Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

Überschriften, die seine abrupten Kehrtwenden beschreiben, Überschriften, die die Politik der Kanzlerin kritisieren, Überschriften, die die eigene Koalition in Berlin und in München infrage stellen, Überschriften, die den politischen Mitbewerber in der eigenen Koalition - die FDP - attackieren, und Überschriften, die immer wieder Parteifreunde, auch und gerade im negativen Kontext, zum Thema haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den Erfahrungen hier im Bayerischen Landtag wissen wir, wie Herr Seehofer dies zelebriert. Wir haben das gerade wieder im Steinernen Saal beobachten können.

Am Beginn von Plenarsitzungen füttert Herr Seehofer vor dem Plenarsaal die Journalisten mit wichtigen Details, gelegentlich über die schlechte Arbeit von Kabinetts- und Fraktionskollegen, während diese in Regierungserklärungen zeitgleich Blut und Wasser schwitzen. Wenn Herr Seehofer den Eindruck hat, die Botschaften einer Klausurtagung oder eines Parteitags reichten nicht aus, trommelt er die Journalistenschar zu deren Überraschung auch schon einmal am Beginn oder am Ende zusammen, um ihnen Nachfolgeszenarien oder andere wichtige Botschaften zuzuflüstern.

Meine Damen und Herren, ein Parteichef, der es sich regelrecht zum Hobby macht, sogar die eigenen Leute bei den Medien anzuschwärzen und in ein schlechtes Licht zu stellen, wird mit Blick auf die politische Konkurrenz, die Bayern-SPD, gewiss keine Beißhemmung haben und einen zurückhaltenderen Stil pflegen. So viel scheint festzustehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Reserl Sem (CSU): Unterstellungen!)

So fügt es sich zu einem in sich stimmigen Bild zusammen: Der Anruf beim ZDF war kein Ausrutscher. Der Anruf beim ZDF war nicht das Ergebnis der Arbeit eines übereifrigen Mitarbeiters, sondern Ausdruck der Pressestrategie von Herrn Seehofer. Weil dies so ist, handelt es sich nicht um eine Affäre Strepp, vielmehr haben wir es mit einer handfesten Causa Horst Seehofer zu tun.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN - Alexander König (CSU): Schreiben Sie das selber, oder hat das einer aufgeschrieben?)

Für eigenartig, aber passend zu dem Bild der überheblichen Staatspartei halte ich die Wortwahl von Herrn Seehofer in seiner ersten Reaktion auf die Affäre. Er sagte, dass er eine Einflussnahme für falsch halte. Es widerspreche der Grundhaltung seiner Partei. Die CSU sei eine tolerante Partei. Man höre und staune. Die gute alte Staatspartei CSU toleriert

Grundrechte wie die Presse- und die Meinungsfreiheit. Die Staatspartei CSU steht den in Artikel 5 des Grundgesetzes und in den Artikeln 111 und 111 a der Bayerischen Verfassung verbürgten Grundrechten auf Presse- und Meinungsfreiheit tolerant gegenüber. Herr Seehofer, nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Die CSU und auch Sie selbst haben wie alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes die Grundrechte nicht nur zu tolerieren, sondern zu respektieren, zu achten und danach zu handeln. Das gilt für Sie persönlich, und das gilt auch für Ihre Partei.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Das grenzt an Frechheit! - Reserl Sem (CSU): Unglaublich!)

Es geht Ihnen überhaupt nicht um die Grundrechte. Es geht Ihnen auch nicht um Werte, es geht Ihnen um Macht. Es geht Ihnen ausdrücklich um den blanken Erhalt Ihrer eigenen Macht. In diesem Zusammenhang scheint Ihnen offensichtlich jedes Mittel recht zu sein.

(Georg Schmid (CSU): Da reden die Richtigen!)

