Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

als wären nachgelagerte Studiengebühren nicht auch Studiengebühren. Das ist wie das Kind, das die Augen zumacht und glaubt, dass es dann nicht mehr gesehen wird. So denken Sie: Wenn wir die Gebühren nachher erheben, dann merken das die Studierenden vielleicht nicht gleich. Meine Damen und Herren, die Studierenden sollen wissenschaftlich ausgebildet werden. Sie wissen natürlich schon: Ob wir die jetzt zahlen oder später, das kommt ziemlich auf das Gleiche hinaus. Alle Studiengebühren, ob nachgelagert, vorgelagert, zwischen- oder endgelagert, sind sozial ungerecht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD und der GRÜNEN)

Es kann nicht sein − und das ist auch die Idee der FDP -, dass wir Bildung und Einkommen koppeln. Bildung, eine gute Bildung, soll dieser Staat zur Verfügung stellen.

Ich sage Ihnen: Die Positionierung der Regierungsfraktionen ist nicht mehr nachvollziehbar. Bei der FDP stehen nachgelagerte Studiengebühren im Wahlprogramm − sie hat sie aber nicht in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Letzte Woche haben Sie verkündet: Wir stehen zum Koalitionsvertrag. Das ist für uns die Bibel. Zwei Tage später heißt es: Wir wollen nachgelagerte Studienbeiträge − diese stehen aber nicht im Koalitionsvertrag. Das ist insofern ein Hin und Her.

Die CSU − ich will das jetzt gar nicht näher beschreiben, es wurde soeben vom Kollegen Jörg gesagt − hat eine eindeutige Position: Sie wollen die Studienbeiträge abschaffen. Sie wollen die Abschaffung, egal wie das Volk entscheidet, in Ihr Wahlprogramm aufnehmen. Insofern kann es bei Ihnen gar keine nachgelagerten Studiengebühren geben; denn man kann sie doch jetzt nicht für ein halbes Jahr einführen und dann in die Wahl gehen mit einem Programm, in dem es heißt: Wir schaffen sie wieder ab.

Aber etwas hat mir schon Sorge gemacht. Ich habe neulich − man tut das ja gern − das Bayerische Fernsehen angeschaut und sah dort in Dresden den Ministerpräsidenten vor den Kameras stehen und sich zu den Studiengebühren äußern. Er sagte: Es gibt keine Koalitionskrise − das habe ich noch relativ gelassen hingenommen − und dann wörtlich zum Thema Studiengebühren: "Ich habe mehrere Modelle im Kopf." Da habe ich mir die Kollegen von der CSU-Fraktion vorgestellt und gedacht: Die bekommen jetzt eine kollektive Gänsehaut, weil keiner weiß, was für Modelle noch in diesem Kopf stecken, was da noch kommt.

Ich empfehle Ihnen − und da stimme ich mit dem Kollegen Jörg überein -, jetzt nicht die große Aufregung zu verursachen, nicht ständig ein neues Modell vorzuschlagen. Das schafft Unruhe bei den Studierenden und bei den Hochschulen. Entweder schaffen Sie die Studiengebühren, so wie wir es gefordert haben, jetzt gleich ab, oder Sie sind einfach still, lassen die Debatten und überlassen Sie das unserem Bündnis und der Bevölkerung. Dann werden wir sie abschaffen. Aber bitte nicht diese Aufgeregtheiten, nicht jeden Tag etwas Neues. Das tut diesem Land nicht gut, das tut den Studierenden nicht gut und tut den Hochschulen nicht gut. Schauen wir auf das Volk. Lassen wir die Bevölkerung sprechen. Ich habe eigentlich immer den

Eindruck, dass die bayerische Bevölkerung klüger ist als diese Regierungsfraktionen. Der bayerischen Bevölkerung vertraue ich auch mehr.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD und der GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Margarete Bause vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Ihre Winkelzüge werden wirklich von Tag zu Tag abenteuerlicher und Ihre Purzelbäume immer grotesker. Herr Jörg ist in der misslichen Lage, dass er das nicht einmal erklären kann.

(Inge Aures (SPD): Er ist gar nicht da!)

