Protokoll der Sitzung vom 05.03.2013

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Die beiden Kirchen, die katholische und die evangelische, haben klipp und klar erklärt, dass sie gegen diese Regelung sind. Wenn es nach ihnen ginge, würde es auch keine Änderung geben. Sie haben nur gesagt, wenn es der Befriedung dient

(Volkmar Halbleib (SPD): Der Befriedung von wild gewordenen Kollegen!)

und wenn es nicht die Vorstufe ist für einen weiteren Schritt zu einem späteren Zeitpunkt, dann werden sie

das als Kompromiss notgedrungen hinnehmen. Sie sind aber ausdrücklich nicht einverstanden. Die Kirchen gehen mit Ihrem Vorschlag nicht mit. Das bitte ich zu bedenken.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Hört, hört!)

Danke schön. Herr Kollege Thalhammer, zur Erwiderung bitte.

Wir waren in einem intensiven Dialog mit den Kirchen. Mir ist durchaus bewusst, dass es da Vorbehalte gab. Was Sie geschildert haben, trifft zu. Aber auch den Kirchen war es wichtig, dass es hier um eine entsprechende Befriedung geht. Ich glaube, wir können mit diesem Kompromiss − es ist ein Kompromiss − ein vernünftiges Mittelmaß finden, damit auf der einen Seite die kirchliche Tradition, die religiösen Bedürfnisse gewahrt werden können. Der Schutz des stillen Tages bleibt erhalten. Auf der anderen Seite wird damit den veränderten Lebensbedingungen von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Rechnung getragen.

Ich weiß gar nicht, warum man das so hochstilisieren muss, so politisieren muss.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie haben es politisiert!)

Von den GRÜNEN wurde auch gesagt, das Ganze werde aufgebauscht. Ich glaube, es ist ein vernünftiger Kompromiss, mit dem wir alle leben können. Deshalb werbe ich um Zustimmung.

Vielen Dank. Es hat sich noch Kollege Dr. Beyer für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön.

Herzlichen Dank Herr Präsident. Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Kollege Thalhammer, ich weiß nicht, ob gerade Sie uns vorwerfen sollten, dass wir bei den stillen Tagen irgendetwas hochstilisieren. Es gibt im Rechtsstaat keinen höheren Akt als den der Gesetzgebung. Sie − ich habe das Gefühl, immer mehr Sie persönlich − haben das Thema hier zur Gesetzgebung erhoben. Die Diskussion der letzten Viertelstunde hat gezeigt, dass das in der Tat nicht nötig wäre, wenn man keine verschobenen Maßstäbe hätte. Die werfe ich Ihnen vor. Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich überlege, worüber wir allein heute gesprochen haben, welche Probleme wir in Bayern zu lösen haben - ich erinnere an das Thema Pflege, Gesundheit, Krankenhausfinanzierung usw. -, frage ich mich

wirklich, ob es vergleichbarer Mühen wert ist, dass Sie dieses Thema hier ausbreiten, mit dem Sie nichts anderes wollen, als Ihre Vorstellung eines sehr jungenhaften Pseudoliberalismus zu leben. Sagen Sie das bei den Julis oder bei Ihren Freunden aus der Diskotheken-, Bar- und Lounge-Szene. Sie sollten aber bedenken, vor allem, solange Sie Regierungsverantwortung in Bayern tragen, dass Sie mit dem, was Sie zum Schluss Ihrer Rede gesagt haben, indem Sie das Thema Trauer − nicht im persönlichen, sondern im staatlichen Zusammenhang − angesprochen haben, dass Sie mit solchen Äußerungen, Sie könnten nicht in einem Staat leben, der solche Dinge "vorschreibt", vielen Menschen entgegentreten und deren Gefühle verletzen. Gerade weil wir eine solche Haltung hinter diesem Gesetzentwurf sehen, weil wir einen Fundamentalangriff auf diese Werte, die Franz Maget heute vorgetragen hat, sehen, sind wir so entschieden dagegen. Wehret den Anfängen, sage ich in diesem Punkt. Uns gefällt es nicht, was Sie da tun. Ich sage es so deutlich, damit Sie wissen, dass Sie mit dieser Haltung höchstens ein paar Stimmen für die FDP gewinnen. Wenn Sie ein bisschen Gefühl hätten, dann würden Sie den Weg für eine Anhörung freimachen, damit deutlich wird, wo die gesellschaftlichen Empfindungen in diesem Land bei diesem Thema wirklich sind.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Thalhammer, zur Erwiderung bitte.

Sehr geschätzter Herr Kollege, ich finde, was ich hier mache, ist in keiner Weise Pseudoliberalismus. Ich finde es grundehrlich.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Umso schrecklicher!)

Es ist grundehrlich, dass wir der Meinung sind, dass jeder Einzelne über sein Leben und seine Art zu leben entscheiden können soll, solange er einem anderen keinen Schaden zufügt.

