Protokoll der Sitzung vom 14.11.2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt können wir abstimmen, und zwar über den gemeinsamen Dringlichkeitsantrag der drei Fraktionen. Die Abstimmung erfolgt auf Antrag in namentlicher Form. Wir können mit der Abstimmung beginnen.

(Namentliche Abstimmung von 16.33 bis 16.38 Uhr)

Die fünf Minuten sind um. Die namentliche Abstimmung ist abgeschlossen. Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze wieder einzunehmen. Ich bitte, die Gesprächskreise aufzulösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie wieder Platz.

Nach § 133 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung können Mitglieder des Landtags unmittelbar nach der Abstimmung eine kurze Erklärung über ihr Abstimmungsverhalten abgeben. Von diesem Recht

möchten zwei Kollegen Gebrauch machen. Die erste ist Frau Kollegin Schreyer-Stäblein. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrtes Präsidium, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom ersten Tag an, seit ich im Landtag bin, habe ich gegen die Studiengebühren gestimmt.

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Ich habe heute anders abgestimmt, und ich möchte dies kurz begründen. Wir haben in der Fraktion eine sehr klare Positionierung. Wir haben gesagt, dass wir eine Zeit von acht Wochen brauchen, um ein Konzept zur Abschaffung der Studiengebühren zu erarbeiten und auch für die berufliche Bildung eine Lösung zu finden. Die Begründung lautet, dass wir acht Wochen Zeit brauchen. Wir brauchen auch Zeit, um mit der Fraktion der FDP zu verhandeln. Diese Zeit will ich auch einräumen. An meiner Positionierung ändert das nichts. Ich möchte mich aber nicht daran beteiligen, heute einen riesigen Zirkus zu veranstalten, wenn klar ist, dass die Koalition diese acht Wochen braucht. Diese acht Wochen kann sie von mir haben. Deshalb habe ich dieses Mal mit der Fraktion gestimmt.

Herr Kollege Weidenbusch, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten begründen. Unabhängig davon, dass ich nach wie vor gegen Studiengebühren bin, habe ich heute gegen den Antrag gestimmt, weil ich entsprechend den Ausführungen des Kollegen Piazolo die Antragstellung in dieser Form für eine Zumutung gegenüber dem Parlament halte.

Lassen wir das so dahingestellt sein. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt. Das Ergebnis der Abstimmung geben wir Ihnen bekannt, wenn außerhalb des Raumes ausgezählt ist.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Markus Reichhart u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Weiterbildungsprämie für die Meisterausbildung (Drs. 16/14723)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Thomas Beyer, Martin Güll u. a. und Fraktion (SPD) Studiengebühren nicht einseitig abschaffen Gebührenfreiheit an den Universitäten als Einstieg für eine finanzielle Entlastung auch bei der beruflichen Bildung (Drs. 16/14727)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Studiengebühren abschaffen - berufliche Weiterbildung finanziell fördern (Drs. 16/14732)

Dazu gibt es eine gemeinsame Aussprache. Erster Redner hierzu ist Kollege Markus Reichhart. Bitte schön, Herr Kollege Reichhart.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Anschluss an die Frage, wie wir mit den Studiengebühren umgehen, ist eigentlich nahtlos. In diesem Zusammenhang wurde tatsächlich schon die berufliche Bildung erwähnt.

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Diskussionen über die unnötigen und ungerechten Studiengebühren endlich dazu führen, dass auch parteiübergreifend erkannt wird, dass es neben der akademischen Bildung auch eine berufliche Bildung in Bayern gibt. Es ist schon erstaunlich, wie wendig die CSU ist, wenn es um die Studiengebühren geht, und wie schnell in diesem Zusammenhang Forderungen zur Förderung der beruflichen Bildung auf der Qualifikationsebene Meister aufgestellt werden. Noch erstaunlicher ist für mich persönlich, dass plötzlich die Argumentation der Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung sozusagen in Lichtgeschwindigkeit über die CSU gekommen ist. Aber das ist kein Wunder, wenn man quasi eine Lichtgestalt an der Spitze der Regierung hat. Diese Lichtgestalt agiert mit der CSU, wie es ein Leuchtturm mit dem Licht tut: abwechselnd grelles Licht und dann wieder dunkelster Schatten, was das Ankündigen und Handeln angeht.

