Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Im Bund fehlen Krippen hauptsächlich in Ländern, wo Rot oder Grün die Verantwortung haben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Diese Lüge können Sie noch so lange erzählen; sie wird trotzdem nicht wahrer!)

Zum Ausbaustand: Frau Ackermann, es hilft Ihnen nicht, wenn Sie hier immer Zahlen vom 1. Januar 2011 zitieren. Wir müssen uns an der großen Dynamik, die unsere Kommunen vorlegen, orientieren. Das bedeutet, dass wir schon jetzt in den allermeisten Gemeinden eine Bedarfsdeckung haben. Ein letzter Satz, um dies klarzustellen: Beim Rechtsanspruch ab dem 1. August wird es nicht darauf ankommen, mit welchen prozentualen Ausbauquoten Sie protzen können, sondern es wird einzig und allein darauf ankommen, wie viele Eltern es noch gibt, die einen Platz suchen. Wir werden feststellen, dass die Bedarfslücke in München und Nürnberg am größten ist und der Bedarf in allen anderen Städten und Kommunen Bayerns zum Teil jetzt schon gedeckt ist oder ab 1. August gedeckt sein wird.

Wir haben mit unseren Mitteln dafür gesorgt, dass die bayerischen Kommunen die größte Dynamik vorlegen konnten und vorgelegt haben, wo die Bürgermeister dies wollten. Wo die Bürgermeister dies nicht wollen, wird es entsprechende Probleme geben. Am Freistaat wird es nicht liegen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, bleiben Sie bitte am Redepult. Es gibt eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Ackermann.

Frau Ministerin, ich habe Ihnen keine Frage gestellt, weil ich weiß, dass ich darauf keine Antwort bekomme. Deshalb habe ich mich für die Zwischenbemerkung entschieden. Frau Ministerin, das Wichtige ist für uns, dass die Infrastruktur gefördert wird. Hier lassen wir die Eltern gerade nicht im Regen stehen; denn wir sind dafür, dass eine frühkindliche Bildung in Kinderkrippen und Kindertagesstätten ermöglicht wird, was bisher in Bayern nicht möglich ist. Mit Ihrem Almosen "Landeserziehungsgeld" werden Sie keiner Familie helfen. Sie speisen allenfalls einen saturierten Mittelstand, der dieses Geld gerne mitnimmt. Die wirklich Bedürftigen haben von dem bisschen Geld, das Sie ausschütten, gar nichts.

Noch eine Bemerkung zu Ihrer Aussage, dass Sie Ihre Entscheidung an das Urteil gekoppelt hätten. Ich frage Sie: Warum bekommen Menschen mit Duldung,

die durchaus arbeiten dürften, kein Landeserziehungsgeld? Diese Frage bleibt bestehen.

Eine weitere Bemerkung, weil Sie immer wieder auf München herumhacken: München hat den drittbesten Ausbaustand in Deutschland.

(Harald Güller (SPD): Da nickt selbst die Ministerin! Warum behaupten Sie dann immer das Gegenteil?)

Daran sollten Sie sich für die Förderung der restlichen Kommunen ein Beispiel nehmen. Viele Kommunen sind weit hintendran. Ich prophezeie Ihnen schon heute: Nächstes Jahr im August wird auf die Kommunen eine Klagewelle zurollen. Dafür sind Sie verantwortlich.

München hat einen sehr hohen Ausbaustand. Da nicke ich immer. Aber auf den kommt es nicht an. In Bayern kommt es auf die Bedarfsdeckung an. Wir machen die Politik nicht nach irgendwelchen Statistiken, sondern sagen, dass die OBs und die Bürgermeister den Bedarf der Eltern vor Ort zu decken haben. Sie müssen nicht irgendwelche Quoten erfüllen, die sich in Statistiken gut machen. Wenn eine Gemeinde in Niederbayern sagt, dass sie einen Bedarf von 19 % habe, oder wenn eine Stadt sagt, dass ihr 25 % reichten, müssen dort keine Krippen gebaut werden, die nicht benötigt werden. Genauso hätte aber eine Stadt wie München schon vor Jahren in die Puschen kommen müssen. Die SPD wollte doch den Rechtsanspruch. Es ist schon sehr peinlich, dass gerade Sie nicht in der Lage sind, die Bedarfsdeckung zu erreichen.

