Protokoll der Sitzung vom 18.10.2006

Das ist lange her, und nur wenige, die hier sitzen, werden sich noch daran erinnern können. Es war im Jahr 1973, als das Bayerische Denkmalschutzgesetz verabschiedet wurde. Dieses galt weit über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus als vorbildlich. Was später folgte, war der schleichende Niedergang des Denkmalschutzes, indem Sie die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen immer weiter aushöhlten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt scheint offenbar der Moment gekommen, die letzten noch aufrecht stehenden Säulen – die Griechenland-Reise hat tiefe Spuren bei mir hinterlassen – noch umzustoßen. Die Pläne für das sogenannte Modellkommunengesetz bedeuten die Zerschlagung des Denkmalschutzes in Bayern. Die Aushöhlung des Denkmalschutzgesetzes begann 1994, als Sie das Widerspruchsrecht bei Denkmalkonflikten abschafften, ein Personalabbau im Landesamt für Denkmalpflege und eine drastische Reduzierung der Zuschussmittel von 23 auf 3 Millionen Euro – beinahe nichts mehr –

(Beifall bei den GRÜNEN)

seit 1990 folgte. Ihr ehemaliger Kultusminister Hans Maier, den Sie sonst sehr gerne zitieren, sagt dazu, das sei der großen Tradition Bayerns als eines Kulturstaats nicht würdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie müssten doch klatschen. Das ist doch Ihr Minister gewesen.

Laut Generalkonservator Prof. Dr. Greipl haben seit 1994 nur knapp die Hälfte der denkmalgeschützten Bauensembles den Bestand wahren können. Bei den Einzeldenkmalen sei zum Beispiel im Landkreis Altötting knapp ein Fünftel Totalverlust durch Abbruch eingetreten. Das zeige die Revision der bayerischen Denkmalliste.

Jetzt droht „Bürokratieminister“ Sinner mit dem „Modellkommunengesetz“. Das klingt zunächst harmloser als es ist. Es ist ein Denkmalschutz-Zerschlagungsgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie so oft, sollen mit einem als Modell getarnten Gesetzesvorhaben Fakten geschaffen werden.

(Joachim Herrmann (CSU): Das Gesetz liegt doch noch gar nicht vor!)

Es kann uns keinesfalls beruhigen, dass das Modellkommunengesetz zunächst nur vier Jahre laufen soll. Dieses Gesetz degradiert das Landesamt für Denkmalpflege zur Bedeutungslosigkeit. Indem Sie die Anhörung des Landesamts für Denkmalpflege in das Ermessen der unteren Denkmalschutzbehörden stellen, setzen Sie den Rechtsstaats- und Gleichheitsgrundsatz beim Denkmalschutz aufs Spiel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Vorsitzende des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, Landtagspräsident a. D. Johann Böhm, hält dies gar für verfassungs- und grundgesetzwidrig. Er sagt: Denkmalschutz sei, anders als Verwaltungsvereinbarung und Kosteneinsparung, eine Verfassungsaufgabe. An das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung sei der bayerische Gesetzgeber gebunden. Das Gesetzesvorhaben der Staatsregierung verstoße jedoch, soweit es das Denkmalschutzgesetz betrifft, wie kaum ein anderes Gesetz der letzten Jahrzehnte – ich finde besonders interessant, dass nach Meinung Böhms schon andere Gesetze, die im Lande gemacht wurden, nicht verfassungsgemäß waren –

(Beifall bei den GRÜNEN)

in hohem Maße gegen die Bayerische Verfassung, gegen das Grundgesetz, und zwar gegen den Rechtsstaatsgrundsatz, den Kulturstaatsgrundsatz, den Gleichheitsgrundsatz und gegen das Eigentumsgrundrecht. Landeskonservator Prof. Dr. Greipl hat in der vergangenen Woche im Hochschulausschuss gesagt: Damit sei das Denkmalschutzgesetz das Papier nicht mehr wert, auf dem es geschrieben stehe. Die landesweite Einheitlichkeit der Praxis in der Denkmalpflege stehe auf dem Spiel. Das Modellkommunengesetz sei ein Schlag ins Gesicht des Landesamts und aller engagierten Denkmalpfleger.