Eines wird in diesen Tagen wieder besonders deutlich. Die CSU hat sich keineswegs zu einer weltoffenen modernen Partei entwickelt. Nein, bei ihr handelt es sich immer noch um die alte Staatspartei, die den unverhohlenen Anspruch hat, alle gesellschaftlichen Bereiche zu dominieren und für sich zu vereinnahmen. Dazu gehört der vorpolitische Raum, das Verbandswesen genauso wie der Einfluss auf die Medien. Die Tradition geht zurück bis auf Franz Josef Strauß. Wir erinnern uns daran, dass sich 1986 der Bayerische Rundfunk für die Dauer der Ausstrahlung des Kabarettformats "Scheibenwischer" aus dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD ausgeblendet hat. Die Staatsregierung hatte damals wegen des angeblich bayernfeindlichen Programms protestiert und interveniert.

Wir müssen aber gar nicht so lange zurückgehen, um an den Einfluss der CSU auf die Medien zu erinnern und auch daran, wie selbstherrlich sie bisweilen heute noch damit umgeht. Es ist noch gar nicht lange her, dass wir hier im Bayerischen Landtag zur Kenntnis nehmen mussten, dass der CSU-Landtagsabgeordnete und Medienratsvorsitzende Klaus Kopka von einem Medienunternehmer, den er selbst als oberster Medienwächter beaufsichtigen sollte, Privatkredite in sechsstelliger Höhe angenommen hat. Das war in den Jahren 2009 und 2010.

Im Jahr 2011 ist die rechte Hand von Horst Seehofer, der CSU-Vorsitzende in Oberbayern und Staatskanzleiminister Siegfried Schneider, ein bis dahin medienpolitisch völlig unbeschriebenes Blatt,

(Widerspruch bei der CSU)

direkt von der Machtzentrale in der Staatskanzlei in die oberste Medienaufsicht in der Landeszentrale für neue Medien gewechselt, um dort den CSU-Einfluss geltend zu machen. Der lange Arm der CSU reicht weit.

Meine Damen und Herren, ein Glück, dass wir in Bayern unabhängige Journalisten haben, die sich dieser Einflusssphäre der CSU konsequent entziehen und eine unabhängige, kompetente und freie Berichterstattung gewährleisten.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Man kann dem ZDF nur dafür danken, dass es den Angriff auf die Pressefreiheit abgewehrt hat. Die CSU hätte aus dem Fall Christian Wulff lernen können, dass der Versuch, unliebsame Berichterstattungen zu verhindern, scheitern muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rundfunk, Presse und andere Medien müssen darauf vertrauen können, dass sie ihre Tätigkeit frei ausüben können. Dazu gehört das unzensierte Veröffentlichen von Informationen und Meinungen. Wenn die CSU nun in der beschriebenen Weise zu unlauteren Mitteln greift, tut sie es nur, weil sie spürt, dass die vielen Kurswechsel der letzten Wochen, Monate und im Jahr 2013 für den Machterhalt nicht ausreichen werden. Wehrpflicht, Europapolitik, Energiewende, G 8, G 9, Donauausbau, jetzt die Studiengebühren und auch die Vorwegnahme eines Großteils der SPD-Programmatik werden der CSU nichts nützen. Nein, diese arrogante Intervention der CSU beim Zweiten Deutschen Fernsehen zeigt, dass die CSU die Erfahrung der Opposition benötigt, damit sie endlich von ihrem hohen Ross herunterkommt.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Sinner. Ihm folgt Herr Kollege Aiwanger. Herr Sinner, bitte schön.

(Inge Aures (SPD): Der benutzt ein iPad! Ist das überhaupt erlaubt? - Zurufe von der SPD: Dazu braucht er eine Genehmigung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mit Erlaubnis des Präsidenten das iPad mitgenommen, weil ich zitieren will, was teilweise zu diesem Vorgang gesagt wurde.

