Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich gebe das Ergebnis des Dringlichkeitsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/17081 bekannt. Mit Ja haben 61 gestimmt, mit Nein haben 72 gestimmt. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Ich gebe jetzt das Ergebnis zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/17083 bekannt. Mit Ja haben 43 gestimmt, mit

Nein haben 86 gestimmt. Stimmenthaltungen gab es eine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Nun noch das Ergebnis der Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/17087. Mit Ja haben 45 gestimmt, mit Nein haben 73 gestimmt. Stimmenthaltungen gab es 16. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Tobias Thalhammer u. a. und Fraktion (FDP) Programm zur Überwachung und Auswertung von elektronischen Medien und elektronisch gespeicherten Daten "PRISM" (Drs. 16/17084)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) PRISM - Geheimdienstliche Überwachung aufklären! (Drs. 16/17093)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf als erstem Herrn Kollegen Dr. Fischer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der IT-Beauftragte Edward Snowden, der für den US-Geheimdienst NSA gearbeitet hat, hat es öffentlich gemacht, das Weiße Haus hat es bestätigt, der amerikanische Präsident hat es verteidigt, und die Weltöffentlichkeit ist schockiert.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wer hat es erfunden?)

Seit vielen Jahren, wohl schon seit sechs oder sieben Jahren, existiert das Überwachungsprogramm PRISM. Streng geheim und von der NSA geführt werden elektronische Medien und elektronisch gespeicherte Daten überwacht und ausgewertet. Neun der größten Internetkonzerne und -dienste der USA sollen beteiligt sein: Microsoft, Google, Facebook, Yahoo, Apple, AOL und Paltalk. Da durch PRISM eine umfassende Überwachung von Personen nicht nur in, sondern auch außerhalb der Vereinigten Staaten ermöglicht wurde, zeigt der Skandal deutlich: Auch Deutschland steht im Fokus von Überwachungsprogrammen. Nach den Berichten und einer im britischen

"Guardian" veröffentlichten Karte wurden von der NSA in Deutschland ähnlich viele Kommunikationsdaten abgeschöpft wie in China, Saudi-Arabien oder im Irak. Damit ist PRISM ein Symbol geworden, ein Symbol dafür, dass jeder Internetnutzer davon ausgehen muss, überwacht zu werden.

Dieser Skandal wirft natürlich auch viele Fragen auf. Über die genaue Funktionsweise gibt es nur Spekulationen. Erhält die NSA Zugriff auf konzerneigene Suchoptionen? Kann bei Skype-Nutzern schon der Verbindungsaufbau die Überwachung aktivieren? Werden Fotodatenbanken oder Suchbegriffe bei Google überwacht? Aber auch die Frage, warum Deutschland so stark betroffen ist, bleibt offen. Natürlich stellt sich die Frage: Was passiert mit den möglicherweise illegal bezogenen Daten? Ist es möglich, dass amerikanische Dienste Millionen von Daten abfischen, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam? Wer war in die Spähpraktiken eingeweiht? Das sind viele Fragen.

Natürlich führen diese Fragen dazu, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und ihre Privatsphäre im digitalen Alltag immer brüchiger wird. Dieses schwer beschädigte Vertrauen gilt es wiederherzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Was können Bürger tun, wie können sie sich schützen, um nicht zum gläsernen Bürger zu werden? – Darauf gibt es mehrere Antworten. Natürlich durch Boykott. Wer diese Dienste, die ich genannt habe, nicht nutzt, wird vom System nicht erfasst. Doch in der digitalen Welt kann man sich diesen Diensten gar nicht entziehen.

