Protokoll der Sitzung vom 19.06.2012

Das Kernthema, das Sie angesprochen haben, ist die Sicherung der wohnortnahen Schulen. In diesem Zusammenhang darf ich einen Blick auf das Jahr 2009 zurückwerfen. Herr Dr. Spaenle, Sie haben in der Hanns-Seidel-Stiftung eine, wie Sie sagen, wegweisende Rede gehalten. Eine Passage möchte ich zitieren: "Wenn wir ein intelligentes System zur Erhaltung von Schulstandorten entwickeln, wird es uns auch langfristig gelingen, ein reichhaltiges Bildungsangebot bereitzustellen - und zwar überall in Bayern."

Die Frage lautet: Welches intelligente System meinen Sie? Die Mittelschulen und Mittelschulverbünde können es nicht sein. Heute konnte man lesen, dass die Schule in Denkendorf im Landkreis Eichstätt geschlossen wird. Sie sagen, die Schule werde nicht geschlossen, da man sie in zwei Jahren, wenn wieder Schüler kämen, wieder aufleben lassen könne. Glauben Sie, eine Kommune kann über zwei Jahre eine Schule über Wasser halten, obwohl keine Schüler vorhanden sind? Vor drei Wochen haben Sie über die Lokalzeitung der Bevölkerung noch weisgemacht, dass die Schule in Denkendorf gesichert und im Mittelschulverbund gut aufgehoben sei. Jetzt wird sie geschlossen. Das wird der Bürgermeister morgen in der Gemeinderatssitzung verkünden. Angesichts der Tatsache, dass es eine Lösung gäbe, ist das dramatisch. Herr Minister, ein fertiges Konzept liegt auf dem Tisch. Sie haben es noch nicht mal für nötig gehalten, dieses Konzept durchzulesen. Dieses Konzept beinhaltet Vielfalt und Souveränität.

(Beifall bei der SPD)

Sie sollten Lösungen zulassen, die den Kommunen und den Menschen vor Ort wirklich weiterhelfen. Diesen bayerischen Weg haben Sie nicht eingeschlagen. Im Gegenteil, Sie haben der Zeitung gesagt, eine solche Gemeinschaftsschule würde den Verlust der Standorte noch fördern. Die Schule benötige mindestens 200 Schüler. Selbstverständlich würden wir mit einem entsprechenden Angebot 200 Schüler für die Schule in Denkendorf gewinnen. Diese Schule könnten wir nachhaltig sichern. Herr Ministerpräsident, eine Umsetzung unseres Konzeptes würde den Eltern Vertrauen schenken. Wenn das Konzept die bayerischen Standards erfüllt, warum nicht? Das wäre eine

mutige und vorausschauende bayerische Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD)

In Bezug auf die Gemeinschaftsschule möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen: Wir wollen kein Gymnasium abschaffen. Wir wollen keine Realschule abschaffen. Wir wollen keine flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule. Das muss immer wieder gesagt werden. Wir wollen die Gemeinschaftsschule, wo sie notwendig ist, auf Antrag zulassen. Wenn sich die Eltern in Denkendorf nach intensiver Auseinandersetzung mit einer Zweidrittelmehrheit für die Gemeinschaftsschule entscheiden, wäre eine gute Basis vorhanden, um unser Konzept zuzulassen.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend kann ich sagen: Mit wirklich intelligenten Angeboten sichert man Schulstandorte und die Lebensqualität der bayerischen Kommunen.

Ich möchte noch den Punkt Ganztagsschulen und Ganztagsangebote ansprechen, weil das ein Kapitel ist, das zunächst sehr verheißungsvoll klingt. Sie sind auf einem guten Weg. Das möchte ich nicht kleinreden. Ich erkenne an, dass Sie sich bemühen. Sie müssen jedoch genauer hinschauen, was Sie wirklich ausbauen und in der bayerischen Bildungslandschaft umsetzen. Da hilft ein Blick in die Bertelsmann Studie. Nicht einmal fünf Prozent der bayerischen Schüler haben einen Platz in einer gebundenen Ganztagsklasse. Die Angebote, die Sie benennen, sind Betreuungsangebote, die mit einem qualitativ guten Ganztagsangebot nichts zu tun haben.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb besteht der bayerische Weg nach unserer Vorstellung darin, Qualität in das Ganztagsangebot zu bringen und ein Recht auf einen gebundenen Ganztagsplatz zu schaffen. Das wäre der bayerische Weg, der Zukunft bietet und den Eltern wirklich etwas anbietet, damit sie sich nicht selber auf die Suche machen müssen, um herauszufinden, ob die Mittagsbetreuung, der Hort, das offene Ganztagssystem oder eine gebundene Form das Richtige ist.

