zahlungsunfähig zu werden. Die Länder haben diese Möglichkeit nicht, und weil die Länder diese Abwehrmöglichkeit nicht haben, ist das „AAA/Stabil/A1+“ für uns von besonderem Wert. Wir sind mittlerweile das einzige Land, das diesen Stempel hat. Lassen Sie also alle Polemiken im Landtag oder in Versammlungen, in der Öffentlichkeit beiseite. Das ist ein ganz objektiver und sehr streng überprüfter Maßstab für Seriosität von Haushaltspolitik. Wenn wir diese Bestnote bekommen, dann kann ganz Bayern darauf stolz sein. Das ist das Triple A, und der Bund hat ein Triple A aufgrund ganz anderer Voraussetzungen.

Jetzt sagt die Opposition, auch Herr Mütze eben wieder, dass dieser ausgeglichene Haushalt gar kein wirklich ausgeglichener Haushalt sei. Sie haben sich verstiegen, Herr Mütze, zu dem Begriff „Schwindel“. Meine Damen und Herren, wie bitte? Schwindel? Das heißt Buchungsfälschungen oder sonst etwas? Ich glaube, das haben Sie nicht gemeint.

Sie meinten, dass wir Privatisierungserlöse verwenden. Meine Damen und Herren, wir verwenden für diesen Haushalt Mittel aus eigener Kraft. Wenn ich an eine unserer Firmen ein Darlehen ohne Verzinsung gebe und wenn ich meinerseits fi nanzielle Nöte habe und dieses Darlehen zurückrufe und es als Aufsichtsratsvorsitzender auch verantworte, dass das betriebswirtschaftlich geht, dann ist das normales haushaltspolitisches und vernünftiges Verhalten.

Privatisierungserlöse zum Ausgleich des Haushaltes verwendet der Bund seit 1995 in massiver Weise. Ich nenne Ihnen die Zahlen. Der Bund hat in der Zeit von 1995 bis 2005 insgesamt über 70 Milliarden Euro Privatisierungserlöse in den Haushalt gesteckt und gleichwohl 340 Milliarden Euro neue Schulden in dieser Zeit aufgenommen. Wir nutzen die Privatisierungserlöse, um keine Schulden zu machen. Der Bund hat gleichwohl 340 Milliarden Euro in den letzten zehn Jahren an neuen Schulden gemacht. In der Vorausschau wird der Bund in diesem Jahr rund 7 Milliarden Euro Privatisierungserlöse einsetzen, 2007 14 Milliarden Euro, 2008 9 Milliarden Euro und im Jahr 2009 immer noch 6 Milliarden Euro.

Das macht der Bund. Das macht der SPD-Finanzminister Steinbrück mit Überzeugung, und ich füge hinzu: Schauen Sie sich den Haushalt des zukünftigen Parteivorsitzenden der SPD an, Herrn Beck in Rheinland-Pfalz. Herr Beck hat in der Zeit von 2004 bis 2008 mit Privatisie

rungserlösen seinen Haushalt in der Größe von 682 Millionen Euro konsolidiert.

Herr Minister – –

Lassen Sie mich das schlussfolgern, bevor Sie drankommen, Herr Mütze. Sie müssen sich überlegen, wie Sie eigentlich beurteilen wollen. Wenn Sie uns vorwerfen, wir machten dadurch, dass wir Privatisierungserlöse einsetzen, einen Schwindel, wie Sie sagen, dann müssen Sie auch sagen: Schwindelt der Bund, schwindelt der zukünftige SPD-Vorsitzende Beck? Entweder/ oder, meine Damen und Herren. Hier müssen Sie gleiche Maßstäbe anlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mütze?

Herr Minister, vielen Dank. Würden Sie mir zustimmen, dass ich festgestellt habe, dass Sie in diesem Jahr das erste Mal Eon-Erlöse für den laufenden Haushalt benutzt haben, während Sie sie in den vergangenen Jahren dazu benutzt haben, Offensiven herauszustellen, um Clusterbildung und Sonstiges zu unterstützen? Ist es richtig, dass Sie in diesem Jahr erstmals das Geld im laufenden Haushalt verbrauchen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist völlig richtig. Ich komme darauf sehr gerne zu sprechen. Natürlich ist es viel besser – das habe ich noch nie anders gesagt, weder im Haushaltsausschuss noch von dieser Stelle aus –, dass man Privatisierungserlöse wie in der Zeit nach 1993 einsetzt für zusätzliche Investitionen, einsetzt für neue Initiativen, einsetzt für technologische Zukunftsprojekte. Das ist richtig.

