Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

Gibt es Irritationen auf der Regierungsbank zu diesen beiden Gesetzentwürfen? – Nein. Das beruhigt mich. Wir können in die Beratung eintreten. Es ist hier ein Einvernehmen mit allen Fraktionen getroffen worden. Nach Festlegung und Versand der Tagesordnung ist das Einvernehmen hergestellt worden, den eingereichten Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Ände

rung des Bayerischen Fraktionsgesetzes auf Drucksache 16/17075 mit einzubeziehen.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der FREIEN WÄHLER wird von Herrn Kollegen Streibl begründet. Bitte sehr, Herr Kollege Streibl. Den Fraktionen stehen jeweils zehn Minuten zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen heute einen Gesetzentwurf vor, den wir im Grunde schon in unserem Dringlichkeitsantrag vom 24. April dieses Jahres angekündigt haben. Damit soll das Parlamentsrecht erneuert und transparenter dargestellt werden. Wir halten eine Neuregelung des Abgeordneten- und Fraktionsrechts für sehr notwendig und plädieren für eine transparente Ausgestaltung. Generell müssen wir uns die Frage stellen: Wie muss Demokratie im 21. Jahrhundert funktionieren, und welches sind die Anforderungen an eine parlamentarische Demokratie im neuen Jahrtausend?

Dass wir hier nicht mehr nur mit früheren Strukturen und Formen in den bekannten Weisen des letzten Jahrhunderts arbeiten können, müsste klar sein. Wir müssen das Abgeordnetenrecht generell auf den Prüfstand stellen und überlegen, was die neuen Anforderungen sind, denen wir gerecht werden müssen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bisher haben wir im Hohen Hause das Thema der Abgeordnetenmitarbeiter und der Altfallregelungen debattiert und sehr schnell im Hauruck-Verfahren Änderungen herbeigeführt. Ob es sinnvoll war, das so schnell zu tun, wird sich mit der Zeit zeigen.

Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Zahlung von Funktionszulagen in der Fraktion regelt. Mit diesem Entwurf wollen wir einen neuen Punkt in die Debatte einbringen und eine Konkretisierung schaffen.

Per se ist es nicht verboten, dass die Fraktionen an ihre Funktionsträger Zulagen zahlen. Auch das Bundesverfassungsgericht kommt in seiner Bewertung dazu, dass das grundsätzlich möglich ist, es muss lediglich ausgestaltet werden und bedarf einer rechtlichen Grundlage. Bisher ist diese rechtliche Grundlage nur die Rechnungslegungspflicht im Fraktionsgesetz. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf eine neue Rechtsgrundlage anstoßen, die so gestaltet ist, dass es weiterhin in der Fraktionsautonomie verbleibt, wie gewisse Ämter innerhalb der Fraktionen besoldet bzw. da berücksichtigt werden, wo ein Mehr an Verantwortung und Arbeit vorhanden ist. Das sind genau die Ämter, von denen wir sagen, dass man bei den

Zulagen in der Höhe und auch bei den Personen unterscheiden muss, die diese Zulagen bekommen.

Wir schlagen vor, dass Funktionsträger eine Zulage erhalten können, beispielsweise der Fraktionsvorsitzende, dessen Stellvertreter, die Parlamentarischen Geschäftsführer sowie die Vorsitzenden von Arbeitskreisen.

Darüber hinaus sagen wir, dass die Zulagen ihrer Höhe nach angemessen sein müssen. Die Fraktion muss zwar einen gewissen Spielraum haben, aber es muss auch ein gewisser Gleichklang zwischen den Fraktionen herrschen. Es darf innerhalb einer Fraktion auch keinen Wettbewerb um bestimmte Funktionen geben. Deswegen dürfen diese Zulagen nicht überzogen sein.

Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: Abgeordnete sind in Statusfragen formal gleich zu behandeln, damit keine Abhängigkeiten oder Hierarchien über das für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments unabdingbare Maß hinaus entstehen. Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, die Zulagen auf 5 % der Fraktionszuschüsse zu begrenzen. Hierbei soll der Zuschlag bei den Koalitionsfraktionen herausgerechnet werden, damit es keine Bevorzugung der Koalitionsfraktionen gibt, sondern alle Fraktionen gleich behandelt werden. Damit würde ein gewisser Gleichklang entstehen.

Darüber hinaus wollen wir mehr Transparenz schaffen. Die Fraktionen sollen in ihrem Rechenschaftsbericht aufschlüsseln, an wen in welcher Höhe diese Funktionszulagen gezahlt werden.