Deswegen verzichtet er auch darauf und zieht sich beleidigt zurück. Das ist dann konsequent.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Lassen wir einmal Revue passieren, wie es zu den Studiengebühren in Bayern kam und wie die Diskussion in den letzten Jahren war: Sie haben die Studiengebühren eingeführt. Sie haben sie gegen alle Widerstände verteidigt. Sie haben sie als alternativlos hingestellt. Dann sagt das Bayerische Verfassungsgericht: Es ist zulässig, dass das Volk über die Studiengebühren entscheidet. Dann folgt der Kurswechsel bei der CSU, die plötzlich mit ihren Argumenten aus der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben will und sogar mit dem Bruch der Koalition droht. Die Abschaffung der Studiengebühren ist Ihnen sozusagen wichtiger als das Fortführen dieser Koalition. Daran sieht man schon, in welch erbärmlichem, peinlichem Zustand sich Ihre Regierungskoalition befindet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt also soll es ein fauler Kompromiss richten. Sie sagen: Studiengebühren sind nicht sinnvoll, aber es ist sinnvoll, sie später zu zahlen. Wem wollen Sie denn das bitte schön erklären? Wie wollen Sie von einem solchen Vorschlag noch irgendjemanden überzeugen?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auf diesen "Kompromiss" werden die Bürgerinnen und Bürger natürlich nicht hereinfallen. Denn was ist das für ein Wahlversprechen: Sie wollen zwar, dass die Studierenden im Moment nichts zahlen, aber Sie wollen, dass sie Schulden aufhäufen und diese dann später abtragen müssen. Gleichzeitig sagen Sie, wie

schlecht es ist, Schulden zu machen, dass der Staat sich entschulden muss, dass er sich nicht mehr verschulden darf. Wollen Sie jetzt die staatlichen Schulden auf die Privaten übertragen? Ist das Ihr Entschuldungsmodell? Wollen Sie dafür noch Zustimmung bekommen? Die werden Sie nicht bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sagen: Es ist doch nur gerecht, dass Menschen, die studieren und wegen ihrer Ausbildung dann mehr verdienen, davon dann auch etwas zurückgeben. Dazu kann ich nur sagen: Ja, natürlich ist das gerecht. Aber dafür haben wir schon ein System, das man jedoch gerechter gestalten muss. Das ist die Erhebung von Steuern. Die Menschen, die in unserem Land besser verdienen, bezahlen auch mehr Steuern. Mit diesen Steuern kann man dann auch wieder die Hochschulen finanzieren. Das ist ein gerechtes und auch ein unbürokratisches System. Aber bei der Erhebung von nachgelagerten Studiengebühren haben Sie wieder eine Zusatzgebühr, die taxiert werden muss, die erhoben und wieder eingetrieben werden muss, bei der sie wieder nur einen Haufen Geld extra für die Bürokratie ausgegeben werden muss. Liebe FDP, ich dachte immer, Sie seien für Bürokratieabbau.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im Januar ist nicht nur das Volksbegehren, sondern in Niedersachsen sind auch Wahlen. So, wie es ausschaut, könnte es durchaus sein, dass auch dort Schwarz-Gelb abgelöst wird und eine rot-grüne Regierung als Erstes die Studiengebühren abschafft. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz und Gelb in Bayern, ist Bayern das letzte Bundesland, das seinen Studierenden und deren Eltern noch die Zahlung von Studiengebühren zumutet, und das in einer Situation, wo Sie sich damit brüsten, wie toll die Steuereinnahmen in Bayern sind. Wem wollen Sie das denn noch erklären, wenn Bayern angeblich wirtschaftlich so toll dasteht, dass die Studierenden in einer Art und Weise zur Kasse gebeten werden wie sonst nirgends mehr in Deutschland?

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Das ist nicht richtig! - Abg. Dr. Otto Bertermann (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Außerdem ist sie bei der Aktuellen Stunde sowieso nicht zulässig.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie haben es in der Hand, endlich Klarheit zu schaffen, was die Studiengebühren angeht. Gehen Sie vom 17. bis zum 30. Januar in die Eintragungsstellen!