Welchen Präsidenten Sie um Erlaubnis gebeten haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir haben aber im Präsidium darüber gesprochen und waren uns einig, dass man das nicht zulassen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Dann zitiere ich aus dem Kopf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Augenblick die Medientage -

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn er es nicht angesprochen hätte, hätten wir es toleriert. Jetzt kommen wir aber bitte zur Sache.

Während der Medientage hat es eine Debatte über die Freiheit und die Regulierung von Medien gegeben. In diesem Zusammenhang hat auch der Ministerpräsident ein klares Bekenntnis zum Medienstandort Bayern, zur Medienfreiheit und zur Pressefreiheit abgegeben. Herr Kollege Rinderspacher, Sie mussten schon sehr weit zurückgehen, um Fälle aufzugreifen, die relevant sind.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN - Harald Güller (SPD): Keine 24 Stunden! - Hans Joachim Werner (SPD): Hundert Jahre!)

Wenn Journalisten und das ZDF unabhängig sind, was ich deutlich unterstreiche, und wenn das ZDF entsprechend reagiert hat, dann hätte es auch in früheren Fällen so wie jetzt reagiert. Sie können hier keinen Fall auftischen. Der Kollege Strepp, den ich seit vielen Jahren kenne, hat die Konsequenzen gezogen, nachdem der Fall nicht aufzuklären war. Herr Kollege Aiwanger, bei Twitter habe ich Folgendes gelesen und ich bleibe jetzt bei diesem Fall Strepp. Der Pressesprecher der CSU-Landtagsfraktion twittert, dass er mit der S-Bahn nicht kommen könne, weil es einen Selbstmordfall gab. Die FREIEN WÄHLER auf Bundesebene twittern dagegen: "Hoffentlich war es kein CSU-Pressesprecher."

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das stimmt überhaupt nicht! Das ist mittlerweile geklärt, dass es ein Fake war! Hören Sie auf zu lügen!)

Ich kann es Ihnen hier vorführen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie lügen!)

Das zeigt, dass wir einen Stand der politischen Kultur erreicht haben, der so nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄHLERN: Lüge!)

Es hat ein Anruf stattgefunden. Ich bleibe jetzt bei diesem Fall. Ich habe gestern schon bei den Medientagen gesagt, dass dieser Anruf dämlich war. Das ZDF hat professionell reagiert. Der Fall ist nicht aufzuklären, weil sich zwei Aussagen gegenüberstehen. Nachdem sich zwei Aussagen gegenüberstanden, hat der Pressesprecher die Konsequenzen gezogen.

(Natascha Kohnen (SPD): Es gab eine zweite SMS!)

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Der Ministerpräsident und Parteivorsitzende hat dieses Rücktrittsangebot angenommen. Es hat keine andere Lösung gegeben. Ich sage auch, dass dieser Fall aufgeklärt werden muss. Dafür gibt es aber genügend Gremien, damit klar wird, was letztendlich passiert ist. Angesichts dieser Situation war aber keine andere Lösung möglich.

Herr Kollege Rinderspacher, Sie unterstellen dem Ministerpräsidenten,

(Markus Rinderspacher (SPD): Das war naheliegend!)

dass der Pressesprecher beauftragt wurde. Das ist hanebüchen, das ist Science Fiction. Darin sind Sie gut, in der Realität sind Sie völlig daneben.

(Harald Güller (SPD): Es ist doch naheliegend, dass der CSU-Vorsitzende das macht! - Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Die Geschichten kennen wir doch alle!)

Es macht überhaupt keinen Sinn, einen erfolgreichen Parteitag vom Wochenende mit einer großen Berichterstattung - Sie haben recht: Wir machen die Schlagzeilen, Sie machen ab und zu eine Fußnote

(Widerspruch bei der SPD)

durch einen Angriff auf das ZDF infrage zu stellen, weil in "heute" 45 Sekunden lang über Ude berichtet wird.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie bestätigen uns mit Ihren eigenen Worten!)

Das ist im Grunde genommen kein Problem.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört! Im Grunde ge- nommen!)