Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Aber Sie sind ja jetzt fertig.

Herr Dr. Fischer, bitte zu einer Intervention.

Herr Kollege Dr. Dürr, halten Sie es für angemessen, bei einem so ernsten Thema wie dem Kampf gegen den Rechtsextremismus so viel Polemik in dieses Hohe Haus hineinzubringen?

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Halten Sie es für angemessen, dieses Thema zu benutzen, um hier Ihr politisches Süppchen zu kochen? Halten Sie es für angemessen, in diesem Hause Unterstellungen vorzutragen, die Sie in keiner Weise belegen können? Wenn Sie sagen, diese Fälle hätte man alle aufklären können, dann wissen Sie mehr als sämtliche Sicherheitsbehörden in Deutschland. Sie erwecken damit den Eindruck, dass nur Sie allein ein Patentrezept gegen Rechts hätten. Ich finde das sehr anmaßend.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wenn dies ein Beispiel für eine polemikfreie Rede gewesen sein soll, dann war meine Rede doppelt polemikfrei. Sie haben mir unterstellt, ich hätte gesagt, man hätte diese Fälle aufklären können. Ich möchte nur wissen, warum diese Fälle nicht aufgeklärt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu gibt es bis heute keine Aufklärung. Sie haben gesagt, ich sei engagiert. Ich wünschte mir, dass Sie das gleiche Engagement gegen Rechtsextremismus zeigten. Deshalb bin ich hier engagiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Herrmann ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Das Freie Netz Süd und die Bürgerinitiative Soziales Fürth werden bereits intensiv vom Verfassungsschutz beobachtet. Wir haben über beide Organisationen erst jüngst wieder im Verfassungsschutzbericht 2011 berichtet. Die Ziele dieser Organisationen sind klar: Das Freie Netz Süd ist das größte überregionale neonazistische Netzwerk in Bayern. Es dient insbesondere dazu, Neonazis in Franken und der Oberpfalz eine Mobilisierungsplattform zu bieten, und möchte ihre Vernetzung erreichen.

Die Bürgerinitiative Soziales Fürth, die von Akteuren des Freien Netzes Süd gegründet wurde, soll es langfristig ermöglichen, unter einem möglichst unverfänglichen Namen an Kommunalwahlen teilzunehmen und damit an politischem Einfluss in der Region zu gewinnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen gegen rechtsextremistische Gruppierungen zum einen mit präventiven Mitteln vor, indem wir über ihre Ziele und Aktivitäten aufklären. In diesem Zusammenhang erinnere ich nur an das umfassende Handlungskonzept der Staatsregierung gegen Rechtsextremismus und die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus, die BIGE, deren Kernaufgabe die Präventionsarbeit ist.

Zum anderen entspricht es natürlich seit jeher dem Anspruch und der Praxis des bayerischen Innenministeriums, gegen rechtsextremistische Organisationen auch alle Möglichkeiten des Vereinsgesetzes konsequent zu nutzen. Wir haben in den letzten Jahren nicht nur drei rechtsextremistische Organisationen wie zum Beispiel die vorhin angesprochene Fränkische Aktionsfront verboten, sondern auch maßgeblich daran mitgewirkt, dass das Bundesministerium des Innern zehn weitere bundesweit aktive rechtsextremistische Organisationen verbieten konnte, zuletzt im vergangenen Jahr die Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene.

Sie können sicher sein, dass wir auch das Freie Netz Süd, die ihm zurechenbaren Kameradschaften und die Bürgerinitiative Soziales Fürth sehr genau im Auge haben und dass wir die gebotenen Maßnahmen ergreifen, die rechtlich möglich sind. Ich bitte um Ver

ständnis dafür, dass ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt über konkrete Vereinsverbote nicht näher äußern will. Das war in der Vergangenheit nicht üblich, und das ist auch auf Bundesebene nicht üblich. Wir gackern erst, wenn die Eier gelegt sind. Wir berichten aber regelmäßig dem Parlamentarischen Kontrollgremium darüber. Das werden wir auch weiterhin tun.

Beide Dringlichkeitsanträge zielen darauf ab, das Freie Netz Süd und die Bürgerinitiative Soziales Fürth zu verbieten, wenn dies rechtlich möglich ist. Ich darf Ihnen versichern, dass dies hundertprozentig meiner persönlichen Einschätzung entspricht. Ich halte es für richtig und wichtig, dass wir unsere Sicherheitsbehörden in diesem klaren Kurs nachdrücklich unterstützen. Die subtilen Vorwürfe, Unterstellungen und Behauptungen, die Sie, Herr Kollege Dr. Dürr, in den Raum gestellt haben, weise ich nachdrücklich zurück. Sie werden der Arbeit der bayerischen Sicherheitsbehörden in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Im Übrigen möchte ich mich ausdrücklich für die ansonsten offensichtlich bestehende breite Gemeinsamkeit in diesem Hohen Haus und für die breite Gemeinsamkeit der Demokraten gegen den Rechtsextremismus bedanken. Wir müssen der Bevölkerung draußen zeigen, dass es eine klare Gemeinsamkeit der Demokraten gegen Rechtsextremisten gibt. Auf dieser Basis werden wir den Kampf in unserem Land und in ganz Deutschland ganz entschieden führen. Wir dürfen keinen Spalt breit Toleranz geben. Wir müssen uns den Rechtsextremisten im Rahmen dessen, was uns diese rechtsstaatliche Demokratie an Handlungsmöglichkeiten gibt, entgegenstellen. Dazu stehen wir.

Wir brauchen politische Auseinandersetzungen, damit junge Menschen nicht weiter in die Fänge dieser Extremisten geraten, aber auch eine klare Anwendung des gesamten sicherheitspolitischen und rechtspolitischen Spektrums, um solchen Leuten das Handwerk zu legen. Dafür stehen wir, und dafür müssen wir auch gemeinsam kämpfen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, weshalb wir die Aussprache schließen und zur Abstimmung schreiten können. Die Anträge werden hierzu wieder getrennt.

Änderungsanträge zum Dringlichkeitsantrag der SPD wurden uns nicht angezeigt. Deshalb bleibt es bei der Fassung des Dringlichkeitsantrags auf Drucksa

che 16/12322. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der CSU und der FDP auf Drucksache 16/12360. Hierzu gibt es eine Änderung, die ich Ihnen noch einmal zur Kenntnis geben möchte:

Der Landtag begrüßt die konsequente Praxis der Staatsregierung, rechtsextremistische Organisationen nach dem Vereinsgesetz zu verbieten und das Bundesministerium des Innern bei Verbotsverfahren des Bundes zu unterstützen.

Jetzt folgt Satz 2 neu:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, zu prüfen, ob das neonazistische "Freie Netz Süd" mit seinen Untergruppierungen wie der "Bürgerinitiative Soziales Fürth" nach dem Vereinsgesetz verboten werden können, und in diesem Falle die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag mit dieser Fassung des Satzes 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD und der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. - Ich sehe keine. Enthaltungen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag ebenfalls angenommen.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Nein zu ESM und Fiskalpakt (Drs. 16/12323)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Martin Runge, Margarete Bause, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fiskalpakt im Bundesrat ablehnen (Drs. 16/12362)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Reinhold Bocklet, Renate Dodell u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Renate Will, Karsten Klein u. a. und Fraktion (FDP)

ESM und Fiskalpakt eng verknüpfen (Drs. 16/12363)

Wir eröffnen die gemeinsame Aussprache. Als erster Redner hat Herr Aiwanger das Wort. Bevor Herr Aiwanger seine Rede beginnt, gebe ich bekannt, dass die FREIEN WÄHLER zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt haben.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über ein Thema, von dem ich glaube, dass es die Menschen draußen momentan sehr berührt. Wie geht es weiter mit unserem Geld? Wie stabil bleibt die Währung? Wir, die FREIEN WÄHLER, sehen das große Problem, dass mit der Verabschiedung des ESM und des Fiskalpakts die Währungsstabilität infrage gestellt wird, weil damit einer Vergemeinschaftung der Schulden Tür und Tor geöffnet werden. Im Prinzip wird damit gegen die bisherigen Kriterien einer soliden Finanzpolitik verstoßen. Damit wird gegen die Verträge von Maastricht und von Lissabon verstoßen. Versprechungen, die Deutschland im Vorfeld der Euroeinführung gemacht hat, dass der Euro stabil bleibe und dass es keine Haftung für Schulden fremder Länder geben werde, werden systematisch unterlaufen.

Genauso schlimm ist es, meine Damen und Herren, dass in die Haushaltsrechte der Nationalstaaten eingegriffen wird. Die Verabschiedung von ESM und Fiskalpakt bedeutet am Ende mehr oder weniger eine Beschneidung der Haushaltsrechte der Parlamente.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, wir entmachten uns damit quasi selber. Wir geben unsere Budgethoheit an Gremien in Europa ab, die nicht demokratisch legitimiert sind. Teilweise ist es nur ein kleiner Kreis von Leuten, auf die juristisch nicht zugegriffen werden kann, die aber in kürzester Zeit jede gewünschte Finanzmasse abrufen können. Ein Redner der Regierungsfraktion hat vorhin im Zusammenhang mit einem anderen Antrag gesagt, das Budgetrecht, das Königsrecht des Parlaments, dürften wir nicht antasten. Er hat damit den Länderfinanzausgleich gemeint. Wir betreiben hier Länderfinanzausgleich im Quadrat und lassen uns dazu noch von anderen Leuten die Hand führen. Deshalb appelliere ich an dieser Stelle an Sie, vor allem an die Regierungskoalition, unseren Antrag mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu sehen und nicht zu sagen, die FREIEN WÄHLER wollten nur billigen Populismus betreiben und auf die Pauke hauen.

Mittlerweile warnen Wirtschaftskreise wie der Verband der familiengeführten Unternehmen, der Bund der Steuerzahler und namhafte Größen aus der Wirt

schaftspolitik und der Wirtschaftsszene vor dieser Politik, vor einem Öffnen der Schleusen. Sie sehen in der Entwicklung der letzten Jahre, dass wir von der Realität immer überholt worden sind. Eigentlich war der ESM erst für das Jahr 2013 geplant. Jetzt musste er schon auf das Jahr 2012 vorgezogen werden. 8,7 Milliarden wurden bereits als sofortige Bareinlagen Deutschlands in den ESM eingestellt. Wir müssen sie in den nächsten Jahren auf mehr als 21 Milliarden aufstocken. Die Haftungssumme geht mittlerweile in die Hunderte von Milliarden. Keiner weiß mehr genau, wofür wir genau in welcher Höhe haften.

Die Haftung hängt auch davon ab, wie sich die Krise weiter entwickelt und wie andere Länder als Zahler wegbrechen und plötzlich zu Empfängern werden. Aus der Finanzwirtschaft gibt es belastbare Aussagen, die nicht nur Portugal und Griechenland, sondern auch Italien und Spanien infrage stellen. Nach diesen Aussagen sind diese Länder mittlerweile wirtschaftlich so krank, dass wir ihnen keinen Gefallen mehr tun, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir stellen auch fest, dass die wirtschaftliche Balance völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Während wir in Deutschland quasi Vollbeschäftigung haben, weil wir über Target 2 (Anm.: Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) unsere Exporte quasi selber finanzieren, haben wir in Ländern wie Spanien eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 %, was unter dem Strich darauf hindeutet, dass wir nicht mehr so weitermachen können.

Es würde eher zum Ziel führen, wenn wir in die Bankenfreiheit eingreifen und massive Regulierungsmaßnahmen treffen. Wir dürfen nicht die kleinen Sparkassen vor uns hertreiben und ihnen Handschellen anlegen. Wenn Sie von den kleinen Sparkassen ein oder zwei Prozent mehr Eigenkapital fordern, retten Sie die Welt nicht. Die Sparkassen sind solide genug. Hoffen wir, dass wir sie nicht an anderer Stelle mit europäischen Beschlüssen beschädigen, die mit der BayernLB im Zusammenhang stehen. Hoffen wir, dass diese kleinen Banken weiterhin solide aufgestellt bleiben können. Kümmern wir uns um die großen Banken, wo die Milliarden an die Wand gefahren werden. Legen wir denen Fesseln an. Kehren wir zurück zu einer soliden Finanzpolitik, die lautet: Jeder haftet für seine eigenen Schulden selbst und nicht alle haften gemeinsam.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der FDP)

Hier hilft auch das Ablenkungsmanöver, auf die Eurobonds zu schimpfen, nicht. Wir wollen keine Eurobonds, aber leider brauchen wir mittlerweile schon gar

keine Eurobonds mehr, um Deutschland zu ruinieren. Das schaffen wir auch über den ESM.

Die klare Botschaft lautet daher: Nein zu diesem ESM und Nein zum Fiskalpakt, weil beides wirtschaftlich nicht mehr solide ist und weil Sie damit rechnen können, dass der Fiskalpakt, mit dem die Länder zu einer soliden Haushaltsführung angehalten werden sollten, dazu führen wird, dass den Ländern keine Handlungsspielräume im positiven Sinne mehr eingeräumt werden. Auf der anderen Seite werden die Kriterien des Fiskalpakts so aufgeweicht sein, dass außer den Zahlungsverpflichtungen ins Blaue hinein nichts mehr übrig bleiben wird. Sie sehen die Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Der mögliche Sieger aus der linken Szene hat heute schon angekündigt, dass über den Fiskalpakt nachverhandelt werden muss. Genauso fordert es Sarkozy.

Sie können sich darauf verlassen, dass der Fiskalpakt schon aufgeweicht ist, bevor er verabschiedet ist. Sie können sich darauf verlassen, dass die Zahlungsverpflichtungen im Raum stehen bleiben, und Sie können sich darauf verlassen, dass am Ende nur sehr wenige ihre Taschen nach außen kehren werden müssen. Das ist nicht nur Deutschland, sondern ganz vorneweg vielleicht Bayern. Wer schon innerhalb Deutschlands den Länderfinanzausgleich in Frage stellt, muss diesen Eurowahnsinn umso mehr in Frage stellen. So will ich es ganz gezielt formulieren. Dieser Eurowahnsinn basiert nicht mehr auf einer soliden Finanzpolitik, sondern er ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

Der Sündenfall war im Mai 2010, als sich Bundeskanzlerin Merkel von ihrer bis dahin einigermaßen soliden Strategie, keine Schulden zu vergemeinschaften, wegbewegt hat. Im Mai 2010 ist dieser Grundsatz erstmals durchbrochen worden. Wir haben dem ersten Griechenland-Rettungsschirm zugestimmt, und dies auch auf Druck Frankreichs, weil vor allem französische Banken den Kopf in der Schlinge hatten. Aufgrund dieser Entscheidung - das ist zumindest meine persönliche Meinung - hat der damalige Bundespräsident Köhler hingeschmissen. Ab diesem Zeitpunkt hat sich die Spirale immer mehr zugedreht. Die sprichwörtliche rote Linie ist mittlerweile zum genauso sprichwörtlichen roten Zebrastreifen geworden. Es hat immer geheißen: Bis hierher und nicht weiter. Die FDP hat vor Kurzem gesagt, sie wolle den ESM zeitlich befristen. Die CSU sagt immer: Nur diese Summe und nicht mehr. Immer dann, wenn sie gesagt haben, bis hierher und nicht weiter, war schon garantiert, dass das Weiter drei Tage später kam.