Protokoll der Sitzung vom 19.05.2006

Mir fehlt ferner ein Instrument im Gesetz, um den Stellenwert der Lehrer- und Lehrerinnenbildung an der Universität aufzuwerten. Mir fehlt eine Aussage dazu, wie Sie verhindern wollen, dass man an der Universität Lehrerinnen- und Lehrerbildung eigentlich nur deshalb macht, um die Fachwissenschaften vor Ort zu halten.

Für meine Fraktion will ich sagen: Wir stellen die qualitative Aussage eines Staatsexamens infrage. Die Übernahme der Lehrerinnen und Lehrer in den Schuldienst ist

doch heute nicht mehr vom Staatsexamen abhängig, sondern von dem, was der Finanzminister an Geld gibt. Wenn Förster und Verwaltungsbeamte – das ist letzte Woche deutlich geworden – lediglich keine 5 oder 6 haben dürfen, um in den Schuldienst übernommen werden zu können, müssen Sie sich schon fragen, was ein Staatsexamen für eine Lachnummer ist.

Sie haben lange an diesen Änderungen gearbeitet, Herr Minister Schneider, bereits zu der Zeit, als Sie noch Ausschussvorsitzender waren. Es ist nichts anderes dabei herausgekommen als das, was wir vor Jahren schon einmal im Ausschuss berichtet bekommen haben. Für mich ist das heiße Luft. Es ist keine Reform; nur ein kleines Lüftchen ist in die Lehrer- und Lehrerinnenbildung gekommen. Damit haben Sie eine große Chance vertan, Herr Kollege Wägemann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heiße Luft vergeht, Ihr Gesetz leider nicht. Wenn es so bleibt, dann stimmen wir natürlich nicht zu. Aber ich freue mich auf den Bericht des Ministers in der gemeinsamen Ausschusssitzung, und ich denke: Vielleicht kriegen wir dann auch noch etwas mehr Fleisch an dieses Skelett, weil dieses Gesetz alleine für sich gesehen noch nicht alles bringt. Ich erwarte mir dann auch einen Bericht über die anderen Vorschriften, die Sie noch ändern werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Damit besteht Einverständnis. Dann ist das so beschlossen.

Eine Bitte des Stenografi schen Dienstes: Die Niederschriften der heutigen Sitzung können nicht mehr bis zum Sitzungsende fertig gestellt werden. Deswegen können sie Ihnen auch nicht hier im Plenarsaal zur Korrektur überlassen werden. Aus diesem Grunde bitte ich die Redner, die ihre Reden korrigieren wollen, die gelben Zettel zu verwenden, die hier unten liegen, damit ihnen die Niederschriften zur Korrektur nach Hause geschickt werden können. – Herr Ludwig, ich bitte nur, dass die gelben Zettel nicht versteckt werden, sondern sichtbar am Rednerpult ausgelegt werden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, HansUlrich Pfaffmann, Karin Pranghofer u. a. u. Frakt. (SPD) Schulversuch „Ganztagsklassen an Grundschulen“ angemessen ausstatten (Drs. 15/4950)

Ich eröffne die Aussprache. Die erste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag, den wir heute noch einmal im Plenum vorstellen, haben wir schon im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport diskutiert. Bei diesem Antrag gab es zwar neun ablehnende Stimmen der CSU, aber es gab auch eine Enthaltung. Insofern dürfen wir vielleicht ein bisschen hoffen, dass wir mit unserem Anliegen bei Ihnen in der CSU doch noch ein offenes Ohr fi nden.

Es geht um die Ganztagsschule. Die Ganztagsschule bietet mehr Zeit zum Lernen und Üben. Sie ist die Schulform, die eine andere Pädagogik ermöglicht: weg von der starren Unterrichtseinheit hin zu einem methodisch anders ausgefüllten, ganzheitlichen Lernen nach völlig anderen Methoden. Die Ganztagsschule – das ist uns Sozialdemokraten ganz wichtig – ist die Chance, vielleicht die einzige Chance, Chancengerechtigkeit in der Bildung herzustellen und an den Kennziffern, die unser Bildungssystem leider immer noch kennzeichnen, ein Stück zu arbeiten und Kindern und Jugendlichen zu einem besseren Bildungserfolg zu verhelfen.