Ich halte es auch gegenüber den Steuerzahlern in diesem Land für ein starkes Stück, dass Sie eine Leistung im Umfang von 82 Millionen Euro, die jedes Jahr im Haushalt steht, als "Almosen" bezeichnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Ackermann, ich kenne Sie als Abgeordnete, die ständig und auch völlig zu Recht auf die Situation Alleinerziehender hinweist. Mit der Leistung "Landeserziehungsgeld" erwischen wir genau diejenigen, die diese Leistung brauchen. Das sind Menschen, die in einer niedrigen Einkommensgruppe sind. 88 % aller Alleinerziehenden kommen in den Genuss dieser Leistung. Vor allem dieser Leistung haben wir es zu verdanken, dass wir das Armutsrisiko für Alleinerziehende in Bayern so gut abfedern wie in keinem anderen Bundesland. Das war mir noch wichtig.

(Beifall bei der CSU)

Herr Pfaffmann möchte auch eine Zwischenbemerkung machen.

Frau Staatsministerin, Sie kritisieren gerne aus politischen Gründen die Stadt München. Vielleicht sollten Sie sich doch einmal sachkundig machen.

(Widerspruch bei der CSU)

- Sie wissen es gar nicht; denn Sie klatschen immer, egal was gesagt wird.

(Zuruf von der CSU: Nur weil bei Ihnen keiner klatscht!)

Liebe Frau Staatsministerin, der Versorgungsgrad der Landeshauptstadt München ist bis zum Ende 2013 auf 70 % festgelegt. Das bedeutet, wir bauen in München in den nächsten Jahren über 4.000 neue Plätze. Dadurch ergibt sich zum Ende des Jahres 2013 ein Versorgungsgrad von 70 %. Hier können Sie mit Ihrer bayernweiten Initiative bei Weitem nicht mithalten. Ich wollte das nur noch einmal gesagt haben, weil Sie dieses Argument immer wieder verwenden, um Wahlkampf gegen den Münchner Oberbürgermeister zu machen. Das ist völlig daneben. Sie sollten diesen Versuch endlich einstellen, weil jeder weiß, wie es ist. Es wird nicht besser, wenn Sie diese Behauptung immer wieder gebetsmühlenartig wiederholen, auch dann nicht, wenn die CSU immer wieder dazu klatscht, obwohl sie gar keine Ahnung von diesem Thema hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bitte, Frau Staatsministerin.

Ich weiß nicht, worauf Sie diese 70 % beziehen. Möglicherweise haben Sie dafür nur eine bestimmte Gruppe von Kindern herangezogen. Mein Haus sagt mir, dass München, um nur annähernd einen Stand von 60 % zu erreichen, noch 5.000 Krippenplätze beantragen müsste. Da sind alle Plätze eingerechnet, die jetzt gebaut werden. Wir haben noch nicht einmal die Meldungen. Das bedeutet, diese Plätze werden ohnehin nicht mehr rechtzeitig fertig.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Sie sollten Ihr Haus informieren!)

Es sind aber nicht nur die Krippen. Bei den Kindergärten fehlen 4.500 Plätze in München, obwohl wir seit 1996 einen Rechtsanspruch haben. Bei den Horten fehlen in München 7.000 Plätze. Die Kinderbetreuung

hat in München einfach nicht die erste Priorität. Das passt Ihnen vielleicht nicht, aber es ist leider so.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Frau Staatsministerin. - Die Aussprache ist geschlossen. Wir können zur Abstimmung schreiten.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/12316 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Soziales, Familie und Arbeit auf Drucksache 16/13213 zugrunde.

Der federführende Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FDP und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Enthaltungen? - Sehe ich keine. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt worden ist, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. Dagegen gibt es sicher keinen Widerspruch. -

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FDP und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte ich ebenso anzuzeigen. - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Enthaltungen? - Auch diesmal keine. Damit ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes".

Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 6 kommen, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 - Gesetzentwurf auf Drucksache 16/11983 - bekannt. Mit Ja haben 125 Abgeordnete gestimmt; Nein-Stimmen gab es keine, Stimmenthaltungen 14.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Damit ist auch dieses Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen".

Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der soeben beschlossenen Fassung hat der Änderungsantrag auf Drucksache 16/12763 seine Erledigung gefunden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 16/12317) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat haben wir hierfür eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Erster Redner ist Herr Kollege Thomas Gehring vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir das derzeitige Übertrittsverfahren in Bayern nach einem bestimmten Notenschnitt - 2,33 für das Gymnasium, 2,66 für die Realschule - abschaffen und durch eine Entscheidung der Eltern ersetzen. Die Eltern sollen entscheiden können, auf welche Schule ihr Kind geht, nachdem sie mit Lehrerinnen und Lehrern intensiv darüber beraten haben.

