Herr Kollege, bleiben Sie noch. Herr Kollege Pfaffmann hat sich für eine Zwischenbemerkung gemeldet, zu der ich ihm das Wort erteile.
Herr Kollege Runge, es wird Sie nicht wundern, dass ich mich noch einmal zu Wort melde. Zum Ersten. Ich habe Ihrer Argumentation aufmerksam zugehört, die Sie seit Monaten und Jahren vortragen. Allerdings habe ich bis auf Selbstverständlichkeiten keine Alternativvorschläge gehört. Die Ertüchtigung und die Verbesserung der Signale sind Selbstverständlichkeiten. Sie haben heute keine Alternative zur zweiten Stammstrecke präsentiert, sondern haben mit Griff in die 20 Jahre alte Mottenkiste das vorgetragen, was Sie schon immer sagen.
Zum Zweiten: Sie haben eine erstaunliche Präsentation über die fachliche Beurteilung der Röhre gegeben. Lieber Herr Kollege Runge, die gesamte Gutachterwelt − alle Gutachten, die vorliegen, alles, was auf dem Tisch liegt − bezeichnet die zweite Stammstrecke als alternativlos. Nur Herr Kollege Runge aus dem Bayerischen Landtag weiß es besser. Der Herr Mattar weiß es auch besser. Insofern − das mögen Sie mir verzeihen − verlasse ich mich auf die vorliegenden Gutachten der Fachleute und nicht auf immer wieder vorgetragene Anzweifelungen.
Zum Dritten: Sie haben gerade gesagt, das Verkehrsaufkommen und die 800.000 Fahrgäste seien nicht so schlimm; in Wahrheit seien es nur 250.000 Fahrgäste. Ich habe den Eindruck, Sie fahren selten S-Bahn. Ich habe den Eindruck, Sie haben wenig Ahnung.
Wer sich nämlich tatsächlich zu den Stoßzeiten in der Hauptverkehrszeit in der U-Bahn bewegt, stellt fest, dass die Kapazitäten des Münchner S-Bahn-Systems
Herr Kollege Pfaffmann, ich bin nicht automobil. Ich fahre jeden Tag S-Bahn. Im Schnitt sind das vier Fahrten pro Tag. Ich danke Ihnen für die Vorlage.
Zweitens sagen sämtliche Fahrgast-, Verkehrs- und Umweltverbände, dass diese Röhre nichts tauge. Das sagen auch sämtliche unabhängigen Gutachter, beispielsweise Verkehrsprofessoren. Neulich war wieder ein wunderbarer Leserbrief einer Koryphäe nachzulesen. Das sind Sachverständige, die nicht auf der Payroll der anderen Seite stehen. Zeigen Sie mir jemanden, der etwas anderes sagt. Ich kann Ihnen genau sagen, wie die Zusammenhänge sind.
Noch einmal zu den Fahrgastzahlen: Es gibt Zugkilometer, und es gibt Personenkilometer. Es gibt Beförderungsfälle. Es gibt Querschnittsbelastungen. Es gibt Bahnhofsbelastungen. Das sind die Begriffe, mit denen in diesem Gutachten gehandelt wird. Ich habe ausgeführt: Die Röhre kann in Bezug auf die Fahrgastzahlen niemals Engpass sein, weil man in der Hauptverkehrszeit einfach nur Langzüge einsetzen müsste. Drei Viertel der Züge, die in der Hauptverkehrszeit fahren, sind keine Langzüge. - Wollen Sie nicht zuhören? Herr Kollege Pfaffmann, die Röhre kann nur Engpass in Bezug auf die Zugzahlen sein. Das gilt wiederum nur für den Westen, da wir vom Westen her sieben Linien und vom Osten her fünf Linien haben. Mit einem Schritt käme ich schon ganz schnell voran: Die Verstärkerzüge sind Züge, die den Zehn-Minuten-Takt herstellen. Entweder lasse ich die Verstärkerzüge von einer Linie oder zwei Linien in Pasing oder am Starnberger Bahnhof Kopf machen, oder ich lasse sie über den Südring fahren.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, unser Konzept auszuführen. Die Leit-, Steuerungs- und Regeltechnik der Stammstrecke ist marode. Bei den Rechnern gibt es keine Redundanz. Deswegen gibt es die Ausfälle. Es passiert nichts. Wir brauchen weitere Zuggarnituren. Wir wollen die Engpässe beseitigen. Am Ostbahnhof gibt es ein Gleis und eine Bahnsteigkante zu wenig. Deswegen gibt es Verspätungen und Belastungen auf der Stammstrecke. Wir brauchen einen behindertengerechten Umbau der Bahnhöfe. Wir brauchen den Ausbau zwischen Zamdorf und Johanneskirchen. Wir brauchen den Ausbau zwischen Giesing und Perlach.