Aber nachdem wir nach den letzten Steuerschätzungen immer weniger Steuern haben, müssen wir umdenken. Haushaltspolitik heißt auch gestalten und nicht mechanisch vorgehen. Meine Damen und Herren, mir wäre es auch lieber, ich könnte es anders machen. Aber dieses Vorgehen als nicht legitim oder gar als Schwindel zu bezeichnen, das muss man mit aller Deutlichkeit zurückweisen, Herr Mütze.

(Beifall bei der CSU)

Da kann ich die SPD nur auffordern zu überprüfen, wie es der SPD-Bundesfi nanzminister macht oder der zukünftige SPD-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz.

Langfristig, meine Damen und Herren, haben wir durchaus diesen Ehrgeiz. Insofern hat Herr Mütze Recht mit seiner Frage – Herr Mütze, ich ringe um Ihre Aufmerksamkeit.

(Thomas Mütze (GRÜNE): Ja!)

Insofern haben Sie völlig Recht. Wir müssen uns bemühen, langfristig einen ausgeglichenen Haushalt in der Struktur hinzubekommen, dass die laufenden Einnahmen und Gebühren die laufenden Ausgaben decken. Das ist der Idealzustand. Aber Sie müssen konzedieren, dass es Zwischenperioden geben kann – es hat eine solche Periode des Steuerverfalls in der Nachkriegszeit noch nie gegeben wie von Mai 2001 bis jetzt –, in denen man entsprechende andere Prioritäten setzen kann. An der Qualität des Umstandes, dass wir heute abschließend einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, ändert dies gar nichts, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abgeordneten Manfred Ach und Engelbert Kupka (CSU))

Meine Damen und Herren, heute ist in Karlsruhe ein erster Abschnitt eines ganz wichtigen Aktes zu beobachten.

Berlin klagt gegen die Bundesregierung. Berlin klagt ein, dass die Bundesregierung dem Land Berlin helfen muss, seine Defi zite zu bereinigen. Herr Kollege Sarrazin sagt, wie ich einer heutigen ap-Meldung entnehme, seine Vorstellung sei die, der Bund zahle die Zinsen der Schulden, die Berlin dauerhaft nicht bedienen könne, und an der Tilgung könnten auch andere Länder beteiligt werden.

(Zuruf von der CSU: Ja, freilich!)

Lassen Sie es mich andersrum aufziehen: Berlin erhält bereits im Jahr 2005 Transferleistungen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro; davon zahlt der Bund 2,8 Milliarden Euro, die Zahlerländer zahlen 2,4 Milliarden Euro. Damit ist Bayern am stärksten dabei. Mit 2,2 Milliarden Euro Länderfi nanzausgleich in den letzten Jahren waren wir die Hauptzahler. Wenn jetzt ein Land sagt, wir sollten, wie Herr Sarrazin vorschlägt, noch mehr zahlen, damit es von der Schuldenlast wegkommt, kann ich aus bayerischer Sicht nur sagen: Mehr geht nicht, Herr Sarrazin!

(Beifall bei der CSU)

Ich bin nicht bereit, die politischen Fehlentscheidungen Berlins auf dem Rücken der bayerischen Steuerzahler auszutragen,

(Beifall bei der CSU)

wobei es mir völlig gleichgültig ist, wer diese Fehler gemacht hat.

(Zuruf von der SPD)

Ich habe geahnt, was Sie sagen. Es ist mir völlig gleichgültig, wer das gemacht hat. Natürlich hat Herr Diepgen einen massiven Fehler gemacht,

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

indem er die gesamte Beamtenschaft ohne entsprechende Reduzierung übernommen und 1992 sofort auf 100 Prozent erhöht hat. Das war ein Fehler, und deshalb ist Berlin damals auch aus der Tarifgemeinschaft deut

scher Länder, der TDL, ausgeschlossen worden. Aber das tut jetzt überhaupt nichts zur Sache.

