Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Nicht wir in München oder Nürnberg haben diese eklatanten sozialen Probleme aufzuweisen, wie Sie es in den langjährig von Ihrer Partei regierten Städten Bremen oder Hamburg, Düsseldorf oder ähnlichen Städten haben. In Bayern sieht es schlicht und einfach völlig anders aus. In diesem Zusammenhang gilt es zu sagen: Unser Schwerpunkt gilt der Familie und unser Schwerpunkt gilt der Familienunterstützung.

Zur Insolvenzordnung, bei der Sie auch das Thema Familie angesprochen haben: Es ist richtig, dass immer mehr Menschen – nicht nur Familien – in die Insolvenz rutschen, weil sie zunächst zu viele Schulden gemacht haben, anschließend diese nicht mehr abtragen können und somit in persönliche Schwierigkeiten geraten. Bei der Insolvenz haben wir eine insgesamt solide Struktur geschaffen. Wir werden beobachten, ob das, was der Bund – ich erinnere an Frau Zypries – bei der Insolvenzberatung angedacht hat, hilft, um mit entsprechend weniger Kosten auszukommen. Darauf warten wir und wir hoffen, dass das von Frau Zypries auch demnächst erreicht wird. Wir müssen sehen, ob es weiterhin derart große Schwierigkeiten gibt. Ich kann vonseiten des Haushaltsausschusses sagen, dass wir darauf eine starke Aufmerksamkeit richten werden, genau das Gleiche gilt für den sozialpolitischen Arbeitskreis und die Sozialministerin. Es macht keinen Sinn, wenn eine Vereinfachung bevorsteht, im Vorhinein festzulegen, wesentlich mehr Geld auszugeben. Wir werden die Situation bis zum Nachtragshaushalt beobachten und anschließend werden wir die Konsequenzen zu ziehen haben.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ackermann?

Es macht momentan keinen Sinn, weil ich ohnehin nur noch zwei Minuten Redezeit habe.

In diesem Zusammenhang werden wir die Situation sorgfältig beobachten. Uns ist wesentlich lieber, wenn diese Menschen in einem geordneten Prozess entschuldet werden, dann anschließend wieder in einem Arbeitsverhältnis tätig werden und Lust auf eigene Leistungen bekommen als dass diese Menschen langfristig verschuldet bleiben und letztendlich vom Staat abhängig sind. Ich glaube, wir sind dabei eher einer Meinung als unterschiedlicher Meinung.

Ich bitte Sie schlicht und einfach, von den alten Klischees abzugehen. Es glaubt Ihnen kein Mensch, der durch Bayern reist, dass es in Bayern um den Sozialstaat so schlecht bestellt ist. Das glaubt Ihnen jemand in Duisburg, wo Ihre Partei lange regiert hat, das glaubt Ihnen jemand in Berlin, wo Verantwortliche Ihrer Partei munter auf Kosten anderer Länder Geld ausgeben. Das glauben Ihnen Leute in Bremen oder sonst wo, wo Verantwortliche Ihrer Partei entsprechende Zustände haben einreißen lassen. Derartige Zustände haben wir niemals einreißen lassen. Wir haben unserer Bevölkerung manches soziale Sparen zugemutet und haben demgegenüber dafür gesorgt, dass der Sozialstaat stabil und solide jedes Jahr kontinuierlich gewachsen ist.

Ich bitte Sie, von diesen Klischees abzugehen, weil Ihnen diese im Freistaat Bayern und auch darüber hinaus niemand abnimmt. Keiner, der durch den Freistaat Bayern reist, glaubt, dass wir ein in der Familienpolitik notleidendes Land sind. Jeder, der sich unsere Schulen oder unser Land insgesamt mit seiner Infrastruktur ansieht und die Aufmerksamkeit für Alte, Behinderte und Kinder betrachtet, der merkt, dass sie vielleicht Wunschträume hätten, es wäre schlecht, um besser Opposition betreiben zu können. Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Der Sozialstaat Bayern wird solide bleiben und er wird weiter an der ersten Stelle rangieren.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Staatsministerin Stewens.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einführend noch einiges sagen: Ich will zunächst auf die Ergebnisse der Befragung durch die FriedrichEbert-Stiftung – Frau Kollegin Ackermann, Sie haben darauf hingewiesen –, wonach wir vermehrt rechtsradikale Tendenzen in Bayern hätten, eingehen. Die Fragestellung der Friedrich-Ebert-Stiftung an die bayerische Bevölkerung war, ob sie Politiker bevorzugten, die bayerische Interessen verträten oder solche, die andere Interessen verträten. Die Antwort war: Sie bevorzugten die Politiker, die bayerische Interessen verträten. Daraus leitet man rechtsradikale Tendenzen in Bayern ab. Frau Kollegin Ackermann, das ist eine Beleidigung der gesamten bayerischen Bevölkerung.