(Volkmar Halbleib (SPD): Dann können Sie gleich die Feiertage abschaffen, Volkstrauertag usw.!)

Ich sehe keinen Schaden, wenn das Tanzverbot nicht schon um Mitternacht, sondern erst um 2 Uhr greifen soll. Darin kann ich nicht erkennen, welche persönlichen Empfindungen eines Menschen der Gesellschaft mit Füßen getreten werden. Ich glaube, die Wahrung des stillen Tages ist weitgehend immer noch gewährleistet. Ich möchte allerdings den Ball zurückschieben. Wir haben ja Verantwortung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Auch für die Diskothekengänger!)

- Auch für Diskothekengänger. Auch das sind Menschen. Auch Gastronomen sind Menschen.

Es ist doch vollkommen in Ordnung, wenn man Menschen ihr Leben so leben lässt, wie sie es wollen. Gerade die Gastronomie hat in den letzten Jahren sehr viele Steine in den Weg geworfen bekommen, was sie im Umsatz entsprechend geschädigt hat.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Aha, Umsatz! Interessant! Darum geht es Ihnen!)

Das sind freie Unternehmer. Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Auch diese Unternehmer haben ein Recht, ihr Geschäft dann zu öffnen, wenn sie Umsatz erzielen können. Für einen Diskothekenbetrieb, ein Szenelokal ist ein Dienstagabend nun einmal nicht so spannend wie ein Freitagabend oder ein Samstagabend. Das meiste Geschäft macht ein Diskothekenbetreiber, zumindest in der Stadt, zwischen halb eins und halb zwei Uhr in der Nacht. Auf dem Land sieht es ein bisschen anders aus. Lassen Sie doch die Leute, solange es niemandem schadet, ihr Leben leben, lassen Sie sie ihr Geschäft machen. Dafür steht die FDP. Deshalb werben wir um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank, Herr Kollege. Weitere Zwischenbemerkungen oder Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? − Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 c auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (Drs. 16/15831) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Zu Wort gemeldet hat sich Innenminister Joachim Herrmann. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung legt Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der durch eine kleine Änderung des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes die Kommunen künftig in die Lage

versetzen soll, den öffentlichen Alkoholverzehr auf Straßen und Plätzen zu Nachtzeiten zu verbieten, wenn sie es vor Ort aufgrund aufgetretener Probleme für nötig halten.

Hintergrund ist, wie sich auch aus der neuesten polizeilichen Kriminalstatistik ergeben hat, dass der Alkohol eine immer größere Rolle, gerade auch bei Gewalttätigkeiten, spielt. Bei gefährlichen Körperverletzungen, schweren Körperverletzungen sind landesweit über 40 % der festgestellten Täter zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert. Bei den Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren sind es sogar über 50 %. Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass der Alkohol leider eine sehr negative Rolle spielt, dass Alkohol enthemmt, dass er Aggressionsverstärker ist und dass deshalb nicht nur die Betroffenen sich selbst schädigen, sondern zugleich vielerorts zu einem Risiko für ihre Mitmenschen werden.

Keiner von uns will Alkohol generell in irgendeiner Weise diskreditieren. Niemandem soll verwehrt sein, ein gutes Glas Bier, ein schönes Glas Wein zu trinken. Aber es ist wichtig, zu erkennen, dass leider manche Mitbürger ihre eigenen Grenzen nicht richtig einschätzen. Vor diesem Hintergrund haben viele Kommunen schon länger mehr Handlungsmöglichkeiten gefordert. Diese Handlungsmöglichkeiten wollen wir ihnen mit diesem Gesetzentwurf geben. Es ist ein vernünftiger Mittelweg. Wir erlassen nicht landesweit irgendwelche Verbote, sondern wir setzen die Kommunen in die Lage, dort, wo es Probleme gibt, angemessen zu handeln. Es geht nicht darum, dass für die gesamte Stadt ein entsprechendes Verbot erlassen wird. Dieses soll vielmehr zielgenau dort zur Anwendung kommen, wo es immer wieder zu Problemen kommt, konkret: zu Störungen der Sicherheit auf öffentlichen Plätzen.

Ich denke, dass wir einen vernünftigen Vorschlag unterbreitet haben. Ich hoffe, dass das Hohe Haus dem Gesetzentwurf nach den Beratungen in den kommenden Wochen zustimmen wird, damit die Kommunen, wenn es notwendig ist, von den Möglichkeiten Gebrauch machen können.