Ich sage für Bayern nur: So geht es nicht,

(Beifall des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

2,2 Milliarden Euro sind das Ende der Fahnenstange; denn Sie müssen sowieso hinzurechnen, dass wir etwa 1,7 Milliarden Euro an Umsatzsteuervorwegausgleich leisten.

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn wir in diesem Haus diese 2,2 Milliarden Euro hätten, dann könnten wir wunderbar investieren und hätten wir ohne entsprechende Anstrengungen schon längst einen ausgeglichenen Haushalt.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe darauf hingewiesen, dass wir seit der Steuerschätzung im Mai 2001 aufgrund der dramatischen Steuereinbrüche – nicht nur in Bayern, sondern in Deutschland insgesamt – Haushaltsprobleme haben. Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den Steuereinnahmen und zur Steuerpolitik machen, denn das scheint mir jetzt notwendig zu sein.

Sie wissen, dass von mir in diesen Nachtragshaushalt gewissermaßen im letzten Moment eine zusätzliche Annahme geschoben wurde, dass nämlich in Abweichung zur November-Steuerschätzung im Jahr 2006 250 Millionen Euro mehr an Einnahmen eingestellt wurden. Warum? Weil die Monate November und Dezember des letzten Jahres endlich zumindest eine Stabilisierung der Steuer signalisiert haben. Diese Entwicklung habe ich für das Jahr 2006 hochgerechnet mit dem Ergebnis, es könnten über die November-Steuerschätzung hinaus ungefähr zusätzlich 250 Millionen Euro sein. Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Monate Januar, Februar, März und April, soweit ich es absehen kann, diese optimistische, zunächst einmal risikobehaftete Schätzung bestätigen.

Herr Mütze, Sie haben ja gesagt, im März habe man ungeheuere zusätzliche Steuereinnahmen gehabt; Sie haben 17 Prozent genannt. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese bayerischen Steuereinnahmen im März gab es nicht, da hatten wir ein Minus von einem Prozent.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Mütze (GRÜNE))

Das sind immer die Besonderheiten. Und wenn Sie in den Zeitungen Pauschalzahlen lesen, sage ich Ihnen: Seien Sie damit sehr vorsichtig! Aber wenn ich die ersten vier Monate zusammennehme – das ist eine ganz wichtige Aussage –, dann scheinen sich Gott sei Dank die 250 Millionen zusätzlicher Gelder laut Schätzung zu stabilisieren.

In diesem Zusammenhang ist natürlich interessant, wie es um die Steuereinnahmen des Staates überhaupt steht. Ich bin völlig irritiert davon, dass wir in der Öffentlichkeit mittlerweile eine Debatte über die Steuerquote haben. Da wird auch vom zukünftigen SPD-Vorsitzenden Beck immer gesagt, die Steuerquote sei mit 20,3 Prozent – – Es gibt aber auch andere Zahlen: In der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ sind es nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 22,3 Prozent.

Gehen wir einmal von 20,3 Prozent aus, denn die IstZahlen halte ich für präziser. Der Wert sagt über die tatsächliche Steuerbelastung der Bürger gar nichts aus. Diese 20,3 Prozent sind ein Ergebnis erstens der Tatsache, dass wir im Vergleich zu 1980, wo wir die höchste Steuerquote hatten, aufgrund von 5 Millionen Arbeitslosen, die keinen einzigen Cent an Steuern bezahlen, natürlich deutlich weniger Mehreinnahmen hatten. Schauen Sie sich an, was sich in den letzten 15 Jahren an Befreiung am unteren Ende des Einkommens Schritt für Schritt entwickelt hat: Derjenige, der 30 000 Euro verdient und zwei Kinder hat, zahlt keinen einzigen Cent an Steuern. Das gab es früher nicht. Das heißt, große Teile der Bevölkerung fallen als Steuerzahler aus. Das ist entscheidend dafür, dass die Steuerquote so gering ist. Über die tatsächliche Belastung eines Leistungsträgers bzw. Unternehmens sagt die Steuerquote absolut nichts aus. Warum wir heute über Steuersätze reden, ist doch eine Frage der wirtschaftspolitischen Entwicklung und der Wachstumsdynamik. Und darauf müssen wir schauen. Dazu sagt die Steuerquote überhaupt nichts aus. Das ist eine der dämlichsten Debatten, die wir in diesem Lande je geführt haben.