Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

(Ludwig Wörner (SPD): In den Ländern gibt es Eide und Schwüre, und was gibt es im Bund?)

Ich zitiere jetzt ganz bewusst niemand von den GRÜNEN, von der SPD oder von den Linken, sondern ich zitiere Dr. Georg Nüßlein, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter der CSU. Er sagte im letzten Jahr bei der Debatte über den Richtlinienentwurf:

Die Frontlinie gegen den Vorschlag steht auf nationaler wie auf europäischer Ebene wie selten in großer überparteilicher Einigkeit, mit einer kleinen Ausnahme: Das FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium, und damit leider auch unser Koalitionspartner, die FDP-Bundestagsfraktion, können sich mit der breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag, im Bundesrat, ja auch im Europäischen Parlament sowie bei allen kommunalen Spitzenverbänden und sämtlichen kommunalen Wirtschaftsverbänden nicht anfreunden und zeigen sich dem Vorschlag der EU-Kommission gegenüber zumindest offen, wenn nicht sogar hörig.

Das hat Ihnen ein CSU-Bundestagsabgeordneter zu dem Thema ins Stammbuch geschrieben. An anderer Stelle sagt er:

Das ist politisch enttäuschend und in der Sache fahrlässig, wenn nicht gefährlich.

Ja, es ist gefährlich, die Trinkwasserversorgung zu privatisieren. Deshalb sollten wir alles tun, dass das nicht realisiert wird. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, das wir haben, darin sollten wir uns einig sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von rechts?

Ja, bitte.

Herr Kollege Magerl, Sie haben zu Recht auf das hingewiesen, was im Hochwasserschutz bis jetzt noch nicht passiert ist. Geben Sie mir recht, dass in Ihrer Heimatstadt Freising im Stadtteil Neustift eine Hochwasserverbauung ausgesetzt wurde, weil dort ein Halsbandschnäpper brütet?

Herr Kollege zur Erwiderung bitte.

In diesem Gebiet gab es keinerlei Probleme mit dem Hochwasser. Die Isar ist nur für wenige Stunden über das Bett hinausgetreten.

(Christa Stewens (CSU): Es kannt ja sei!)

Wir können gerne hinausgehen und eine Exkursion machen. Der Halsbandschnäpper hat übrigens während des Hochwassers ganz schön gesungen.

(Zuruf von der CSU: Ja oder nein?)

Die Hochwasserschutzmaßnahme ist nicht vollendet worden. Der wesentliche Teil der Hochwasserschutzmaßnahme, nämlich die Spundwand im Deich, die gehalten und Freising geschützt hat, war vorhanden. Insofern bestand keine Gefahr in Verzug. Fertig gestellt werden muss noch die Dammkrone. Das ist jetzt für einige Zeit ausgesetzt worden. Von der Dammkrone war das Wasser aber noch etwa vier Meter entfernt. Freising ist damit kein taugliches Beispiel dafür, dass eine Hochwasserschutzmaßnahme Probleme verursacht hat, weil der Naturschutz berücksichtigt worden ist. Man muss auch noch einmal schauen, warum diese Maßnahme nicht rechtzeitig vor der Brutzeit der Vögel fertig gestellt worden ist. Wir haben hier ein Vogelschutzgebiet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die stoffliche Belastung unserer Gewässer hat Kollege Wörner schon angesprochen. Wir haben in etlichen Trinkwassergebieten Probleme mit Nitrat und Pflanzenschutzmitteln oder Pestiziden. Wir haben immer noch das seit vielen Jahren verbotene Atrazin und seine Metaboliten als Problem in unseren Wasserversorgungsanlagen. Auch hier sehe ich sehr großen Handlungsbedarf. Das ist immer noch ein sehr großes Problem. Auch dabei sind wir noch nicht da angelangt, wo wir hinsollen.

In dem Zusammenhang – Kollege Wörner hat es erwähnt – ist auch die Belastung mit Medikamenten zu nennen, die zum Teil vom Menschen über den Stoffwechsel ausgeschieden werden. Teilweise gelangen hormonell wirksame Substanzen aus anderen Bereichen, zum Teil auch Antibiotika aus der Landwirtschaft ins Wasser. Von denen wissen wir teilweise nicht, was sie anrichten. Deshalb müssen wir verschärft über die Frage einer vierten Klärstufe an unseren Kläranlagen diskutieren. Zumindest müssen wir dort, wo es Probleme gibt, in Richtung einer vierten Klärstufe kommen. Wir wissen, dass dadurch Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen, aber unser Wasser sollte uns dieses Geld Wert sein.