Meine Damen und Herren, in der aktuellen Debatte ist jetzt auch die CSU reformwillig. Deshalb möchte ich noch anregen, dass wir uns in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe zusammensetzen und möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission einsetzen, um diese Probleme umfassend und grundlegend zu prüfen und neue Vorschriften zu erarbeiten. Meiner Meinung nach brauchen wir ein völlig neues Fraktions- und Abgeordnetengesetz, in dem alle Kritikpunkte ihren Niederschlag finden. Wir sollten überlegen, wie wir unser Parlament und unsere Demokratie im neuen Jahrtausend gestalten können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke, Kollege Streibl. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und deren Gesetzentwurf bitte ich Frau Bause ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist längst überfällig, dass wir zu einer gesetzlichen – ich betone: gesetzlichen – Regelung kommen über den Umfang und die Höhe der Zulagen, die von den Fraktionen speziellen Abgeordneten gezahlt werden. Regelungen, die die Fraktionen für sich treffen, etwa in Geschäftsordnungen oder Verhaltenskodizes, reichen dafür nicht aus. Deswegen haben wir einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.

Warum brauchen wir eine gesetzliche Regelung?

Erstens. Alle Landtagsabgeordneten sind formal gleich; sie haben die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten. Das erfordert auch, dass sie gleich behandelt werden. Wenn es Ausnahmen von der Gleichbehandlung gibt, zum Beispiel durch Gewährung von Zulagen, die Vorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer von Fraktionen aufgrund ihres zusätzlichen Aufwandes bekommen, dann müssen diese Ausnahmen wiederum für alle gleich gelten. Es kann nicht sein, dass eine Fraktion sagt, wir haben einen Haufen Geld und wissen nicht, wohin damit; dann geben wir es vielen Mitgliedern unserer Fraktion, während eine andere Fraktion sorgsam und sparsam mit den Mitteln umgeht und das Problem des Mehraufwands auf andere Art und Weise löst. Wir alle sind es dem Steuerzahler schuldig, dass wir zum einen sehr sorgsam mit den Steuermitteln umgehen und zum anderen gesetzliche Regelungen treffen, die für alle Mitglieder dieses Hauses in gleicher Weise gelten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Der Oberste Rechnungshof mahnt seit Längerem eine gesetzliche Regelung der Zulagenzahlung durch die Fraktionen an. In seinem Jahresbericht 2012 weist er darauf hin, dass es insoweit einen Wildwuchs gibt und manche Fraktionen ausufernde Regelungen getroffen haben. Deshalb reicht es auch nicht aus, Frau Stewens, wenn Sie in diesem Zusammenhang auf die Geschäftsordnung der CSU-Fraktion verweisen, auch wenn das besser als nichts ist. Wenn wir das Problem schon angehen, dann sollten wir die Regelung auf neue, feste Füße stellen, das heißt, wir sollten eine gesetzliche Regelung anstreben.

Drittens. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Urteilen herausgearbeitet, dass Funktionszulagen nur in sehr engen Grenzen zulässig sind und nur für wenige, herausgehobene parlamentarische Funktionen gezahlt werden dürfen. Selbst wenn die Urteile – das eine bezieht sich auf Thüringen, das andere auf Schleswig-Holstein – keine unmittelbare Bindungswirkung für Bayern entfalten, sollten wir doch die in beiden Urteilen bestätigten Grundsätze ernst nehmen

und eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung treffen, die uns nicht irgendwann auf die Füße fallen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Stewens, Sie mussten offensichtlich gegen große Widerstände in der CSU-Fraktion kämpfen, um überhaupt eine Reduktion zu erreichen. Das zeigt nur, wie hoch das Maß an Uneinsichtigkeit und wie ausgeprägt die Mitnahmementalität in ihrer Fraktion noch ist. Ich kann das jedenfalls nicht als großen Fortschritt empfinden.

Bisher hat die CSU-Fraktion im Rahmen eines ausufernden Zulagensystems eine dreiviertel Million Euro Steuergelder an viele ihrer Abgeordneten verteilt. Jetzt ist es "nur" noch eine halbe Million Euro.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Fortschritt!)

Das ist wirklich ein großer "Fortschritt".

Das Zulagensystem muss radikal und drastisch reduziert und auf wenige Personen konzentriert werden.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Man kann es so zusammenfassen: War es bisher bei Ihnen ein schamloses Hinlangen, so ist es jetzt "nur" noch ein unverschämtes Hinlangen. Das ist jedenfalls kein sorgsamer Umgang mit Steuermitteln.

(Beifall bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CSU)

Der Oberste Rechnungshof – ich will ihn noch einmal zitieren – hat in seinem Jahresbericht 2012 ausgeführt:

Der ORH ist deshalb der Auffassung, dass … eine gesetzliche Regelung, beispielsweise im Fraktionsgesetz, getroffen werden sollte. Der ORH erwartet, dass hierbei strenge Maßstäbe angelegt und die Leistungen an die Fraktionen reduziert werden.

Wir haben einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Der Empfängerkreis soll deutlich – auf Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer, andere nicht – reduziert werden. Die Zulage muss auch von der Höhe her gedeckelt sein; 20 % einer Diät halten wir in diesem Zusammenhang für ausreichend. Auch das ist in den Bundesverfassungsgerichtsurteilen und im ORH-Jahresbericht ausgeführt. Vor allen Dingen wird dort deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es unzulässig sei, bestimmte parlamentarische Funktionen höher zu dotieren als die Tätigkeit

der Parlamentspräsidentin; sie bezieht eine zweifache Diät.

