Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

und der Begründung eines rechtlichen Interesses. Die gesetzlichen Vorschriften hierzu sind breit gefächert in unterschiedlichen Fachgesetzen versteckt. Eine Ausnahme macht das Umweltinformationsgesetz, und hier sind die Erfahrungen positiv.

Um die gewünschte Information zu erhalten, bedarf es also juristischer Kenntnisse. Stellen wir uns - das ist auch an die Adresse der FDP gerichtet - den mündigen Bürger so vor, dass seine Mündigkeit erst durch die Erlangung juristischer Grundkenntnisse begründet oder gar definiert wird? Schaffen diese Akteneinsichtsrechte denn nicht vielmehr Barrieren und entmutigen Informationswillige und Informationsinteressierte? Muss man denn ein Anwalt oder ein Mitglied des Bayerischen Landtags sein oder sich an Insider wenden? Entsteht da nicht schon im Ansatz der Verdacht des Verweilens von Sonderwissen bei "denen da droben"?

Kolleginnen und Kollegen, fehlende Transparenz führt in unserem System zu einem Demokratiedefizit und, daraus abgeleitet, nicht nur zu Behördendemokratie, sondern auch zu Politikverdrossenheit. Darunter haben wir alle zu leiden. Amtsverschwiegenheit und Amtsgeheimnis werden zunehmend als Bastion der Macht und deren Handhabung zuweilen als staatliche Willkür empfunden. Unser Entwurf eines Bayerischen Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzes schafft eine verbindliche Grundlage, um für alle nachvollziehbar behördliches Handeln darzustellen. Es dient auch - und vornehmlich - zum Schutz der Behörden und von deren Beschäftigten. Zum einen wollen wir mit unserem Gesetzentwurf langfristig Bürokratie abbauen. Zum anderen würden dadurch keine Verdachtsgrundlagen mehr für Mutmaßungen geschaffen, dass irgendwo irgendetwas nicht stimmt. Daseinsvorsorgeverträge müssen auf den Tisch. Eventuelle Verdachtsmomente für Korruption und Sonstiges kommen dann schon gleich gar nicht auf. Darüber hinaus hat die Verwaltung die Chance, öffentliche Kompetenz im Umgang mit diesen Themen zu dokumentieren.

Insgesamt dient unser Gesetzentwurf der Bildung des Bewusstseins, dass die öffentliche Verwaltung Dienstleister für die Öffentlichkeit ist. Unser Gesetzentwurf ist auch eine Herausforderung für interessierte Bürger und Bürgerinnen, die zukünftig ohne Weiteres selbstständig Informationen erheben und so die Verwaltung entlasten könnten. Durch die von uns statuierte proaktive Veröffentlichungspflicht, das heißt eine Verpflichtung der Behörden zur Einstellung von Entscheidungen, Statistiken und sonstigem Material in ein allgemein zugängliches Informationsregister, wird klar, dass die öffentliche Verwaltung tatsächlich Dienstleister für die Öffentlichkeit ist.

Des Weiteren sehen wir einen individuellen Auskunftsanspruch vor, regelmäßig kostenfrei und allenfalls begrenzt durch Gebühren am Maßstab der tatsächlich angefallenen Kosten vor. Dieser Auskunftsanspruch ist zu gewähren. Nun könnte mit der Formulierung der Eindruck erweckt werden, als würde es in der öffentlichen Verwaltung wie in Sodom und Gomorra zugehen, und es könnte daher die allgemeine Denkweise formuliert werden: Da könnte ja jeder kommen.

Wir legen Wert darauf, dass personenbezogene Daten nicht veröffentlicht werden. Wir lehnen uns damit an das Datenschutzgesetz an. Sollten Dritte von der Veröffentlichung tangiert sein, ist deren Anhörung dringend und zwingend erforderlich.

Darüber hinaus sind Tatsachen zum Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung nicht zu veröffentlichen. Wenn in einer Sache ein Prozess anhängig ist, ist der Sachverhalt nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmt. Auch Verfassungsschutz und Polizei fallen unter die Einschränkung, sodass hier keine Sorgen bestehen müssen, dass einem Informationswildwuchs Tür und Tor geöffnet werden.

Die Vorgänge des behördlichen Entscheidungsprozesses sind von der Veröffentlichungspflicht ebenso ausgenommen. Darunter fallen Entwürfe, Vermerke oder Protokolle von Besprechungen. Allerdings: Die zugrundeliegenden Daten, die allgemein objektiv feststehen, wie Statistiken, Gutachten und Gesetze, müssen veröffentlicht werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, zu wissen, anhand welchen Datenmaterials Entscheidungen gefällt werden.

Ganz wichtig ist auch die Ausnahme, dass geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht veröffentlicht werden dürfen. Das ist ganz klar. Aber auch hier gibt es wieder Ausnahmen: Sollten geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Grundlagen oder Instrument zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sein, ist dies selbstverständlich veröffentlichungspflichtig. Es geht nicht, wie in der Vergangenheit bei Müller-Brot geschehen, Kolleginnen und Kollegen, dass sich jemand auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis berufen kann, während gleichzeitig die Staatsanwälte ein- und ausgehen und eine Ordnungswidrigkeit nach der anderen feststellen. Das verstehen wir darunter nicht.

Ablehnende Bescheide zu Auskunftsbegehren sind sachgemäß und nicht formblattmäßig zu begründen und mit Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Die Rechtsweggarantie mit Widerspruch und Klagerecht

in Form der Verpflichtungsklage wird in unserem Gesetzentwurf eingeräumt.

Es wird aber auch die Möglichkeit eingeräumt, dass sich Verwaltungen überlastet sehen. Das haben wir erkannt. Es gibt auch den Ablehnungsgrund "übermäßiger Verwaltungsaufwand". Dieser muss aber, bitte schön, ausführlich begründet werden und kann nicht als formblattmäßige Floskel angegeben werden.

Beim Beauftragten für den Datenschutz wollen wir einen Beauftragten für Transparenz- und Informationsfreiheit installieren. Bei Unstimmigkeiten kann er konsultiert werden. Als unabhängige Institution hat er ein Beanstandungsrecht gegenüber behördlichen Entscheidungen. Alle zwei Jahre hat er dem Landtag und der Staatsregierung einen Tätigkeitsbericht vorzulegen und eventuelle Verbesserungsvorschläge vorzubringen, und zwar auch deswegen, weil wir in unserem Gesetzentwurf eine Evaluationspflicht vorsehen, die es dem Parlament gebietet, nachzuschauen, welche Auswirkungen unsere Gesetzgebung hat.

Wir haben die Informationsfreiheit in Europa statuiert. Elf Bundesländer haben in diesem Zusammenhang Gesetze geschaffen. 47 bayerische Kommunen haben sich schon dazu durchgerungen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Rechtsordnung dadurch nicht zusammenbricht, im Gegenteil: Es ist eine Stärkung, es ist ein Bekenntnis dazu, dass wir offen und transparent sind.

Meine Kolleginnen und Kollegen, der voraussetzungslose Zugang zu öffentlichen Informationen und Daten ist für Bayerns Bürgerinnen und Bürger ein elementarer, zukunftsweisender und nachhaltiger Beitrag, ja ein Pflichtbaustein, ein Pfeiler für Bürgerbeteiligung, zur Mitgestaltung und Kontrolle und Gewährleistung und Optimierung unserer Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen wünschen wir uns, dass dieses Gesetz in Gang gesetzt wird.

Ich richte meinen Appell an die FDP, die sich als die Partei der Informationsfreiheit bezeichnet. Sie hat aber unsere früheren Gesetzesinitiativen immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen gestoppt, die weniger nachvollziehbar sind. Auf ihrer Internetseite hat die FDP am 22.08.2012 veröffentlicht:

Informationsfreiheit stärken. Die Kommission für Informationsfreiheit hat mit der Stiftung für die Freiheit in Bangladesch einen Kooperationsvertrag geschlossen. Sinn und Zweck ist, die Zusammenarbeit zu fördern und die Umsetzung

eines 2009 in Bangladesch eingeführten Informationsfreiheitsgesetzes zu verbessern.

Kolleginnen und Kollegen von der FDP, handeln Sie nicht nur in Bangladesch, sondern handeln Sie sinnvoll auch hier in Bayern, dann hat es auch für unsere Bürgerinnen und Bürger einen Sinn!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Danke schön, Herr Kollege. Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die CSU-Fraktion zum Tagesordnungspunkt 3, Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Unschädlichkeitszeugnisgesetzes, namentliche Abstimmung beantragt hat.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Ohne Aussprache! Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Einstimmig war das!)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Petra Guttenberger von der Christlich-Sozialen Union. - Bitte schön, Frau Kollegin. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den 25. Oktober. Warum fällt mir wohl der Liedtext "Alle Jahre wieder" ein? - Alle Jahre wieder kommt ein Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes, und immer wieder kommt die Behauptung, es gäbe in Bayern keine Transparenz und nur mit einem einheitlichen Informationsfreiheitsgesetz könnte dieser entsetzliche Missstand behoben werden.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Man muss nur anrufen!)

Durch ständige Wiederholung wird diese Behauptung nicht richtiger. Sie negieren dabei, dass es in der Gesetzgebung zwei Denkmodelle gibt. Man kann zunächst allgemeine Zugänge schaffen, um sie dann ganz massiv einzuschränken, wie es dieser Gesetzentwurf der SPD tut, oder man macht es so, wie wir es hier in Bayern mit Erfolg seit vielen Jahren praktizieren:

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Wir rufen einfach an! Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir lassen in den jeweiligen Fachgesetzen ganz gezielt Informationsfreiheit zu. Jetzt kommt wieder die Frage nach dem Wo, auch das alle Jahre wieder. Ich nenne den Artikel 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, das Informationsgesetz des Bundes im Zu

sammenhang mit der Umwelt, das Umweltinformationsgesetz des Freistaates Bayern, den Artikel 54 Absatz 3 der Bayerischen Gemeindeordnung, das Verbraucherinformationsgesetz des Bundes. Zudem gibt es - auch das wird immer wieder negiert - nach dem Rechtsstaatsprinzip bereits heute unabhängig von einer Beteiligung an einem Verfahren einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung, wenn ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft besteht.

(Horst Arnold (SPD): Da haben wir es doch!)

Es geht um ein "berechtigtes Interesse", nicht etwa um ein rechtliches Interesse. Es genügt ein berechtigtes, bloßes ideelles Interesse.

(Horst Arnold (SPD): Noch schlimmer! Es genügt ein berechtigtes, rechtloses Interesse!)

Dieser Anspruch darf nur abgelehnt werden, wenn ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse existiert, das dieser Auskunftserteilung entgegensteht. Diesen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung kann ich vor Gericht geltend machen. Es kommt einem Jedermannsrecht sehr nahe.

Im Übrigen führt auch die SPD in ihrem Entwurf aus, dass Datenschutz und Geheimnisschutzbelange berücksichtigt werden müssen. Ich frage mich ernstlich, wo dieser große Wurf dieses Entwurfs sein soll, aufgrund dessen sich die Transparenz in Bayern gegenüber der bereits jetzt herrschenden Rechtslage wesentlich verbessert.

(Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Für uns ist nicht nachvollziehbar, worin die wesentliche Erweiterung der bereits bestehenden Informations- und Zugangsrechte liegen soll. Insbesondere sagt auch die SPD, dass personenbezogene Daten eines besonderen Schutzes bedürfen.

Missbrauch muss natürlich ausgeschlossen werden. Wir sagen, Missbrauch kann dadurch ausgeschlossen werden, dass Anfrager und Anfragerinnen ausgeschlossen werden, die kein berechtigtes Interesse geltend machen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das lässt sich alles mit einem Anruf klären!)

