Es ist also wichtig, Zeitzeugen im Unterricht einzusetzen, auch Zeitzeugen aus der Nachkriegszeit. Ich kenne Projekte, in deren Rahmen ehemalige Schüler der Adolf-Hitler-Schulen an den Schulen waren und über diese Zeit berichtet haben. Auch die DDR-Vergangenheit wurde hier schon einmal diskutiert.
Wer sich darüber informieren will, wer Empfehlungen braucht, der kann auf der Internetseite des Instituts für Schulpädagogik nachsehen. Da gibt es ein Historisches Forum Bayern, da gibt es Zeitzeugenlisten, da gibt es eine Zeitzeugenbörse. Da kann man sich überall schlau machen.
Ich denke, für uns als Bildungspolitiker ist es wichtig, die Vorbereitung und die Einbettung dieser Zeitzeugen im Unterricht im Auge zu haben. Sie erfordert Mehrarbeit von Lehrern und Lehrerinnen, sie erfordert pädagogisches Know-how; denn es geht darum, den Jugendlichen die historische Dimension, in der dieser Zeitzeuge gelebt hat, zu vermitteln, und es geht darum, so etwas nicht nur einmalig, sondern nachhaltig als Projekt zu organisieren. Zeitzeugenarbeit muss auch ständiges Thema in der Lehrerfortbildung sein.
Ich halte nichts davon, dass wir im Landtag vorschreiben oder empfehlen, wer als Zeitzeuge für den Unterricht eingeladen werden soll. Wir haben diese Debatte schon vor gut einem Jahr geführt; damals ging es auf Antrag der FDP um Zeitzeugen aus der DDR. Ich halte auch nichts davon, dass wir Zeitzeugen danach benennen, welches Thema uns politisch besonders wichtig ist oder mit wem wir gerade irgendwelche Gespräche geführt haben. Die Schulen sind in der Lage, die Zeitzeugen zu finden und das alles zu organisieren. Schließlich ist dafür auch eine besondere Unterrichtssituation notwendig.
Unsere Aufgabe ist es, die Schulen in die Lage zu versetzen, gute Zeitzeugenarbeit zu leisten. Das ist Aufgabe der Bildungspolitik. Deswegen ist der vorliegende Antrag der FREIEN WÄHLER nicht notwendig. Wir lehnen ihn wie alle anderen Fraktionen ab.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die FDP-Fraktion hat nun Kollegin Julika Sandt das Wort. Bitte schön.
Zeitzeugenprojekte haben in der Tat eine wichtige historische und gesellschaftliche Funktion. Wenn Zeitzeugen aus ihrem Leben, von ihren Erfahrungen berichten, dann machen sie Geschichte lebendig und spürbar. Deshalb macht sich die FDP-Fraktion für Zeitzeugenprojekte stark. Den Schwerpunkt bilden die Opfer des NS-Regimes; ich denke, das ist aufgrund unserer Geschichte gerechtfertigt. Wenn man mit Schülern spricht, die Zeitzeugen erlebt haben, stellt man fest, dass die Schilderungen individueller Schicksale Geschichte für Schüler direkt erfahrbar machen. Sie hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Kollege Gehring hat es dankenswerterweise schon erwähnt: Auf meine Initiative hin wurde vor zwei Jahren ein Zeitzeugenprojekt aufgelegt, in dessen Rahmen Stasiopfer in die Schulen gehen. Deren Erfahrungen liegen noch nicht so lange zurück. Sie können direkt berichten, wie es war, in einer Diktatur zu leben, bespitzelt zu werden, unterdrückt und Schikanen ausgesetzt zu sein. All das sind wichtige Maßnahmen zur Demokratieerziehung und zur Wertebildung.
Bislang sind im Zusammenhang mit dem im Antrag beschriebenen Zeitzeugenprojekt "Sudetendeutsche Vertriebene in Bayern" rund 100 Interviews geführt worden. Geplant sind aber 1.000 Interviews. Man kann nur hoffen, dass das noch umgesetzt wird. Eine solche Dokumentation über Flucht und Vertreibung als Teil unserer deutschen und europäischen Geschichte ist sehr wichtig. Dieses Hohe Haus hat das Projekt mit rund 90.000 Euro unterstützt.