Die Ganztagsschule ist die Schulform, die der von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, häufi g beklagten Verwahrlosung von Kindern mit den negativen gesellschaftspolitischen Auswirkungen entgegenwirkt. Die Ganztagsschule kann auch den Auftrag zu Bildung und Erziehung in angemessener Form erfüllen. Sie ist die erfolgreiche Schulform. Sie ist erfolgreicher als die anderen Schulformen. Kinder und Jugendliche, die eine Ganztagsschule besuchen, haben die besseren Bildungsergebnisse.

Nicht ohne guten Grund bietet der vbw, der Verband der Bayerischen Wirtschaft, seine Kooperation beim Thema Ganztagsschule an und hat, noch bevor das Kultusministerium dieses Thema für sich entdeckt hat, das Thema gesellschaftspolitisch sehr breit diskutiert und diese Schulform mit Geldern unterstützt. Damit hat der Verband dazu beigetragen, dass sich in Bayern hierzu überhaupt etwas bewegt.

Nicht zuletzt ist die Ganztagsschule die Form, die es ermöglicht, Familie und Beruf am besten miteinander zu verbinden.

Die SPD-Fraktion fordert bereits seit langem den Ausbau der Ganztagsschule in Bayern. Die Ganztagsschule muss in allen Schularten in ganz Bayern als Angebotsschule vorhanden sein. Zu dem zurückliegenden Nachtragshaushalt hat die SPD-Fraktion entsprechende Anträge gestellt und ein konkretes Ausbauprogramm, geplant und gezielt für Bayern, vorgestellt. An diesem Thema wird die SPD dranbleiben. Wir werden Sie immer wieder damit konfrontieren. Bei diesem Thema wissen wir ganz viele Mitstreiter auf unserer Seite; denn die Ganztagsschule ist einfach überzeugend. In der Pädagogik ist die Ganztagsschule nicht mehr umstritten. Es gibt praktisch keine Gegner. Es wird immer wieder betont, dass die Ganztagsschule die Antwort auf die derzeitigen bildungspolitischen Herausforderungen ist.

Zwischenzeitlich hat dies auch das Kultusministerium erkannt. Es kann sich der gesellschaftspolitischen Her

ausforderung, mehr Ganztagsschulen einzurichten, nicht mehr entziehen. Deshalb gab es vor zwei oder zweieinhalb Jahren ein groß angekündigtes Programm, die Ganztagsschule in Bayern auszubauen. Damals hat mich besonders geärgert – ich muss das an jeder Stelle immer wieder sagen –, dass das Kultusministerium in einer groß angelegten Pressekampagne gesagt hat: Wir bauen Ganztagsschulen in Bayern aus. Es waren aber immer nur Klassen. Klassen sind noch lange keine Schulen. Bis aus dem Ausbauprogramm für Klassen eine ganze Schule in Bayern zur Ganztagsschule geworden ist, vergehen bei dem Tempo, in dem das Kultusministerium hier voranschreitet, unter Umständen Jahrzehnte. Es gibt viel zu wenige Kinder und Jugendliche, die in den Genuss dieser Schulform kommen und unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit in der Bildung ernst genommen werden.

Der Ausbau wurde also für Schulen angekündigt. Aber letztlich waren es nur Klassen. Jetzt gibt es vonseiten des Kultusministeriums – wir fi nden das sehr gut – die Einsicht, dass die Ganztagsschule schon in der Grundschule anfangen sollte. Nun wird ein Modellversuch angekündigt, wonach an zehn Grundschulen in Bayern entsprechende Klassen eingerichtet werden sollen. Jetzt könnte man darüber streiten, ob man das Modell noch braucht; denn die Schulform Ganztagsschule muss, wie ich bereits ausgeführt habe, nicht mehr erprobt werden. Man könnte im Grunde genommen sofort loslegen.