Dieser Tage kam ein Buch auf meinen und, wie ich glaube, auch auf den Tisch meiner Kolleginnen und Kollegen. Der Titel dieses Buches lautet: "Das verflixte 4. Schuljahr"; ein Untertitel heißt: "Stressfalle Übertritt". Tatsächlich: Übertritt macht Stress. Nicht nur das vierte Schuljahr ist ein verflixtes Jahr, sondern auch das dritte Schuljahr wird immer verflixter. Es gibt eine Phase, in der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Schüler diese Zeit als Stress, als Druck empfinden. Schülerinnen und Schüler haben Angst vor den Proben, sie pauken extra. Die Zahl der Nachhilfestunden in der Grundschule steigt an; von den Eltern wird viel Geld investiert. Psychosomatische Störungen, Kopfweh, Bauchweh und ähnliche Dinge treten auf. Wenn man die Situation in der vierten Klasse am Ende der Grundschulzeit betrachtet, muss man sich schon fragen: Was ist eigentlich aus der Lust am Lernen, was ist aus der Freude an Leistung geworden, die Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihrer Schulzeit hatten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass Übertritt Stress macht, ist ein Tatbestand, den Sie in ganz Bayern hören und mitbekommen, wenn Sie mit Eltern sprechen, wenn Sie mit Lehrerinnen und Lehrern sprechen, wenn Sie mit Schülerinnen und Schülern sprechen oder hören, was da los ist. An diesem Tatbestand kommen Sie auch nicht vorbei. Man muss einfach sagen - das sagen uns auch alle Leute, die etwas über Lernpsychologie wissen -: Angst schmälert Leistung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei einem Schulsystem, das am Ende der dritten und der vierten Klasse Angst erzeugt, handelt es sich letztendlich um ein leistungsfeindliches Schulsystem. Das bayerische Übertrittsverfahren ist eben nicht leistungsgerecht; es ist eben nicht für Leistung, und es ist auch nicht gerecht in dem Sinne, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler tatsächlich gerecht bewertet werden. Es gibt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung - es ist auch nicht ganz uninteressant, wer solche Untersuchungen durchführt -, in der festgestellt wird, dass die Übertrittsquote der Schülerinnen und Schüler vom Geburtszeitpunkt abhängt. Schüler, die im Frühjahr oder Sommer geboren werden, haben geringere Chancen, nach den Klassen 3 und 4 auf weiterführende Schulen überzutreten.

Das zeigt: Die Diagnose für den Übertritt zu einem bestimmten Zeitpunkt wird den Kindern allein schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Entwicklung und ihrem Alter nicht gerecht. Von daher kann nicht von Leistungsgerechtigkeit gesprochen werden. Es kann nicht von Gerechtigkeit gesprochen werden, wenn man sieht, dass der soziale Hintergrund den Übertritt in ganz starkem Maße bestimmt, auch in Bayern, wo angeblich nur die Note entscheidet. Wenn man die Wohnbevölkerung der Stadtteile von München betrachtet, kann man daraus die Übertrittsquoten ableiten. Diese klaffen in einer Grundschulklasse der vierten Jahrgangsstufe zwischen 15 und 90 % auseinander. Das hat nichts mit Leistung zu tun. Das hat etwas damit zu tun, wie der soziale Hintergrund dieser Familien ist und wie es gelingt, die Kinder zu jener Note zu bringen, die für den Übertritt erforderlich ist.

Die Iglu-Studie - die Internationale Grundschul-LeseUntersuchung, eine empirische Studie -, die den bayerischen Grundschulen eine sehr gute Leistung bescheinigt, kommt zu dem Ergebnis, dass die gemessene Lesekompetenz nicht mit den gegebenen Noten übereinstimmt und dass es ganz große Überlappungen gibt. Die Iglu-Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass es erwartungsgemäß nicht gelingt, die Auslese so zu gestalten, dass Kinder nach Leistung sortiert in homogenen Gruppen auf die unterschiedlichen Schularten verteilt werden. Kompetenz und Noten stimmen also nicht überein. Nachträglich wird dann versucht, die Fehler, die bei der Sortierung gemacht wurden, durch Schulartwechsel zu korrigieren. Wenn wir die Situation an Bayerns Schulen betrachten, sehen wir, dass nach der Verteilung der vierten Klassen auf die unterschiedlichen Schularten eine Umverteilung beginnt. Wir haben im letzten Jahr 5.000 Schülerinnen und Schüler gehabt, die von der Realschule auf die Mittelschule zurückgegangen sind. Über ein Drittel der Schülerinnen und Schüler durch