Die zweite Antwort auf die Frage nach wirksamem Schutz lautet Verschlüsselung. Es ist möglich, seinen digitalen Fußabdruck zu verschleiern. Wer seine Adresse behalten möchte, kann seine Mails verschlüsseln, um zumindest den Inhalt vor unerwünschten Mitlesern zu schützen. Doch über diese Möglichkeit müssten die Bürgerinnen und Bürger ausreichend informiert werden; denn sie ist zeitaufwendig und oft eine technische Herausforderung. Auch die Verschlüsselung ist nicht die perfekte Antwort. Ich spreche von den sozialen Netzwerken, die gerade darauf angelegt sind, dass man Daten öffentlich macht. Wenn ein dort installiertes Profil keine Rückschlüsse auf die Identität zulassen würde, so wäre es nutzlos.

In dieser Situation halten wir es für wichtig, dass die Staatsregierung über die Erkenntnisse und Auswirkungen des Programms PRISM berichtet, damit ein Schritt in Richtung Aufklärung getan werden kann. Das gesamte Ausmaß der Internetüberwachung

durch die NSA muss geklärt werden. Alle Fakten müssen auf den Tisch gelegt werden, beispielsweise auch die Frage, ob es unterschiedliche Datenschutzstandards für US-Bürger und Ausländer gibt. So etwas wäre für uns nicht akzeptabel.

Die Stärke des liberalen Rechtsstaats liegt im Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb geht es nicht darum, die Gesetzeslage zu verschärfen, sondern es geht um eine effiziente Durchsetzung der existierenden Vorschriften. Die Grundsätze des Datenschutzes müssen im öffentlichen und im privaten Bereich konsequent beachtet und umgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP)

Einen Trend zu immer weiteren und immer tieferen Einschnitten in die Freiheit und in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger nehmen wir nicht hin; denn Sicherheit ist im demokratischen Rechtsstaat kein Selbstzweck, sondern Sicherheit dient der Sicherung der Freiheit.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Streibl.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die FDP diesen Antrag gestellt hat; denn hier liegt einiges im Argen, und es muss weiter nachgefasst werden. Deshalb haben wir unseren Dringlichkeitsantrag eingebracht.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Copy and Paste!)

- Nein, das nicht. Sie fordern, dass die Staatsregierung über die bisherigen Ergebnisse und Erkenntnisse zum Programm Auskunft gibt. Wir wollen, dass sich die Staatsregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, dass die Hintergründe des Überwachungsprogramms umfassend aufgeklärt werden und dafür Informationen beschafft werden. Die Staatsregierung soll sich über die Bundesregierung bei den amerikanischen Freunden dafür einsetzen und aufklären, was wirklich los ist. Das ist wichtig. Wir sollten unsere transatlantischen Beziehungen auf diese Weise ausbauen und einfordern, was wir von einem Bündnispartner erwarten können, nämlich dass er mit uns fair umgeht. Das ist das Mindeste, was man in einem solchen Fall erwarten kann, wenn man Seit’ an Seit’ steht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Informationen, die man über dieses Überwachungsprogramm bekommt, sind äußerst beunruhi

gend. Neben E-Mails, Dokumenten, Fotos, Videos, Verbindungsdaten und Kontaktdaten sollen damit auch Bewegungsdaten von Personen nachvollzogen werden. Dies betrifft Nutzer von Google, Facebook, AOL, Skype, Youtube, Apple und Microsoft-Systemen. Alle, die sich mit diesen Systemen im Netz bewegen, können theoretisch von amerikanischen Geheimdiensten überwacht werden oder werden bereits von ihnen überwacht. Dieser Zustand ist nicht erträglich und wirft große Unsicherheiten und Fragen auf.

Hier sollten wir und die Bundesregierung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger in Bayern, Deutschland und auch Europa tätig werden. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Meine Damen und Herren, es mag so sein, dass die Sicherheit die Freiheit sichern soll. Wer aber meint, die Freiheit durch eine Beschneidung oder Einschränkung der Freiheit sichern zu können, der wird letztlich beides verlieren. Soweit Benjamin Franklin. Er war ein Amerikaner.

