Herr Staatsminister, selbstverständlich sind Qualität und Gerechtigkeit Aufgaben jeder Bildungspolitik. Ich behaupte, dass wir uns in diesem Punkt über alle Fraktionen hinweg einig sind. Selbstverständlich brauchen wir ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot. Selbstverständlich brauchen wir auch ein gerechtes Bildungsangebot. Selbstverständlich muss Bayern ein Bildungsland sein. Die Frage ist nur: Was ist gerecht und was ist hochwertig? Meine Damen und Herren, hier scheiden sich die Geister.
Sie bezeichnen beispielsweise ein flächendeckendes Schulangebot gerade in ländlichen Räumen als ein Herzstück des bayerischen Wegs. - Wunderbar; das kann ich nur unterstützen. Sie handeln aber genau gegenteilig. Gerade in den letzten Tagen sind mir von drei Grundschulen in Unterfranken Informationen zugegangen, in denen sie die Schließung trotz ausreichender Schülerzahlen ankündigen. Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn künftige Erstklässler nicht an ihrem Wohnort beschult werden, sondern nun stattdessen zum nächsten Schulstandort gekarrt werden, und das, obwohl die Schülerzahl für eine Klassenbildung ausreicht? Wo ist da Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Staatsminister? Glauben Sie wirklich, dass diese Vorgehensweise das Vertrauen der Eltern und der Schüler stärkt? Wie passt das denn mit Ihrem Ziel eines flächendeckenden Schulangebots zusammen?
Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn landauf, landab nahezu willkürlich an ein und derselben Schule jahrgangsgemischte und jahrgangsreine Grundschulklassen nebeneinander mit dem offensichtlichen und ausschließlichen Ziel gebildet werden, Lehrer einzusparen? Die Petitionen, die uns allen Tag für Tag aus allen Teilen Bayerns dazu zugehen, füllen Ordner, Herr Staatsminister.
Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn keine Ganztagsklassen gebildet werden, obwohl es dafür genügend Anmeldungen gäbe,
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Liste ließe sich beliebig weiterführen. All die genannten Beispiele sind nur eine ganz kleine Auswahl von Hilferufen betroffener Eltern, deren Kinder genau mit den beschriebenen Problemen zu kämpfen haben. Herr Staatsminister Spaenle, es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn in bayerischen Großstädten immer wieder Demonstrationen für eine bessere Bildung, für mehr Lehrer, kleinere Klassen und weniger Unterrichtsausfall stattfinden, wie zuletzt am vergangenen Samstag in München. Daraus ziehe ich den Schluss: Ihre vielbeschworene Qualität ist bei den Schulen noch nicht einmal ansatzweise angekommen - oder sehen Sie das etwa als eine Bestätigung Ihrer Politik? Hingegen sind Unterrichtsausfall und übergroße Klassen bei den Eltern angekommen, und deswegen gehen sie auf die Straße.
Ihre gebetsmühlenartig betonte Wiederholung von Qualität und Gerechtigkeit in unserem Schulsystem ist vielmehr Ihr unfreiwilliges, aber wahres Eingeständnis, dass es genau daran hapert, Herr Staatsminister. Sehen Sie die zahllosen Missstände einfach nicht mehr, oder ist es bei Ihnen schon die Augen-zu-unddurch-Mentalität des Ministerpräsidenten Seehofer, der jetzt ankündigt, sich munter über den Bürgerentscheid der Münchner Bürger zur dritten Startbahn hinwegzusetzen?
Sie zitieren aus der Vodafone-Studie und wollen damit beweisen, wie gut Bayern dasteht. Ich muss dazu schon sagen: Das ist mutig. In eben dieser Studie beklagen nämlich 50 % der Bevölkerung den hohen Unterrichtsausfall in Bayern, und eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung sieht die Durchlässigkeit unseres Schulsystems nach oben als kaum gegeben. Das war ein klassisches Eigentor, Herr Spaenle.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD - Eduard Nöth (CSU): Was Sie da sagen, glauben Sie doch selber nicht!)
- Das können Sie nachlesen, wenn Sie lesen können. 62 % der Bevölkerung sind nach eben dieser Studie der Meinung, dass die Lehrpläne beim Übergang auf das G 8 nicht ausreichend angepasst wurden. Das ist die Wahrheit. Das ist die Meinung der Bürger, auf die Sie, meine Damen und Herren in der Staatsregierung, doch hören wollen.
