Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Konzept für Wahlmöglichkeit G 8/G 9 (Drs. 16/16316)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Druck aus dem G 8 nehmen! Nachhaltiges Lernen fördern, Ganztagsgymnasien einführen und alternative Wege zum Abitur stärken (Drs. 16/16343)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 zulassen! (Drs. 16/16344)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher! Direkt nach der Mittagspause möchte ich meine Ausführungen zu unserem Dringlichkeitsantrag zum G 8/G 9 mit einer ganz allgemeinen Fragestellung beginnen: Was treibt uns Politiker eigentlich an? Was macht gute Politik aus? Wollen wir damit vorrangig parteipolitische Interessen oder ideologische Entscheidungen durchsetzen, oder ist gute Politik dann erreicht, wenn die Bürgerinnen und Bürger mit politischen Entscheidungen zufrieden sind?
Ich bin überzeugt, dass eine gewisse Grundzufriedenheit der Menschen die Grundlage der Akzeptanz von politischen Entscheidungen ist. Insofern muss ich nach zehn Jahren Diskussion über das G 8 nüchtern feststellen: Das G 8 ist in der Mehrheit der Bevölkerung in Bayern nach wie vor emotional und fachlich nicht angekommen.
Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt laut einer Emnid-Umfrage das neue Turbo-Abitur nach zwölf Jahren nach wie vor ab. 53 % der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Schüler an allgemeinbildenden Gymnasien wieder wie früher nach dreizehn Jahren das Abitur ablegen sollten, wie dies im "Focus" berichtet wurde. Nur 41 % sprechen sich für eine verkürzte Schulzeit und das G 8 aus. Sogar unser Ministerpräsident Seehofer, dem man ein gewisses Gespür für Volkes Meinung nachsagen kann, gehört meiner Meinung nach zu dieser Mehrheit der Bundesbürger, sonst hätte er nicht letztes Jahr im Juli die Initiative ergriffen und dieses Thema zur Chefsache gemacht. Ich zitiere aus der "Augsburger Allgemeinen" vom 3. Juli 2012: Horst Seehofer kann sich offenbar Rückkehr zum G 9 vorstellen. Im weiteren Text hieß es dann, er würde den Gymnasien gern die Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 lassen.
Der Ministerpräsident ist heute nicht da. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wenn Sie schon in Ihrer eigenen Fraktion und im Kultusministerium für diese Haltung keinen Rückhalt bekommen und sich auch gegen einen Ihrer Vorgänger im Amt des CSU-Vorsitzenden, Erwin Huber, einen bekennenden G-8-Verfechter, nicht durchsetzen konnten, helfen Ihnen die FREIEN WÄHLER gern auf die Sprünge, wie das bei den Studiengebühren schon der Fall war.
Einige Bundesländer wie zuletzt Baden-Württemberg und demnächst das unionsgeführte Hessen haben inzwischen die entsprechenden Ausnahmeregelungen in ihre Gesetze eingeführt, die die Wahlfreiheit in verschiedenen Formen an bestimmten Gymnasien zulassen. Danach werden dreizehn Schuljahre für das Gymnasium erlaubt.
Ich habe am Beginn meiner Rede die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger dargestellt. Ich möchte auch ganz dezidiert auf die Zufriedenheit der Eltern eingehen. Bezeichnend war, dass bei einer Sitzung einer Gymnasial-Elternvereinigung, die kürzlich stattgefunden hat, gut zwei Drittel das G 8 in seiner jetzigen Form nicht akzeptiert haben und Veränderungen wünschten. Herr Kultusminister Dr. Spaenle, das ist doch ein klares Signal. Da hilft es auch nicht, wenn Sie argumentieren, mit dem Flexibilisierungsjahr werde ab dem kommenden Schuljahr die notwendige Weichenstellung vorgenommen. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Das Flexibilisierungsjahr wird ein Brückenjahr, weil es mit den vorgesehenen Personalressourcen organisatorisch gar nicht umsetzbar ist. Deshalb wollen die FREIEN WÄHLER in Bayern für die
Schülerinnen und Schüler künftig den Besuch des Gymnasiums endlich wieder lebens- und liebenswert machen.