Die Moore möchte ich auch noch ansprechen. Ich sehe den Grünlandumbruch, der teilweise auch in Moorgebieten stattfindet, nicht ganz so locker wie Kollegin Müller. Der Grünlandumbruch ist nach wie vor ein Problem. Dem sollten wir uns stellen. Die Versiegelung und die Flächeninanspruchnahme – da gebe ich Ihnen völlig recht – sind die größeren Probleme. Das sollten wir in die richtige Relation setzen. Der Grünlandumbruch ist in den Überschwemmungsgebieten, aber auch außerhalb der Überschwemmungsgebiete ein Problem. In der Antwort der Staatsregierung steht, wie viel Ackerland in Überschwemmungsgebieten liegt, was auch nicht ganz unproblematisch ist.

An der Antwort auf die Interpellation stört mich, dass bei den Mooren viel zu wenig vorangeht. Die Maßnahmen an den Mooren sind nicht nur wichtig für den Hochwasserschutz und den Wasserschutz, sondern auch eine Frage des Klimaschutzes. Nicht befriedigen kann es mich, wenn auf die Frage nach der Renaturierung der Moore geantwortet wird:

Besonders aufwändig stellt sich die Renaturierung von Mooren dort dar, wo sie seit langer Zeit entwässert und intensiv landwirtschaftlich genutzt sind, wie die großflächigen Nieder- und Anmoorböden z.B. im Donaumoos und Donauried, Erdinger und Freisinger Moos. Ein genauer Flächenumfang

- da zeigt sich wieder die mangelhafte Datenlage –

lässt sich im Moment nicht angeben, …

Wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt, können wir auch schlecht kalkulieren, was wir in den Haushalt einstellen müssen. Hier ist nachzuarbeiten. Hier sind noch Daten zu erheben und vorzulegen. Zur Frage, in wie viele Moore seit 1990 Dränagen eingebaut wurden, liegen der Staatsregierung keine Daten vor. Hier geht es um geschützte Lebensräume.

(Ludwig Wörner (SPD): Wer’s glaubt!)

- Ja, das mag auch sein, Kollege Wörner. Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Biodiversität an unseren Gewässern. Die Frage, welche Tier- und Pflanzenarten in den letzten zwölf Jahren in den Süßwasser-Ökosystemen und Auenlandschaften ausgestorben sind, kann nicht beantwortet werden, da nur ein Bruchteil der Arten mit Gewässerbezug für die Erstellung der Roten Liste untersucht werden kann. Auch hier fehlt es. Das ist immer wieder zu kritisieren und anzusprechen. Es fehlt an den Datengrundlagen. Wie sollen wir politisch handeln, wenn uns in dem Zusammenhang in wesentlichen Teilen die Datengrundlagen fehlen?

Fließgewässer oder Gewässer insgesamt sind die artenreichsten Lebensräume. Das ist nicht nur in Bayern so, sondern auch in Mitteleuropa – das sage ich auch mit Blick über die Grenzen – sind das die Lebensräume, die wir in den vergangenen Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten am meisten verändert haben. Hier ist riesiger Handlungsbedarf für die Zukunft gegeben.

Sehr interessant fand ich die Antwort auf die Frage nach den Uferrandstreifen, lieber Ludwig. Die Untersuchungsergebnisse stammen teilweise von Ende der Neunzigerjahre, gab es also lange vorher, bevor wir über dieses unselige Bayerische Wassergesetz diskutiert haben. Aus den Ermittlungen geht klar hervor, dass der Oberflächenabfluss, teilweise auch die Speicherkapazität durch Uferrandstreifen entlang der Gewässer deutlich verbessert wird. Eine bessere, zusammenfassende Begründung für Gewässerrandstreifen kann man nicht hineinschreiben. Hier ist dringend Handlungsbedarf gegeben. Wir brauchen das, wie die anderen Bundesländer auch. Sie waren nicht so blöd, sondern sie haben mit Fug und Recht Gewässerrandstreifen festgelegt. Wir sollten den 15 anderen Bundesländern in Deutschland folgen und zum Thema Gewässerrandstreifen noch einmal Überlegungen anstellen und deren Realisierung dann angehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zur Wasserrahmenrichtlinie. Das betrifft die Querverbauungen, die Querbauwerke. Wenn man sich die Zahlen bei den Wasserkraftanlagen anschaut, die Sie sehr akribisch geliefert haben – dazu liegen offensichtlich aktuelle Daten vor – liest man: 4.169 aktive Wasserkraftanlagen in Bayern, 6.958 Stauwehre in Bayern und 17.249 Querbauwerke an Fließgewässern. Bei rund 100.000 Kilometern Fließgewässern haben wir im Schnitt fast alle 2 bis 2,5 Kilometer Querbauwerke.

