Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

hierzu:

Änderungsanträge der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drsn. 16/15430 mit 16/15433)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann, Kathrin Sonnenholzner, Sabine Dittmar u. a. (SPD) (Drs. 16/15701)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Brigitte Meyer, Jörg Rohde und Fraktion (FDP),

Joachim Unterländer, Hermann Imhof, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) (Drs. 16/16032)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Größtmögliche Transparenz herstellen! Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) in das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz und den Prüfleitfaden der zuständigen Aufsichtsbehörden aufnehmen (Art. 5 PfleWoqG) (Drs. 16/15434)

In die Beratung wird auch die Nummer 7 der Anlage zur Tagesordnung einbezogen. Ich eröffne die Aussprache zu allen Punkten. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von sieben Minuten vereinbart. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Schopper. Ihr folgt dann Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes. Die zuständigen Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker wissen, dass die Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung aus einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs resultiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Streit zwischen privaten Pflegeheimbetreibern und den Städten Regensburg und München sowie dem Freistaat Bayern entschieden, dass die Prüfberichte der kommunalen Heimaufsicht nicht auf die Weise veröffentlicht werden dürfen, wie es bisher geschehen ist. Hier gab es eine Regelungslücke. Deshalb haben wir zügig einen Gesetzentwurf dazu erarbeitet, damit diese Prüfberichte weiter veröffentlicht werden können.

Aus der Debatte über Pflegeskandale und die Frage, wie man sich ein Heim für seine Angehörigen oder für sich selber aussuchen kann, wissen wir: Es bedarf hierzu größtmöglicher Transparenz; diese wollen wir herstellen. Daher haben wir unseren Gesetzentwurf eingebracht, und auch vonseiten der Staatsregierung wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, in dem genau diese Möglichkeit einer Veröffentlichung geschaffen werden sollte, auch wenn es einen Streit zwischen den privaten Pflegeheimbetreibern und den bayerischen Kommunen gegeben hat.

Wir begrüßen grundsätzlich, dass die Heimaufsichtsbehörden die Prüfberichte veröffentlichen; nur geht uns dieser Gesetzentwurf nicht weit genug. Deswegen haben wir eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. Wenn das Pflege- und Wohnqualitätsge

setz geändert wird, ist es wichtig zu versuchen, weitere Aspekte einzubeziehen.

Neben der Transparenz und der besseren Information der Menschen in den Pflegeeinrichtungen ist uns die Frage wichtig, warum man die Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht mit in den Gesetzentwurf aufgenommen hat. Das wäre ein richtiger Schritt gewesen; denn diese Einrichtungen werden genauso geprüft, und innerhalb der Berichte werden diese Prüfungen dokumentiert. Ich verstehe nicht, warum Sie sie nicht aufnehmen und sich derartig dagegen sträuben. Eine sachliche Begründung, warum das nicht getan werden sollte, gibt es nicht. Gerade im Hinblick auf die Inklusion wäre es ein richtiges Zeichen und ein Signal gewesen, diese Einrichtungen im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz zu berücksichtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir die Ausweitung der Veröffentlichungspflicht auf diese stationären Einrichtungen gefordert. Heute hätten Sie die Gelegenheit, dieser Forderung nachzukommen.

Ich komme zum zweiten Punkt. In den Änderungsanträgen haben wir eine Ausweitung der Inhalte des Prüfberichts gefordert; das wünschen und wollen wir. Eine Beschränkung auf die pflegerische Versorgung alleine halten wir für unzureichend. Es ist wichtig, dass man diese Bereiche mit aufnimmt. Sie haben selber große Kritik beispielsweise am Pflege-TÜV geübt, indem man jene Dinge nicht nur alleine gewürdigt hat. Ich finde es richtig, dass die pflegerischen Inhalte mit in den Gesetzentwurf eingehen und eine Grundlage bilden. Aber auch andere Aspekte werden bei der Prüfung erfasst wie die sozial- und heilpädagogische Betreuung, die ärztliche und gesundheitliche Versorgung, die Hygiene und der Infektionsschutz, die hauswirtschaftliche Versorgung, die soziale Betreuung, die Förderung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Hilfs- und Förderpläne entsprechend dem jeweiligen Heimträger. Das alles schlägt sich in den Prüfungsunterlagen nieder. Deswegen halten wir es auch im Sinne einer umfassenden Verbraucherinformation für angezeigt, dass man auch Berichte über Prüfungen zu diesen Aspekten veröffentlicht, um eine Gesamtinformation zu schaffen, eine Möglichkeit herzustellen, sich zumindest aus dem Internet ein Bild zu machen, und klar und deutlich zu machen, welche Bereiche mit welchen Ergebnissen geprüft worden sind.