Ebenfalls am vergangenen Mittwoch beklagte der Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege eine – wörtlich „massive Niveauabsenkung auf kulturellem Gebiet“. Der oberfränkische Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Dippold sagte voraus, wir würden schließ

lich eine Disney-Land-Architektur in unseren Städten haben, mit einigen wenigen Schlössern, Amtsgebäuden und Kirchen in der Mitte und grober postmoderner Architektur drumherum.

Prof. Dr. Michael Petzet, der Präsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege und damit gleichzeitig der verlängerte Arm der UNESCO, bezeichnet das Modellkommunengesetz als ein geplantes Attentat auf die bayerische Denkmalpflege und schreibt in einem Brief an Minister Sinner:

Die Frage „Weltkulturerbe“ stellt sich allerdings tatsächlich bei ihrem Modellversuch. Das ist der Grund, weshalb ich mir erlaube, Sie auf Artikel 5 der Welterbekonvention von 1972 hinzuweisen, der die Vertragsstaaten dazu verpflichtet für geeignete Regelungen zum Schutz ihres Kulturerbes zu sorgen. Der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatskanzlei, der die einheitliche Handhabung von Denkmalschutz und Denkmalpflege infrage stellt, betrifft deshalb die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland nach der Welterbekonvention und könnte für die Beurteilung künftiger Anträge aus Bayern auf Eintragung in die Liste des Welterbes Konsequenzen haben.

Soweit Herr Petzet.

Kolleginnen und Kollegen. Ich denke, aus all diesen Äußerungen wird klar, was auf dem Spiel steht. Man muss sich fragen, warum Minister Sinner überhaupt auf die Idee kommt, sich als „Heimatzerstörungsminister“ zu profilieren.

Wem ist denn eigentlich der Denkmalschutz ein Dorn im Auge? Wer hat denn ein Interesse daran, ihn abzuschaffen, und wem nützt die Zerschlagung des Denkmalschutzes?

Es soll um eine Verwaltungsvereinfachung gehen. Allerdings sagt der Bayerische Städtetag, dessen Mitglieder, die Kommunen, eigentlich davon profitieren sollen, dass das Vorhaben keine Erleichterung sei, sondern eine Erschwernis. Er bezeichnet das Modellkommunengesetz als kontraproduktiv. Auch die Bayerische Architektenkammer braucht das Gesetz nicht. Sie weist auf offene Verfahrensfragen im Gesetzentwurf hin und betont gleichzeitig die Bedeutung der Unabhängigkeit des Landesamtes und des dort – und nur dort – vorhandenen Expertenwissens. Die Wirtschaft kann ebenfalls kein Interesse an dieser angeblichen Verwaltungsvereinfachung haben; schließlich bringt jeder Förder-Euro im Denkmalschutz das Zehnfache an privaten Investitionen. Es handelt sich also um ein effizientes Wirtschaftsförderprogramm. Auch die privaten Eigentümer haben gar nichts von der angeblichen Verwaltungsvereinfachung; denn sie brauchen die Fachgutachten des Landesamtes, um staatliche Fördermittel zu erhalten. Sie machen also ein Gesetz, das keinem nützt und allen schadet und das unsere Heimat zerstören wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist deshalb an der Zeit, dass der Bayerische Landtag die weitere Zerschlagung des Denkmalschutzes beendet und sich klar zum Verfassungsauftrag des Denkmalschutzes bekennt. Zur Umsetzung dieses Verfassungsauftrags müssen wir in den kommenden Haushalt die notwendigen Mittel einstellen. Das Denkmalschutzgesetz darf nicht weiter ausgehöhlt werden, und das Modellkommunengesetz muss vom Tisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Spaenle, wir unterstützen sehr gern die Resolution des Landesdenkmalrats, die Sie gestern als sein Vorsitzender der Öffentlichkeit vorgestellt haben, und wir hoffen, dass alle Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die aus Ihrer Fraktion, uns darin folgen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Antrag bietet die Chance, sich klar zum Verfassungsauftrag des Denkmalschutzes zu bekennen. Stimmen Sie unserem Antrag zu, und zeigen Sie damit deutlich, dass die Bewahrung unseres kulturellen Erbes, unserer Heimat, auch Ihnen ein Herzensanliegen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Rabenstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es hat wohl in der letzten Zeit – jedenfalls seit 1998, seitdem ich im Landtag bin – keinen Gesetzentwurf gegeben, der schon vor der Ersten Lesung einen derartigen Wirbel ausgelöst hat und der in der vorliegenden Fassung derart kritisiert worden ist wie der jetzige Entwurf. Es klingt zunächst recht harmlos. Das Gesetz heißt „Gesetz zur Erweiterung von Handlungsspielräumen der Kommunen“ und umfasst Bereiche wie das Schulfinanzierungsgesetz, das Wassergesetz und das Jagdgesetz. Wichtig sind jedoch die Entscheidungen, die den Denkmalschutz betreffen. Um diese Sache geht es hier.

