Die CSU mussten wir, obwohl so viel an Bürgerrechten in der Verfassung steht, immer wieder an dieselben erinnern. Seit 2001 wurden CSU und Staatsregierung in 24 Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht, aber auch vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Grenzen gesetzt. So sieht es aus, wenn jemand die Bayerische Verfassung ernst nehmen sollte, es aber nicht tut. Deswegen ist alles, was wir hier heute diskutieren, angesichts der aktuellen Politik, die die CSU im Hause betreibt, reines Wortgeplänkel.
Die Bayerische Verfassung besteht einerseits aus formellen und deshalb nur schwer änderbaren Themen und Vorschriften und andererseits aus änderbaren Vorschriften. Alle haben Maßstabfunktion für das gesamte bayerische Recht. Die Geschichte und die Entstehung der Verfassung muss ich in diesem Hause nicht erläutern; diese setze ich voraus. Seit 1946 gab es elf Änderungsgesetze mit circa 50 Einzeländerungen, Änderungen essentieller Art, beispielsweise die Abschaffung von Bekenntnisschulen oder die Stärkung der Rundfunkfreiheit. Es gab Änderungen, an denen auch wir GRÜNEN mitgewirkt haben. Das waren aber immer Vorschläge, die auch tatsächlich
Anpassungen an die Lebensrealität beinhaltet haben oder die auch konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen gehabt haben. Heute sprechen wir jedoch über Änderungen, die dem entsprechen, was wir von unserem Ministerpräsidenten gewohnt sind: Regierungslyrik, die niemandem weht tut, niemanden fordert und niemanden etwas kostet. Null Antwort auf aktuelle Fragen.
2016 feiert die Bayerische Verfassung ihr 70-jähriges Bestehen, eine Verfassung, die viel zum inneren Frieden in unserer Gesellschaft beigetragen hat. Sie dient nicht zur Selbstdarstellung. Sie ist zu schade für tagespolitische Entscheidungen ohne Mehrwert.
Als Nächster hat nun der Herr Staatsminister Joachim Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, Hohes Haus! Die Verfassung des Freistaates Bayern hat sich als Grundordnung unseres Gemeinwesens seit nunmehr über 65 Jahren in hervorragender Weise bewährt. Dank der Weitsicht ihrer Schöpfer musste sie in der Vergangenheit höchst selten und nur punktuell geändert werden. Die letzte Änderung liegt mittlerweile genau zehn Jahre zurück. Damals wurde unter anderem zugunsten der Kommunen das heute bei der Gesetzgebung gar nicht mehr wegzudenkende Konnexitätsprinzip in der Verfassung verankert.
In unserer heutigen Zeit gilt es jedoch, neue und weitere Herausforderungen anzunehmen. Ich will die fünf Punkte noch einmal kurz ansprechen.
Erstens. Für die nächsten Jahre ist es in der Tat höchst bedeutsam, den Stellenwert des ländlichen Raumes besonders zu betonen. Es entspricht voll der Zielsetzung des Ministerpräsidenten und der gesamten Bayerischen Staatsregierung, wenn nunmehr die Förderung und die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land, als Staatsziel in die Bayerische Verfassung aufgenommen werden sollen. Jede Region soll zukunftsfähige und chancenreiche Heimat sein. Dafür setzen wir uns ein.
Zweitens. Nicht minder bedeutsam ist die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement. Wir haben in den letzten Wochen in erfreulicher Weise spüren dürfen, wie großartig es um dieses Engagement steht: die großartige Einsatzbereitschaft unzähliger Männer und Frauen in dieser Hochwasserkatastrophe. Es ist wich
tig, dass der Staat dafür Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck bringt und wir vonseiten des Staates in den nächsten Jahren aktiv daran mitwirken, dieses ehrenamtliche Engagement zu stärken, weiterzuführen und insbesondere die junge Generation zu solchem ehrenamtlichen Engagement zu motivieren.
Drittens. Die aktuellen Ereignisse zeigen auch, wie wichtig ein solider Haushalt ist. Um zum Beispiel in Notsituationen helfen zu können, brauchen wir entsprechenden Spielraum. Seit dem Jahr 2006 haben wir in Bayern einen Haushalt ohne Neuverschuldung. Wir wollen darüber hinaus, dass Bayern bis zum Jahr 2030 tatsächlich schuldenfrei wird. Vor diesem Hintergrund halten wir es für richtig, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen. Investitionen, zum Beispiel auch für die gerade angesprochenen gleichwertigen Lebensverhältnisse, sind wichtig. Wir wollen sie aber nicht auf Pump finanzieren, sondern aus dem, was heute erwirtschaftet wird. Wir wollen deshalb ein klares Bekenntnis: keine Schulden mehr in Bayern!
Viertens. Nicht nur der Staat braucht finanzielle Handlungsspielräume, sondern auch die Kommunen brauchen sie. Deshalb ist es wichtig, die Politik mit dem Ziel "Keine Verschuldung im Freistaat Bayern" nicht auf dem Rücken der Kommunen auszutragen. Wir verankern in der Verfassung ausdrücklich den Anspruch der Gemeinden auf eine angemessene Finanzausstattung. Diese Regelung knüpft nahtlos an die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs an. Sie trägt in besonderer Weise der kommunalen Finanzhoheit in unserem Lande Rechnung.
