Artikel 73, wonach über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet, dient dem Schutz des parlamentarischen Budgetrechts und ist nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, was ich persönlich bedauere, weit auszulegen. Das betrifft auch solche Vorhaben, die auf den Gesamtbestand des Staatshaushalts in nicht unwesentlichem Maße Einfluss nehmen und demnach das Gleichgewicht des Haushalts stören könnten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird man bei der Höhe der Mittel, um die es hier geht, wohl nicht bestreiten können. Interessant ist die von den FREIEN WÄHLERN aufgeworfene Frage aber schon, ob der Staatshaushalt überhaupt tangiert ist, überhaupt tangiert sein kann, weil Studienbeiträge eben keine Staatseinnahmen, sondern Einnahmen der Körperschaften, also der Hochschulen, sind. Darauf
kommt es meines Erachtens im Ergebnis aber wohl nicht an, weil die Erhebung von Studienbeiträgen zu einer Entlastung des Staatshaushalts führt. Der Staat ist wegen Artikel 138 der Bayerischen Verfassung verpflichtet, die Finanzierung der Hochschulen zu gewährleisten. Außerdem sind Hochschulen nicht nur berechtigt, sondern sie sind sogar dazu verpflichtet, Studienbeiträge zu erheben. Der Staat bedient sich der Hochschulen, um seiner grundsätzlichen Finanzierungsverantwortung gegenüber den Hochschulen nachzukommen. Ich fürchte, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof so argumentieren wird. Wenn er seine Rechtsprechung nicht gänzlich umwirft, wird er jedenfalls so argumentieren.
Deshalb ist, fünftens, die Konsequenz daraus, dass ein Volksbegehren mit dem Ziel der Abschaffung der Studienbeiträge nicht zum Ziel führen kann, solange Artikel 73 nicht geändert wird und die weite Auslegung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof bleibt. Das ist der Grund, warum die SPD die Initiative der FREIEN WÄHLER nicht unterstützt hat, obwohl sie leidenschaftlich gegen die Erhebung von Studienbeiträgen ist. Weil das so ist, meine Damen und Herren, sehen wir uns in der Abstimmung gezwungen, uns der Stimme zu enthalten, und zwar nicht deshalb, weil wir keine Meinung zur Frage der Erhebung von Studienbeiträgen hätten. Dazu haben wir sehr wohl eine Meinung, vielleicht schon länger als andere, die jetzt das Volksbegehren initiiert haben; ich sage das nur in Klammern und nicht sehr ernst gemeint. Wir haben sehr wohl eine Meinung zur Sache selbst, halten aber den hier eingeschlagenen Weg nicht für zielführend. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.
Danke schön, Kollege Schindler. Als Nächste hat sich Frau Kollegin Tausendfreund zu Wort gemeldet. Bitte sehr.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um die Studiengebühren haben wir hier im Landtag schon häufig geführt. Den Koalitionsfraktionen fehlt jedoch die Einsicht. Es liegt doch auf der Hand, dass viel zu viele junge Menschen durch diese finanzielle Hürde vom Studium abgehalten und ausgegrenzt werden. Studiengebühren sind ungerecht und unsozial und lösen nicht die Probleme der chronisch unterfinanzierten Hochschulen.
Wenn die Einsicht bei CSU und FDP weiterhin fehlt, davon ist wohl auszugehen, müssen wir eben auf den
15. September 2013, den Termin der Landtagswahl setzen. Denn die Studiengebühren werden wegen der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und natürlich der mangelnden Einsicht der Koalitionsfraktionen nur durch einen Machtwechsel im Landtag einkassiert werden können.