Es wird nicht mehr lange Menschen geben, die von der Zeit vor der Vertreibung, von dem Zusammenleben in den böhmischen Ländern, von Vertreibung und Neuanfang in Bayern berichten können. Solange sie das aber können, ist die persönliche Begegnung, verbunden mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen, sicherlich die eindrucksvollste Form der Auseinandersetzung. Irgendwann wird es in der Tat nur noch die Möglichkeit der medialen Auseinandersetzung mit dem Thema geben. Deshalb ist diese Dokumentation von wesentlicher historischer Bedeutung.
Das Material ist aber weder didaktisch noch pädagogisch aufgearbeitet. Das ist der Grund, weshalb wir dem vorliegenden Antrag im Moment nicht zustimmen können. Eine solche Aufarbeitung wäre Voraussetzung für den Einsatz in allen Bildungseinrichtungen.
Nur mit einem wirklich umfassenden Konzept könnten wir Ihrem berechtigten Anliegen, dieses Zeitzeugenprojekt auch an Schulen zu bringen, gerecht werden.
Ich bedanke mich dafür, dass Sie Ihren Antrag in einem Punkt schon überarbeitet haben: Es soll nicht vorgeschrieben werden, dass Zeitzeugen an die Schulen kommen müssen, sondern die Lehrer, die Schulen, die Schulfamilie können in eigener Verantwortung darüber entscheiden, wann das der Fall sein soll. Das gilt auch für die Erwachsenenbildung.
Nichtsdestotrotz fehlt im Moment noch das pädagogische Konzept. Das ist der Grund, weshalb wir dem Antrag nicht zustimmen können.
Übrigens wird in dem Kulturkonzept, über das wir morgen im Hochschulausschuss beraten werden, aller Voraussicht nach das Sudetendeutsche Museum berücksichtigt. Das Zeitzeugenprojekt, über das wir heute sprechen, steht im direkten Zusammenhang mit dem Museum. Das Konzept hat Frau Professor Krauss im Auftrag der Sudetendeutschen Stiftung erstellt.
Das Interessante ist, dass nicht nur Sudetendeutsche, sondern auch Tschechen und tschechische Juden diesseits und jenseits der Grenze befragt werden. Beide Seiten sollen zu Wort kommen, da das Projekt die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Es bleibt dabei: Dieser Teil der Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb teile ich das zugrundeliegende Anliegen. Ich rege mittelfristig die didaktische Aufbereitung der Materialien durch die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit an. Aber solange diese Menschen noch leben, müssen die Interviews geführt werden. Das von Marita Krauss gestartete Projekt - erst zehn Prozent sind umgesetzt muss erst zu Ende geführt werden; der nächste Schritt wäre die didaktische Aufbereitung. Bis dahin können wir dem Antrag - jedenfalls in dieser Form nicht zuzustimmen, auch wenn wir das Anliegen der Antragsteller generell teilen. Wir wollen das Ganze in ein didaktisches Gesamtkonzept eingebettet sehen.
Vielen Dank. Bitte bleiben Sie noch, Frau Kollegin. Herr Dr. Fahn hat eine Zwischenbemerkung angezeigt. Bitte schön.
Frau Sandt, Sie wissen, dass ich den Antrag umgearbeitet habe, um Ihr Anliegen einzubeziehen. Warum sprechen Sie davon, es bedürfe einer didaktischen Aufbereitung bzw. es fehle ein didaktisches Konzept? Ich habe doch die Anregungen der FDP aufgenommen und den Antrag ent
sprechend verändert. Das Projekt soll didaktisch aufbereitet und umgesetzt werden - das steht jetzt in unserem Antrag. Die fehlende didaktische Aufbereitung war das einzige Gegenargument, das Sie immer gebracht haben. Das machen wir jetzt. Dennoch wollen Sie unseren Antrag ablehnen. Das versteht kein Mensch.
