Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Die Iglu-Studie - die Internationale Grundschul-LeseUntersuchung, eine empirische Studie -, die den bayerischen Grundschulen eine sehr gute Leistung bescheinigt, kommt zu dem Ergebnis, dass die gemessene Lesekompetenz nicht mit den gegebenen Noten übereinstimmt und dass es ganz große Überlappungen gibt. Die Iglu-Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass es erwartungsgemäß nicht gelingt, die Auslese so zu gestalten, dass Kinder nach Leistung sortiert in homogenen Gruppen auf die unterschiedlichen Schularten verteilt werden. Kompetenz und Noten stimmen also nicht überein. Nachträglich wird dann versucht, die Fehler, die bei der Sortierung gemacht wurden, durch Schulartwechsel zu korrigieren. Wenn wir die Situation an Bayerns Schulen betrachten, sehen wir, dass nach der Verteilung der vierten Klassen auf die unterschiedlichen Schularten eine Umverteilung beginnt. Wir haben im letzten Jahr 5.000 Schülerinnen und Schüler gehabt, die von der Realschule auf die Mittelschule zurückgegangen sind. Über ein Drittel der Schülerinnen und Schüler durch

laufen das Gymnasium nicht bis zum Ende, obwohl sie am Anfang die Gymnasialempfehlung und den 2,33-Schnitt erreicht hatten. Das zeigt: Dieses System kann nicht gelingen.

Ein weiteres großes Problem des derzeitigen Übertrittsverfahrens ist der Stress, der im Verhältnis zwischen Eltern und Lehrerinnen und Lehrern entsteht. Das ist keine Erziehungspartnerschaft. Aus Elternsicht geht es darum, dass die Lehrer die Noten bringen, die das Kind braucht, um einen Übertritt zu schaffen. Da wird auch mit dem Rechtsanwalt gedroht. Es herrscht ein sehr ungutes Verhältnis. Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht als Berater über die ganzheitliche Entwicklung eines Kindes, über die tatsächliche Prognose für ein Kind gefragt, sondern sie werden gefragt, ob die entsprechenden Noten erreicht werden oder nicht. Wenn wir Erziehungspartnerschaft wirklich ernst nehmen, müssen wir dieses Übertrittsverfahren in der jetzigen Form abschaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zu einem weiteren Thema. Wir sprechen gerne über Teilhabe, darüber, wie staatliche Behörden und Institutionen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern umgehen. Es passt einfach nicht mehr, dass eine staatliche Einrichtung wie eine Schule sagt: Ich weiß, was gut ist für dein Kind, und ich weiß, wohin dein Kind gehen muss. Das ist nicht das, was Teilhabe bedeutet. Eltern werden nicht als Erzieherinnen und Erzieher ihrer Kinder wahrgenommen, die natürlich auch Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder tragen wollen. Das ist keine Teilhabe; das ist keine Erziehungspartnerschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Übertrittsverfahren in Bayern macht Stress; es erzeugt Druck; es macht Stress, der zu sozialer Ungerechtigkeit führt; es macht Stress, der leistungsfeindlich ist; es macht Stress, der gutes Lernen erschwert; es macht Stress, der die Gesundheit der Kinder belastet; es macht Stress hinsichtlich der Belastung der Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer. Ich bin davon überzeugt, mit unserem Gesetzentwurf gelingt es, den Stress und den Druck zu reduzieren. Allein wenn dies gelingt, war dieser Gesetzentwurf richtig. Deswegen appelliere ich an Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CSU hat Herr Nöth das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Der Gesetzentwurf der GRÜNEN - wir haben es soeben gehört - sieht die Aufhebung der Notengrenzen beim Übertritt auf weiterfüh

