Sie sind ein Mann, der immer sagt, man solle zuhören. Offenbar haben Sie es damit selbst nicht ganz einfach. Ich habe den Experten Professor Dr. Poppinga aus Ihrer Ausschusssitzung zitiert. Er hat von einer Industrialisierung der Landwirtschaft gesprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wahlkampf war. Er hat einfach beschrieben, was momentan tatsächlich passiert. Natürlich war die Entkoppelung ein erster wichtiger Schritt. Früher hat man mehr Geld bekommen, wenn man die Umwelt stärker belastet hat. Das war ja völlig unsinnig. Aber dieses System, bei dem man nur Geld bekommt, wenn man es schon immer bekommen hat, und dass man dieses Geld nach der Größe bekommt, ist doch absurd. Es kann doch nur öffentliche Mittel für öffentliche Güter geben.
Ja, aber das muss der nächste Schritt sein. Ich sage doch, dass ihr pennt. Ihr pennt schon seit zehn Jahren. Schon vor zehn Jahren hätte der zweite Schritt kommen müssen.
Herr Kollege, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass die direkt einkommenswirksamen Beihilfen aus der ersten Säule den ganzen ländlichen Raum stärken und dass die Bauern diese Beihilfen dringend brauchen. Ich möchte noch einmal ausführen, was Herr Kollege Füracker gesagt hat. Uns geht es nicht darum, dass nur die zweite Säule gestärkt wird. Ich möchte verhindern, dass die FREIEN WÄHLER in diese Ecke gestellt werden.
Ich will die erste Säule mit so viel Geld wie möglich beibehalten, damit sie allen Bauern direkt einkom
menswirksam zugute kommt. Außerdem möchte ich, dass von dem vielen Geld, den zwei Milliarden Euro, die sich der Bund spart und die er nicht nach Brüssel überweisen muss, zusätzliches Geld in die zweite Säule kommt.
Dies dient allen kleinen Landwirten. Ich möchte massiv bekräftigen: Wir sind für das zusätzliche Geld für die Agrarumweltmaßnahmen. Das sind nämlich die öffentlichen Güter, über die wir alle so gern diskutieren.
Ich möchte noch einmal klar und deutlich sagen, dass ich nichts dagegen habe, dass Mittel, woher auch immer, in die zweite Säule kommen. Das Prinzip der ersten Säule ist jedoch im Gegensatz zum Prinzip der zweiten Säule ein falsches Prinzip.
Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Bayern ganz unterschiedliche Bäuerinnen und Bauern gibt. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Sie haben gerade gesagt, dass die erste Säule einkommenswirksam sei. Ich habe aber eben vorgetragen, dass in zehn Landkreisen die zweite Säule einkommenswirksamer als die erste Säule ist. Kapieren Sie das endlich! Da sind auch die Landkreise Oberallgäu und Ostallgäu dabei. Setzen Sie sich für Ihre eigenen Bauern ein. Das erwarte ich.
Her Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit dem letzten Punkt an. Lieber Sepp Dürr, deine Leidenschaft gefällt mir.
Leider Gottes merkt man dir aber wirklich an, dass du seit zehn Jahren nicht mehr dem Agrarausschuss angehörst. Ich begründe das: Man kann deine Aussage, dass sich 15 Jahre lang in der bayerischen Agrarpolitik nichts getan oder verändert hätte, unterschiedlich werten. Ich werte das grundsätzlich als Zustimmung zu unseren Weichenstellungen. Wenn wir heute ein Resümee ziehen, können wir feststellen, dass jeder dritte Bauernhof Deutschlands in Bayern bewirtschaftet wird. Wir haben Strukturen erhalten können, von denen sich andere schon längst verabschiedet haben. Während andere als Ziel ausgaben, zu wachsen oder zu weichen, wollten wir jedem Landwirt eine Chance
Dem Vorwurf, wir würden Verbraucherwünschen oder gesellschaftlichen Veränderungen nicht Rechnung tragen, halte ich einen Ausspruch des baden-württembergischen Amtchefs in diesem Bereich, Herrn Reimer, entgegen, der früher auch bei Frau Künast aktiv war. Lieber Sepp Dürr, er hat mir gegenüber vor wenigen Monaten wörtlich geäußert: Ich beneide euch um das, was ihr gerade beim Thema Bio-Regio alles macht; das würde ich in Baden-Württemberg auch gerne tun.
Ich brauche nicht auf das einzugehen, was der Ausschussvorsitzende detailliert zum Ausdruck gebracht hat. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es egal ist, was man hier vorne sagt, Sie lassen sich auch von guten Argumenten nicht überzeugen, sondern Sie wollen ideologisch argumentieren.
Das Zweite, was der neue Agrarsprecher gesagt hat, war: Die erste Säule ist für Bayern momentan mit 1,1 Milliarden Euro ausgestattet, die zweite Säule mit rund 500 Millionen Euro. Damit können wir unseren Bäuerinnen und Bauern Umweltprogramme anbieten, um die uns alle anderen Bundesländer beneiden: Das sind jährlich 200 Millionen Euro alleine für Kulap und Vertragsnaturschutz. 60.000 Bauern haben Anträge gestellt und genießen in diesem Bereich Unterstützung.