Um zum Schluss zu kommen: Insgesamt halten wir es nach wie vor für richtig, dass der Gesetzentwurf zur Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes verabschiedet wird. Wir hätten aber gerne mehr Transparenz und den Einbezug der Einrichtungen der

Behindertenhilfe. Deswegen haben wir uns in der Summe entschlossen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wir glauben, dass wir mit unseren Vorschlägen auf dem richtigen Weg wären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schopper. Ich darf Ihnen bekannt geben, dass die CSU-Fraktion für die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Staatsregierung namentliche Abstimmung beantragt hat. – Bitte schön, Herr Kollege Unterländer, Sie sind der Nächste. Ihm folgt Herr Kollege Pfaffmann. Bitte schön, Herr Unterländer.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schopper hat schon darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit der Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes aus der Rechtsprechung und aus Einsprüchen von Trägern gegen die bisher geltende Regelung zur Veröffentlichung der Prüfberichte resultiert. Diese Regelung haben wir hier im Parlament beschlossen. Diese Notwendigkeit konzentriert sich in erster Linie darauf, dass ein rechtlich wasserdichter Weg gefunden wird, den Inhalt und das Verfahren der Veröffentlichung festzulegen.

Ich denke, dass die Bayerische Staatsregierung den richtigen Weg gefunden hat. Wir haben das in den Beratungen in der Ersten Lesung und in den Ausschüssen auch feststellen können. Diese Beurteilung wird Sie nicht überraschen. Ich meine aber auch, dass dies im Zuge einer weiteren Diskussion über Inhalte und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen gerade in der stationären Pflege zu erfolgen hat. Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Ich bin der Frau Staatsministerin ausdrücklich dankbar, dass sie bei der Diskussion nach den Initiativen der Gewerkschaft Verdi und der Wohlfahrtsverbände eine Initiative im Landespflegeausschuss zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gestartet hat, die sich mit diesen Anliegen deckt. Wir unterstützen das. Ich bin der Meinung, dass es neben der Diskussion über die Transparenz und den Bürokratieabbau dringend erforderlich ist, im System verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dieses Unterfangen muss natürlich durch eine zeitgemäße Neuregelung hinsichtlich Veröffentlichungen im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz ergänzt werden. Dies ist aus unserer Sicht mit unserer Formulierung gut gelungen. Wir halten eine Trennung zwischen einer inhaltlichen Gestaltung in der Ausführungsverordnung, der entsprechenden Ermächtigung und den

Richtlinien für sinnvoller, als dies alles ins Gesetz aufzunehmen.

Wir haben uns in einer Sitzung im federführenden sozialpolitischen Ausschuss im Rahmen eines Fachgespräches, auf das sich alle Fraktionen verständigt hatten, mit den Trägern, mit Vertretern der Angehörigen und der Pflegekräfte in einen Diskussionsprozess begeben. Ich möchte eines feststellen: Diesen Gesetzentwurf in der Fassung des federführenden Ausschusses zu beschließen, ist das eine, die Diskussion über die inhaltliche Weiterentwicklung und eine Überprüfung, wie die Ausführungsverordnung zum Pflegeund Wohnqualitätsgesetz und das Gesetz selbst immer wieder den Anforderungen entsprechen können, ist das andere. Deswegen meine ich, dass wir mit dieser Beschlussfassung einen Zwischenschritt unternehmen, und bitte Sie, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.

Die Abfassung der zu veröffentlichenden Berichte muss natürlich nach festgelegten Standards erfolgen. Das ist auch ein Ergebnis dieser Fachgespräche und Beratungen. Die inhaltlichen Vorgaben beschränken sich jedoch im Gesetzentwurf naturgemäß auf die wesentlichen Aspekte. Eine Konkretisierung der inhaltlichen Anforderungen erfolgt wie üblich im Verordnungswege. Vor diesem Hintergrund möchte ich vier Punkte nennen, in denen inhaltliche Anforderungen an die Pflegeprüfberichte in Kernqualitätsbereichen zu berücksichtigen sind. Das sind der Erhalt und die Förderung einer eigenständigen Lebensführung für die Bewohner der Einrichtungen, die Gesundheitsvorsorge, der helfende Umgang und die personelle Besetzung.

In diesem Zusammenhang ist es mir auch wichtig, Wegmarken für die Weiterführung der Diskussion zu setzen. Ich möchte allerdings noch einmal auf eines hinweisen: Bei dieser Diskussion bewegen wir uns im Ordnungsrecht. Das heißt, die Rahmenbedingungen, die ich gerade genannt habe, und die Vorschläge, die in der Diskussion zu dem Gesetzentwurf gekommen sind, sind in anderen Rechts- und Leistungsbereichen zu regeln. Deshalb ist es auch notwendig, dass man das in der Diskussion nicht miteinander vermischt.

Gleichwohl soll mit diesem Ordnungsrecht der parteiübergreifend vorhandene Wunsch weiter unterstützt werden, den pflegebedürftigen Menschen das Wohnen in ihren angestammten Lebensbereichen zu erleichtern und zu ermöglichen. Dieser Wunsch muss Wirklichkeit werden. Die Träger müssen bei der Sanierung gangbare Wege finden, beispielsweise im Rahmen von Freistellungen, um die Ziele der Pflegeund Ausführungsverordnung auch berücksichtigen zu können. Schließlich müssen wir einen Konsens fin

den, damit die Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert werden. Das ist aber, wie ich bereits sagte, ein zweiter Schritt.

Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf in der Fassung des federführenden Ausschusses zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Pfaffmann. Ihm folgt Herr Professor Dr. Bauer. Bitte schön, Herr Kollege Pfaffmann.

Danke schön, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eben der Unterschied in der Diskussion, und das sind auch die Mängel des Gesetzentwurfes: Hier wird die Chance verpasst, in einem Gesetzentwurf zu definieren, was gute Pflege ist. Die Regierungsparteien beschränken sich auf eine ordnungspolitische Diskussion. Wir würden gerne einen Schritt weitergehen und den Versuch unternehmen, zumindest ansatzweise in einem Gesetz zu definieren, was gute Pflege ist.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und von der FDP, diese Chance haben Sie wieder einmal verpasst. Wenn man die demografische Entwicklung betrachtet, wenn man die Daten und Fakten analysiert, beispielsweise, dass künftig circa 80 % der Patientinnen und Patienten in der stationären pflegerischen Versorgung Demenzerkrankungen haben, sieht man: Es ist an der Zeit, endlich zu definieren, was gute Pflege bedeutet. Hier wäre das möglich gewesen. Diese Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eben gerade keine ordnungspolitische, sondern eine inhaltliche Frage. Es wäre deshalb besser, wenn wir diese Fragen nicht auf dem Verordnungsweg behandelten, sondern im zuständigen Sozialausschuss des Parlaments diskutieren und klären und anschließend in ein Gesetz schreiben würden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht in der Tat um die Veröffentlichung von Prüfberichten. Auch wir, und daran besteht kein Zweifel, haben hohes Interesse an einer transparenten Bewertung der jeweiligen Einrichtung. Wir haben auch überhaupt kein Problem mit der Veröffentlichung der Prüfberichte. Man muss aber schon einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen. Was steckt denn hinter den Prüfungen? – Bevor ich vergleichen kann, muss ich doch wissen, wie die Pflege definiert ist. Das fehlt aber, und deshalb hätten wir das zuerst machen müssen. Das Ziel ist doch, dass Angehörige und Betroffene vergleichen können, wenn sie entscheiden, welches Haus und welche Ein

