Protokoll der Sitzung vom 30.01.2007

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rotter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Frau Vorrednerin! Auch unsere Fraktion wird sich natürlich intensiv mit diesem Gesetz befassen. Wir werden uns Zeit lassen mit der Beratung, es aber trotzdem so zügig wie irgend möglich abwickeln.

Sie haben zur Historie einiges gesagt. Da möchte ich Sie in einem Punkt korrigieren: Ich glaube, die Regierungserklärung von Anfang November 2003, die immer für alles Mögliche, was als „forsch“ bezeichnet wird, herhalten muss, ist hier relativ unschuldig. Denn damals lag der Gesetzentwurf schon vor. Das passt zeitlich nicht zusammen. Aber Sie haben natürlich recht – das hat der Minister in seiner Gesetzesbegründung auch eingeräumt –, wenn Sie sagen, dass wichtige Regelungsblöcke des vorliegenden Gesetzentwurfes, zum Beispiel die Abstandsflächen, die Stellplatzfragen, die Reduktion der Prüfkataloge, insbesondere im vereinfachten Verfahren, oder die Ausweitung der Genehmigungsfreistellung bisweilen auf heftige Kritik vonseiten der kommunalen Spitzenverbände, aber auch anderer wichtiger am Bau oder am Genehmigungsverfahren beteiligter Kreise gestoßen sind.

Gerade, weil dies so war, sind nicht nur in der SPD-Fraktion die Kritikpunkte angekommen, sondern auch bei uns. Wir haben uns im Vorfeld mit dem Staatsministerium des Innern beraten und diese Kritikpunkte angesprochen. Sie sind auch aufgenommen worden. Was jetzt als Gesetzentwurf vorliegt, ist im Wesentlichen ein Kompromiss aus den Dingen, die ganz besonders heftig kritisiert worden sind.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Dr. Kronawitter?

Ja, ich gestatte.

Herr Kollege Rotter, Sie dürften mich kennen, dass ich nicht zitiere, wenn ich nicht vorher nachgesehen habe. In der Regierungserklärung vom 06.11.2003 ließ der Herr Ministerpräsident verlauten, außer für Sonderbauten wie Hochhäuser werde künftig in beplanten Gebieten keine Baugenehmigung mehr erforderlich sein. Danach fährt er weiter. Diese Thematik war in der Regierungserklärung enthalten. Sie war im Kontext der damals forschen Ankündigung.

Wenn ich darin auch keine Frage erkennen kann, so ist doch dazu zu sagen, dass der Entwurf vorher vorlag und der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung darauf Bezug genommen hat.

Ich hatte ausgeführt, dass es uns recht war, dass der Entwurf insoweit abgeändert wurde, sodass die kommunalen Spitzenverbände schließlich zugestimmt haben und die Bedenken der am Bau beteiligten Verbände und Organisationen weitgehend ausgeräumt worden sind. Ansonsten haben wir die Bayerische Bauordnung in den vergangenen zwölf Jahren in zwei Schritten dereguliert.

Die Ziele, die damit verfolgt worden sind – was von der Opposition anerkannt wurde – sind erreicht worden, nämlich ein möglichst weitgehender Verzicht auf bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren, ein Rückbau der bauaufsichtlichen Prüfung in den verbleibenden Genehmigungsverfahren und die Straffung und Vereinheitlichung der materiellrechtlichen Anforderungen.

Staatsminister Dr. Beckstein hat mit Recht und nicht ganz ohne Stolz darauf hingewiesen, dass die Musterbauordnung des Bundes im Wesentlichen und nicht nur in einzelnen Punkten auf die jeweils reformierte Bayerische Bauordnung zurückzuführen ist und dass der Entwurf, der dann entstanden ist, sich sehr stark an der Musterbauordnung angelehnt hat, von der wir jetzt aufgrund durchaus berechtigter Bedenken in einzelnen Punkten wiederum abweichen.

Die Punkte, in denen abgewichen wird, möchte ich mit zwei wesentlichen Beispielen ansprechen. Das ist zum einen das Abstandsflächenrecht. Es wird grundsätzlich so bleiben, dass die bisherige Regelung Tiefe 1 H und mindestens drei Meter erhalten bleibt, dass aber die Gemeinden durch Satzung eine geringere Tiefe optional vorsehen können. Nach fünf Jahren der Erprobung soll der Bericht an den Landtag gegeben werden. Wir werden dann entscheiden, ob wir bei der Regelung, wie sie im Entwurf vorgesehen ist, bleiben und die Gemeinden optional abändern können, oder ob das andere die Regel wird und die Gemeinden optional auf etwas großzügigere Regelungen gehen können.

Der zweite Punkt betrifft die Stellplätze. Die Zahl der erforderlichen Stellplätze soll weiterhin bauordnungsrechtlich, aber künftig durch Rechtsverordnung geregelt werden, um die Anforderung ablesbar auszugestalten. Somit kann die Stellplatzanforderung aus dem Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens herausgenommen werden, und die Gemeinden können eigene Stellplatzsatzungen erlassen.

Damit möchte ich es bewenden lassen. Wir werden die einzelnen Punkte eingehend in den Ausschüssen, insbesondere im federführenden Wirtschaftsausschuss diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eine Bitte. Wenn wir nicht bis 22.00 Uhr tagen wollen, würde ich vorschlagen, dass der jeweils kommende Redner schon ein bisschen näher beim Rednerpult weilt.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Kamm hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Erste Lesung zu einer Änderungsinitiative zur Baye

rischen Bauordnung. Diese Initiative hat bereits, wie die Vorredner erläutert haben, eine sehr lange Geschichte.