rende Schulen und damit die vollständige Freigabe des Elternwillens vor. Nach der Ersten Lesung am 8. Mai und der Ausschussberatung am 21. Juni 2012 sowie nach weiteren internen Beratungen kommen wir heute zu dem Ergebnis, den Gesetzentwurf im Interesse unserer Kinder abzulehnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in Bayern zum Schuljahr 2009/2010 ein neues, weiterentwickeltes kind- und begabungsgerechtes Übertrittsverfahren eingeführt. Dieses neue Verfahren stößt zunehmend auf Zustimmung bei Eltern und Lehrern. Daher besteht absolut kein Grund, erneut eine Änderung dieses Verfahrens vorzunehmen. Die Ziele dieses neuen Verfahrens sind gut angelegt und greifen zunehmend. In erster Linie ging es uns damals um die Verbesserung der Beratung und Information der Eltern sowie eine stärkere Beteiligung der Eltern. Der Ausbau der individuellen Förderung war ein weiteres Ziel dieses neuen Verfahrens. Schließlich ging es um die Vereinfachung der Übertrittsregelung. Herr Kollege Gehring, das alles hat dazu geführt, dass der Druck in den Schulen und bei den Eltern abgebaut werden konnte. Die vollkommene Freigabe des Elternwillens bei der Wahl der Schullaufbahn, wie im Gesetzentwurf gefordert, steht für uns im klaren Widerspruch zum Anliegen der bayerischen Bildungspolitik. Uns geht es um die Teilhabe und die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche. Wir möchten allen Kindern und Jugendlichen einen begabungsgerechten Weg in unserer differenzierten Bildungslandschaft ebnen. Dieses neue Verfahren stellt hierzu eine gute Voraussetzung dar. Kinder werden begabungsund eignungsgerecht gefördert. Aufgrund der neuen Änderungen können sie besser und entspannter in die Übertrittsphase eintreten.

Selbstverständlich müssen wir unseren Blick über Bayern hinaus schweifen lassen. Meine Damen und Herren, interessant sind im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf aktuelle Pressemitteilungen aus dem Land Berlin. Dort ist, wie Sie wissen, der Elternwille grundsätzlich freigegeben. Ein Artikel im "Tagesspiegel" vom 06.06.2012 ist überschrieben mit der Schlagzeile: "Das große Scheitern". Demnach hätten allein in einem Gymnasium in Berlin 100 von 300 Schülern, die ohne verpflichtende Grundschulempfehlung übergetreten sind, das Probehalbjahr nicht bestanden. Daraus folgen die sogenannten Rückläufer. Was passiert mit den Kindern? - Sie werden in den sogenannten Rückläuferklassen aufgefangen. Man müsse sich überlegen - so heißt es in diesem Artikel -, wie man mit diesen Kindern verfahren solle, die aufgrund der falschen Entscheidung der Eltern an die Sekundarschulen zurückgeführt würden. Erfreulich ist - ich spreche die Damen und Herren der SPD an -, dass die SPD-Fraktion in Berlin nunmehr eine Arbeitsgrup

pe eingerichtet hat, die sich mit der Frage beschäftigt, wie man mit diesem Problem umgehen und ihm Herr werden könnte. Die Schulleiter in Berlin erheben die Forderung, in Berlin künftig - man höre und staune höhere Hürden in Form eines gemäßigten Numerus clausus einzuführen. Möglich seien auch Aufnahmetests an Gymnasien. Es wird festgestellt: Wo der Elternwille freigegeben worden ist, entstehen offensichtlich große Probleme. Allein aufgrund der Erfahrungen aus dem Land Berlin sehen wir keinerlei Veranlassung, am Status quo etwas zu verändern, wie es mit dem Gesetzentwurf gefordert wird.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ein Vermerk in der "Stuttgarter Zeitung" vom 12.06. ist interessant. Die Schulleiter werden in der Weise zitiert, dass im Grunde die Kinder die Leidtragenden der absoluten Freigabe des Elternwillens seien. Die Schulen, die die gescheiterten Kinder aufnehmen müssten, hätten Probleme, diese Kinder wieder in das Schulsystem zu integrieren. Für uns - das darf ich feststellen - sind Kinder keine Versuchskaninchen.

(Beifall bei der CSU)

Im Grunde genommen wollen wir erreichen, dass unsere Kinder Spaß und Freude in der Schule haben. Sie sollen nicht fehlgeleitet werden. Man muss ihnen behilflich sein, auf den richtigen Weg zu gelangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die Bedeutung des Übertritts nach der vierten Jahrgangsstufe für die schulische Laufbahn und den Bildungserfolg immer geringer wird. Die Durchlässigkeit des bayerischen Schulwesens ist in den letzten Jahren enorm verbessert worden. Neben der allgemeinen Bildung ist gerade die berufliche Bildung in Bayern zu einem wichtigen und nicht mehr wegzudenkenden Weg geworden, der ebenfalls zur Hochschulreife führt. Bayern wird darum beneidet, dass rund 43 % aller Hochschulzugangsberechtigungen über den beruflichen Weg erworben werden. Bayern nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein. Bayern wird - das betone ich noch einmal von anderen Ländern beneidet.

Zusammenfassend sehen wir daher keine Notwendigkeit, das Übertrittsverfahren in der geforderten Form zu ändern oder den Elternwillen vollkommen freizugeben. Im Rahmen des derzeitigen Verfahrens ist das Elternrecht bereits gestärkt. Das gilt vor allem für schwächere Schüler, die aufgrund der Entscheidung der Eltern auf eine weiterführende Schule gehen können, wenn sie den notwendigen Probeunterricht mit den Noten 4 und 4 in Deutsch und Mathematik abgeschlossen haben. Inzwischen ist dieses System aner

kannt. Ich habe bereits darauf hingewiesen: Es ist ein guter Weg, der für viele Schüler und insbesondere für Spätentwickler eine große Chance darstellt. Bayern ist somit ein Bildungsland mit stets wiederkehrenden Chancen. Das ist das grundsätzliche Thema, das im Mittelpunkt unserer Unterhaltung stehen muss.

Ich möchte noch kurz auf die Wissenschaft verweisen. Herr Gehring hat ebenfalls Wissenschaftler zitiert. Namhafte Bildungsforscher und zahlreiche Studien belegen, dass eine Freigabe des Elternwillens ohne pädagogische Einschätzung der Lehrer, wie in Ihrem Gesetzentwurf gefordert, dazu führen würde, dass die Beratung durch die erfahrenen Grundschulkräfte in den Hintergrund geraten und weniger Kinder aus bildungsfernen Familien an weiterführende Schulen, vor allem an Realschulen und Gymnasien, wechseln würden. Eine Freigabe des Elternwillens würde daher nicht zu mehr, sondern zu weniger Bildungsgerechtigkeit führen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Unser Weg ist - das kennen Sie aus den Debatten und Entscheidungen - die intensive Begleitung der Übertritte an weiterführende Schulen. Wir haben in den letzten Jahren gute Entscheidungen getroffen. Beispielsweise werden Grundschullehrer als Lotsen an Gymnasien eingesetzt. Ich erinnere an die Vorklassen, die Einführungsklassen und die vielen Kooperationen zwischen den einzelnen Schularten. Es gibt in Bayern keinen Abschluss ohne Anschluss. Bayern bietet bildungspolitisch stets wiederkehrende Chancen. Jedem Schüler und jeder Schülerin wird bei entsprechender Leistung garantiert, in der Heimatregion wohnortnah jeden Abschluss zu erreichen.

Aus diesen Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Ich betone noch einmal: Für unsere Kinder ist ein geordnetes Übertrittsverfahren besser als die Freigabe des Elternwillens. Letztendlich ist es nicht gut, die Grundschullehrkräfte bei der Beurteilung der Kinder außen vor zu lassen.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich mitteilen, dass auf Antrag der CSU-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Als nächster Redner hat Herr Kollege Martin Güll das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht hilft es, dass wir namentliche Abstimmung beantragt haben, damit das

Interesse an den schulpolitischen Themen etwas steigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders lieber Kollege Felbinger, du hattest in deiner ersten Rede zum ersten Gesetzentwurf die Hoffnung geäußert, dass sich bei den Ausschussberatungen noch etwas tun wird. Frau Kollegin Will hat in ihrer Rede angekündigt, man sehe noch Gesprächsbedarf. Du hast auch Herrn Kollegen Nöth als offenen Menschen bezeichnet. Kollege Nöth, ich wäre ein bisschen vorsichtig mit Äußerungen wie: "Wir sind sicher" oder: "Es steht außer Frage, dass das bayerische Bildungssystem so gut ist". Ich würde mehr Demut und eine genauere Inblicknahme der Schullandschaft empfehlen.

Ich darf grundsätzlich sagen: Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, da Handlungsbedarf besteht. Lieber Kollege Nöth, man kann das Übertrittsverfahren natürlich schönreden. Sie haben gesagt, die Richtigkeit sei durch eine Umfrage bewiesen. Das ist schon fast ein bisschen zynisch; denn in der Umfrage wurden die Eltern nur gefragt: Finden Sie es richtig, dass alle Schülerinnen und Schüler ein Übertrittszeugnis bekommen? Dann haben alle gesagt: Ja. Es ist nicht die Frage aufgenommen worden, wie hoch der Druck bei dem Übertrittsverfahren ist. Inwiefern haben Sie einen Beleg dafür, dass der Druck durch das Übertrittsverfahren abgemildert wird? Ich kann das so nicht erkennen.

Ich glaube, dass Sie mit Ihrer Einschätzung an der Schulwirklichkeit vorbeigehen. Das ist für mich eine interessante und wichtige Feststellung, weil Sie die Fakten außer Acht lassen. Ich will ein paar Fakten nennen. Nach meinem Dafürhalten und der Einschätzung vieler Wissenschaftler ist Fakt, dass die Zuordnung auf Schularten über Durchschnittsnoten nicht wirklich funktioniert. Es ist nett, dass Sie Berlin zitieren, ohne bemerkt zu haben, dass dort die Zahl der Schulrückläufer ein Drittel beträgt und dass auch in Bayern ein Drittel der Gymnasiasten nicht oben ankommt. Müssen wir diese denn nicht integrieren, oder was machen wir mit denen? Sind die Betroffenen denn nicht gescheitert?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben keinen sicheren Beweis, dass unser Zuteilungsverfahren in unserem bayerischen System wirklich funktioniert.

Wenn man sich die Schullandschaften in Deutschland anschaut, stellt man da nicht fest, dass sich nur noch vier von sechzehn Bundesländern an die notengestützte Auslese halten? Alle anderen greifen auf andere Verfahren zurück, zum Beispiel auf die Beachtung des Elternwillens mit entsprechenden

Beratungssystemen. Keiner vertraut mehr auf die Notenauslese. Da sind Sie mit Brandenburg, Sachsen und Thüringen Schlusslicht. Das mutet mich an wie bei einem Geisterfahrer, nur hat der Geisterfahrer eine andere Perspektive. Das ist das Problem.

Fakt ist, dass eine Beratung sinnlos ist, wenn den Eltern eine bestimmte Einschätzung übermittelt wird, diese aber darauf verweisen, dass ihr Kind einen Notendurchschnitt von 1,66 oder 2,3 habe. Dann erübrigt sich jegliche Beratung. Fragen Sie einmal die Beratungsspezialisten. Alle sagen, es mache keinen Sinn zu beraten, wenn es ein unschlagbares Argument in Form eines Notendurchschnittes gebe.

Fakt ist auch - fragen Sie die Lehrkräfte in der Grundschule -, dass die Pädagogik in der Grundschule durch dieses Übertrittsverfahren auf der Strecke bleibt. Man kann das nicht leugnen. Man braucht einfach nur die Lehrerinnen und Lehrer zu fragen. Fakt ist auch - das lässt sich durch viele Studien beweisen -, dass Eltern, Schüler und Lehrkräfte durch dieses Übertrittsverfahren zunehmend belastet sind und der Druck schon fast unmenschlich wird.

Deshalb ist es richtig und notwendig, dieses Übertrittsverfahren zu ändern. Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Wichtig ist es, das Grundübel zu beseitigen. Das Grundübel liegt darin, dass Sie die Kinder mit neun und zehn Jahren auf die verschiedenen Schularten verteilen. Das muss abgeschafft werden, da es durch nichts wissenschaftlich zu belegen und zu rechtfertigen ist. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Es handelt sich - ich habe es vorhin schon gesagt - um eine Sofortmaßnahme, um Druck aus dem System zu nehmen und die Schule wieder zu einer pädagogischen Schule zu machen.

Ich würde Ihnen dringend empfehlen: Schauen Sie auf die Probleme im Zusammenhang mit dem G 8 und schauen Sie auf die Probleme im Zusammenhang mit der Mittelschule. Ich denke, es ist an der Zeit, die Probleme grundlegend anzupacken, nicht immer an den Symptomen herumzudoktern, sondern sich professionell beraten zu lassen. Ich habe kürzlich ein Buch von Professor Manfred Spitzer gelesen. Sie kennen ihn bestimmt alle. Es ist der bekannte Neurowissenschaftler, der sicher auch in Ihren Kreisen bekannt ist. Er sagt, es sei erschreckend, wie man nicht nur in Bayern, sondern überhaupt in der Schullandschaft an die Reformen herangeht. Wenn man in der Medizin so herangehen würde, ohne entsprechende Bildungsforscher und eine entsprechende Begleitung, dann würden sich die Menschen bedanken. Bei uns in Bayern - zum Teil auch in anderen Bundesländern lässt man die Fachleute außen vor und glaubt, als Politiker das Maß aller Dinge zu kennen. Ich glaube,

dass auch im Fachministerium nicht das nötige Knowhow vorhanden ist. Man sollte sich dann zusammentun, um Fachleute an die Probleme heranzulassen.

Zusammengefasst: Ich glaube, dass man das Übertrittsverfahren in den Blick nehmen muss und dass es nicht reicht, nur die Notenbewertung abzuschaffen. Man muss ein vernünftiges System durch eine Mischung aus Grundschulempfehlung und Empfehlungen der aufnehmenden Schulen vereinbaren. Man kann sicher das eine oder andere noch exakter regeln, als dies in dem Gesetzentwurf enthalten ist. Ich bleibe dabei: Wir müssen schnell handeln. Das heißt, dem Gesetzentwurf muss zugestimmt werden, damit der Notendruck von den Schülern in der Grundschule weggenommen wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Günther Felbinger von den FREIEN WÄHLERN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In unserer letzten Sitzung vor der Sommerpause haben wir ein wichtiges bildungspolitisches Thema auf der Agenda. Ich gebe Ihnen durchaus recht, Herr Kollege Güll, das Thema hätte ein bisschen mehr Interesse seitens der Kolleginnen und Kollegen verdient. Die Freigabe des Elternwillens ist ein wichtiges und bedeutendes Thema. Wenn man den Eltern und Lehrern von Grundschulkindern glauben darf, treibt das Thema uns alle um. Wenn man den Verlautbarungen des Kultusministeriums Glauben schenken darf - das darf man sicher nicht immer -, dann hat es im Mai eine Umfrage gegeben, in der sich zu dieser Thematik ein Drittel der Eltern für die Freigabe ausgesprochen haben, während zwei Drittel mit dem bisher gehandhabten System zufrieden waren. Wenn ich dieses Ergebnis als Gradmesser der Diskussion hernehme, dann muss ich mich fragen, ob es Sinn macht, etwas zu ändern, was von der großen Mehrheit der Eltern und der Lehrer nicht zu ändern gewünscht wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn ich das Ergebnis als Grundlage der Diskussion nehme, dann muss ich zu der Überzeugung kommen, dass wir am eigentlichen Problem vorbeidiskutieren. Das ist schade, und das dient nicht den Kindern. Es ist bei Weitem nicht so - dabei gebe ich Ihnen durchaus recht -, dass an den Grundschulen alles eitel Sonnenschein ist. Herr Gehring und Herr Güll, ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass es einen Übertrittsdruck in den vierten Klassen gibt. Das gilt sowohl für die Kinder als auch für die Lehrer. Ich weiß aber

auch - wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, wissen Sie es auch -, dass bei den Übertrittsempfehlungen soziale Aspekte eine Rolle spielen. Das bedeutet, dass zum Beispiel Kinder aus Akademikerfamilien häufiger eine Übertrittsempfehlung an das Gymnasium erhalten. Gerade bei diesem Problem hilft uns die Freigabe des Elternwillens offensichtlich nicht weiter. Im Gegenteil, es ist sogar zu befürchten, dass sich die soziale Ungerechtigkeit verfestigt. Bei einem der Vorredner ist es schon angeklungen; Bildungsexperten und Bildungsforscher haben das nachgewiesen. Deswegen müssen wir den Fokus auf andere Maßnahmen richten, wenn wir eine verantwortungsvolle Politik machen wollen. Von der Freigabe des Elternwillens profitieren vor allem Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern nicht.

Deswegen sind wir FREIE WÄHLER davon überzeugt, dass uns die Freigabe des Elternwillens als isolierte Maßnahme - das haben Sie, Herr Güll, übrigens gerade auch sehr schön gesagt - nicht glücklich macht. Diese Maßnahme hilft uns bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen im Bildungswesen nicht weiter.

Meine Damen und Herren, wir drehen permanent an irgendwelchen Stellschrauben. Ich fürchte, wir bringen damit das Gesamtgefüge immer mehr in Unordnung.

(Margarete Bause (GRÜNE): Welche Ordnung ist das denn?)

Das ist kontraproduktiv und nicht im Sinne unserer Kinder. Wir brauchen ein vernünftig aufeinander abgestimmtes tragbares Gesamtkonzept im Bildungswesen. Da haben wir noch genügend zu tun.