Das Kultusministerium hätte eine gute Chance gehabt, IZBB-Mittel zu bekommen. Alle Bundesländer außer Bayern haben Agenturen für Ganztagsschulen eingerichtet. Dazu ist nur eine kleine Kofi nanzierung notwendig. Aus dem IZBB-Programm hätten vonseiten der Bundesregierung Mittel nach Bayern fl ießen können. Diese Chance haben Sie nicht ergriffen. Im Wege einer Agentur für Ganztagsschulen hätte in Bayern ein Austausch organisiert werden können. Natürlich könnte man dadurch auch Lehrerinnen und Lehrer motivieren, pädagogisch weiterbilden und so weiter. Diese Chance haben Sie leider nicht ergriffen.

Genauso wenig haben Sie Investitionsmittel aus dem IZBB-Programm für ein Programm zum Ausbau der Ganztagsschule in Bayern genutzt. Vielmehr haben Sie die Mittel, wie wir es Ihnen schon oft vorgeworfen haben, im Wesentlichen in den Ausbau des G 8 gesteckt. Sie haben dafür auch keine bayerischen Mittel aufgewendet, sondern Gelder nur umgeleitet.

Jetzt machen Sie also einen Modellversuch, die Ganztagsschule an der Grundschule zu verwirklichen. Gleichzeitig haben Sie Finanzierungsprobleme, weil Sie für das Programm Ganztagsschule nie einen einzigen Euro im Bildungsetat vorgesehen haben. Stattdessen haben Sie für zusätzliche Dinge, an denen Sie nicht mehr vorbeikamen – das beobachten wir seit Jahren –, Finanzierungsanteile aus dem gesamten Bildungsetat herausgequetscht und in die neuen Modelle gesteckt. Die Finanzierungsprobleme haben Sie jetzt, weil Sie einen neuen Schritt machen. Nun kürzen Sie bei der Ausstattung der bisherigen Ganztagsklassen an Hauptschulen. Diese Form war bisher mit zusätzlich 19 Lehrerwochenstunden ausgestattet. Der neue Modellversuch bezieht sich auf die

Grundschule. Da haben Sie Finanzierungsprobleme. Deshalb kürzen Sie bei der Hauptschule.

Die Diskussion im Bildungsausschuss hat deutlich gezeigt – das fi nde ich besonders interessant –, dass die 19 Lehrerwochenstunden nicht von der SPD-Fraktion und auch nicht von der CSU-Fraktion erfunden worden sind, sondern aus einer Analyse entstanden sind, die vonseiten des Kultusministeriums durchgeführt worden ist. Dort hat man sich den Schulalltag angeschaut. Der veränderte Stundenplan bedingte eine höhere Anwesenheit von Lehrpersonal. Das hängt mit der längeren Zeit zum Lernen und Üben zusammen.

Dann wurde festgestellt, dass man diese 19 Stunden braucht. Jetzt sagt aber das Kultusministerium, dass es auch mit 12 Stunden geht, ohne dass eine Diskussion darüber geführt wird, wie eine Ganztagsschule jenseits aller Forderungen und Wünsche, die wir haben, angemessen auszustatten ist. Wir sehen auch Grenzen und Möglichkeiten der Finanzierung. Darüber führen Sie aber gar keine Diskussion. Sie reduzieren diese 19 Stunden einfach auf 12, weil Sie den dadurch entstehenden fi nanziellen Freiraum für den Modellversuch an der Grundschule brauchen.

Ich frage mich, wo hier ein Konzept vorhanden ist, wo hier der ernsthafte Wille gegeben ist, das Angebot von Ganztagsschulen in Bayern tatsächlich zu verbreitern, diese bildungspolitische Herausforderung anzunehmen und an den Bildungsdefi ziten, die es im Freistaat Bayern gibt, ernsthaft zu arbeiten. Das müssen Sie uns in der nachfolgenden Diskussion schon noch beantworten. Die SPDFraktion wird sich jedenfalls für einen Ausbau von Ganztagsschulen an allen Schularten und fl ächendeckend in ganz Bayern als Angebotsform einsetzen. Wir verfolgen das Ziel, dass in fünf Jahren 30 % aller Kinder und Jugendlichen in Ganztagsschulen beschult werden. Wir sind davon überzeugt, dass das eine gute Investition in die Zukunft ist. Die Ganztagsschule ist zwar nicht die Lösung für alle Probleme im Bildungswesen, sie ist aber eine anerkannte Form, mit der viele Probleme in diesem System sehr wirkungsvoll gelöst werden können. Wenn Sie die Ganztagsschule wirklich wollen, werden es die Ergebnisse auch zeigen. Sie können sich dessen sicher sein, dass die SPD in den nächsten Wochen und Monaten diesen Weg deutlich machen wird. Wir werden Sie immer wieder mit diesem Thema konfrontieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich Sie am Anfang wegen der gelben Zettel verwirrt habe. Die gelben Zettel werden in Zukunft auf dem Stenografentisch liegen. Dort gehören sie logischerweise auch hin, und dort sind sie in Empfang zu nehmen.