Es freut mich, wenn Sie Neueinstellungen für integrierte und mobile Reserven für Realschulen, Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen ankündigen. Ich will das ausdrücklich auch lobend erwähnen. Nach wie vor ist der Unterrichtsausfall an unseren Schulen viel zu hoch. Wir brauchen jede Neueinstellung und jede neu geschaffene Stelle, und wir brauchen sie dringend. Wenn ich aber die Anzahl der Stellen zusammenzähle, die Sie in Ihrer Regierungserklärung aufgeführt haben, komme ich allerdings wieder zu einigen Missständen; etwa gibt es keine einzige zusätzliche Stelle für die Inklusion. Was Ihnen in meinen Augen in vielen Bereichen fehlt, ist ein klares Ziel. Ich nenne die Inklusion; ich nenne die Ganztagsbeschulung; ich nenne den Abbau großer Klassen. Derzeit drehen Sie ohne erkennbares Gesamtkonzept mal an dieser, mal an jener Stellschraube. Eine Verbesserung der Unterrichtsqualität erzielen Sie damit aber nicht.
Herr Staatsminister, Sie sagten, der bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsangeboten habe besondere Priorität. Das kann ich nur unterstützen. Uns FREIEN WÄHLERN liegt ein qualitätsvoller und ein an den Belangen vor Ort ausgerichteter Ausbau der Ganztagsklassen ganz besonders am Herzen. Wir wollen nicht eine irgendwie geartete Betreuung; wir wollen, dass Ganztagsklassen als echte Chance und als echtes Angebot wahrgenommen werden. Wir wollen eine passgenaue Förderung der Schulen, die daran Bedarf haben. Wir wollen eine Förderung ganz im Sinne der Schüler, der Eltern und der Schule. Dass wir mit der Ganztagsbetreuung in Bayern noch am Anfang stehen und alles andere als Qualität anbieten, bescheinigte Ihnen erst in der vergangenen Woche die "Bayerische Staatszeitung". Mit der Überschrift "Eine Eins im Schönrechnen" und dem Untertitel "Bayern ist Schlusslicht beim Ausbau der Ganztagsbetreuung" wurde dies deutlich unterstrichen. Das ist eine eindeutige Sprache, die im krassen Gegensatz zu Ihrer Aussage von eben steht, Herr Kollege Eisenreich, dass Sie tatkräftig dabei seien, die Ganztagsbetreuung auszubauen.
Wir brauchen ein Schönrechnen genauso wenig wie ein Schönreden. Wir brauchen überzeugende Konzepte, die bei der frühkindlichen Bildung beginnen und bis zum Studium und zum lebenslangen Lernen weitergehen.
Herr Minister, ich nenne Ihnen deshalb unsere Agenda für die Bildungspolitik. Unsere Schulen dürfen nicht zu reinen Paukanstalten verkommen. Wir wollen un
sere Kinder zu starken und stabilen Persönlichkeiten erziehen. Wir brauchen in unserem Staat selbstbewusste und mitdenkende Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Dabei spielt für uns FREIE WÄHLER die Stärkung der sogenannten weichen Fächer Musik, Kunst und Sport eine bedeutende Rolle. Wir müssen insbesondere an den Grundschulen dringend die Stunden für den Ganztagsbetrieb aufstocken. Unbedingt notwendig sind zusätzliche Anrechnungsstunden für Lehrkräfte, die als Klassenleiter in Ganztagsklassen tätig sind. Ich sage Ihnen auch, warum wir dies brauchen: Jedem muss klar sein, dass die Ganztagsbeschulung einen pädagogischen Mehraufwand bedeutet. In der Ganztagsbeschulung gibt es eine Vielfalt zusätzlicher Aufgaben, so zum Beispiel die Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen und dem zusätzlichen pädagogischen Personal sowie mehr Sprechzeiten für die Eltern. Das muss geplant und vorbereitet werden, und deshalb müssen diese Stunden den Klassenleitern auch angerechnet werden. Dieser Mehraufwand wird bisher von Ihrem Haus bei der Stundenzuweisung überhaupt nicht angemessen berücksichtigt. Soviel zum Thema Qualität.