Frau Stewens, Sie haben verzichtet. In der Zeitung stand, Sie "begnügten" sich nunmehr mit 9.000 Euro Zulage. Ich sage Ihnen: Viele Menschen würden sich gern mit 9.000 Euro "begnügen" – ohne Zulage. Damit beziehen Sie übrigens immer noch mehr als eine Doppeldiät, nämlich eine zweieinhalbfache Diät, und das verkaufen Sie als große Einsparung, als Heldentat. Das Bundesverfassungsgericht hat verdeutlicht, dass die Obergrenze das Gehalt der Präsidenten bzw. des Präsidenten sein müsse. Auf der anderen Seite muss natürlich die Entschädigung für die Abgeordneten stehen.

Der Vorschlag der Koalition ist ein kleines Schrittchen, wird aber dem, was aufgrund der Verfassungsrechtsprechung und der Vorgaben des Obersten Rechnungshofes erforderlich ist, in keiner Weise gerecht. Deswegen haben wir einen klaren Regelungsentwurf vorgelegt, um noch einmal zu verdeutlichen, in welche Richtung es gehen muss.

Die SPD-Fraktion hat einen Entwurf nachgezogen; dieser reicht aus unserer Sicht nicht aus. Der SPD geht es nur darum, dass alles transparent gemacht, also veröffentlicht wird. Weder an die Zahl der Empfänger von Zulagen noch an deren Höhe soll jedoch herangegangen werden. Transparenz ist sozusagen die Grundlage, die wir schaffen müssen; das reicht aber nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts nicht aus.

Die FREIEN WÄHLER wollen zumindest eine Deckelung erreichen. Aber auch nach diesem Vorschlag sind die Zahl der Empfänger von Zulagen und deren Höhe noch viel zu hoch. Deswegen sehen wir keine Möglichkeit, den Gesetzentwürfen der anderen Fraktionen in ihren jetzigen Fassungen zuzustimmen.

Wir möchten darüber hinaus erreichen, dass die Veröffentlichung von Höhe und Herkunft der Nebeneinkünfte im Abgeordnetengesetz geregelt wird. Das hielten wir für viel übersichtlicher, überschaubarer und transparenter, als wenn die Regelung anderswo getroffen würde. Deswegen haben wir einen entsprechenden Passus bei dieser Gelegenheit gleich in unseren Entwurf aufgenommen.

Ferner streben wir an, dass – abzüglich einer Bagatellgrenze von 1.000 Euro jährlich; das muss dann nicht mehr sein – die genaue Höhe der Nebeneinkünfte offengelegt wird. Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, zu wissen, wer hier im Parlament welche Mittel – einschließlich Nebeneinkünfte – bekommt. Wir sind als Abgeordnete in ein Vollzeitparlament gewählt. Unsere Tätigkeit ist gut dotiert. Deswegen sollten Ne

beneinkünfte tatsächlich solche sein und auch entsprechend erkennbar sein.

(Zuruf von der CSU: Steinbrück!)

Ich bin nicht Herr Steinbrück. Ich spreche weder für ihn noch für die SPD.

Ich fasse zusammen: Es bedarf einer klaren Regelung im Gesetz. Die entsprechenden Einnahmen müssen auf Euro und Cent nachlesbar sein. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bause. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Halbleib gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig und notwendig, dass wir die sogenannten Funktionszulagen – Zulagen für herausgehobene Funktionen innerhalb der Fraktionen – gesetzlich regeln. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass Parlamentsfraktionen als Teile und als ständige Gliederungen des Parlaments anerkannte und notwendige Einrichtungen unserer Verfassungswirklichkeit und auch der Verfassung selbst sind.

Wir sind allerdings nicht nur überzeugt von der Zulässigkeit von Fraktionszulagen, sondern wir wollen sie auch eindeutig regeln. Die Regelung im Gesetz halten wir für notwendig. Wir sind aber nicht nur von der Zulässigkeit der Fraktionszulagen überzeugt, sondern wir halten es auch für sinnvoll und auch vom Grundsatz her für angemessen, bestimmte Funktionsämter innerhalb der Fraktionen mit zusätzlichen Aufwandsentschädigungen zu versehen. Der Grund ist ganz einfach: Mit diesen besonderen Funktionen sind besondere Beanspruchung und auch Verantwortung verbunden. Es entspricht schlicht der Lebenserfahrung und auch der Lebenswirklichkeit in Wirtschaft, Verwaltung und vielen Bereichen des Lebens, dass Beanspruchung und Verantwortung bei den Aufwandsentschädigungen oder bei der Vergütung auch entsprechend berücksichtigt werden.