Festhalten möchte ich als einziger Handwerksmeister im Bayerischen Landtag, der auch das zweifelhafte Vergnügen hatte, sein Meister-BAföG mit versteuertem Einkommen wieder zurückzuzahlen, dass ich heute über diese Debatte ausdrücklich froh bin. Nun ist es endlich möglich, darüber zu diskutieren, was in meinen Augen schon immer ein Denkfehler in Sachen Studiengebühren war. Vereinfacht drücken es die Juristen jetzt so aus: Es gibt kein Recht im Unrecht.

Meine Damen und Herren, das Unrecht, in diesem Fall die Ungerechtigkeit, ist, dass der Meister und ähnliche Qualifikationsebenen bisher ihren Aufstieg selbst finanzieren mussten. Um auch hier mehr Gerechtigkeit und vor allem die berufliche und die akademische Bildung auf Augenhöhe zu bekommen, stellen wir FREIEN WÄHLER heute diesen Antrag. Es geht uns FREIEN WÄHLERN darum, einen Anreiz zu schaffen, Hemmschwellen abzubauen, die einer höheren beruflichen Qualifikation im Wege stehen. Es geht darum, staatlicherseits Signale zu senden, dass wir es wertschätzen, wenn sich junge Menschen beruflich qualifizieren wollen − und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das, meine Damen und Herren, ist kein Selbstzweck.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Sie überwiegend eine akademische Bildung genossen haben: Fragen Sie bei Ihren Arbeitsagenturen nach! Während Sie Akademikerkollegen fast aller Fachrichtungen jederzeit bekommen, müssen Sie in den meisten Fällen nach einem arbeitslosen Meister lange suchen.

Gerne würde ich in diesem Zusammenhang über unser berufliches Bildungssystem diskutieren, aber dazu reicht die Zeit leider nicht. Im Handwerk ist der Bedarf an Meistern schon so groß, dass es vereinzelt Betriebe gibt, die keinen Betriebsnachfolger bekommen. Das heißt, wir haben in diesem Bereich auch ein volkswirtschaftliches und ein Versorgungsproblem, wenn wir die Attraktivität der beruflichen Bildung nicht erhöhen.

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie eindringlich auf: Stimmen Sie dem Antrag der FREIEN WÄHLER zu! Stellen wir zusammen die Weichen für eine Bildungspolitik, die ein faires Miteinander von akademischer und beruflicher Bildung zulässt! Stellen wir hier im Bayerischen Landtag ein großes Stück Bildungsgerechtigkeit im Bereich der beruflichen Bildung her und schaffen wir gemeinsam Anreize, um dem Fachkräftemangel in Bayern im Bereich der handwerklichen, gewerblichen und freien Berufe entgegenzuwirken!

Ich möchte zum Schluss noch etwas zu unserem Abstimmungsverhalten sagen. Beim Antrag der SPD werden wir uns enthalten, weil klar ist, dass die Förderung, die die SPD in ihrem Antrag vorschlägt, zu einer Reduzierung des staatlichen Bundeszuschusses und damit zu einer Verschlechterung der Situation führt. Dem Antrag der GRÜNEN, der ein reiner Berichtsantrag ist, stimmen wir zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es wurde gebeten, das Abstimmungs

ergebnis zu dem Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Harald Güller, Franz Maget und anderer und Fraktion (SPD), der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo und Fraktion (FREIE WÄHLER), der Abgeordneten Dr. Christian Magerl, Margarete Bause, Dr. Martin Runge und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) "Studienbeiträge abschaffen soziale Balance wiederherstellen", Drucksache 16/14722, möglichst schnell bekannt zu geben. Es ist schon ausgezählt. Mit Ja haben 72, mit Nein 96 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Es gab zwei Enthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt worden.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

So, jetzt geht es weiter in der Aussprache zum Thema Meisterausbildung. Der nächste Redner ist der Herr Kollege Roos. Bitte schön, Herr Kollege.

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir beim vorherigen Tagesordnungspunkt Staatsschauspiel nicht in höchster Qualität, aber in höchster Ausprägung in Richtung Schmierentheater erlebt haben, sind wir im Moment wieder eher nüchtern unterwegs. Kollege Reichhart, ich kann Ihre Position nicht nachempfinden, wenn Sie der Meinung sind, dass dann der Bundesanteil bei der Förderung der beruflichen Bildung geschmälert würde. Wir werden das schon so hinbekommen, dass das unschädlich ist. Ganz klar!

