Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Ich denke, dass die Gewerkschaften und Beschäftigten begriffen haben, worum es hier geht, nämlich um die Zukunftsfähigkeit.

(Engelbert Kupka (CSU): Das ist doch Klassenkampf!)

Wenn Sie sagen, das sei Klassenkampf, bin ich gerne für Klassenkampf. Wenn Sie für Arbeitnehmer überhaupt nichts mehr übrig haben, dann bin ich gerne dafür, Klassenkampf zu führen. Dagegen habe ich überhaupt nichts.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

In den Schützengräben sind Sie doch! Die Gewerkschaften haben sich doch längst bewegt. Sie sind doch versteinert und können sich nicht bewegen. Es ist doch Ihr Problem, dass Sie sich nicht bewegen. Die Gewerkschaften haben sich bewegt und haben sich auf eine Lösung zubewegt.

Wenn ich mir vorstelle, dass man nun den Polizeibeamten, die ja nicht streiken dürfen, ein Dankeschön für ihre Mehrleistung ausspricht, dann muss ich Sie fragen: Glauben Sie denn, dass man mit dem Dankeschön zum Bäcker oder zum Vermieter gehen kann, um die Miete oder die Semmeln bezahlen zu können? Mit einem Dankeschön geht da nichts. Deswegen ist es wichtig, unsere Beschäftigten anständig zu entlohnen und die Arbeitszeit so zu gestalten, dass sie niemand beschädigt – gerade im Schichtdienst – und vor allen Dingen sicher zu stellen, dass vor dem Hintergrund der Arbeitszeitgestaltung Beschäftigung erhalten bleibt. Sie schaden den sozialen Systemen.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen nicht den Kopf schütteln, Herr Kollege Kupka. Offensichtlich kennen Sie den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Rentensystem nicht. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ein Abbau von 10 000 Arbeitsplätzen durch die Arbeitszeitverlängerung in Bayern dazu führt, dass in einem Zeitraum von 20 Jahren in den Sozialkassen Einnahmen im Umfang von 2,4 Milliarden fehlen. So schaden Sie den Systemen durch eine Arbeitszeitverlängerung. Wenn ich dann noch die Schäden hinzunehme, die Sie in Systemen anrichten, die für die Arbeitslosen aufkommen müssen, dann sind wir beim Doppelten. Es kann ja wohl nicht sein, einerseits darüber zu klagen, dass die Lohnnebenkosten ständig steigen und sie auf der anderen Seite selber ständig hochzutreiben. So funktioniert es nicht und darum haben die Gewerkschaften Recht. Die Gewerkschafter kämpfen nicht nur um ihre Arbeitszeit und ihre Entlohnung. Sie kämpfen um den Erhalt der sozialen Systeme und das machen sie in erster

Linie dort, wo es um Arbeitszeitverlängerungen geht. Der innere Zusammenhang sollte Ihnen allen eigentlich klar sein.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kupka?

Nein. Sie können sich dann gerne zu Wort melden, Herr Kupka.

Sie müssen sich vorhalten lassen, dass Sie mit der Arbeitszeitverlängerung ein Zerstörer der sozialen Systeme sind. Das müssen Sie sich so sagen lassen. Das stimmt auch und das können Sie nicht bestreiten.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Herr Kupka, das können Ihnen Volksschüler vorrechnen. Dazu muss man nicht studiert haben.

Es treten Schäden in den Systemen auf, die Sie – wie im Übrigen auch wir – ständig beklagen. Man sollte aber aktiv etwas dagegen tun und nicht diejenigen bekämpfen, die das beklagen. Sie bekämpfen die Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und schaden damit den sozialen Systemen, anstatt zu sagen, wir regeln das anders, um die Schäden so gering wie möglich zu halten. Sie stellen sich stur. Wie man aus den Verhandlungsrunden so hört, spielt Herr Finanzminister Faltlhauser zwar den Braven, aber hinten heizt er kräftig mit. Man kann ja immer schön Rollen teilen, das ist so üblich, das kennen wir. Man soll es aber zur Kenntnis nehmen und es ist nicht so, dass Sie nicht die Möglichkeit hätten, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Sie wollen es aber nicht, denn Sie hätten gerne kleine Gewerkschaften, mit der Möglichkeit, die Löhne dann noch weiter zu dumpen. Wir haben es heute bei der Diskussion um das Hochschulgesetz gehört. Man spricht dann plötzlich von Sieben-Euro-Jobs. Das liegt weit unter dem, was das Minimum ist.

(Zuruf des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Selbstverständlich gehört das dazu. Dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Kupka, verstehe ich.

(Engelbert Kupka (CSU): Wir sind nicht auf einer Gewerkschaftsveranstaltung!)

Nein, wir sind hier im Parlament, aber da gehört das dazu. Sie und Ihr Minister haben angezettelt, dass seit Wochen – inzwischen schon seit fast 100 Tagen – Menschen auf die Straße gehen müssen, um darzustellen, was für sie notwendig ist.

Ich darf noch eines hinzufügen: Was an Pressemeldungen gelaufen ist, war geradezu schäbig. Wer behauptet, in Würzburg würden Menschenleben gefährdet, den kann ich nur fragen: Wer hat denn den Notfallplan ausgearbeitet? Waren das die Klinikleitungen mit den Gewerkschaften zusammen und haben die Klinikleiter nicht die notwendigen Dinge – die Gewerkschaften sind ja auf die

Notfallpläne eingegangen – gesehen? Dann waren es also Ihre Leute, die indirekt beim Aushandeln der Notfallpläne versagt haben. Sie machen das dann den Gewerkschaften zum Vorwurf. Herr Minister, noch ein bisschen schlimmer geht es nicht. Das können Sie vielleicht mit Leuten machen, die keine Ahnung haben. Es laufen aber ein paar herum, die wissen, wie Notfallpläne konstruiert werden und wer sie aushandelt. Sich dann hinzustellen und den schwarzen Peter auf die andere Seite zu schieben, wenn es Angriffe gibt, halte ich für schäbig. Ich sage das noch einmal ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass Sie jemanden in die Pfl icht nehmen, obwohl Ihre eigenen Verhandler dabei versagt haben. Das kann man so nicht machen, Herr Minister. Ich bitte Sie, das klarzustellen und deutlich zu machen, dass man Sie von mir aus falsch informiert hat – diese Brücke baue ich Ihnen gerne –, aber endlich den von Ihnen gegenüber den Beschäftigten, gegenüber Ärzten und Pfl egern, die ihren Beruf ernster nehmen wie mancher Minister, erhobenen Vorwurf auszuräumen.

Ich habe die Bitte – auch wenn es ein bisschen heftig war; ich gebe es zu – sich doch noch einmal zu überlegen, unserem Antrag zuzustimmen, diesem Spiel ein Ende zu bereiten und endlich in diesem Land wieder vernünftige Zustände herzustellen. Wir können es uns im Interesse der sozialen Systeme und der betroffenen Menschen leisten. Sie haben ein Glück, dass Sie kreuzbrave Beamte und Angestellte haben, die offensichtlich sehr leidensfähig sind. In anderen Ländern würde heute keiner da sein, der Ihnen hilft, ein Telefon zu fi nden. In anderen Ländern hätten die Betroffenen den Laden dicht gemacht. Da ist unser Beamtenrecht noch vor, aber reizen Sie es nicht zu sehr aus. Sie könnten nämlich sonst irgendetwas erleben, das Sie dann wieder in eine demagogische Ecke stellen anstatt zu sagen: Da waren wir selber schuld, weil wir die Schraube überdreht haben. Sie überdrehen diese Schraube, wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pachner.

Frau Präsidentin, Hohes Haus, Kolleginnen und Kollegen! Man könnte ja zu der Rede des Kollegen Wörner, die sehr gewerkschaftlich geprägt war – Zukunftsfähigkeit, Klassenkampf, Zerstörung sozialer Systeme, alles, was so hineingekommen ist –, sehr viel sagen.

Aber das Thema ist eigentlich viel zu ernst, um hierauf einzugehen.

(Zuruf von der SPD)

Der Antrag hat das Ziel, diese für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen geltende Regelung auch für die Länder zu übernehmen. Der Dringlichkeitsantrag von heute hat das Ziel: Tarifverhandlungen dürfen nicht an

Bayern scheitern, keine Bestrafung der Beschäftigten, die zum Streik gegangen sind.

Der erste Antrag wurde im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes am 21.02. und im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen am 6.04. abgelehnt. Wir haben über den Antrag lange diskutiert, es haben sich viele Diskussionen entwickelt. Es hat sich aber bis heute die Situation nicht geändert.

(Christa Naaß (SPD): Eben!)

Es haben sich bis heute keine neueren Erkenntnisse ergeben als die, die bei uns zur Ablehnung dieses Antrags geführt haben. Eine 1 : 1-Übernahme kommt für die Länder nicht in Betracht, denn es ist nicht möglich, weil es eine völlig andere Personalstruktur ist. Zum Beispiel würden die Angestellten im wissenschaftlichen Hochschulbereich den Haushalt wesentlich mehr belasten als beim Bund und bei den Kommunen. Das kann sich ein Land nicht leisten.

Voraussetzung sind daher eigene Verhandlungen, in denen die Besonderheiten der Personalstruktur bei den Ländern berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Verhandlungen müssen auch die für die Länder prioritären Fragen hinsichtlich Zuwendung, Urlaubsgeld und Arbeitszeit einer Lösung zugeführt werden.

Ziel des Freistaates ist es auch, in all diesen Punkten eine einigermaßen gleiche Behandlung aller Beschäftigungsgruppen zu erreichen. Die Verhandlungen wurden seit Oktober 2005 in vier Arbeitsgruppen aufgenommen, die Ergebnisse in zwei Spitzengesprächen bewertet. Hinsichtlich des länderspezifi schen Änderungsbedarfs am TVöD zeichnete sich eine Annäherung ab, jedoch nicht in den Kernfragen der Arbeitszeit und Zuwendung. Diese Verhandlungen laufen zurzeit, also nach dieser Denkpause, heute und morgen.

Wir können es uns einfach nicht leisten, dass ein Staat fast 43 % seines Haushalts für Personalkosten ausgibt. Wir können nicht in Zukunft, also schon vorab, die Pensionslasten für unsere Kinder und Enkelkinder ins Unermessliche treiben. Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen wieder mehr Spielraum für Investitionen. Ich nehme es Ihnen einfach nicht ab, dass, wenn hier abgebaut wird, keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Denn durch die Investitionen werden wieder Arbeitsplätze geschaffen.

(Zuruf von der SPD: Wo?)

Lassen Sie mich das noch sagen, ich komme darauf schon zu sprechen.

Die jetzt im öffentlichen Dienst Beschäftigten brauchen um ihren Arbeitsplatz wirklich nicht zu bangen, sie sind abgesichert.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Bei 110 000 beschäftigten Angestellten im öffentlichen Dienst können es nicht lauter befristete Arbeitsverträge

sein. Es gibt befristete Arbeitsverträge, aber es sind nicht lauter solche Verträge.

(Zuruf von der SPD: Wie viele?)

Frau Kollegin, das kann es nicht sein. Mit Investitionen, die dann im Haushalt frei werden, können wir wieder Arbeitsplätze, zum Beispiel auch in der Wirtschaft, schaffen. Dann können wir unsere Investitionsquote wieder erhöhen. Es wird sich der Kreis wieder schließen. Und wenn es dem Arbeitgeber einmal nicht so gut geht, müssen alle mit anpacken, um ihn wieder wettbewerbsfähig zu machen und wieder wettbewerbsfähig zu sein. Eine alte Regel heißt: Wenn es dem Arbeitgeber gut geht, geht es auch dem Arbeitnehmer gut.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Herr Kollege Wörner, das ändert sich auch nicht bei einem Freistaat, weder bei einem Beamten noch bei einem Angestellten, sondern da muss man auch wieder versuchen, zum Ziel zu kommen. Denken Sie in diesem Zusammenhang an AEG und an die Walter Bau AG in Augsburg, an alle Betriebe, die geschlossen und ihre Mitarbeiter nach Hause geschickt haben. Ich denke, dass in Nürnberg und Augsburg die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, bestimmt ein paar Stunden mehr gearbeitet hätten, um den Arbeitsplatz zu behalten oder ihn wiederzuerlangen. Das muss auch bei einem Freistaat möglich sein. In schweren Zeiten muss die Sicherheit des Arbeitsplatzes ein paar Stunden wert sein.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Herr Kollege, nein, Sie verwechseln da Äpfel mit Birnen. Die Arbeitszeitverlängerung muss heute einem Menschen die Arbeitsplatzsicherung wert sein. Der Angestellte, der über 40, 50 Jahre im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, oder der Beamte in ungekündigter Stellung können bis zur Pensionierung und darüber hinaus mit ihren Einkommen rechnen. Reden Sie heute mit Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen und Investitionen tätigen wollen, aber nicht können, weil sie nicht wissen, wie der nächste Tag, die nächste Woche oder der nächste Monat aussieht, ob sie den Arbeitsplatz noch haben oder nicht. An diese Menschen müssen wir auch einmal denken.

Ziel ist es auch zwischen Beamten und vergleichbaren Angestellten in etwa einen Gleichklang herzustellen. Denn die Beamten arbeiten seit 1993 nach diesem Modell 40 Stunden, 41, 42 Stunden – Sie wissen das genau –, während die Angestellten immer noch 38,5 Stunden pro Woche arbeiten. Daher bitte ich, bei den Angestellten, die alle miteinander eine hervorragende Arbeit leisten, um Verständnis, dass wir einen annähernden Gleichklang mit den Beamten fordern.

Auch bei der starren Haltung der Gewerkschaften ist zu befürchten, dass die Kommunen vielleicht noch mehr als nötig privatisieren und dass dann diese Arbeitsplätze eben nicht mehr zur Verfügung stehen.