Wir - zumindest Kollege Rüth und ich - haben uns kurz unterhalten, als Sie plötzlich sagten, Sie hätten den Antrag umgearbeitet. Das kommt für uns jetzt sehr überraschend.
Ich habe mich dafür bedankt, dass Sie insbesondere den Punkt, dass das Projekt an allen Schulen eingesetzt werden müsse, überarbeitet haben. Ich habe auch gesagt, dass zunächst einmal alle Interviews zu führen sind und die Dokumentation, das "historische Archiv", zu erstellen ist. In einem weiteren Schritt, der in der ferneren Zukunft liegt, wird zu überdenken sein, wie man das didaktisch aufbereitet. Im Moment sind die Zeitzeugen noch da. Es ist doch viel sinnvoller, die Menschen an die Schulen zu holen, damit sie wirklich authentisch berichten können, was sie im Einzelnen erlebt haben, und damit die Schüler ihnen Fragen stellen können.
Ihr Vorschlag bezieht sich auf die fernere Zukunft. Wie gesagt, wir können Ihrem Antrag im Moment nicht zustimmen. Aber Ihr Anliegen halten wir für berechtigt. Wir haben, was das angeht, wirklich noch Zeit. Diese sollte vor allem dafür genutzt werden, die Menschen, die noch berichten können, zu interviewen. - Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt auf Drucksache 16/14442, den Antrag abzulehnen. Vonseiten des Antragstellers wurde während der Aussprache ein Änderungsantrag gestellt. Da es sich um einen Satz handelt, lese ich ihn vor, damit Sie wissen, worüber Sie abstimmen:
Der Landtag empfiehlt den Bildungseinrichtungen in Bayern, das Zeitzeugenprojekt "Sudetendeutsche Vertriebene in Bayern" praxisnah und pädagogisch aufbereitet umzusetzen.
In dieser Form lasse ich jetzt über die geänderte Fassung abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD und der GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Sicherung von Grundschulstandorten (Drs. 16/13720)
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Kollege Günther Felbinger für die FREIEN WÄHLER. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Was ist wirklich wichtig für die Infrastruktur in den ländlichen Räumen Bayerns? Es gibt mehrere Faktoren, vom Straßenbau bis hin zur Breitbandversorgung. Ein Faktor liegt uns FREIEN WÄHLERN besonders am Herzen: der Erhalt der Grundschulstandorte in den ländlichen Bereichen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen endlich zukunftssicher gesetzt werden. Unser Ansatz ist - neben anderen Punkten, etwa kleinere Klassen -, einen Demografiezuschlag für mehrhäusige Grundschulen in sogenannten Schulverbänden zu gewähren.
Dass die Grundschulen von höchster Bedeutung für die vielen kleinen Gemeinden sind, brauche ich, glaube ich, nicht eigens zu betonen. Letztlich hat das ja auch die Staatsregierung im vergangenen Juni/Juli erkannt und reagiert; im Nachtragshaushalt 2012 hat sie für 21 Schulämter einen sogenannten Demografiezuschlag, allerdings für selbstständige Grundschulen, zugestanden.
Herr Spaenle ist nicht da, aber der Herr Staatssekretär: Glauben Sie wirklich, Sie setzen mit Ihren halbherzigen Ansätzen die richtigen Signale? Mein Eindruck ist gegenteilig: Sie hungern die Grundschulstandorte in den Schulverbänden schön langsam aus, indem Sie hier die selbstständigen Schulen privilegieren. Dabei nehmen Sie offenbar ungerührt den Unmut von Eltern und Schulleitern billigend in Kauf. Das verstehe, wer will. Jedenfalls sind die Rückmeldungen der Bürgermeister zu solchem Handeln eindeutig. Viel Lob erhalten Sie dabei nicht.
schulen mit einem Zuschlag aus, der den Schülerrückgang in den ländlichen Bereichen und damit den Bestand aller Grundschulstandorte sichert. Und vor allem: Unterscheiden Sie nicht zwischen selbstständigen und mehrhäusigen Grundschulen. Wir erwarten eine Gleichbehandlung aller Grundschulen, auch um den Schulleitungen das Gefühl zu geben, hier auf Augenhöhe zu agieren.
Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, dass die Bildungsdurchlässigkeit in der Grundschule beginnt; das ist unbestritten. Aber handeln Sie doch auch danach, Herr Staatssekretär! Die Mittel und die Stellen, die dafür nötig sind, sind nicht nur gut angelegt, sondern vor allem gerecht. Wenn wir von 376 Außenstellen in Schulverbänden ausgehen, können wir von rund 100 zusätzlichen Lehrerstellen für die Zukunft der ländlichen Kommunen sprechen. Damit könnten wir unserem gemeinsamen Anliegen, nämlich der Forderung nach bestmöglicher Bildungsgerechtigkeit, einen großen Schritt näher kommen.
Dazu müssen Sie nicht über Ihren Schatten springen, sondern eben etwa nur 100 zusätzliche Stellen in diese Schulart geben. Ohnehin wird die Grundschule von allen Schularten am stiefmütterlichsten behandelt. Herr Staatssekretär oder Herr Kultusminister, Sie sind gefragt! Wir FREIEN WÄHLER sind jedenfalls gespannt auf Ihre Antwort.
Vielen Dank, Herr Kollege Felbinger. Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schreyer-Stäblein. Bitte sehr.
Sehr geehrtes Präsidium, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die FREIEN WÄHLER fordern die Sicherung der Grundschulstandorte. Danke, FREIE WÄHLER, das ist bereits bayerische Bildungspolitik, denn genau das tun wir.
Wir tun auf der einen Seite Folgendes: Wir schaffen Grundschulstandorte. Wenn 26 Kinder in einer Grundschule sind, ist das bereits eine Grundschule, das heißt also jahrgangskombiniert 1. und 2. Klasse 13 Kinder, 3. und 4. Klasse auch 13 Kinder. Das ist genau das, was mit "kurzen Wegen und kurzen Beinen" gemeint ist und was wir auch alle miteinander schaffen wollen.
Des Weiteren haben wir gesagt, wir können Schulverbünde bilden. Das bedeutet, dass wir sehr wohl auch mehrhäusig unterrichten können. Derzeit unterrichten 376 Grundschulen in ganz Bayern mehrhäusig, was
Sie wissen aber auch, dass die Kommune für die Fragestellung zuständig ist, ob sie mehrhäusig unterrichten lassen möchte. Die FREIEN WÄHLER sagen immer so schön, sie interessierten sich für die kommunale Ebene, sie wollten sie hochhalten. Das geht natürlich nicht nur dann, wenn es einem politisch in den Kram passt, sondern es muss schon auch dann ernst genommen werden, wenn sich die Aufgabe stellt.
Und unsere Kommunen machen das auch sehr gut. Sie entscheiden oftmals sehr wohl nicht danach, welche Schulgebäude vorhanden sind, sondern anhand dessen, was gescheit ist, und das bedeutet: Ich brauche auch eine bestimmte Größe von Klassen, damit ich entsprechend arbeiten, wie zum Beispiel auch Kleinstgruppen bilden, kann.
Ich erinnere mich da an einen Antrag, der in dem Zusammenhang sehr schön passt. Damals haben die FREIEN WÄHLER gesagt: Wir wollen die Mindeststärke einer Klasse von 13 auf zehn Kinder reduzieren. Hätten wir das gemacht, wäre später ein Antrag mit neun oder mit acht gekommen. Das ist genau der Punkt: Das kann man als Opposition so machen; ob das dann seriös ist, muss jemand anderer beurteilen.
Das eigentliche Problem im ländlichen Raum lösen wir nicht mit der Frage, ob in einer Klasse 14, 13 oder 12 Kinder sein sollen - das Problem, das wir haben, ist, dass wir an vielen Stellen zu wenig Kinder haben, die geboren werden, und genau da müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen.