Sehen wir uns einmal die Ressourcen der Menschen, die zu uns kommen, an und stellen wir uns vor, dass sie diese Ressourcen in diese Gesellschaft einspeisen. Dann profitiert diese Gesellschaft. Wenn sie diese Ressourcen aber nicht nutzt und für diese Menschen nur zahlt, dann verliert diese Gesellschaft. Wenn Kinder gut ausgebildet sind, werden sie später Berufe ergreifen können, die natürlich ihnen, aber auch der Gesellschaft nutzen. Wenn wir sie auf der Straße stehen lassen, werden sie irgendwann der Gesellschaft zur Last fallen. Das kann kein Mensch wollen, unabhängig davon, dass dadurch unglückliche Menschenschicksale generiert werden, die im schlimmsten Fall sogar in die Kriminalität münden.
Unabhängig davon: Wenn eine Gesellschaft rechnen kann, muss sie sagen: Diese Menschen wollen wir bei uns integrieren, wir wollen sie qualifizieren und wir wollen sie in unserer Mitte haben. Man darf sie nicht ausgrenzen oder sie mit allen möglichen Schikanen überziehen, wie das derzeit passiert. Ich möchte nur sagen: Integration kostet. Keine Integration kostet viel mehr.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Ersten Lesung befassen wir uns heute mit einem ganzen Bündel von Gesetzentwürfen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es geht um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie um die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge. Sie wollen zwei Gesetze neu schaffen. Insgesamt sieben Gesetze wollen Sie ändern.
Zunächst sage ich, dass Integration ein Megathema ist. So hat es auch der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, Martin Neumeyer, am 10. Februar 2011 hier im Hohen Haus festgestellt. Deshalb ist es gut - das stelle ich ausdrücklich fest -, dass wir uns heute mit dieser Thematik befassen. Und deshalb bin ich für diese Initiative dankbar.
Was § 1 aus Ihrem Gesetzesbündel - das Integrationsgesetz - betrifft, so sind darin durchaus gute Gedanken enthalten; das will ich gern konzedieren. Ich denke sogar, was in den Artikeln 1 und 2 Ihres Gesetzentwurfs beschrieben ist - Ziele und Grundsätze -, wird wahrscheinlich jeder hier im Hohen Haus unterschreiben können.
Schwieriger wird es im zweiten Teil, bei den Aufgaben des Staates. Denn den Landesbeauftragten für Integrationsfragen gibt es bereits; das ist unser Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer. Sie liefern jetzt einen neuen Akt in der alten, schon mehrfach geführten und daher etwas langweiligen Diskussion, indem Sie sagen, wo er angesiedelt sein sollte. Aber das bringt nichts. Im Gegenteil, je öfter man über Organisatorisches diskutiert, desto mehr bleibt das Inhaltliche auf der Strecke; aber um dieses geht es doch. Anders ausgedrückt: Die hervorragende Arbeit von Martin Neumeyer bietet überhaupt keinen Anlass zu der von Ihnen erneut angestoßenen Diskussion.
Auch sehe ich persönlich überhaupt keinen Mehrwert in Ihrem Vorschlag, einen Landesbeirat für Integrationsfragen zu fordern. Das hat die SPD bereits im Jahr 2011 vorgeschlagen. Die Gründe, mit denen wir den Vorschlag damals abgelehnt haben, gelten weiterhin. Wir haben bereits einen Integrationsrat, der seit 2010 regelmäßig tagt, die Integration in Bayern voranbringt und richtige und wichtige Impulse für unser Land setzt. Im Integrationsrat werden Verbände und Per
sönlichkeiten mit Migrationshintergrund aus 17 Nationen aufgefordert, ihren Beitrag zur Integration zu leisten.
Es passt ins Bild, dass Sie auch kommunale Integrationszentren wollen. Das wirkt alles etwas steif und bürokratisch.
"Bürokratie" ist auch das Stichwort, das einem einfällt, wenn man von den Integrationsräten liest, die Sie durch eine Änderung der Gemeindeordnung in allen Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern einführen wollen. Das ist symptomatisch und ein grundlegender Unterschied in der Herangehensweise an das so wichtige Thema Integration: Es geht nicht um Beauftragte, Gremien oder Pläne, sondern um die Menschen. Wichtiger als Institutionen wie ein Landesbeirat oder Integrationsräte ist doch der gesamtgesellschaftliche Dialog. Sie schlagen Pläne, Räte und Kommissare vor. Aber wir müssen die Menschen erreichen. So machen wir es doch in Bayern. Unsere Sozialministerin Christine Haderthauer hat das ja auch in ihrer Regierungserklärung vom November 2010 deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie hat gesagt: "Bayern kann Integration besser; denn bei uns gilt: Nicht nur die Politik, sondern auch die Bürger, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Bayern leben Integration.