Im Jahre 2005 gab es aufgrund der vielfältigen Kritik an den angedachten Vorstößen Beratungen mit dem Bayerischen Städtetag und den kommunalen Spitzenverbänden. Es wurden Kompromissvereinbarungen getroffen. Dann tat sich über viele Monate nichts. Die interessierte Öffentlichkeit konnte sich nicht wie sonst üblich auf der Homepage des Innenministeriums über die Gesetzesinitiativen und wie sich die angedachten Veränderungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf tatsächlich auswirken werden, informieren. Noch letzte Woche konnte sich niemand, auch kein Verband, über die Gesetzesinitiative informieren. Erst heute wurde der Entwurf der Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung gestellt.

Warum die plötzliche Eile des Vorgehens? – Ich glaube, dass dies sehr viel mit dem Tagesordnungspunkt 1 der heutigen Sitzung zu tun hat. Ich denke, der jetzt amtierende Innenminister möchte gerne noch in seiner verbleibenden Amtszeit das umstrittene Gesetzespaket durchbringen. Ich halte das nicht für sehr sinnvoll; denn die in diesem Entwurf angedachten Änderungen sind so komplex und umfassend wie umstritten, sodass auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände eine vorherige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange für angemessen halten, bevor der Landtag weiter darüber berät.

Herr Minister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, winken Sie das Paket nicht einfach durch. Lassen Sie erst einmal die Träger öffentlicher Belange zu Wort kommen und sagen, was Sie von dem Entwurf halten. Ich halte es für angemessen, erst noch einmal die Träger öffentlicher Belange zu Wort kommen zu lassen; denn das Paket wirkt tief in die Belange der kommunalen Selbstverwaltung ein. Es wirkt tief in die Belange der Bürgerinnen und Bürger ein, auf ihre Wohnsituation, auf ihr Wohnumfeld, auf die Sicherheit des Bauens, des Wohnens, auf das Erscheinungsbild und die Gestaltung unserer Städte und Gemeinden. Bayern ist ein schönes Land und soll es auch bleiben.

Wir brauchen keine Ausweitung der Genehmigungsfreistellung oder einen Abbau der Abstandsflächen und der Standards. Not tut viel mehr eine bessere Beratung der Bauherren. Not täte ein Eindämmen der unschönen Wucherungen an den Ortsrändern. Not täte die Überlegung, wie Klimaschutzstandards besser in das Baugenehmigungsverfahren integriert werden könnten. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass die Bundesenergieagentur unlängst feststellen musste, dass ein Drittel des Neubaus unserer Gebäude nicht einmal die bescheidenen Standards der Energieeinsparverordnung für Gebäude – EnEV – erfüllen. Not tut also nicht ein Abbau von Regelungen und der Abbau der Mitarbeiter in den Bauordnungsämtern. Not tut eine bessere Beratung. Not tut ein anderes Einwirken auf Qualität beim Bauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Genehmigungsfreistellung, Kolleginnen und Kollegen, bedeutet für den Bauherren nicht nur, dass er im Vergleich zu den Grunderwerbssteuern, zu den Gebühren für

Grundbucheintragung, zu den Notargebühren, den Vermessungskosten und den Erschließungskosten wirklich bescheidene Baugenehmigungsgebühren sparen kann, es bedeutet für ihn und für seine Nachbarn auch einen Verlust an Rechtssicherheit. Ich bitte Sie daher: Verfolgen Sie den umstrittenen Entwurf nicht weiter, sondern hören Sie erst einmal an, was die Träger öffentlicher Belange dazu zu sagen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als dem federführenden Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe, dass damit Einverständnis besteht. So beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Ehre, den Generalkonsul eines neuen EU-Landes begrüßen zu können, nämlich Herrn Generalkonsul Krastin aus Bulgarien.

(Beifall)

Willkommen in Europa und vor allem im Herzland von Europa, bei uns in Bayern. Auf gute Zusammenarbeit.

(Beifall – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt den Gong betätigt, um die Kollegen und Kolleginnen herbeizubitten, die draußen sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die beim Rauchen sind!)

Auch jene, die beim Rauchen sind. – Wir kommen jetzt zu einem heißen Thema. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 e und 2 f zur gemeinsamen Beratung auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Maria Scharfenberg, Barbara Rütting u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Schutz vor Gefahren des Rauchens (Drs. 15/7202) – Erste Lesung –

Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Joachim Wahnschaffe, Kathrin Sonnenholzner u. a. u. Frakt. (SPD) eines Bayerischen Gesetzes zum Schutz vor den Folgen des Passivrauchens sowie der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Bayerisches Gesund- heitsschutzgesetz – BayGSG) (Drs. 15/7201) – Erste Lesung –

Den Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN begründet Frau Rütting, bitte.

(Barbara Rütting (GRÜNE) läuft zum Rednerpult)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daran können Sie sich ein Beispiel nehmen, wie fit man sein kann, auch wenn man über 60 ist.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle meine Anträge, die ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren hier gestellt habe, wurden von der CSU abgelehnt. Entweder hieß es, das solle im Bundestag geregelt werden oder in der EU.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Oder die CSU macht das ohnehin schon!)

Sie verstehen also, dass ich nicht besonders begeistert war, als die Föderalismusreform kam, weil ich dachte, jetzt versinken wir endgültig in der Provinzialität.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heute kam, ganz druckfrisch, eine sehr schöne Meldung aus Brüssel: „Brüssel verstärkt Druck auf Raucher“.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Europäischen Parlament, Karl-Heinz Florenz (CDU) warnte: „Wenn Deutschland nicht für eine rauchfreie Gastronomie sorgt, dann wird es Brüssel tun.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da komme ich gleich zu unserem Gesetzentwurf, den Sie hoffentlich alle gelesen haben.