(Beifall bei der CSU)

Als bayerische Arbeits- und Sozialministerin vertrete ich vorrangig die Interessen der bayerischen Bevölkerung, würde aber durchaus sagen, dass ich gegen rechtsradikale Tendenzen absolut immun bin. Ich wollte Ihnen damit nur sagen: Sie sollten sich die Fragestellungen sehr genau ansehen, bevor Sie im Hause entsprechend zitieren.

Zu den Sozialdiensten: Wir haben bei der Integration und den Sozialdiensten für Ausländer überhaupt nichts gestrichen, obwohl die Zahl der Ausländer, Asylbewerber und Spätaussiedler zurückgegangen ist.

Trotz sinkender Zahlen haben wir bei den Beratungsdiensten nichts gestrichen. Das soll man doch auch einmal als Leistung anerkennen. Leider Gottes sieht man das überhaupt nicht. Deshalb bitte ich Sie darum, etwas anders über diese Fragen zu diskutieren. Das gilt übrigens auch für die Familienberatungsstellen. Da haben wir um 150 000 Euro zugelegt. Wir haben auf den unterschiedlichsten Gebieten des Sozialhaushalts Leistungen verbessert. Herr Kollege Unterländer und Frau Kollegin Hohlmeier haben es schon gesagt.

Nach Jahren strenger, aber durchaus lohnender Haushaltsdisziplin können wir jetzt an wichtigen Stellen des Sozialhaushalts zulegen. Dabei stehe ich als Familienpolitikerin durchaus hinter einer nachhaltigen Haushaltspolitik. Der vorliegende Entwurf des Einzelplans 10 ist eine hervorragende Grundlage, um den hohen Stellenwert bayerischer Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik fortzuführen, weiter zu entwickeln und neue Akzente zu setzen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wo wird unter dem Strich zugelegt? Kein Cent ist dazugekommen!)

Unsere Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik bietet den Menschen eine Perspektive. Sie lässt sie nicht in Armut und Passivität und in die Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge fallen. Unsere Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik zeigt den Menschen Perspektiven auf, weil sie nicht, wie es die Opposition gern hätte, auf noch mehr Fürsorge und Betreuung setzt, sondern weil wir mit unserer Politik die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen in Bayern die Möglichkeit haben, ihre Leistungspotentiale in Freiheit und Eigenverantwortung zu entfalten und Mitverantwortung für unsere Gesellschaft einzubringen. Unsere Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik bietet den Menschen Perspektiven, weil sie die Selbstentfaltungskräfte fördert, gleichzeitig aber auch denen konsequent Hilfestellung bietet, die Hilfe benötigen, also Menschen mit Behinderungen und alten Menschen, weil wir keine Verfestigung der Sozialhilfestrukturen zulassen und weil wir in Bayern mehr Beteiligungsgerechtigkeit schaffen. Unsere Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik hat bereits in den vergangen Jahren ganz entscheidend zu der herausragenden Stellung Bayerns beigetragen.

Unsere Arbeits-, Familien- und Sozialpolitik – das ist auch ganz interessant – entspricht auch den Wünschen und Vorstellungen unserer bayerischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ein Blick in die Ergebnisse der Umfrage „Per

spektive Deutschland“ aus diesem Frühjahr zeigt, dass die Menschen in Bayern mit ihrem Wohnort zufriedener sind, weniger Sorgen haben und positivere Erfahrungen mit ihrer Arbeitsplatzsituation gemacht haben als der Rest der Deutschen. Im Vergleich zu Gesamtdeutschland hat Bayern ein eher sozialmarktwirtschaftlicheres als ein staatlich orientiertes Gesellschaftsbild.