(Beifall der Abgeordneten Renate Will (FDP))

- Wunderbar! − Engagieren Sie sich! Tragen Sie sich ein, sodass das Volksbegehren die Hürde nimmt! Dann können wir durch Volksentscheid diese unsinnigen und sozial ungerechten Studiengebühren endlich abschaffen. Die Koalition ist dazu nicht in der Lage.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Kollegin. − Als Nächster hat Herr Kollege Karsten Klein von der FDP das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Thema der heutigen Aktuellen Stunde sind die nachgelagerten Studiengebühren. Richtig müsste es "nachgelagerte Studienbeiträge" heißen. - Inhaltlich kann ich Sie nur auf die Reden von Kollegen Thomas Hacker und von mir verweisen, die wir vor zwei bzw. drei Wochen gehalten haben − falls Sie für die Diskussion noch Argumente brauchen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihre Reden kennen wir!)

- Herr Kollege Aiwanger, ich weiß, dass Sie mit sachlichen Argumenten und Fakten nicht besonders viel am Hut haben.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Sie sind eher für die kräftige Schiene und die populistischen Weltansichten zuständig.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Freilich! Na klar!)

Aber das ist in Ordnung. Jeder nimmt den Platz ein, auf den er sich selbst stellt.

(Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄH- LERN − Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Argumente können Sie sich gern noch einmal anschauen. Da sie im Web-TV auf der Landtagsseite verfügbar sind, brauche ich sie an dieser Stelle nicht alle zu wiederholen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Okay! Jetzt können Sie aufhören! Hinsetzen!)

Die geschichtliche Beschreibung und die Tatsachenlage sind bekannt und klar dokumentiert. Deshalb brauche ich darauf nicht noch einmal hinzuweisen.

Ich möchte aber noch auf einige andere Punkte eingehen: Die Koalition hat gestern im Haushaltsaus

schuss ihren Haushalt durchgebracht. Die Nettoneuverschuldung ist gleich null! Es kommt zu einer weiteren Schuldentilgung von 1,04 Milliarden Euro. Das letzte Kindergartenjahr wird kostenfrei. Allein für den Bildungsetat werden über 10 Milliarden Euro bereitgestellt, das Wissenschaftsressort erhält 6 Milliarden Euro. 50 % unserer gesamten verfügbaren Ausgaben fließen in den Bildungsbereich. Das ist rekordverdächtig. Der Bildungsbereich ist ein Schwerpunkt unserer Politik. Daran wird auch deutlich, dass wir handlungsfähig sind.

Wir haben gestern zudem eines der größten Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht. Die Finanzierung der zweiten Stammstrecke ist gesichert. Es ist schön, dass Kollege Zeil anwesend ist; denn ihm will ich dazu noch einmal ausdrücklich gratulieren.

(Beifall bei der FDP)

Wer die Situation bei uns mit der in anderen Bundesländern und in Europa insgesamt vergleicht und dann dennoch die Frage stellt, ob wir in Bayern handlungsfähig seien bzw. eine handlungsfähige Regierung hätten, der muss sich die Frage gefallen lassen: In welchem Bundesland leben Sie denn?

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Frau Bause, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Thema angesprochen haben. So kann niemand den Eindruck gewinnen, ich würde es zwanghaft in die Diskussion einführen. Wir möchten im Gegensatz zu Ihnen von den Studierenden eine verursachergerechte Gebühr bzw. einen verursachergerechten Beitrag erheben. Ich begrüße es, dass Sie Ihre Antwort − Staatsfinanzierung − hier vorgestellt haben. Ich kann nur wiederholen: Rot und Grün haben auf ihren Parteitagen eine Steuererhöhungsorgie beschlossen für den Fall, dass sie an die Regierung kommen. Umsatzsteuer: hoch! Gewerbesteuer: hoch! Einkommensteuer: hoch! Die Vermögensteuer soll wieder eingeführt werden. Sie wollen sogar die Tatbestände für die Ökosteuer ausweiten und, und, und. Das sind Steuererhöhungen bisher nicht gekannten Ausmaßes. Selbst die Große Koalition hatte die Steuern nicht so erhöht, wie Sie es heute schon in Ihren Wahlprogrammen stehen haben. Was machen Sie erst, falls Sie an die Regierung kommen?

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Deshalb ist es richtig, dass auch an dieser Stelle den Bürgerinnen und Bürgern klar gesagt wird: Alle Leistungsträger, die Sie durch die Abschaffung der Studienbeiträge − angeblich! − entlasten wollen, bitten Sie nachher viel mehr zur Kasse, als wir es mit den Studienbeiträgen tun.