Die Bayerische Staatsregierung hat in der Sache doppelt genial gehandelt. Erstens kürzt man die Mittel zur Denkmalpflege brutal. Ich nenne nur eine Zahl: Der Etat des Landesdenkmalamtes hat vor gut zehn Jahren noch 21 Millionen Euro umfasst. Zurzeit sind es nur noch 3,6 Millionen Euro. Die Gelder für das Denkmalamt werden aber gerade für die kleinen Denkmäler herangezogen. Wenn diese Gelder nun nicht mehr zur Verfügung stehen, hat dies zur Konsequenz, dass viele Objekte in privater Hand nicht mehr gefördert werden können. Sie verfallen und sind in einem Zustand, in dem man sie nur noch zum Abbruch freigeben kann. Das ist der erste Teil.

Ich komme zum zweiten Teil. Nun ändert die Staatsregierung die Gesetze so, dass gerade diese Gebäude leichter beseitigt werden können. Dann braucht man natürlich weniger Geld. Das ist wirklich genial.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe von „doppelt genial“ gesprochen; denn nun ändert die Staatsregierung die Gesetze so, dass das Denkmalschutzgesetz zunächst gar nicht im Mittelpunkt steht: Man verpackt das Gesetz in ein Paket, das man mit der Aufschrift „Abbau von Bürokratie“ versieht. Und wer ist schon gegen den Bürokratieabbau? – Natürlich möchten wir alle weniger Bürokratie.

Für den Bürokratieabbau ist jeder, und deswegen machen Sie es sich ein bisschen einfach, wenn Sie die wichtigen Vorschriften zum Denkmalschutz in ein Gesetz zum Bürokratieabbau einbeziehen. Meine Damen und Herren, das ist Etikettenschwindel, und dieser Etikettenschwindel ist zumindest von den Experten erkannt worden. Die Reaktion war verheerend. Es wurde gesprochen von einem Attentat auf den Denkmalschutz und von einem Angriff auf den Denkmalschutz, wie er brutaler nicht sein kann. Ehemalige Kollegen von der CSU wie Prof. Maier und der Landtagspräsident a. D. Johann Böhm haben scharf gegen diese Änderungen protestiert. Wir haben es alle gelesen. Es ist auch schon angesprochen worden, dass der Vorsitzende des Landesdenkmalrates, unser Kollege Dr. Spaenle, mehrmals gegen den Gesetzentwurf Stellung bezogen hat.