In mehreren Entscheidungen - jetzt wieder zum Verfassungsgericht zurück und zu dem, was wir heute zu entscheiden haben - hat das Verfassungsgericht Volksbegehren nicht zum Volksentscheid zugelassen, weil sie mit finanziellen Auswirkungen auf den Staatshaushalt verbunden gewesen wären. So zuletzt das Transrapid-Volksbegehren. Dieses Volksbegehren wurde zurückgewiesen, obwohl die Beendigung des Projekts sogar mit erheblichen Einsparungen verbunden war. Nach dem Wortlaut der Bayerischen Verfassung sind nur Volksentscheide über den Staatshaushalt ausgeschlossen. Das Verfassungsgericht legt aber den Begriff des Staatshaushalts, wie er in Artikel 73 der Bayerischen Verfassung genannt ist, so weit aus, dass die Veränderung jedes einzelnen Haushaltsansatzes hiervon umfasst wäre. Diese Auslegung widerspricht dem Geist dessen, was Wilhelm Hoegner mit dem Instrument des Volksentscheids erreichen wollte: eine verantwortungsvolle Teilhabe der Bevölkerung an der Gesetzgebung. Das Verfassungsgericht sieht demgegenüber das Budgetrecht des Parlaments quasi als ein Abwehrrecht gegenüber der Bevölkerung, ganz so, als ob das Volk nur Unvernunft im Sinne hätte, die Volksgesetzgebung dem Missbrauch preisgegeben würde, weil sich die Menschen von egoistischen Interessengruppen leiten ließen und dadurch die parlamentarische, die repräsentative Demokratie regelrecht dem Untergang geweiht wäre. Ich halte die Rechtsprechung für falsch, aber ich gehe davon aus, dass die Verfassungsrichter beim Volksbegehren der FREIEN WÄHLER zur Abschaffung der Studiengebühren nicht von ihrer bisherigen Linie abweichen werden, obwohl ich es mir sehr wünschen würde und die verfassungsrechtlichen Argumente für eine Stärkung der Rolle der Volksgesetzgebung meines Erachtens deutlich überwiegen.
Aus der gebotenen Zurückhaltung des Parlaments gegenüber unseren höchsten Richterinnen und Richtern wird sich die Fraktion der GRÜNEN zu der Frage, ob das Volksbegehren zugelassen werden muss, heute enthalten. Denn es gibt diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs. Heute im Ausschuss ist zwar anders argumentiert worden; aber wir haben in der Fraktion noch einmal darüber gesprochen. Wir können über die Rechtsprechung nicht einfach hinweggehen, aber wir wollen daran natürlich etwas ändern. Deshalb verfolgen wir den Weg einer Änderung des Artikels 73 der Bayerischen Verfassung mit einer Klarstellung, dass Volksentscheide auch finanzielle
Auswirkungen haben dürfen. Wenn die Verfassung so geändert wird, dann muss auch das Verfassungsgericht anders entscheiden.
Immer wieder haben wir mit Gesetzentwürfen den Weg aufgezeigt, zuletzt im letzten Dezember. Auch dieser Gesetzentwurf ist abgelehnt worden. Aber wir werden weiter daran arbeiten; denn die bestehende Einschränkung führt dazu, dass die Palette der Themenbereiche, zu denen Volksentscheide überhaupt stattfinden können, minimal ist. Diesen Schutzwall gegenüber der Bevölkerung braucht das Parlament nicht. Diese Art und Weise der Einschränkung der Volksgesetzgebung beschneidet die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung völlig unnötig.
Auf der kommunalen Ebene - dort sind Entscheide mit finanziellen Auswirkungen möglich - haben die Bürgerinnen und Bürger bereits vielfältig bewiesen, dass sie gut mit dem Geld umgehen können, gerade auch im bildungs- und sozialpolitischen Bereich, besser als ich dies hier im Hause von Regierung und Regierungsfraktionen erlebe. Sonst hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CSU, die Studiengebühren schon längst wieder abschaffen müssen. Sie können heute noch die Chance nutzen und der Eingabe, die gleich noch auf der Tagesordnung steht, zustimmen. Damit hätten wir auch dieses Thema vom Tisch. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade nach dem letzten Beitrag möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, worum es hier geht. Es geht in dieser Debatte nicht um die Frage, ob Studienbeiträge der richtige Weg sind, ob sie ungerecht oder unsozial sind oder nicht; es geht auch nicht um die Frage, ob wir mehr oder weniger direkte Demokratie wollen oder ob die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid, was finanzielle Auswirkungen betrifft, gesenkt werden sollen. All das sind politische Diskussionen, die man führen kann. Was wir heute diskutieren, ist nichts anderes als die Frage, ob das Volksbegehren "Grundrecht auf Bildung ernst nehmen - Studienbeiträge abschaffen!" gegen Artikel 73 der Bayerischen Verfassung verstößt oder nicht.
Artikel 73 der Bayerischen Verfassung sagt sehr klar und sehr deutlich: Über den Staatshaushalt findet kein Volksentscheid statt. Nun kann man natürlich rechtlich argumentieren und fragen, wie der Begriff "Staatshaushalt" auszulegen ist. Aber selbstverständlich gibt
es hierzu eine langjährige Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, die wir zugrunde legen müssen, und vier Fraktionen in diesem Haus wissen das auch. Das bedeutet, dass es nicht nur direkte, sondern auch indirekte Verstöße gibt, es bedeutet, dass die Gesamtstruktur des Haushalts in Betracht zu ziehen ist, und es bedeutet eben auch, dass es nicht darauf ankommt, ob der Anteil am Haushalt 0,35 %, 3,5 % oder 35 % beträgt, es bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um Steuern oder Beiträge handelt, sondern dass es in jedem Fall darauf ankommt, ob es einen Verstoß gegen den Gesamthaushalt darstellt.
Selbstverständlich liegt die finanzielle Verantwortung für die Hochschulen beim Staat. Das ist der maßgebliche Satz, von dem wir hier reden. Wenn man sagt, die Autonomie der Hochschulen bringe das Recht mit sich, diese Beiträge auch zu kürzen, so kann man dem entgegenhalten: Ja, es bringt es mit sich, diese Beiträge kürzen zu können, aber eben nicht, diese Beiträge abzuschaffen. Selbst wenn man das könnte, hätte ich Zweifel, ob man mit diesem Kunstgriff zu einem anderen Ergebnis käme.
Kolleginnen und Kollegen, die rechtliche Lage ist meines Erachtens eindeutig, ob sie uns gefällt oder nicht. Artikel 73 der Bayerischen Verfassung ist eindeutig und sagt: Ein solcher Volksentscheid ist nicht zulässig. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur namentlichen Abstimmung.
Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt in der Drucksache 16/13719 - ich lese kurz vor, denn es ist ja erst heute beschlossen worden -:
Soweit die Beschlussempfehlung. Wenn die Urnen bereitstehen, beginne ich mit der Abstimmung. - Ihnen stehen fünf Minuten zur Verfügung, meine Damen und Herren.
Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung und bitte das Ergebnis außerhalb des Saals zu ermitteln.
Der Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur hat sich in seiner Sitzung am 11. Juli 2012 mit der Eingabe befasst.
Der Ausschuss hat beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären. Die SPD-Fraktion hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen.
Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Ich darf jetzt schon bekannt geben, dass die CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat.
Die SPD. Habe ich etwas anderes gesagt? - Die SPD hat natürlich die namentliche Abstimmung beantragt.
Die SPD hat also die namentliche Abstimmung beantragt und die erste Rednerin ist Frau Kollegin Zacharias. Sie haben das Wort.
Werter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wusste doch, dass es heute noch ein guter Tag wird. Wenn die CSU eine namentliche Abstimmung zur Abschaffung der Studienbeiträge möchte, dann habe ich alles richtig gemacht.
Im Ernst, Kolleginnen und Kollegen, das Thema haben wir heute schon bei der Frage der Zulassung des Volksbegehrens der FREIEN WÄHLER behandelt. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Studiengebühren sind ein riesiges Thema. Sie sind, um bei der Integrationsdebatte zu bleiben, ein Megathema. Dieses Thema wird euch in der CSU und der FDP bis zur Landtagswahl am 15. September 2013 begleiten. Das ist gut so.
Kolleginnen und Kollegen, mein geschätzter Kollege, der Kunst- und Kulturminister Wolfgang Heubisch, hat sich am 13. August dieses Jahres in einem der illustren Sommer-Interviews im "Münchner Merkur" zu der Aussage hinreißen lassen, GRÜNE und SPD würden vor sich hin schlafen. Herr Heubisch, wenn hier irgendjemand schläft, dann sind Sie es, Wolfgang Heubisch. Sie schlafen in der Frage der Abschaffung der Studiengebühren.
möchte ich ihn aufrütteln und ihm drei Zahlen nennen. Ich bin einmal gespannt, wie er diese Zahlen widerlegen möchte. Mit diesen Zahlen werden die Feststellungen, die mein Kollege Franz Schindler eben gemacht hat, klar bestätigt: Die Studiengebühren sind und bleiben unsozial, sie selektieren, sie benachteiligen bildungsfernere Schichten, sie benachteiligen jene, die das Geld dafür nicht aufbringen wollen oder die keine Schulden machen wollen. Sie benachteiligen junge Familien. Wenn beide, Frau und Mann, ein Darlehen aufgenommen haben, starten sie mit Schulden und sollen dann noch, was wir alle wollen, Kinder bekommen. Verschuldet gründet keiner eine Familie. Das ist doch wohl logisch.