richtung sie auswählen, wo sie hingehen wollen. Sie haben aber nur Prüfberichte die, wie Sie selbst zugeben, mangelhaft sind. Was hat das denn für einen Aussagewert? – Ich sage: gar keinen. Die Angehörigen können mit veröffentlichten Prüfberichten, die wenig über die Qualität aussagen, nur sehr wenig anfangen. Deswegen genügt es eben gerade nicht, Vergleiche zu veröffentlichen, sondern man sollte vorher definieren, was überhaupt vergleichbar ist und was gute Pflege ist.

(Beifall bei der SPD)

Da haben Sie aber riesige politische Defizite, wenn Sie mir diesen kleinen Ausflug gestatten. Was gute Pflege bedeuten kann, ist doch seit Jahren definiert. Ich erinnere an die Ergebnisse des runden Tisches zur Pflegequalität, der so wunderbare Formulierungen aufgenommen hat wie die, dass Pflege nicht nur "sauber und satt" bedeutet, sondern auch Teilhabe an der Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Alle diese Begriffe liegen auf dem Tisch, und zwar schon seit Jahren. Aber ein eindeutiges politisches Bekenntnis zur Definition des runden Tisches fehlt. Genau das hat Ihre Regierung in Berlin in den letzten Monaten und Jahren nicht gefördert, sondern vielmehr verhindert. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich würde Ihnen deshalb gerne Zusammenarbeit bei dieser Frage anbieten. Wenn Sie die Kraft nicht haben, den Begriff der Pflegebedürftigkeit umzusetzen, dann machen wird das doch gemeinsam. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Zuruf des Abgeordneten Hans Joachim Werner (SPD))

Wenn dieser Pflegebedürftigkeitsbegriff also endlich geklärt ist, dann sind wir bestimmt sehr schnell einig darüber, dass die Prüfung der jeweiligen Einrichtung veröffentlicht werden kann. Dann weiß man nämlich, worum es geht, wenn man Prüfberichte liest.

In diesem Zusammenhang darf ich einen weiteren Aspekt ansprechen, der hier völlig ausgeblendet ist. Hier wird eine zweite Chance vergeben, eine wichtige Diskussion zu führen. Ich bin bei allem Verständnis für Transparenz davon überzeugt, dass Prüfberichte die Qualität nicht verbessern. Sie haben hier zwar einige Punkte definiert, lieber Herr Unterländer, doch die gehen nicht weit genug. Wenn es nicht gelingt, den dramatischen Personalmangel in den Einrichtungen zu beheben, wenn es nicht gelingt, die Bezahlung der Fachkräfte so zu gestalten, dass sie der Arbeit auch angemessen ist, wenn es nicht gelingt, die Arbeitsbedingungen in den pflegerischen Einrichtungen so zu

gestalten, dass die Fachkräfte auch motiviert sind, dort zu arbeiten, wenn also all dies nicht gelingt, dann können wir jeden Tag noch so viele Pflegeberichte ins Internet stellen, wir werden das Grundproblem nicht lösen. Deshalb löst auch der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen, das Grundproblem nicht.

(Brigitte Meyer (FDP): Das soll er ja auch nicht!)

Die gesamte Situation, und das ist hier immer wieder das Gleiche, hat eine wichtige Ursache: Die Pflegeversicherung heutiger Ausgestaltung ist massiv unterfinanziert. Das ist sie seit Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Genau dieses Grundproblem, zur Verbesserung der Qualität für ausreichend Personal zu sorgen, lösen Sie aber nicht. Sie überlassen auch mit den neuen gesetzlichen Regelungen aus Berlin die Pflegeversicherung der privaten Hand. Sie sind auf dem besten Weg, die Pflegeversicherung langfristig zu privatisieren. Ich sage Ihnen: Das ist das Ende einer guten Pflege und nicht der Anfang einer guten Pflege.