Wir brauchen auch dringend Schulgebäude, die auf den modernen Unterrichtsbetrieb ausgelegt sind. Da reicht eine Mensa allein nicht aus. Kinder, die mehr als sieben Stunden in der Schule sind, brauchen auch Rückzugsräume. Nicht zu vergessen sind die Arbeitsplätze für die Lehrkräfte, die bei der Ganztagsbeschulung verändert werden müssen.
Wir alle wollen qualifiziertes Personal für die Ganztagsschule. Dafür brauchen wir aber auch attraktive Arbeitsbedingungen. Momentan sind die Arbeitsverträge der Betreuungskräfte häufig nur auf ein Jahr befristet. Herr Staatsminister, ich frage Sie, wie Qualität entstehen soll, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Schulen nur von einem zum anderen Jahr planen können.
Herr Staatsminister, Sie sagen, dass die Wahlmöglichkeit für die Eltern entscheidend für den bayerischen Weg sei und dass die Unterschiedlichkeit der Angebote ganz bewusst zu Ihrer Strategie gehöre. Dem möchte ich entschieden widersprechen, Herr Staatsminister Spaenle. Heben Sie doch endlich das Verbot von Klassenmehrungen auf und blockieren Sie die Weiterentwicklung der Ganztagsangebote nicht durch Vorschriften, die diese Entwicklung abwürgen, kaum dass sie in Fahrt gekommen ist. Passt das zu der von Ihnen proklamierten Bildungsgerechtigkeit? Das Modell der Ganztagsschule - davon bin ich fest überzeugt - wird sich nur durchsetzen, wenn Schulen und Eltern die notwendige Planungssicherheit bekommen.
Planungssicherheit bei der Betreuung ihrer Kinder brauchen die Eltern aber auch für den Freitagnachmittag und für die Ferien. Nur dann erreichen Sie eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deswegen brauchen wir dringend ein Konzept, mit dem die bestehenden schulischen Betreuungsangebote so erweitert werden, dass die betroffenen Eltern für ihre Kinder sowohl am Freitagnachmittag als auch mindestens in zehn der vierzehn unterrichtsfreien Wochen auf ein verlässliches Angebot zurückgreifen können. So können Sie Ihrem Ziel von Gerechtigkeit und Qualität einen großen Schritt näherkommen, Herr Staatsminister.
Ich nenne Ihnen noch weitere Beispiele für das Fehlen eines Gesamtkonzepts. Sie sagen, Bayern unterstütze die individuelle Lernzeit des einzelnen Kindes zur Erreichung seines Abschlusses. Wie denn bitte? Sie führen die flexible Grundschule gerade einmal bei 80 von insgesamt 2.400 Grundschulen in Bayern ein. Ganz zu schweigen ist von der wichtigen Phase des Übertritts in den Beruf. Flexibilität ist in dieser Phase Fehlanzeige. Erst gestern hatten wir in Unterfranken ein Gespräch über die vertiefte Berufsorientierung, die gekappt worden ist. Gute Modelle, die im Landkreis und in der Stadt Würzburg gelaufen sind, laufen nicht mehr weiter. Wir wollen deshalb ein bisschen mehr Glaubhaftigkeit Ihrer Verlautbarungen.
Wir FREIEN WÄHLER haben bereits 2010 hier im Hohen Hause gefordert, ein Konzept zu entwickeln, mit dem die Abschlussphase an Mittelschulen flexibel und gerecht gestaltet werden kann. Sie preisen in Ihrer Regierungserklärung die bayerische Wirtschaftsschule an, eine bundesweite Besonderheit, deren Vermittlungsquote von über 90 % für ihren Erfolg spreche. Im selben Atemzug aber planen Sie eine Neukonzeption der Wirtschaftsschule, die von den Betroffenen sehr kritisch gesehen wird. Wohin wollen Sie mit dieser Neukonzeption der Wirtschaftsschule?
Sie sagen, ideologische Schulsystemdebatten würden Sie in Bayern nicht führen. Dabei sind wir FREIE WÄHLER teilweise bei Ihnen. Wir FREIE WÄHLER wollen aber keine neue Debatte über Schulstrukturen. Wir FREIE WÄHLER bekennen uns zum gegliederten Schulwesen. Ich sage aber auch ganz deutlich, dass wir dieses Schulwesen weiter entwickeln müssen. Es hilft nichts, wenn sich die Staatsregierung nur gebetsmühlenartig zum dreigliedrigen Schulsystem bekennt und dabei die Auswirkungen der demografischen Entwicklung völlig ignoriert.
Wir brauchen eigenständige Bildungsregionen. Wir brauchen eine tragfähige Weiterentwicklung, bei der
die kommunalen Entscheidungsträger und die Schulfamilien weit mehr als bisher ins Boot geholt werden. Vor allem brauchen wir für die jeweiligen Regionen passende Schulangebote, die nicht zentral von München aus für das ganze Land bestimmt werden, sondern die vor Ort in der Bildungsregion entwickelt werden. Lassen Sie endlich Modellschulen zu.
Bisher sperrt sich die Staatsregierung in diesem Punkt. Damit verspielt sie wertvolle Zeit - Zeit, die wir dringend brauchen, um tragfähige und durchdachte Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Auch auf diesem Gebiet werden wir FREIE WÄHLER nicht lockerlassen. Uns geht es um unsere Zukunft, um soziale Gerechtigkeit und ein gutes Bildungsangebot für unsere Kinder. Es muss gelingen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und dort neue Lösungen zu entwickeln, wo wir sie brauchen. Ich betone es noch einmal: Wir wollen keine ideologische Bildungspolitik, weder in die eine noch in die andere Richtung. Wir FREIE WÄHLER fordern pragmatische und gut durchdachte Lösungen, Lösungen, die wir gemeinsam mit der Basis und den beteiligten Bürgern vor Ort entwickeln. Nur dann kann man wirklich von einem Bildungsland Bayern, einem Land mit Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit sprechen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Spaenle, Ihr Bemühen - ich betone: Ihr Bemühen - um Leistung in der Bildungspolitik verdient Anerkennung. Für den Anspruch, den wir FREIE WÄHLER in Bayern an die Bildungsgerechtigkeit und die Bildungsqualität stellen, reicht dies bei Weitem nicht aus.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Felbinger. Als Nächstem erteile ich Herrn Kollegen Gehring das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultusminister Spaenle hat an den Beginn seiner Rede eine bemerkenswerte Aussage gestellt: Schule soll vom Kind aus gedacht werden. Was für eine Rede wäre nach dieser Aussage möglich gewesen? - Eine nachdenkliche Rede, eine Rede, die auf die Lebensbedürfnisse der Kinder heute abstellt, die Fragen stellt angesichts der ungeheuren Veränderungen von Lebens- und Arbeitswelt, die wir alle erleben? Insbesondere die Lebenswelt von Heranwachsenden ist Veränderungen unterworfen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren, sodass sich die Lebenswelt der heutigen Jugendlichen ganz von unserer Lebenswelt als Jugendliche unterscheidet. Denken wir nur an den digitalen Wandel. Der französische Philosoph Michel Serres, über
den vor einigen Tagen in einer großen bayerischen Tageszeitung berichtet wurde, spricht von einem kulturellen Wandel, welcher der Erfindung der Pädagogik bei den alten Griechen und der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar ist. Er spricht von einer neuen Generation, den sogenannten Däumlern, also von jungen Menschen, die sich die Welt mit zwei Daumen auf ihrem Smartphone bzw. dem Gerät in der Hand erschließen.
Wir müssen uns angesichts eines so großen Wandels die Frage stellen: Wie soll sich Bildung entwickeln? Wie soll die Rolle der Lehrkräfte sein, die, wenn es um das Günther-Jauch-Quizwissen geht, die Konkurrenz zum Smartphone in der Hand ihrer Schülerinnen und Schüler nicht mehr bestehen können, die aber wichtiger denn je sind, weil sie Orientierungswissen in einer Informationsgesellschaft geben, weil sie Werte vermitteln, wo keine Werte mehr sind? Wir müssen auch an die Veränderungen in den Familien denken, an die zunehmende soziale Spaltung und an die ungleiche Verteilung des sogenannten kulturellen Kapitals. Wenn wir also heute Schule wirklich vom Kind aus denken wollen, müssen wir uns auch fragen, ob und inwieweit wir Schule neu denken müssen.