Dementsprechend fi nden auch die Forderungen nach stärkerer privater Initiative bei der sozialen Sicherung in Bayern wesentlich mehr Anhänger als in Deutschland insgesamt. Die Opposition und gerade auch die SPD sollte sich das gut merken. Die Menschen in Bayern fordern nach der Umfrage zwar mehr Unterstützung von Familien mit Kindern – die müssen wir ihnen auch geben, das tun wir auch; eine kostenfreie Infrastruktur fi ndet jedoch im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet in Bayern die geringste Unterstützung. Die bayerischen Eltern haben erkannt, dass sie Gebühren zahlen müssen. Die ärmeren Eltern zahlen sowieso keine Gebühren, denn für 30 % der Eltern – in München sogar für 50 % – zahlt die wirtschaftliche Jugendhilfe die Gebühren. Die Eltern haben erkannt, dass die Gebühren ihnen ein Mitspracherecht im Rahmen der institutionellen Betreuung ihrer Kinder sichern. Ich habe nichts dagegen, dass eine Kommune wie zum Beispiel Ansbach den Elternbeitrag übernimmt, Herr Kollege Wahnschaffe. Wenn ich aber 75 bis 80 Millionen Euro mehr Geld hätte, würde ich es in die Qualität der Individualförderung der Kinder stecken.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum haben Sie nicht mehr?)

Ich habe gesagt, wenn ich dieses Geld mehr hätte, Herr Kollege Dürr. Sie müssen mir schon zuhören.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Dann sorgen Sie dafür, dass Sie mehr haben!)

Dazu müssten wir über den Personal-/Kind-Schlüssel reden, um den Bildungs- und Erziehungsplan noch besser umsetzen zu können.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist doch einmal ein Wort!)

Ich setze meine Prioritäten anders. Ein beitragsfreies Kindergartenjahr kostet circa 80 Millionen Euro.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Reden Sie nur weiter, Frau Stewens! Jetzt kommt die Wahrheit raus!)

Wenn ich dieses Geld hätte, würde ich es in die Förderung der Kinderbetreuung, in die individuelle Förderung unserer Kinder stecken. Ich meine auch, dass es da am besten aufgehoben wäre.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

Das andere ist eine Sozialpolitik mit der Gießkanne. Diese Zeiten sollten endgültig vorbei sein.

(Beifall bei der CSU – Manfred Ach (CSU): Sehr gut! Bravo! – Joachim Wahnschaffe (SPD): Ist das jetzt an die Adresse von Söder gerichtet?)

Es ist mir schon klar, dass Sie das nicht so ganz gerne hören, Herr Kollege Wahnschaffe. Der Wohlstand einer Nation beginnt bei ihren Kindern. Kinderbetreuung und Elternförderung sind deswegen wirkliche Zukunftsinvestitionen. Deshalb werden wir auch die Leistungen für unsere Kinder und für die Familien in den nächsten beiden Jahren kräftig steigern. Bei einem um 68 Millionen Euro wachsenden Haushalt machen die 723 Millionen Euro für 2007 bzw. die 732 Millionen Euro für 2008 den Schwerpunkt des Einzelplans 10 aus. Ein Drittel meiner Ausgaben wird in Kinder und Familien investiert. Dabei liegt der Schwerpunkt ganz klar im weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Das gilt besonders für die unter Dreijährigen und für die Grundschulkinder. Hier wird ab 2007 ein neuer Schwerpunkt auf den Ausbau der Tagespfl ege gelegt. Unser Ziel ist es, dass 2008 jedes Kind, das einen Kinderbetreuungsplatz oder Tagespfl ege benötigt, auch einen solchen Platz bekommen soll. Das ist eine Kraftanstrengung für Kommunen und Freistaat. Das ist überhaupt keine Frage. Ich meine aber, dass wir das unseren Familien und Kindern schuldig sind.