Fünftens und letztens. Angesichts der enormen Entwicklung auf europäischer Ebene ist das entscheidend: Wir wollen eine gute europäische Einigung. Wir halten aber auch am Subsidiaritätsprinzip fest. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir angesichts der Entwicklung in Brüssel nahezu täglich darauf achten müssen, dass sich Brüssel nur um Dinge kümmert, die tatsächlich einer einheitlichen europäischen Regelung bedürfen. Nach wie vor gibt es viele Themen, die auf der kommunalen Ebene oder der Landesebene wesentlich besser aufgehoben sind. Deshalb ist es richtig, wenn für den Bayerischen Landtag als das Parlament der bayerischen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit in der Verfassung verankert wird, unmittelbar Einfluss zu nehmen, wenn es wieder einmal darum geht, dass Zuständigkeiten, die bisher bei den Ländern lagen, über den Bund de facto irreversibel an die EU abgegeben werden sollen. Das ist eine Stärkung dieses Hohen Hauses, dieses Parlaments. Diese Verfassungsänderung ist ein wichtiges Zeichen.
Meine Damen und Herren, dass sich die Landtagsfraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und der FDP in all diesen wichtigen Fragen auf den heute zur Abstimmung stehenden gemeinsamen Gesetzentwurf verständigt haben, macht deutlich, dass über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg breiter Konsens hinsichtlich der Aufnahme dieser Bestimmungen in die Verfassung besteht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der erste Anschub dazu mit der Rede des Parteivorsitzenden der CSU Horst Seehofer am Aschermittwoch vor zwei Jahren gegeben worden ist. Herr Kollege Schindler, ich kann es nur bedauern, dass es aus Ihrer Sicht unvorstellbar ist, beim politischen Aschermittwoch in der Passauer Dreiländerhalle auch Staatstragendes und Zukunftsweisendes zu äußern. Wenn es bei SPD-Veranstaltungen am Aschermittwoch ausgeschlossen ist, Staatstragendes und Zukunftsweisendes zu äußern, dann bedaure ich das.
Sofern der Landtag die Änderung heute beschließt, könnten die dann notwendigen Volksentscheide zusammen mit der Landtagswahl am 15. September durchgeführt werden. Im Jahr 2003 haben wir das genauso organisiert. Nach dem zur Beschlussfassung unterbreiteten Gesetzentwurf sind die einzelnen Gesetze zur Änderung der Verfassung dem Volk getrennt zur Entscheidung vorzulegen. Wir haben einen entsprechenden Entwurf ausgearbeitet. Ich stelle ihn den Kolleginnen und Kollegen gerne zur Verfügung. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger werden in fünf getrennten Abstimmungen, aber auf einem Stimmzettel darüber entscheiden können.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nachdrücklich um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Er ist gut für die Zukunft unseres Freistaates Bayern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich weise darauf hin, dass zur Annahme eines Gesetzentwurfes, mit dem die Verfassung geändert werden soll, gemäß Artikel 75 Absatz 2 unserer Verfassung in Verbindung mit § 56 Satz 4 der Geschäftsordnung bei der Schlussabstimmung eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliederzahl des Hauses erforderlich ist.
Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/15140 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/17148 zugrunde. Der federführende und endberatende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass in Artikel 6 § 2 als Datum des Inkrafttretens der "1. Juli 2013" eingefügt wird. Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der FREIEN WÄHLER, der FDP und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Die Schlussabstimmung ist gemäß § 127 Absatz 2 der Geschäftsordnung in namentlicher Form durchzuführen. Darauf habe ich eingangs der Debatte hingewiesen. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zugrunde. Für die Stimmabgabe sind Urnen auf beiden Seiten des Plenarsaals im Bereich der Eingangstüren und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass es sich um ein verfassungsänderndes Gesetz handelt, das gemäß Artikel 75 Absatz 2 unserer Verfassung einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliederzahl des Bayerischen Landtags, also der Zustimmung von mindestens 125 Mitgliedern des Hauses bedarf.
Die zehn Minuten sind um. Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Die Sitzung wird zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses wegen der Bedeutung der Angelegenheit unterbrochen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die Sitzung wieder auf und gebe das Ergebnis der namentli
chen Abstimmung bekannt. Es waren 125 Zustimmungen erforderlich. Es wurden 131 Ja-Stimmen abgegeben. Es wurden 13 Nein-Stimmen abgegeben. Zwei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Ich stelle fest, dass die Anzahl der notwendigen Stimmen zur Änderung der Verfassung vorliegt. Das Gesetz ist damit durch den Bayerischen Landtag angenommen. Es trägt den Titel: "Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Bayern".
Im Herbst dieses Jahres werden die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zusammen mit der Landtagswahl hierüber endgültig entscheiden.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über die Bayerische Landesbank sowie des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (Drs. 16/15505) - Zweite Lesung
Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Karsten Klein, Prof. Dr. Georg Barfuß und Fraktion (FDP), Christa Stewens, Gertraud Goderbauer, Martin Bachhuber u. a. (CSU) (Drs. 16/16924)
Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Bernhard Pohl u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 16/17001)
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Goderbauer von der CSU-Fraktion.
(Inge Aures (SPD): Nicht da! - Ulrike Gote (GRÜNE): Jetzt machen Sie nicht wieder denselben Fehler!)
(Zuruf von der CSU: Sie ist ja gemeldet, aber eben als letzte Rednerin! - Inge Aures (SPD): Dann hätten Sie sie melden müssen! Es kann ja nicht jeder kommen und gehen, wann er will! Dann machen wir das in Zukunft auch so! - Ulrike Gote (GRÜNE): Das gibt es doch nicht! - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)