Was für eine Rede des Kultusministers wäre nach diesen Eingangsgedanken also möglich gewesen? Er braucht aber nur zwei Sätze zu Beginn seiner Rede, dann landet Ludwig Spaenle da, wo er in all seinen Reden immer landet, ganz egal zu welchem Anlass. Er landet in Satz vier bei der von ihm ideologisch geführten Schulstrukturdebatte; er landet bei der vermeintlichen Einheitsschule und wirbt für das gegliederte Schulsystem.
Bayern ist spitze, weil das Schulsystem gegliedert ist, und weil das Schulsystem gegliedert ist, ist Bayern spitze. So zieht sich das durch die ganze Rede hindurch. Herr Minister, wir und auch die Zuhörer draußen haben Ihre Tautologien satt.
Ich frage mich: Sind Sie so weit weg von den Menschen, dass Sie die Unzufriedenheit vieler Eltern, die Unzufriedenheit und Frustriertheit vieler Lehrerinnen und Lehrer und auch die Unzufriedenheit vieler Schülerinnen und Schüler wirklich nicht mehr mitbekommen?
Im Großteil Ihrer Rede geht es anschließend um die einzelnen Schularten, um die Strukturen, darum, wie sie vermeintlich optimiert werden, wie nachjustiert wird, wie dem Veränderungsdruck gegengehalten wird, wie Sie die Strukturen erhalten wollen. Die Schülerinnen und Schüler, von denen aus gedacht werden soll, kommen in der ganzen Rede nicht mehr vor.
Unser bayerisches Schulsystem befindet sich in einer Schieflage. Deswegen mühen Sie sich in Ihren Ausführungen zu den Schularten im gegliederten Schulwesen ja so ab. Die Hauptschule ist nicht mehr die Schule für den Hauptanteil eines Jahrgangs; deswegen haben Sie sie in "Mittelschule" umbenannt. Dort wird unbestritten gute Arbeit geleistet. Was ist das aber für eine Erfolgsmeldung, wenn Sie sagen: Die Schulerzahlen sinken nicht so stark, wie wir das prognostiziert haben? Worauf ist dieser zahlenmäßige Erfolg zurückzuführen? Sie sprechen davon, dass es 10.000 Schüler mehr gibt, als prognostiziert wurde. Sind darunter die 5.000, die in diesem Jahr von den achten und neunten Klassen der Realschulen zurückgekommen sind? Ist also die vermeintliche Stabilisierung der Mittelschule die Folge der Instabilität der anderen Schularten, die ihre Schülerinnen und Schüler nicht angemessen fördern können? Die Zahl der Rückkehrer vom Gymnasium aus dem vergangenen Schuljahr konnten Sie uns bis zum heutigen Tag noch nicht liefern. Dieses Schulsystem befindet sich also in einer Schieflage.
Was machen Sie für Verrenkungen! Sie gründen zweizügige Realschulen, machen M-5-Züge an Mittelschulen, machen Neun-plus-zwei-Modelle. Ihr Einfalls- und Variantenreichtum ist groß, wenn es darum geht, dass vor Ort eine Diskussion um Schulmodelle jenseits des dreigliedrigen Schulsystems unterbunden werden soll, eine Diskussion, die aber angesichts des demografischen Wandels in vielen Regionen Bayerns nicht unterdrückt werden kann. Die Mittelschulverbünde halten das Sterben der Schulen nicht auf, sie verzögern es vielleicht etwas, aber Sie sehen heute am Beispiel Denkendorfs, dass das nicht ausreicht.
Wenn man Ihre Rede Revue passieren lässt, ist interessant zu sehen, wie viel Zeit den einzelnen Schularten gewidmet wird. Für das Thema Wirtschaftsschule brauchen Sie zehn Sekunden, obwohl gerade derzeit an den Wirtschaftsschulen große Veränderungen anstehen und ihre Kernkompetenz, nämlich der informationstechnische Unterricht, weitgehend abgebaut wer
den soll. Warum sagen Sie dazu nichts? Mein Eindruck ist: Die Wirtschaftsschule soll am langen Arm verhungern.