(Zuruf des Abgeordneten Markus Reichhart (FREIE WÄHLER))

Weil wir auch nicht nachtarocken und weil wir auch ein großes Herz haben, werden wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER und − das sage ich jetzt schon − dem nachgezogenen Antrag der GRÜNEN zustimmen.

Aber zur Sache: Am Freitag hatten wir eine Pressekonferenz mit Christian Ude. Sie war natürlich durch die Staatskrise, durch die Koalitionskrise in Bayern dominiert. Dennoch setzten wir einen Schwerpunkt und einen Glanzpunkt in Richtung Gleichstellung von akademischer Bildung an den Hochschulen und Universitäten und beruflicher Bildung dadurch, dass wir als ersten Schritt in dieser Debatte die Freistellung von Meisterabsolventen und -absolventinnen von den Prüfungsgebühren bekommen.

Die Stadt München geht dabei mit gutem Beispiel voran. Der zentrale Punkt ist, dass wir als Sozialdemokraten nicht Wolkenkuckucksheime versprechen,

sondern dass wir das auch gegenfinanzieren können. Das Volumen von maximal neun Millionen Euro per annum ist haushalterisch gut darstellbar.

Die Sozialdemokratie steht für Arbeitnehmerinteressen, und hinsichtlich der Karrieremöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen wir gerade in diesen Tagen, wo wir zurückgehende Absolventenzahlen im Handwerk und auch in der Industrie haben, was alarmierende Folgen in Sachen Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie nach sich ziehen kann, einen Anstoß geben, um das, was es schon gibt, etwa das Meister-BAföG, zu ergänzen. Das soll ja nicht abgeschafft werden. Demgemäß sind wir der Auffassung, dass das, was der europäische Qualifikationsrahmen auf europäischer Ebene und der deutsche Qualifikationsrahmen auf deutscher Bühne ist, der akademische und berufliche Bildung im dualen System gleichsetzt, in Bayern in besonderer Weise zu gelten hat. Es geht um einen bayerischen Qualifikationsrahmen, wenn Sie so wollen.

(Beifall des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Um einem häufigen Irrtum vorzubeugen: Dabei geht es nicht so sehr um die Interessen der Kammern, sondern um die Interessen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände, die nämlich Berufsbildung und deren Umsetzung in der Wirtschaft tragen. Das sind die Träger der beruflichen Bildung. Trotz der Rauschwellen, die Herr Ministerpräsident Seehofer da verbreitet hat, habe ich auch herausgehört, dass man sich angesichts der Komplexität der Gesamtproblematik dem Gedanken nähern will, auch in der beruflichen Bildung etwas zu tun.

Zur Förderung des Nachdenkprozesses werden wir als Sozialdemokraten uns sehr intensiv mit den DGBGewerkschaften zusammensetzen, um die Wertschätzung für Absolventinnen und Absolventen im Handwerk und in einem nächsten Schritt auch in der Industrie oder in anderen Berufen zu verbessern, in denen es ein krasses Missverhältnis gibt zwischen dem Aufwand, den Absolventen leisten müssen, um Kurse finanzieren zu können, und den nicht allzu üppigen Hinzuverdienstmöglichkeiten, wenn dann der Abschluss erreicht ist.

Die Stadt München − ich habe es schon erwähnt − geht mit gutem Beispiel voran. Die durchschnittlichen Abschlussgebühren bei den Fachschulen der Landeshauptstadt belaufen sich auf 750 Euro. Dies werden wir ebenso fordern, zumindest in diesem Etatansatz, wie es auch die FREIEN WÄHLER fordern, und eingedenk dessen, was Heinrich Traublinger schon

lange gebetsmühlenartig immer wieder in die Debatte eingebracht hat. Aber das kann nur ein Anfang sein.

Ich denke, wir werden in diesem Hohen Haus zu einer Lösung kommen, um nach dem Schlussakkord bei den Studiengebühren in der beruflichen Bildung positive Ansätze für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Freistaats zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Roos. − Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tolle. Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Vielen Dank. − Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Antrag beginnt mit dem Satz: Akademische und berufliche Bildung sind gleichwertig. − Der Ministerpräsident − das unterstelle ich jetzt einfach einmal − hat meinen Antrag vielleicht gelesen, als er vorhin sein Statement abgegeben hat; denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns zu dieser Aussage bekennen. Ich erwarte dafür Zustimmung im ganzen Haus.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Martin Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))