Frau Ackermann, wir haben hier ja auch gute wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen. Diese lassen Chancen entstehen. In Ihrer Rede gerade haben Sie das aber vergessen.
Wir sind das genaue Gegenteil eines Entwicklungslandes für Integration. Das ist etwas anderes, als Sie es dargestellt haben.
36 % der Menschen, die in München leben, haben einen Migrationshintergrund. Das würde keiner erwarten. Das könnte man eher in Berlin erwarten. Aber dort ist die Zahl der Migranten deutlich geringer.
Ich gebe Ihnen noch einen Tipp, Frau Ackermann. Auch die Hauptschule, die heute in der Regel schon "Mittelschule" heißt, ist eine weiterführende Schule. Wichtiger sind hier die konkreten Maßnahmen, die eine Hilfe bieten. Ich erinnere an die Sprachförderung und an die "Vorkurse Deutsch". Weiter erinnere ich an die Übergangsklassen. Hier gibt es entscheidende Hilfen für die Integration.
Sie wollen darüber hinaus sieben Gesetze ändern. Dabei ersparen Sie uns nicht die erneute Forderung nach der Umbenennung von "Bürgerversammlung" in "Einwohnerversammlung" sowie von "Gemeindebürger" in "Gemeindeeinwohner". Ich kann Ihnen nicht den Kalauer ersparen, der hier folgen muss: Dann müsste man ja die "Bürgermeister" in "Einwohnermeister" und den "OB" in "Obereinwohnermeister" umbenennen. Es geht doch nicht um Terminologie, sondern um Inhalte.
Das Aufnahmegesetz zu ändern, das wir erst novelliert haben und noch kein halbes Jahr in Kraft ist, ist erst recht nicht notwendig. Wir können jetzt noch nicht einmal die Auswirkungen der Novellierung beurteilen. Zu dem Thema gibt es übermorgen im Ausschuss einen ersten Zwischenbericht des Ministeriums. Sie wollen die alte Diskussion wieder aufrühren und alles, was damit zusammenhängt, neu erörtern. Das können wir in diesem Fall nicht mitmachen. Es wäre besser gewesen, wenn Sie das Aufnahmegesetz aus dem Integrationspaket herausgenommen hätten; denn es passt dort nicht gut hinein.
Ich fasse zusammen. Gerade das Integrationsgesetz behandelt ein überaus wichtiges Thema, das eine Mal mit guten Aussagen und Feststellungen, das andere Mal mit selbstverständlichen Regelungen, aber auch mit befremdlichen, etwas überbürokratischen Vorschlägen.
Herr Kollege Seidenath, ist Ihnen aufgefallen, dass wir den Landesbeauftragten für Integration vom Feigenblatt zu Kompetenz wandeln wollen? Ist Ihnen aufgefallen, dass es auch bei uns um Menschen geht? Wenn wir sagen, dass wir Integrationszentren haben wollen, dann deshalb, um die Menschen zu erreichen, die im flachen Land von der Integration derzeit abgeschnitten sind. Ist Ihnen aufgefallen, dass auch da Menschen agieren?
Herr Seidenath, Sie können die Hauptschule noch so schön umbenennen oder noch zwanzigmal anders benennen - es bleibt für die Migrantenkinder, die in der Hauptschule bleiben müssen, weil sie den Sprung aufs Gymnasium oder auf die Realschule nicht schaffen, ein bildungspolitischer Nachteil. Da können Sie sich winden, wie Sie wollen. Den Nachteil haben Sie zu verantworten, weil die Schulen so starr sind.
Herr Seidenath, Sie haben gut geredet. Aber mich würde interessieren, warum heute der Landesbeauftragte für Integration nicht reden durfte. Der versteht doch wirklich etwas davon.
Liebe Frau Ackermann, da werden wir nicht zu einem Konsens kommen. Wenn Sie sagen, dass Leute auf dem Land von der Integration abgeschnitten sind, dann ist das falsch. Sie haben vorhin davon gesprochen, dass Asylbewerber zwangsernährt werden. Auch das ist einfach falsch.
Sie wollen hier immer wieder den Eindruck erwecken, dass die Verhältnisse in den Gemeinschaftsunterkünften menschenunwürdig, inhuman seien. Auch dies ist aber zu großen Teilen falsch. Was Sie da sagen, können wir so nicht stehenlassen.
Deswegen bleibe ich dabei, dass unsere Integrationspolitik gut ist. Denn es geht uns insgesamt um die Menschen. Ich freue mich deshalb auf die Diskussion im Ausschuss.
Die überbordende Bürokratie, die das Ergebnis vieler Teile Ihres Gesetzentwurfs sein würde - gerade auch im Bereich der Asylbewerber, auf den ich jetzt nicht eingegangen bin -, steht einer weitergehenden Integration entgegen. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich in unserer ausgewogenen Diskussion viele Punkte genannt habe, die gut sind, aber auch viele Punkte, die nicht gut sind. Alle Punkte werden wir im Ausschuss beleuchten.
Bevor ich Frau Zacharias für die SPD aufrufe, bringe ich nach der Sommerpause in Erinnerung, wie die Regeln sind. Eine Antragstellerin/ein Antragsteller hat fünf Minuten Redezeit für die Begründung ihres/seines Gesetzentwurfs. Fünf Minuten stehen für die Aussprache zur Verfügung. Wenn Antragstellung und Aussprache als etwas Zusammenhängendes angekündigt werden, handelt es sich um zehn Minuten. Ansonsten bleibt es nach wie vor bei fünf Minuten.
Frau Präsidentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! 2,4 Millionen Menschen in Bayern haben Migrationshintergrund. Integration ist ein Megathema. Das hat Martin Neumeyer schon häufig gesagt. Ich kann ihn nur wiederholen.
Die Frage ist aber: Wie stark ist denn bei euch die Integration ein Megathema? Ist es bei euch nach wie vor nur ein Stammtischthema? Ist es ein Thema in den Zeltfesten? Oder macht ihr auch handfeste Politik? - Da muss ich sagen: Herzlichen Dank, liebe GRÜNE, dass ihr den politischen Herbst 2012 mit diesem wunderbaren Gesetzentwurf bereichert. Herzlichen Dank, liebe Margarete Bause, liebe Renate Ackermann! Das Gesetz ist eine wunderbare Matrix, eine wunderbare Matrize für euere und unsere, also für eine rot-grüne Integrationspolitik, die wir spätestens im Herbst 2013 genau so umsetzen werden.
Liebe CSU, und besonders lieber Herr Seidenath, Sie haben eben, wie ich finde, nicht gut gesprochen, wenn ich das so sagen darf. Sie haben gesagt, Sie finden die Debatte zur Integration tendenziell langweilig, wenn ich Sie zitieren darf. Lieber Herr Seidenath, wenn ich Ihrer Langeweile auf die Sprünge helfen darf: Wie wäre es denn mit eigenen Änderungsanträgen?
Sie haben bereits im Frühjahr letzten Jahres von uns einen Gesetzentwurf bekommen, über den wir hier lang und breit, tiefsinnig und manchmal auch weniger tiefsinnig debattiert haben. Von Ihnen allen kam kein einziger Änderungsantrag, aber es kamen große Ausführungen, wie megagroß das Thema sei. Zum Integrationsgesetz der SPD-Landtagsfraktion haben Sie im letzten Jahr nicht einen einzigen Änderungsantrag gestellt. Das Leben ist aber gerecht und bunt, und auch für Sie gilt: Jeder Mensch hat eine zweite Chance. Lieber Herr Seidenath, liebe CSU-Fraktion, ich freue mich auf euere Anträge zu dieser Angelegenheit. Das Integrationsgesetz setzt die richtigen Akzente. Wir als SPD-Fraktion werden selbstverständlich die Schwerpunkte genauso unterstützen. Ich freue mich außerordentlich auf die Änderungsanträge, die wir dann debattieren dürfen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die FREIEN WÄHLER betrachten die Integration als eine der wichtigsten Zu
kunftsaufgaben, denen wir uns stellen müssen. Bereits im Januar 2012 wurde der Nationale Aktionsplan Integration von der Bundesregierung verabschiedet. Dieser soll die Chancen von Migranten auf Teilhabe an der Gesellschaft vergrößern. Einigkeit besteht, so glaube ich, auch in diesem Hause darin, dass deutsche Sprachkenntnisse unerlässliche Voraussetzung für berufliche und soziale Integration sind. Dies steht auch so in den Handlungsempfehlungen des Bayerischen Integrationsrates mit dem Titel "Durchgängige Sprachförderung" vom 06.09.2012. Ziel eines gelungenen gesellschaftlichen Integrationsprozesses ist es, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen.
Das Thema Integration ist uns so wichtig, dass es von allen Fraktionen gemeinsam und in Einigkeit behandelt werden müsste, wie wir es zum Beispiel im Falle der Inklusion gemacht haben. In der "Bayerischen Staatszeitung" wird Martin Niemeyer