Unsere Haushaltsansätze für die Kinderbetreuung sind seit 2001 um 35 % gestiegen. Dabei sind vor allem auch die Plätze für die unter Dreijährigen ausgebaut worden, wobei ich nicht ausschließlich über Krippen und Tagespfl ege rede. In den letzten zwei Jahren haben wir die Angebote um über 100 % ausgebaut. Der Ausbau wird im Jahr 2007 und im Jahr 2008 genauso schnell weiter- und fortgeführt werden.

Die Haushaltszahlen steigen, obwohl die Kinderzahlen in Bayern zurückgehen. Trotz rückläufi ger Kinderzahlen geben wir also immer mehr für die Kinderbetreuung aus. Wir haben jetzt beim Landeserziehungsgeld Einkommensgrenzen von 13 500 Euro bzw. 16 500 Euro. Immerhin beziehen noch 47 % unserer Bevölkerung Landeserziehungsgeld. In Oberfranken und in der Oberpfalz sind es noch mehr. Da sind es fast 60 % der Eltern, die Landeserziehungsgeld beziehen.

(Christa Steiger (SPD): Aber doch nur wegen der ungleichen Lebensbedingungen! Das ist doch eine völlig falsche Strukturpolitik!)

Dieses Geld wollen Sie für ein beitragsfreies Kindergartenjahr verwenden. Auch das ist wieder eine Umverteilung von unten nach oben. Das ist keine Sozialpolitik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Das ist falsche Strukturpolitik!)

Ich bin glücklich darüber, und dafür danke ich auch der CSU-Fraktion, dass wir das Landeserziehungsgeld in einer Größenordnung von etwa 110 Millionen Euro gerade für die Menschen erhalten können, die es dringendst

notwendig brauchen. Wir haben hier eben ein anderes Gesellschaftsbild. Wir wollen die Wahlfreiheit. Ich will den Frauen nicht bestimmte Lebensentwürfe vorgeben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir auch nicht!)

Sie sollen erwerbstätig sein und Kinder bekommen können. Das ist für mich überhaupt keine Frage.

(Widerspruch der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Ja, Frau Steiger, ich möchte die Wahlfreiheit.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Wir auch! Sie werden es nicht glauben!)

Wir sollten endlich damit aufhören, unseren jungen Menschen Lebensentwürfe vorzuschreiben. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): So ein Schmarrn! Wir wollen auch keine Lebensentwürfe vorschreiben! – Christa Steiger (SPD): Die Lebensentwürfe schreiben Sie vielleicht vor!)

Bezüglich des Landeserziehungsgeldes werden wir sagen: Das Landeserziehungsgeld in Bayern bekommt jeder, der seine Kinder zur Vorsorgeuntersuchung schickt. Das wird ganz unbürokratisch geschehen. Ich möchte nämlich, dass jedes Kind in Bayern in den Genuss der Vorsorgeuntersuchung kommt. Dies halte ich für ungeheuer wichtig, übrigens auch unter dem Gesichtspunkt der Kindergesundheit.

Die Jugendpolitik ist heute schon angesprochen worden. Die Jugendsozialarbeit, insbesondere die arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit, gehört zu den sehr bewährten, effi zienten Instrumenten in der Kinder- und Jugendpolitik. Wir wissen natürlich auch, dass mit Hilfe der Jugendsozialarbeit die Gewalt an unseren Schulen um 52 % reduziert werden kann. Bei den Projekten der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit konnten immerhin 69 % der Jugendlichen in Ausbildungsstellen vermittelt werden.

Frau Kollegin Steiger, zuständig für den Ausbau und die Finanzierung dieser Maßnahmen sind die Landkreise und die kreisfreien Städte. Bayern ist eines der ganz wenigen Länder, die die Kommunen bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen und entlasten. Bayern ist eines der ganz wenigen Länder, die dafür ein Förderprogramm haben. Dies sollten Sie einmal als Leistung anerkennen. Wir leisten damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur Integration. Damit sichern wir auch ein Stück Beteiligungsgerechtigkeit in unserem Land.

Deswegen haben wir im vorliegenden Haushalt die Erhöhung unserer Förderung um insgesamt 2,25 Millionen Euro bei der Jugendsozialarbeit vorgesehen. Das betrifft

die 71 Stellen, die in der Diskussion schon genannt worden sind.