Wir wollen eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9, wobei die Basis die Inhalte des G 8 sein sollen. Wir wollen aber ein neues G 9. Wir wollen, dass endlich wieder Ruhe in die gymnasiale Ausbildung einkehrt. Eltern und Schüler sollen entscheiden können, wie schnell sie zum gymnasialen Abschluss kommen wollen. Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, ein Konzept zu erstellen, wie diese Wahlmöglichkeit verwirklicht werden kann. Dafür gibt es, wie ich offen zugebe, mehrere Wege. So könnte es der Schulfamilie und den Trägern der einzelnen Gymnasien freigestellt werden, ob sie sich für den achtjährigen oder den neunjährigen Weg entscheiden. Möglich ist auch eine Parallelführung von G 8 und G 9, wie dies die Staatsregierung mit dem Flexibilisierungsjahr plant. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass nur eine bestimmte Anzahl von Gymnasien in einem Landkreis oder einer Bildungsregion die Option zwischen dem G 8 und dem G 9 erhält. Für uns FREIE WÄHLER ist klar: Ein G 8, in welcher reformierten Form auch immer, oder ein Weiter-so sind für uns nicht akzeptabel und tragbar.
Meine Damen und Herren, das G 8 in seiner jetzigen Form hat bereits jetzt fertig. Wir brauchen Alternativen bei der gymnasialen Ausbildung. Mit der Wahlmöglichkeit eröffnen wir denjenigen, die auch mit dem G 8 zurecht kommen, aber auch der Mehrheit der anderen, die damit Probleme haben, die Chance, ihre Gymnasialzeit entspannter und lebenswerter in neun Jahren erfolgreich zu absolvieren.
Frau Kollegin Will, hier geht es um die Reifeprüfung. Diese Prüfung braucht Zeit, die wir unseren Schülerinnen und Schülern geben sollten. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und blicken Sie gleichzeitig der Realität ins Auge; denn sonst könnten Sie die Wählerinnen und Wähler im Herbst ebenso abstrafen, wie sie es bereits mit dem Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren getan haben.
gen Felbinger wird deutlich, was man hört, wenn man im Land unterwegs ist und mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern spricht, und was auch die Verbände sagen, zum Beispiel die LEV, die Landes-Eltern-Vereinigung an Gymnasien, oder der Bayerische Elternverband. Man hört, dass das G 8 nach wie vor große Mängel aufweist. Es läuft nicht rund im G 8. Der Druck auf die Schülerinnen und Schüler ist zu groß, die Stofffülle ist oft nicht zu bewältigen. Das Lernen ist zu wenig nachhaltig. Von gesundheitlichen Belastungen haben wir unter anderem im Rahmen der großen Anhörung im letzten Jahr gehört. Die Probleme gibt es vor allem in der Mittelstufe. Da ist zu viel Stoff bei gleichzeitig zu wenig Stunden in den Kernfächern und einer zu großen Fächervielfalt vorgesehen. Man denke nur daran, dass die Schülerinnen und Schüler in der 10. Klasse 16 Fächer haben. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, das wird nicht besser, wenn man noch ein weiteres Fach hinzufügt.
Aber gegenüber dem Vorschlag, parallele G-8- und G-9-Züge zu führen, sind wir GRÜNE sehr, sehr skeptisch, vor allem was seine Umsetzbarkeit betrifft. Die Frage, was praktisch möglich ist, sollte von Anfang an mitbedacht werden, wenn man Politik betreibt. Unsere Skepsis stützt sich durchaus auch auf die Erfahrungen unserer Kollegen in Baden-Württemberg. Die parallele Führung von G 8 und G 9 ist an kleineren Gymnasien nicht möglich. In letzter Zeit sprechen wir ohnehin von zunehmenden Problemen kleinerer Gymnasien im ländlichen Raum. Auch an den größeren Gymnasien gibt es in der Parallelität Schwierigkeiten mit den verschiedenen gymnasialen Zweigen, also bei Naturwissenschaft-Technik, am neusprachlichen Gymnasium, am altsprachlichen Gymnasium. Es wird ein großes Problem, diese Zweige auch noch in G 9 und G 8 zu splitten. Die Parallelität löst auch die Kernprobleme des Gymnasiums nicht, die schon im G 9 bestanden haben und die im G 8 allenfalls verschärft worden sind. Das wichtigste Thema sind die Ressourcen, die zusätzlichen Mittel, die hineingesteckt werden müssen. Wir wissen alle, dass parallele Strukturen viele Ressourcen kosten, ohne dass dadurch ein qualitativer Mehrwert entsteht. Wir GRÜNE wollen diese Ressourcen auf eine Verbesserung des G 8 konzentrieren.