Zum Schluss möchte ich den Lehrerinnen und Lehrern, meinen Kolleginnen und Kollegen und auch meinen Schulleiterkollegen herzlichen Dank sagen. Das machen Sie, Herr Minister, an dieser Stelle immer; so mache auch ich es. Dank sage ich, weil es wirklich hervorragend und anerkennenswert ist, dass die Lehrer unter den Rahmenbedingungen, die in Bayern zum Teil herrschen, noch immer munter jeden Morgen in die Schule gehen und dort ihre Aufgaben erfül

len. Herzlichen Dank dafür, dass sie das ausgleichen, was die Bayerische Staatsregierung ihnen nicht anbieten kann.

(Beifall bei der SPD)

Alle Bildungspolitiker - auch ich - wissen aus zahlreichen Gesprächen, dass die Belastungsgrenze bei vielen erreicht ist.

Sehr geehrter Herr Dr. Spaenle, Sie haben als Dienstherr eine Fürsorgepflicht. Wir muten unseren Lehrkräften immer wieder mehr zu, als sie dafür an entsprechenden Kompensationen bekommen. Die auch von Ihnen genannte Inklusion kann nur gelingen, wenn wir das entsprechende Fachpersonal an den allgemeinen Schulen bereitstellen.

Ich sage nebenbei: Sie sollten das Kapitel über Inklusion in Ihrer Rede einmal nachlesen. Denn da findet man die Überschrift "Inklusion durch Kooperation". Ich glaubte, wir hätten das längst überwunden und wären schon drei Schritte weiter. Ihr Haus sollte vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir hier in unserer interfraktionellen Arbeitsgruppe bereits weitere Schritte gegangen sind.

(Harald Güller (SPD): Bei der Größe des Hauses dauert es etwas, bis sich das herumspricht!)

- Ja, das ist wohl richtig.

Die individuelle Förderung wollen wir alle - Sie und wir. Aber sie kann nur gelingen, wenn wir dafür ausreichend Lehrkräfte haben. Die eigenverantwortliche Schule bekommen wir erst, wenn wir sie ausreichend mit Verwaltungspersonal ausstatten und der Schulleitung Zeit zum Leiten geben. Die SPD wird dafür ein deutliches Zeichen setzen und die sogenannte demografische Rendite im System belassen, damit die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden können.

Das ist der bayerische Weg, wie ihn sich die bayerische SPD vorstellt. Man darf nicht die Lehrerstellen im Haushalt streichen, um sie dann mit großem Brimborium wieder hervorzuzaubern. Der bayerische Weg muss ehrlich sein. Das haben auch Sie gesagt. Aber dazu gehört die Einsicht, Herr Minister, dass gute Bildung Geld kostet.

(Beifall bei der SPD)

Gute Bildung wird vermutlich noch mehr Geld kosten, als wir im Moment ahnen, besonders wenn man an so große Herausforderungen wie Inklusion und anderes denkt.

Hierüber sollten wir hier im Hause einen demokratischen Konsens herstellen. Wir sind selbstverständlich bereit, dabei mitzuwirken.

Ich habe Ihnen mehr zugemutet, als ich wollte. Aber die Länge meiner Rede musste sein.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die CSU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Eisenreich das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute wieder einen vielstimmigen Chor an Forderungen, Vorstellungen, Änderungswünschen und auch Vorwürfen hören. Kollege Martin Güll, den ich als Person sehr schätze, hat damit schon begonnen.

Ich beginne mit dem, was nach meiner Erfahrung nicht alle, aber zumindest ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erwartet und was nicht. Den Großteil der Eltern, Lehrer und Bürger in diesem Land interessieren theoretische Debatten überhaupt nicht. Deswegen wird Ihre Einheits- bzw. Gemeinschaftsschule immer ein Ladenhüter bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Warum? Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Eltern, Schüler, Lehrer und Bürger in diesem Land drei Dinge erwarten:

Erstens: Politik für alle Schüler, für die langsameren genauso wie für die schnelleren, für die begabteren genauso wie für diejenigen, die sich etwas schwerer tun und etwas mehr Zeit brauchen, für die Kinder aus bildungsfernen Familien genauso wie für diejenigen aus Akademikerfamilien, für Kinder mit Migrationshintergrund und ohne, für Kinder mit Behinderung genauso wie für diejenigen ohne. Das ist Politik für alle.