Die Aussprache wird fortgesetzt. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pachner. – Herr Pachner, sollen wir den langen Weg zum Rednerpult jetzt von der Redezeit abziehen?

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, Sie wissen, mit über 60 muss man nicht mehr ganz so schnell laufen.

(Allgemeine Heiterkeit – Alexander König (CSU): Gut gekontert, Reinhard!)

Kolleginnen und Kollegen, man kann jeden Antrag, über den in den Ausschüssen bereits diskutiert wurde, ins Plenum bringen, um dort eine Generaldebatte über das Bildungssystem Bayerns heraufzubeschwören. Sie kritisieren immer das Bildungssystem in Bayern. Sie stellen es infrage. Haben Sie eigentlich den Artikel gelesen, der vorgestern in der „Welt“ erschienen ist?

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ich habe ihn gelesen!)

Joachim Peter hat in der „Welt“ geschrieben – ich zitiere:

Es ist schon kurios, wenn die Leiterin der OECDBildungsabteilung, Barbara Ischinger, die Abschaffung der Hauptschule fordert, die PisaForscher aber längst nachgewiesen haben, dass es zahlreiche leistungsstarke Hauptschulen – vor allem im Süden des Landes – gibt. So erreicht beispielsweise ein durchschnittlicher bayerischer Hauptschüler etwa das Leistungsniveau eines durchschnittlichen Bremer Realschülers.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kann das Bildungssystem in Bayern nicht gerade das schlechteste sein. Man muss nicht jeden Antrag, bei dem es nur um einen Versuch geht, ins Plenum bringen, um eine bildungspolitische Debatte vom Zaun zu brechen.

Jetzt zu Ihrem Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Antrag hat zum Ziel, einen Schulversuch zu Ganztagsklassen an Grundschulen analog zu den Ganztagsklassen an Hauptschulen mit zusätzlich mindestens 19 Lehrerwochenstunden auszustatten. Der Antrag geht schon insofern fehl, als es nicht 19 Lehrerwochenstunden an den Hauptschulen sind.

(Simone Tolle (GRÜNE): Es waren aber 19!)

Schreien Sie doch nicht immer so, ich habe schon ein gutes Gehör. Ursprünglich waren 19 Lehrerwochenstunden beabsichtigt. Die Schulleiter haben aber zum damaligen Zeitpunkt darum gebeten, einen Teil dieser Lehrerwochenstunden in Geld für Honorarkräfte umzuwandeln.

(Widerspruch des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Es ist so, Herr Kollege Pfaffmann, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. Honorarkräfte werden benötigt für Jugendarbeit, Jugendhilfe, Sozialpädagogik, Musik usw., damit die Schulen hier einfach fl exibler sind. Des

halb kamen wir auf diese 12 Lehrerwochenstunden und 6000 Euro pro Klasse.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Weikert?

Die hat doch selber gerade geredet, ich mag jetzt nicht.

(Heiterkeit bei der CSU – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie sind aber ganz schön charmant!)

Meine Damen und Herren, so kam es zu dem Ergebnis: zwölf Lehrerwochenstunden und 6000 Euro für Honorarkräfte. Damit ist die Schule wesentlich fl exibler. Sie kann bei einem umfassenden Angebot der Betreuung durch Honorarkräfte wesentlich wirtschaftlicher handeln.

Das ist auch kein Sparmodell, wie Sie von der Opposition immer wieder gerne behaupten. Es ist ein zusätzliches Angebot an Ganztagsklassen und ein pädagogischer Fortschritt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Aber es wird doch gespart!)