Denn es gibt viel zu tun. Das sage ich an die Adresse der CSU und der Staatsregierung, die ständig angeb
liche Verbesserungsvorschläge bringen wie das immer noch ominöse "Flexi-Jahr". Gleichzeitig sagen Sie, das Gymnasium brauche nur eines, nämlich Ruhe, und im Übrigen sei alles spitze. Sie haben aber unter dem Vorzeichen des G 8 zum vergangenen und zu diesem Schuljahr 1.800 Lehrerstellen gestrichen. Ich finde, es ist ein starkes Stück, erst Stellen zu streichen und dann zu sagen, die Gymnasien bräuchten vor allem Ruhe.
Nein, das G 8 ist nicht spitze. Es ist außer Takt und hat seinen Rhythmus noch nicht gefunden. Für uns stehen Lernqualität, Entschleunigung und eine Vertiefung der Lerninhalte im Zentrum einer Reform. Wir wollen die Stofffülle reduzieren und mehr durch exemplarisches und fächerübergreifendes Lernen ersetzen.
Und dann müssen wir auch über die Fächerstrukturen reden, Frau Kollegin. Wir brauchen fachübergreifendes Lernen
und die Integration von Fächern statt ihre Zersplitterung; denn auch die Welt draußen ist nicht in Fächer eingeteilt, und auch an den Hochschulen gibt es fächerübergreifende Angebote.
Wir halten das G 8 in der Ganztagesform für optimal. Bei der Einführung des G 8 wurde ein großer Fehler gemacht, indem man das Ganztagesthema nicht angepackt hat.
Hier müssen wir noch etwas tun. Schon heute leben viele Schülerinnen und Schüler im G 8, wenn wir die Realität anschauen; denn das G 8 ist eine ganztägige Schule. Am Vormittag und am Nachmittag sind die Schüler mit der Schule beschäftigt, ohne dass die Schule Ganztagesschule heißt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer von Ihnen würde bei einer Fortbildungsveranstaltung für Erwachsene sechs Stunden am Vormittag mit sechs unterschiedlichen Referenten vorsehen, dann die Teilnehmer irgendwo hinschicken, um eine Leberkässemmel zu holen, sie danach ein bisschen Fußball spielen und anschließend noch einmal Mathematik pauken lassen? Die Leute würden Ihnen etwas erzählen, wenn Sie eine Fortbildung so gestalten würden!
Den Antrag der FREIEN WÄHLER, der ein Konzept der Staatsregierung zu G 8 und G 9 will, werden wir ablehnen. Ich sage Ihnen auch, warum: Wir wollen von dieser Staatsregierung am Ende ihrer Amtszeit keine weiteren Konzepte mehr sehen.
Die CSU hat das G 8 ohne Konzept eingeführt und hat konzeptionslos weitergewurschtelt. Schwarz-Gelb hat in dieser Legislaturperiode zwar viele Konzeptpapiere vorgelegt, aber da waren ausschließlich die Überschriften innovativ. Nein, wir wollen das Gymnasium und die gesamte bayerische Schullandschaft nach der Wahl weiterentwickeln. Liebe Kollegen Güll und Felbinger, wir kriegen das auch miteinander hin.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD - Renate Will (FDP): Echt? - Thomas Hacker (FDP): Die FREIEN WÄHLER wollen doch gar nicht mit euch!)
Wir wollen Konzepte mit dem Aufbau einer neuen Lern- und Leistungskultur, die das bessere Lernen und die individuelle Förderung in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen kein Gymnasium mehr, das Druck macht, sondern ein Gymnasium, das Mut macht, ein Gymnasium, in dem die anfängliche Begeisterung der Schülerinnen und Schüler für das Lernen erhalten bleibt und in dem nicht bloß das Pauken und die Wiedergabe von Lerninhalten im Mittelpunkt stehen.
Wir werden das Gymnasium zusammen mit Praktikern weiterentwickeln, die vor Ort trotz der andersläufigen Politik aus München schon gute Modelle entwickelt haben. Wir werden die Wege zum Abitur nach neun Jahren, die es heute schon gibt – Stichwort FOS, BOS –, stärken und weiterentwickeln, durchaus in enger Kooperation mit dem gymnasialen Bildungsgang und mit den Realschulen. Warum soll es nicht Fusionen und Kooperationen von FOS und Gymnasium geben?
Dies verbinden wir damit, dass wir das dreigliedrige Schulsystem für neue Schulmodelle vor Ort zu Schulen des längeren gemeinsamen Lebens öffnen. Mit diesen Gemeinschaftsschulen wird dann auch ein Abitur nach 13 Jahren möglich sein.
Sie sehen: Wir stehen für eine inhaltliche Neuausrichtung der bayerischen Bildungspolitik. Für populisti