Von dem, was die Wasserrahmenrichtlinie vorsieht, nämlich die Wiederherstellung des Fließgewässerkontinuums, sind wir meilenweit entfernt. Auf Seite 60 steht, dass von den über 17.000 Querbauwerken 3.289 mangelhaft durchgängig und 3.232 nicht durchgängig sind. Das heißt: Wir haben von den 17.000 Anlagen fast 7.000 Anlagen, die mangelhaft oder nicht durchgängig sind. Da liegt eine riesige Baustelle noch vor uns, wenn wir die Wasserrahmenrichtlinie auch nur ansatzweise umsetzen wollen.

Zwei letzte Punkte, die ich noch kurz ansprechen möchte und die nicht direkt in der Interpellation stehen, aber natürlich eine Rolle spielen: Das ist zum einen das Zusammenstutzen des Kapitels Wasser im derzeit vorliegenden Entwurf des Landesentwicklungsprogramms.

(Tobias Thalhammer (FDP): Nächstes Plenum!)

Man muss eine Gesamtschau machen, Kollege Thalhammer! Mit Sicherheit werden wir das nächste Mal nicht nur einen oder zwei Sätze darüber verlieren, aber auch das weist in die völlig falsche Richtung.

Kollege Wörner hat zum anderen das Personal angesprochen. Wenn ich all die Maßnahmen, die noch nicht erledigt sind, umsetzen möchte, dann brauche ich dazu nicht nur Geld aus dem Haushalt für Investitionen, sondern ich brauche dafür auch das erforderliche Personal, das diese Investitionen dann plant, planfeststellt, bearbeitet und umsetzt. Daher müssen wir auch bei der nächsten Haushaltsberatung die Personalkosten im Bereich der Wasserwirtschaft berücksichtigen, damit wir unseren wichtigsten Lebensraum, aber auch unser wichtigstes Lebensmittel, das wir in Bayern haben, deutlich verbessern und unterhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist Tobias Thalhammer von der FDP-Fraktion.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, dass die christlich-liberale Staatsregierung aufgrund dieser Interpellation, dieser Mega-Anfrage, die Möglichkeit hat, noch einmal darzulegen, wie gut die Wasserqualität in Bayern ist.

(Zuruf von der SPD)

Ich meine, dass Bayern wirklich ein Vorzeigeland ist, lieber Herr Kollege. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Kollege der GRÜNEN, Herr Dr. Magerl, als Hauptkritikpunkt herausstellt, dass wir, wenn wir zu Recht darauf verweisen, wie gut das Wasser im deut

schen und im weltweiten Vergleich ist, überheblich wirken, und zwar auch schon durch die Nennung dieser Tatsache.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das war eine der vielen richtigen Aussagen vom Kollegen Magerl!)

Sie sehen, es gibt anscheinend nicht viele sachliche Kritikpunkte, sondern Ihre Kritik ist eher emotional geprägt.

Ich glaube, wir können auf das Wasser in all seinen Ausprägungsformen hier im Freistaat Bayern stolz sein.

(Volkmar Halbleib (SPD): Und das hat die FDP gemacht?)

Dass Wasser ein immens wichtiges Thema, Lebenselixier Nummer eins ist, wir aber auch die schrecklichen Ereignisse damit verbinden, wie wir sie derzeit mit der Hochwasserkatastrophe erleben, ist uns allen klar. Mit einer Interpellation mit sage und schreibe 147 Fragen plus Unterfragen bis hin zu solch immens wichtigen Fragen, welche Softgetränkehersteller es in Bayern gibt, hätte die Staatsregierung darauf nicht speziell hingewiesen werden müssen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das hat wohl einen fachlichen Hintergrund! Wenn Sie den nicht erkennen, tut es mir leid!)

Ich erkenne schon einen fachlichen Hintergrund. Ich erkenne aber auch, lieber Kollege, dass bei 147 Fragen zu einem Thema, zu dem es wirklich ausreichend Dokumentationen gibt und mit dem wir uns in dieser Legislaturperiode intensiv auseinandergesetzt haben,

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Ihr Wissensdurst ganz besonders groß war.