Die Anhörung im Bayerischen Landtag – auch das haben wir schon gehört – hat ebenfalls ein eindeutiges Bild ergeben. Alle – ich betone: alle – Experten haben Alarm geschlagen. Es hat nicht einen Einzigen gegeben, der diesem Teil des Gesetzes irgendetwas Positives hat abringen können. Auch die Hauptkritikpunkte sind bekannt; ich brauche nicht näher darauf einzugehen. Das Vorhaben stellt einen Verstoß gegen den Rechtstaatsgrundsatz dar. Das heißt, der Staat muss sicherstellen, dass Gesetze von allen in gleicher Weise beachtet werden. Der Vollzug der Gesetze darf keinesfalls freigegeben werden.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Herr Sinner, natürlich würde er freigegeben werden, wenn die Sache in dem einen Landkreis so und in dem anderen Landkreis anders gehandhabt würde. Das ist die Gefahr. Wir wollen nicht gegen die einzelnen Kommunen polemisieren; denn diese sind dankbar, wenn sie überhaupt den Rat des Landesdenkmalamtes haben. Aber wir sind dagegen, dass es in Berchtesgaden anders aussieht als in Hof. Genau das erreichen Sie mit Ihrem Gesetz, wenn die Regelanfrage nicht mehr wie heute vorhanden ist.

Das Zweite ist der Kulturstaatsgrundsatz. Auch dieser ist angesprochen worden. Der Staat ist Kulturstaat und zum Schutz des kulturellen Erbes und der kulturellen Überlieferungen verpflichtet. Hier verstößt das Gesetz eindeutig gegen die Bayerische Verfassung. Außerdem sind bereits das Eigentumsrecht und der Gleichheitssatz angesprochen worden, die ebenfalls verletzt werden.

Meine Damen und Herren, mir als bayerischem Landesgeschichtler – wenn ich das so sagen darf – liegt es besonders am Herzen, darauf aufmerksam zu machen: Bayern wird in wenigen Jahren anders aussehen, wenn die Pläne der Staatsregierung umgesetzt werden. Bayern wird ein anderes Gesicht haben. Natürlich werden wir unsere großen Schlösser und Kirchen weiterhin als Vorzei

geobjekte erhalten. Das ist auch gut so. Die Japaner und die Chinesen, die jetzt vermehrt zu uns kommen, brauchen etwas zum Fotografieren.

Hunderte von kleineren denkmalgeschützten Gebäuden werden aber verschwinden. Diese kleinen Gebäude und Bauernhäuser prägen unsere dörfliche Kultur. Sie prägen den ländlichen Raum. „In den Dörfern sind die Reste der bäuerlichen Wohn- und Arbeitswelten in Gefahr.“ Das ist ein Zitat unseres bayerischen Generalkonservators Egon Johannes Greipl. Ich kann mich dem nur anschließen.

Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wollen, dass das nicht so kommt. Dieses Bayern, das wir jetzt mit diesen Gebäuden haben, liegt uns besonders am Herzen. Wir wollen keinen Disneyland-Denkmalschutz. Das ist auch schon angesprochen worden. Deshalb lehnen wir den vorgelegten Gesetzentwurf entschieden ab.

Wir sind gespannt darauf, wie sich die CSU-Kollegen beim Denkmalschutz und bei der Traditionspflege verhalten. Insbesondere sind wir darauf gespannt, wie sich unser oberster „Denkmalabgeordneter“ Dr. Spaenle verhalten wird.

(Margarete Bause (GRÜNE): Der ist noch kein Denkmal!)

Ich bin gespannt darauf, wie Sie sich bei dieser namentlichen Abstimmung verhalten werden. Wir haben es Ihnen einfach gemacht. Wir haben nur die Passage herausgenommen, die so kritisiert wird. Das andere haben wir mehr oder weniger weggelassen. Ich bin gespannt darauf, wie die Kollegen der Mehrheitsfraktion jetzt abstimmen.

Wir haben bereits Erfahrungen gemacht bei der Schließung der Außenstellen des Landesamtes für Denkmalpflege. Damals gab es im Vorfeld ebenfalls ein breites Feld von Gegnern, die gesagt haben, so etwas darf nicht passieren. Die sind hier in den Debatten ganz klein geworden. Ich hoffe darauf, dass es diesmal anders läuft. Heute können sie das erst Mal davon Beweis ablegen.