Die Behauptung, wir förderten insbesondere große Betriebe oder gar industrielle Einheiten, stimmt nicht. Selbst beim einzelbetrieblichen Investitionsförderprogramm haben wir Obergrenzen eingezogen. Wir wollen natürlich nicht grenzenlos fördern, sondern bäuerliche Strukturen. Ich bekenne mich immer wieder zu diesem Leitbild. Der bäuerliche Familienbetrieb ist natürlich fließend, weil wir den technischen und züchterischen Fortschritt nutzen wollen. Er stellt aber stets unsere Philosophie dar.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was die Umschichtung von der ersten und zweiten Säule anbelangt, gebe ich Ihnen vollkommen recht: Wir brauchen eine leistungsstarke zweite Säule, und zwar, wenn Sie ehrlich sind, nicht nur für die Landwirtschaft. Aus den Mitteln der zweiten Säule können wir den ländlichen Raum fördern, die Dorferneuerung, die interkommunale Zusammenarbeit, die
Leader-Programme. Wir alle können uns von der Sinnhaftigkeit dieser Förderprogramme tagtäglich überzeugen. Diese Möglichkeiten will ich auch in Zukunft erhalten.
Fakt ist aber auch, dass sich die Bundeskanzlerin, wohl auch im Interesse dieses Hauses, mit der Position durchgesetzt hat, dass Deutschland entgegen dem Kommissionsvorschlag künftig nur noch 1,00 % des Bruttonationaleinkommens nach Brüssel abführt und nicht, wie die Kommission vorgeschlagen hat, 1,06 % oder 1,09 %. Deswegen müssen wir insgesamt mit einem etwas schmäleren EU-Budget zurechtkommen, was sich selbstverständlich auch auf die gemeinsame Agrarpolitik auswirkt.
So wird die erste Säule in Bayern ohnehin um mindestens 8 % gekürzt, das heißt, die Landwirte bekommen in der ersten Säule weniger. Zudem wird nur noch eine 70-prozentige Basisprämie ausgereicht. Die restlichen 30 % müssen sich die Landwirte sozusagen durch Erfüllung der entsprechenden Greening-Auflagen verdienen. In der zweiten Säule wird die Kürzung zugegebenermaßen noch höher ausfallen, wahrscheinlich sind es 15 %. Wir haben sowohl in der ersten als auch in der zweiten Säule Abstriche hinzunehmen.
Weil ich das frühzeitig erkannt habe, habe ich bereits vor Monaten bei der ersten Besprechung der Agrarminister nach diesen Rahmenbesetzungen in Brüssel vorgeschlagen, übrigens auch mit Zustimmung der rot- und grün-geführten Bundesländer, dass wir uns in der zweiten Säule, wie es Albert Füracker ausgeführt hat, eine zusätzliche Finanzierung überlegen. Wenn Deutschland weniger nach Brüssel zahlen muss als nach dem Kommissionsvorschlag, sollten wir diesen nationalen Spielraum nutzen und wenigstens 10 % davon für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes – GAK – zur Verfügung stellen. Dann hätte Deutschland jährlich 200 Millionen Euro für die zweite Säule zur Verfügung. Damit könnten wir die Kürzungen in der zweiten Säule in hohem Maße kompensieren und damit im Interesse aller die Agrarfinanzierung in Zukunft gestalten. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung.
Meine Damen und Herren, wir sind doch in vielen Bereichen gar nicht so weit auseinander: Wir wollen bäuerliche Landwirtschaft; wir wollen flächendeckende Landbewirtschaftung; wir wollen möglichst vielen Betrieben eine Perspektive unabhängig von der Hektarzahl eröffnen. Deswegen war der Dringlichkeitsantrag heute auch als Angebot geplant, um mir den Rücken für die weiteren Detailberatungen zu stärken.
Frau Müller, dieser Antrag kommt nicht zu spät. Vor einem halben Jahr hätten wir tatsächlich noch im Nebel gestochert; jetzt sind die Rahmenbedingen gesetzt, aber die Details sind beileibe noch längst nicht ausgehandelt. Wir erwarten erst im Juli die Ergebnisse der Trilog-Verhandlungen. Erst dann wird uns die Bundesministerin verkünden können, wie groß das nationale Budget ist. Dann müssen wir entscheiden, wie wir die nächste Förderperiode im Einzelnen gestalten.
Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich darauf gedrängt habe, eine Differenzierung bei der Flächenzahlung voranzubringen. Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass ein 30- oder 50-Hektar-Betrieb pro Hektar weniger bekommen soll als ein Betrieb mit 500 oder gar 2.000 Hektar im Osten. Auch einem Laien muss einleuchten: Je größer die Stückzahl, desto geringer sind die Produktionskosten pro Stück. Ich habe vorgeschlagen, dass wir die ersten Hektar besserstellen. Das hat den Agrarministern aus dem Norden und dem Osten aber nicht auf Anhieb gefallen. Ich muss erst Überzeugungsarbeit leisten. Zuerst müssen wir eine Mehrheit im Bund durchsetzen, um speziell die kleineren Betriebe fördern zu können. Ich habe mich für eine sogenannte Kleinerzeugerregelung eingesetzt, die die Betriebe bis 1.500 Euro mit einer Pauschale in der ersten Säule künftig von den Cross-ComplianceKontrollen und von Greening-Auflagen befreit, weil sie ohnehin kleine Strukturen haben. Das wäre eine echte Entbürokratisierung für nahezu 15.000 Betriebe in Bayern, eine echte Entlastung von Verwaltungsaufwand, erstmals eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands. Das ist Politik für die kleinen bäuerlichen Betriebe. Wenn Sie mir hier Rückendeckung geben, dann stärkt das meine Position in den Verhandlungen, die in den nächsten Monaten finalisiert werden.
Ich nehme für mich auch in Anspruch, dass ich diese Greening-Auflagen nicht von Haus aus abgelehnt habe. Ich habe mich dagegen ausgesprochen, dass ökologische Vorrangflächen zwangsläufig in Stilllegung münden. Das, meine Damen und Herren, wäre betriebswirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Blödsinn, weil wir ohnehin die Flächenkonkurrenz spüren, die täglich größer wird. Fläche ist nicht vermehrbar. Deswegen sollten die Pachtpreise nicht durch mutwillige Stilllegung erhöht und eine Verteuerung nicht provoziert werden. Ich habe mich mit Unterstützung der grünen Agrarminister für produktionsintegrierte Maßnahmen ausgesprochen, für Fruchtfolgeregelungen, Eiweißstrategie, Leguminosen, schnell wachsende Gehölze. Ich bitte Sie, sich erst einmal darüber zu informieren, wie die Faktenlage ist und wie wir letzten Endes Mehrheiten bekommen.
Ich setze mich entschieden für eine sogenannte Raufutterfresserprämie ein, damit Grünlandregionen unterstützt und gefördert werden. Aber das kann Bayern nicht allein entscheiden, dazu brauchen wir die Unterstützung der übrigen Bundesländer. Wichtig ist, meine Damen und Herren, dass wir damit absolute Grünlandregionen auch in Zukunft konkurrenzfähig halten und unsere wunderschöne Kulturlandschaft weiterhin erhalten können.
Ich glaube, ohne Übertreibung sagen zu können: Der bayerische Weg hat sich bewährt. Er war in der Vergangenheit richtig, und umso wichtiger ist er auch in Zukunft. Ich würde mich freuen, wenn Sie das anerkennen würden, weil darin auch zum Ausdruck käme, dass dieses Haus sehr wohl zu einer bäuerlichen Landwirtschaft, zu gesunden regionalen Produkten und zur Stärkung des ländlichen Raumes steht.
Vielen Dank, Herr Staatsminister, für diese Ausführungen. Dazu gibt es eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Dr. Herz.
Herr Minister Brunner, vielen Dank für die Ausführungen, besonders über die 30- oder 40-Hektar-Besserbewertung für die Kleinbetriebe in Bayern. Ich glaube, wir sind uns völlig einig, dass es ein guter Weg ist, auch psychologisch, um den Betrieben zu zeigen: Wir stehen zu euch. Ist Ihnen aber auch klar, dass wir dabei gerade in Deutschland innerhalb der Verbände mit den entschiedensten Widerständen rechnen müssen? Diese Bezuschussung wurde ja schon des Öfteren andiskutiert und dann wieder verworfen, gerade nach der Wiedervereinigung.
In Bayern spüre ich breite Unterstützung, und ich will den großen Betrieben auch zugestehen, dass sie für die ersten 30 oder 40 Hektar ebenfalls diese erhöhte Prämie erhalten, damit keine Neidgefühle aufkommen.
Allerdings gebe ich gerne zu: Der Preis für diese Unterstützung war, dass wir nicht weiterhin Kappung und Degression fordern, für die ich von Haus aus auch sehr aufgeschlossen bin. Ich bin der Meinung, ab einer bestimmten Größenordnung, ob 200.000 oder 300.000 - - Brüssel gäbe uns die Möglichkeit dazu,
Das wurde nicht umgesetzt. Aber in dem Wissen, dass das eingesparte Geld im jeweiligen Kürzungsland zur Verfügung gestellt werden muss und Bayern keinen Vorteil davon hat, wenn wir die Kappung auf deutscher Ebene durchsetzen, ist mir die Zustimmung letzten Endes nicht besonders schwergefallen, wenn ich dafür die Solidarität der anderen bekomme, um die kleineren Betriebe besonders zu unterstützen und zu fördern.