Es kommt aber auch darauf an, dass die Kommunen ihren Handlungsspielraum tatsächlich wahrnehmen. In den letzten Tagen gab es manche öffentliche Äußerung zu diesem Thema, auch zu Auswüchsen des Spielhallenwesens. Ich habe festgestellt, dass sich Vertreter von Kommunen zu Wort gemeldet haben, die bereits vorhandene Aktionsspielräume nicht nutzen. Man beschwert sich zum Beispiel über das Spielhallenunwesen, ignoriert aber die Möglichkeit, die Sperrzeiten für Spielhallen zu verlängern. Diese Möglichkeit eröffnet bereits das geltende Gesetz. Es ist

zwar die ureigene Entscheidung der Kommunen, diese Möglichkeit nicht zu nutzen; aber dann sollen sie sich bitte nicht über den Landesgesetzgeber beschweren.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält einen vernünftigen Vorschlag, um genau den Kommunen, die selbst aktiv werden wollen, den nötigen Spielraum zu eröffnen. Gleichzeitig sollen nicht alle Bürgerinnen und Bürger mit unnötigen landesweiten Verboten eingeengt werden.

Ich bitte Sie um wohlwollende Beratung des Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. − Ich eröffne die Aussprache. Es ist eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart worden. Erster Redner ist Herr Kollege Reinhold Perlak von der SPD-Fraktion. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen Kommunen ermächtigt werden, per Verordnung − ich zitiere wörtlich − "den Verzehr sowie das Mitführen alkoholischer Getränke zum Zwecke des Verzehrs auf bestimmten öffentlichen Flächen zu verbieten." Mit einem solchermaßen festgelegten Erlass könne die Verhütung alkoholbedingter Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erreicht werden, heißt es weiter, jedoch nur dann − das ist unsere Auffassung -, wenn hierfür eine absolut rechtssichere Grundlage mit klar ausgearbeiteten flankierenden Maßnahmen geschaffen wird.

Sehr verehrter Herr Staatsminister, grundsätzlich stimmen wir der Einschätzung zu, dass präventive Maßnahmen notwendig sind, weil die Entwicklung dramatisch ist. Die anhaltend steigende Tendenz bei Gewaltdelikten, Sachbeschädigungen und Sicherheitsstörungen unter Alkoholeinfluss ist besorgniserregend.

Nach eingehender Prüfung und Beratung vertreten wir jedoch die Auffassung, dass der vorgelegte Gesetzentwurf keine rechtssicheren Anwendungsgrundlagen für die Kommunen schaffen kann. Noch deutlicher verfestigt sich unser Eindruck, dass einmal mehr eine ordnungs- und sicherheitsrelevante Aufgabe auf die Kommunen abgewälzt werden soll, obwohl sie der Zuständigkeit wegen besser eine Polizei- als eine Staatsaufgabe wäre. Den Kommunen fiele erneut ohne Beachtung des Konnexitätsprinzips eine Aufgabe zu, zu deren Erfüllung sie unserer Auffassung nach weder personell noch organisatorisch - schon

gar nicht finanziell - aufgestellt sind. Den kommunalen Entscheidungsträgern würde zudem zugemutet, in rechtsunsicherem Rahmen Verordnungen zu erlassen, ohne flächendeckend eine Lösung des Problems zu erzielen. Es käme wohl lediglich zu einer Pseudofestlegung, die den Eindruck erwecken soll, der Freistaat schaffe die Grundlage für die Beseitigung besorgniserregender Entwicklungen, obwohl in Wirklichkeit nichts klar geregelt wird, eben weil rechtssichere Normen fehlen.

Es besteht durchaus die Gefahr, dass in der Bürgerschaft eine Erwartungshaltung hinsichtlich der Beseitigung von Sicherheitsstörungen geweckt wird mit rechtlichem Anspruch für sämtliche Bereiche, obwohl diese Erwartungshaltung, wie schon dargelegt, nicht erfüllbar ist, was den Vollzug angeht. Dies gilt insbesondere dann, wenn frei bestimmbare Ermessensspielräume bestehen. Die Beschränkung des Verbots auf die Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr lässt völlig unberücksichtigt, dass die Alkoholproblematik auch tagsüber und vor allem an Wochenenden besteht.

Auch die vorgesehene räumliche Eingrenzung auf bestimmte öffentliche Flächen - außerhalb von Gebäuden und genehmigten Freischankflächen - erscheint uns praxisfremd. Nach unserer Wahrnehmung findet unmäßiger Alkoholkonsum, insbesondere das hochbegehrte "Vorglühen", auch jenseits solcher Räume statt. Wenn derartige Festlegungen erfolgen, müssen größere Stadtteile erfasst werden können, weil es sonst erfahrungsgemäß zur Abwanderung in nicht vom Verbot umfasste Gebiete kommt.

Wenig hilfreich erscheint uns auch die rechtsunsichere Festlegung, dass vor Verordnungserlass "tatsächliche Anhaltspunkte" vorliegen müssen, dass "auf Grund übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden." Die Beurteilung, ob hierzu ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, ist von Kommunen wohl schwer zu leisten, erst recht nicht in personeller Hinsicht, da der anfallende Verwaltungsaufwand nicht gering sein dürfte. Bürgermeister und ihre Kommunen wären nicht zu beneiden, wenn sie nach einer so entstandenen Erwartungshaltung die Umsetzung veranlassen müssten.