Alle diese Dinge kommen nicht. Sie haben sich mit dem sogenannten Olympiapaket überrumpeln lassen. All diese Dinge werden jetzt nicht realisiert, sondern verunmöglicht aufgrund der vorliegenden Planung. Aber nochmal: Ich danke Ihnen herzlich für die Vorlage.
Ich gebe noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Runge, Gote und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Konsequenzen aus unverantwortlichem Vorgehen der Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz ziehen" auf Drucksache 16/14918 bekannt. Mit Ja haben 52 Abgeordnete und mit Nein 78 Abgeordnete gestimmt. Es gab zwei Stimmenthaltungen. (Red. An- merkung: Später berichtigt: 51 Ja-Stimmen, 79 Nein- Stimmen, 2 Enthaltungen) Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Nun komme ich zur Wortmeldung für die Staatsregierung. Ich darf Herrn Staatsminister Martin Zeil das Wort geben. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Rechtzeitig zum 40. Geburtstag der Münchner SBahn können wir feststellen, dass wir bei der Finanzierung des größten Infrastrukturprojektes dieses Landes einen Durchbruch der Staatsregierung erreicht haben. Das ist eine gute Nachricht für über 800.000 Pendler im Großraum München, aber auch für alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns.
Durch die Beschlüsse im Haushaltsausschuss gestern haben wir deutlich gemacht, wie ernst uns dieses Projekt ist. Das alles und vor allem die Finanzierungsgespräche waren nicht einfach. Ich möchte mich ausdrücklich beim Ministerpräsidenten dafür bedanken, dass wir dieses Projekt gemeinsam entschlossen vorangetrieben haben. Wir haben in Spitzengesprächen − anders geht so etwas nicht − die Finanzierung finalisiert. Wir haben auch die Zusagen des Bundes entgegengenommen. Das geht natürlich nicht so einfach, wenn die Finanzierungsdecke insgesamt eng ist. Aber wir haben es geschafft, weil wir hartnäckig und zielstrebig an diesem Projekt festgehalten haben, nicht weil es etwa ein Prestigeprojekt für irgendwen wäre, sondern weil wir eine Antwort auf die Bedürfnisse der Mobilität in einem der Kraftzentren dieser Republik geben müssen.
Insofern werden wir diesen Weg jetzt entschlossen weitergehen. Wir werden im nächsten Jahr das Baurecht erlangen. In dem Zusammenhang ist noch eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Sie wird jetzt sehr rasch abgeschlossen. Die anderen Planfeststellungsbeschlüsse − das wissen ja diejenigen, die sich damit beschäftigt haben; da wird natürlich ein bisschen Nebel gemacht − werden nur deswegen zurückgehalten, weil gewartet wird, wie die Frage in Leipzig beantwortet werden wird.
Wenn wir im nächsten Jahr das Baurecht bekommen, werden wir ausschreiben. Wir haben − auch das war ein guter Schritt − die strengste Risikokostenkontrolle mit allen Beteiligten vereinbart, die es jemals bei einem Projekt dieser Größenordnung gegeben hat. Wir wissen natürlich, dass wir nicht in unkalkulierbare Risiken laufen dürfen. Die Kontrolle ist gewährleistet, und zwar in einem großen Ausmaß. Das hat uns die Bahn mit ihren Nach-Stuttgart-Erfahrungen noch einmal versichert.
Das Kostenbudget von 2 Milliarden Euro, das Sie so kritisieren, hat vor den strengen Maßstäben der Risikokontrolle der Bahn Bestand gehabt.
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, die Planfeststellungsbeschlüsse würden zurückgehalten, bis in Leipzig das Urteil gesprochen ist. Da geht es um die Klage des Projektträgers wegen der Lärmschutzauflagen. Konzedieren Sie, dass dies unsinnig war, weil wir beispielsweise sowohl beim Planfeststellungsabschnitt 1 als auch beim Planfeststellungsabschnitt 2 gerade in der zweiten Tektur sind? Es sind gerade erst die Einwendungsfristen vorbei. Erörterungsverfahren haben noch nicht einmal stattgefunden.
Ich habe in beiden Verfahren selbstverständlich persönlich Einwendungen erhoben und warte darauf, wann wir zur Erörterung kommen. Hier zu behaupten, die Beschlüsse seien zurückgehalten worden, obwohl wir noch am Anfang des Verfahrens sind, halte ich für ein wenig gewagt.
Ich konzediere Ihnen gar nichts, weil Sie wie immer bei solchen Dingen mit Halbwahrheiten arbeiten und Nebelkerzen werfen. Sie wollen dieses Projekt in Wirklichkeit doch nicht. Sie haben überhaupt keine
Konzeption, wie man den Bedürfnissen der Metropolregion München gerecht werden kann. Sie wollen immer nur auf dem Glanzpapier für den öffentlichen Personennahverkehr stehen. Aber wenn es konkret wird, schlagen Sie sich in die Büsche. Sie haben überhaupt keine Vision und keine Idee. Das ist grüne Verkehrspolitik. Die darf in diesem Land nicht Wirklichkeit werden.