Wir sind der festen Überzeugung, dass der von Bayern beschrittene Weg den Bürgerinnen und Bürgern und den schutzbedürftigen Interessen anderer den angemessenen Stellenwert zubilligt. Wir sehen in diesem Gesetzentwurf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als nicht hinreichend geschützt.

Da es bereits heute eine Vielzahl von Zugangsmöglichkeiten gibt und man den Weg gewählt hat, Erlaubnistatbestände für den Zugang zu schaffen, während Sie Verbotstatbestände für den Nichtzugang schaffen wollen, ohne ein Mehr an Transparenz zu ermöglichen, weiß ich nicht, warum wir diesem Gesetzentwurf zustimmen sollten. Es wird teurer. Es ist ein hoch bürokratischer Entwurf, und es wäre ein hoch bürokratisches Verfahren, das dem Interesse des Bürgers an Transparenz absolut zuwiderliefe. Deswegen werden wir diesen Entwurf - alle Jahre wieder - ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächster hat Herr Kollege Florian Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt: Alle Jahre wieder, und es muss auch alle Jahre wieder gesagt werden. Mittlerweile ist von jeder Fraktion der Opposition ein Antrag eingereicht, ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt worden. Das wurde immer wieder auf Betreiben einer Fraktion abgelehnt. In diesem Zusammenhang muss ich den Herrn Kollegen Dr. Fischer lobend erwähnen, der unser Freiheitsinformationsgesetz positiv hervorgehoben hat, aber leider in der Koalitionsdisziplin gefangen ist.

Meine Damen und Herren, die Mehrheit in diesem Haus wünscht sich ein solches Gesetz. Aber von der CSU wird es immer weiter verhindert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, die Existenzberechtigung aller öffentlichen Gewalt ruht in der Verwirklichung des Gemeinwohls. Hier müssen wir fragen: Dient dieses Gesetz dem Gemeinwohl? Denn auf keinen Fall darf zugelassen werden, dass die Staatsgewalt dem Vorteil eines Einzelnen oder auch einer Gruppe dient. Sie hat vielmehr der Allgemeinheit und jedermann zu dienen. Wir wollen ja, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen, dass sie aktiv an unserer Demokratie teilnehmen, dass sie auch aktiv Verantwortung übernehmen. Aber Verantwortung kann ich nur übernehmen, wenn ich auch die nötigen Informationen habe, wenn ich das Wissen habe. Eine Politik des Vorenthaltens von Wissen, eine Politik des Herrschaftswissens entmündigt letztlich unsere Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Das muss ein Ende haben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Nur wenn ich weiß, worum es geht, kann ich auch mitentscheiden und die Entscheidungen mittragen. Das ist ein aktiver Beitrag zur Beseitigung von Politikverdrossenheit. Warum sind die Menschen politikverdrossen? - Weil sie nicht wissen, auf welchen Grundlagen die Politik basiert, warum so entschieden wird, wie entschieden wird. Die Hintergründe werden nicht offengelegt. Deswegen: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu.

Meine Damen und Herren, es ist auch Aufgabe dieses Hauses und unserer Bürgerinnen und Bürger in Bayern, das staatliche Handeln zu kontrollieren. Das kann ich aber nur, wenn die Tatsachen transparent auf dem Tisch liegen, wenn sie durchschaubar sind und wenn man erkennen kann, worum es geht. Deswegen sehen wir einen positiven Ansatz in diesem Gesetzentwurf und begrüßen den weiteren Vorstoß der SPD. Allerdings muss ich auch sagen: Dies ist nicht nur ein Freiheitsinformationsgesetz, sondern auch ein Transparenzgesetz, das neue Aspekte mit einführt, zum Beispiel ein Informationsregister. Ich halte es für eine pfiffige und interessante Idee, dass man nicht erst aktiv nachfragen muss, sondern dass man Informationen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, von vornherein öffentlich macht, sodass sie zugänglich sind.