Zweitens: Keine sinnlosen Strukturdebatten, sondern pragmatische Lösungen; Zusammenarbeit aller in einem offenen Dialog.

Drittens wird erwartet - lieber Martin, da stimme ich dir zu -, dass es mehr Geld für die Verbesserung der Rahmenbedingungen gibt. Als Stichworte möchte ich Klassengröße, Ganztagsangebote, individuelle Förderung, Schulsozialarbeit nennen.

Das ist das, was die Eltern, Lehrer und Bürger vom Freistaat erwarten. Dazu kommt, dass die Kommunen für ausreichend und ordentlich ausgestattete Schulräume sorgen. Wir freuen uns, dass viele Kommunen dabei einen echten Schwerpunkt setzen. Sie sagen: Jawohl, unsere Schule vor Ort muss ein Schmuck

stück sein. Aber wir wundern uns, dass die rot-grün regierte Stadt München das Thema "Raumnot und Sanierungsstau" nicht entschlossen genug anpackt und hier sogar - das ist ein echter Skandal - einsparen wollte. Das muss um der Wahrheit willen gesagt werden.

Nach fast vier Schuljahren in dieser Legislaturperiode ist jetzt ein guter Zeitpunkt, eine Bilanz zu ziehen und einen Ausblick zu versuchen.

Erstens. Die Bildung ist im Freistaat Bayern ein Investitionsschwerpunkt und bleibt es. Wir haben die Zusage, jedes Jahr tausend Lehrer zur Verbesserung der Unterrichtssituation zur Verfügung zu stellen, eingehalten. Wir haben in den letzten Jahren über 5.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Seit 2002 hat sich der Kultusetat sogar um 2 Milliarden Euro erhöht.

(Beifall bei der CSU)

Wir können sagen: Wir haben die Wünsche aufgenommen und mit den Lehrerstellen einen Schwerpunkt gesetzt.

Die demografische Rendite ist angesprochen worden. Sie ist in Bayern in dieser Legislaturperiode, weil es im Koalitionsvertrag so vereinbart worden ist, vollständig nicht nur in der Bildung, sondern sogar im Schulbereich bzw. im Kultusetat geblieben, während in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz Teile der demografischen Rendite vom Finanzminister einkassiert worden sind.

Zweitens. Wer in Bayern zur Schule geht, profitiert von den besten Rahmenbedingungen, die es in Deutschland gibt. Das sagt nicht die CSU, auch nicht die FDP, sondern ein neutraler Beobachter, nämlich die Bertelsmann Stiftung im Deutschen Lernatlas. Das gilt sowohl in den großen Städten als auch in den kleinen, ebenfalls in der Region. Das ist eine ausdrückliche Bestätigung der Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems sowie der guten Rahmenbedingungen und der guten Politik, die wir in Bayern machen.

Drittens. In der Bildung gibt es, was niemand bestreitet, immer Handlungsbedarf. Bildung ist für alle Beteiligten eine Daueraufgabe. Wo Handlungsbedarf besteht, haben wir tatkräftig angepackt. Dies möchte ich mit ein paar Beispielen belegen.

Ein großes Anliegen ist für uns der bedarfsgerechte, flächendeckende und qualitative Ausbau der Ganztagsangebote.

(Beifall bei der CSU)

Da liegt seit Jahren ein echter Schwerpunkt. Dabei setzen wir auf eine Vielfalt von Angeboten: Mittagsbetreuung, offene und gebundene Ganztagsangebote usw.

Was leicht vergessen wird und auch in der Bertelsmann-Studie fehlt, sind die guten Horte in Bayern. Niemand erwähnt sie. Sie müssen aber erwähnt werden, weil sie zu der Vielfalt der guten Angebote dazugehören.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben in diesem Jahr alle Anträge auf Schaffung von gebundenen Ganztagszügen genehmigt, weil dies ein echter Schwerpunkt ist.

Im nächsten Jahr werden an über 90 % der Schulen Ganztagsangebote bestehen. Ich glaube, wir haben dieses Thema wirklich tatkräftig angepackt.