Viele Menschen, auch Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, haben sich nicht leicht getan, als es um die Tatsache ging, dass es sich hier um ein Großprojekt handelt, das primär für Oberbayern und die Metropolregion München von Bedeutung ist. Es ist nicht leicht, dazu eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.
Aber deswegen sage ich hier noch einmal ausdrücklich: Wir werden gewährleisten, dass kein Projekt in anderen Landesteilen, das aus dem GVFG-Programm zu finanzieren ist, darunter leidet. Wir haben gewährleistet − deswegen sind wir in die Verhandlungen gegangen -, dass all diese Projekte realisiert werden, weil wir in allen Landesteilen Mobilität für die Menschen sichern wollen.
Uns ist klar und muss auch klar sein, dass beispielsweise das Darlehen in der besonderen Konstellation natürlich nur für dieses Vorhaben nutzbar ist. Das ist allen klar. Auch dem Gesellschafter Landeshauptstadt München ist Dank zu sagen. Er hat anerkannt, dass wir gesagt haben, dass sich für dieses eine Projekt alle drei Gesellschafter bezüglich der 500 Millionen Euro einigen müssen. Es gibt überhaupt keinen Anlass, deswegen Zweifel zu säen.
Im Rahmen der Einwendungen ist gesagt worden, es gäbe tausend bessere Alternativen. Das ist aber nach dem ewig langen Gutachtensprozess wirklich kleinkariert. Herr Dr. Runge, ich glaube, das Gutachten, das Sie akzeptieren werden, müssen Sie selber schreiben.
Ich will auch noch etwas zu den FREIEN WÄHLERN sagen. Herr Kollege Piazolo, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie, wenn wir Ihnen alles schriftlich geben, der zweiten Stammstrecke offensichtlich zustimmen werden; so habe ich Sie vorhin verstanden. Es wäre schön, wenn Sie sich in diese Richtung bewegten. Ich habe aber Zweifel, ob Sie es dann wirklich täten.
Auch bezüglich eines Plans B werden immer wieder Nebelkerzen geworfen. Wir haben doch das 13-Punkte-Programm zur Ertüchtigung der S-Bahn auf den Weg gebracht. Das wird realisiert. Darin sind viele Dinge enthalten, die mit der S-Bahn bzw. mit der zweiten Stammstrecke Hand in Hand gehen.
Eines ist völlig klar: Wenn wir das Grundproblem nicht lösen, nämlich einen Bypass für das Nadelöhr herzustellen, dann können Sie die Außenäste vergolden, dann können Sie die Bahnhofsgröße verdoppeln und die Zahl der Gleise verdreifachen; aber dadurch würden Sie das Grundproblem nicht lösen.
Deswegen muss die Entwicklung Schritt für Schritt voranschreiten. Da baut eines auf das andere auf. Das muss doch einmal in Ihre Köpfe gehen; denn es handelt sich um Gesetze der Logik. Dazu braucht man eigentlich auch keinen Gutachter.
Abschließend sage ich: Gemeinsam haben wir einen sehr wichtigen Durchbruch erreicht. Wir haben in großer Verantwortung für unser Land gehandelt. Es ist natürlich nicht einfach, zu sagen: Weil der Bund seine Mittel nicht so aufstockt, wie wir es gern hätten, werden wir aus den Rücklagen 100 Millionen Euro bereitstellen. Dies wäre ein Kraftakt.
Wir wollen − das weist über das eigene Projekt hinaus − zeigen, dass es in Deutschland ein Bundesland gibt, das die Kraft hat, solche Großprojekte zu schultern, weil es für die Menschen notwendig ist und weil wir für die Pendler die Versorgung sicherstellen wollen. Deswegen weist diese Entscheidung als Zeichen der Handlungsfähigkeit unseres Landes bei wichtigen Infrastrukturmaßnahmen weit über das eigentliche Projekt hinaus. Dafür bin ich dankbar.
Deswegen geht es hier um einen Durchbruch - nicht deswegen, weil wir den Bau schon geschafft hätten − es ist ja logisch, dass der Bau uns erst noch bevorsteht -, sondern weil wir hier eine entscheidende und unumkehrbare Weiche für dieses wichtige Projekt gestellt haben. Auch dafür bedanke ich mich ganz herzlich.
Mir liegen zwei Wortmeldungen für Schlussbemerkungen vor. Als Erstem gebe ich dem Kollegen Dr. Runge für die GRÜNEN das Wort.