Deshalb bitte ich Sie, auch unseren Antrag zu unterstützen, da wir damit einen konkreten Auftrag geben. Wir fordern, nicht nur über das, was jetzt bekannt geworden ist, zu berichten, sondern erteilen der Staatsregierung auch den Auftrag, auf unsere amerikanischen Freunde zuzugehen und Aufklärung zu verlangen. Außerdem fordern wir, dass mit uns in Deutschland und Bayern in fairer Weise umgegangen wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Guttenberger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie erinnert mich das Diskussionsschema um das Thema PRISM an die Thematik SWIFT. Damals haben wir ganz klar und mit großer Übereinstimmung gesagt, was bei uns Datenschutz bedeutet. Für uns bedeutet Datenschutz, dass nicht einfach Daten aus Social Networks erfasst werden dürfen, dass nicht einfach Daten aus Google erfasst werden dürfen, dass Daten nicht allein zum Zweck des Sammelns ohne einen Richtervorbehalt gesammelt und ein Profil eines jeweiligen Menschen erstellt werden darf.

Wir haben ein bayerisches Datenschutzgesetz und ein Bundesdatenschutzgesetz. In den Regelungen haben wir klargelegt, wie wir uns Datenschutz und den Schutz des Einzelnen und seiner Persönlichkeitsrechte vorstellen. Wenn ich einmal unterstelle, dass das System PRISM in der Form abgelaufen ist, wie es im "Guardian" oder in der "Washington Post" dargestellt worden ist, wäre das nicht akzeptabel. Aus die

sem Grunde werden wir den Dringlichkeitsantrag der FDP unterstützen. Wir wollen uns einen Bericht darüber geben lassen, welche Erkenntnisse in Bayern vorliegen. Auch die FREIEN WÄHLER haben sich mit diesem Thema befasst.

Die FDP sagt jedoch, dass es Vorhalte im "Guardian" und in der "Washington Post" gebe und sich bereits die Kommissarin Reding mit diesem Thema befasst habe. Der Deutsche Bundestag habe dieses Thema für morgen auf seine Agenda gesetzt. Erst dann werden wir mehr wissen. Die FREIEN WÄHLER erklären in ihrem Dringlichkeitsantrag, dass es so, so und so gewesen sei. Damit würden wir uns den Bericht ersparen, weil das Ergebnis bereits vorweggenommen worden wäre.

Aus diesem Grunde werden wir den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER nicht unterstützen, den Dringlichkeitsantrag der FDP dagegen sehr wohl. Danke fürs Zuhören. Schönen Abend.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege Arnold steht schon bereit.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der unbegrenzten Freiheiten ist offensichtlich alles möglich. Das geht uns entschieden zu weit.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in Europa und Deutschland Bürgerrechte schmerzlich und langwierig erkämpft und bilden eine Wertegemeinschaft, was wir auch nach außen transportieren. Diese Werte sollen die Sicherheit und die Freiheit des Einzelnen absichern. Was geschieht in diesem Fall? Unsere politische Kultur wird nicht nur durch einen Skandal und durch Veröffentlichungen in Zeitschriften gravierend gefährdet und beeinträchtigt, sondern offensichtlich seit einiger Zeit Tag für Tag im Geheimen erschüttert. Das Wort "Datenschutz" gibt es eigentlich unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr. Diese Festung ist nicht geschliffen, sondern unter diesem Gesichtspunkt atomisiert worden.

Wir haben festzustellen, dass E-Mails, Chatverkehr, Videos, Fotos, Files und Logins grenzenlos, bedenkenlos, anlassunabhängig, verdachtslos und ohne Beschränkung auf den Einzelfall und ohne Information der Betroffenen ewig gespeichert werden können. Das geschieht alles nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit. Das ist eine Sicherheit, die wir nicht wollen. Für uns ist das unerträglich im Hinblick darauf, dass sich ein Mensch in einer Gesellschaft auch entfalten können muss.

Wir werden morgen im Rechts- und Verfassungsausschuss darüber diskutieren, wie es mit dem Kernbereich der informationellen Selbstbestimmung und der Privatsphäre bestellt ist. Alles das gibt es offensichtlich nicht mehr.