Protokoll der Sitzung vom 17.02.2009

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Fischer. - Jetzt darf ich für die Staatsregierung Herrn Staatsminister Herrmann das Wort erteilen.

(Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Ruhe. - Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition aus CSU und FDP hat sich darauf verständigt, im Laufe dieser Legislaturperiode - und das heißt schon möglichst rasch - das Versammlungsrecht weiterzuentwickeln und in einigen Wochen zu ändern. Daran arbeiten wir. Ich bin wie der Kollege Fischer davon überzeugt, dass uns das in einem sehr überschaubaren Zeitraum gelingen wird und wir einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen werden. Es ist richtig, dass sich Wesentliches aus der bisherigen Kritik dadurch erledigen wird.

Ich mache aber auch keinen Hehl daraus, meine Damen und Herren, dass ich das gegenwärtig gültige Bayerische Versammlungsgesetz selbstverständlich für verfassungsgemäß halte.

(Beifall bei der CSU)

Diese Haltung wird auch von der Staatsregierung in Karlsruhe vertreten. Die Staatsregierung hat heute beschlossen, Professor Dr. Peter Badura zu beauftragen, die Staatsregierung in Karlsruhe zu vertreten. Er wird dort unsere Auffassung einbringen, dass dieses Gesetz - daran habe auch ich als Innenminister nicht den geringsten Zweifel - verfassungsgemäß ist. Dass es einzelne Artikel geben kann, die man noch verändern könnte, ist völlig klar. Aber Sie werden mir zustimmen, dass die Frage, ob bestimmte Ordnungswidrigkeiten mit 1.000 oder mit 3.000 Euro Bußgeld bewehrt sind, mit Sicherheit keine Frage der Verfassungsgemäßheit dieses Gesetzes ist.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, zum Zweiten, dass sich dieses Gesetz in den letzten vier Monaten bewährt hat. Es hat sich bewährt in der Unterbindung der einen oder anderen rechtsextremistischen Versammlung. Es ist gelungen, damit Versammlungen zu unterbinden, die nach dem früheren Versammlungsgesetz des Bundes so leicht nicht hätten unterbunden werden können. Darüber hinaus ist es aber auch wirksam. Gerade im Rahmen der Sicherheitskonferenz in München vorletztes Wochenende haben wir das wieder erlebt. Ich darf auf den Auflagenbescheid hinweisen. Im Vollzug des Bayerischen Versammlungsgesetzes hat die bayerische Landeshauptstadt München einen guten Auflagenbescheid erlassen. Er hat im Zusammenwirken mit einer klugen Einsatzführung der bayerischen Polizei dazu geführt, dass es im Rahmen der großen Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz zu keinen gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, dass diese Sicherheitskonferenz, die dem Frieden auf der Welt diente, in Ruhe stattfinden konnte und dass, umgekehrt, tausende von Demonstranten ihrem Versammlungsrecht in friedlicher Weise nachgehen konnten. Falls jemand angereist sein sollte, der etwas

anderes im Schilde führte, so hat er keine Gelegenheit bekommen, derartige Absichten in die Tat umzusetzen.

Ich erinnere einmal mehr daran: Unser Grundgesetz schützt, dass sich alle Menschen friedlich unter freiem Himmel versammeln können.

(Beifall bei der CSU)

Jede Versammlung, die unfriedliche Absichten hat, ist durch unsere Verfassung nicht geschützt, weder durch die Bayerische Verfassung noch durch das Grundgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Dies sage ich vor dem Hintergrund der Erfahrungen vom vergangenen Wochenende in Dresden, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn da hat man wieder einmal erlebt, wie schnell, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen und Leute meinen, außer Rand und Band geraten zu können, eine solche Situation eskaliert: Über 6.000 eher rechtsorientierte Demonstranten, 3.500 eher linksorientierte Demonstranten, darunter 500 Vermummte, wahrscheinlich mit irgendwelchen gewalttätigen Absichten, sodass irgendwann die Situation überhaupt nicht mehr im Griff war,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

über 50 verletzte Polizeibeamte, zahlreiche beschädigte Fahrzeuge und dergleichen mehr. Ich verhehle nicht, es ist weiterhin unser Ziel, dass wir friedliche Demonstrationen in unserem Land nach Belieben ermöglichen - solche haben in den letzten drei Monaten auch stattgefunden. Mich haben aber keine Beschwerden erreicht. In München ist gegen die Studiengebühren demonstriert worden sowie gegen andere Dinge, bei der Sicherheitskonferenz ist demonstriert worden und vieles andere mehr. Das ist die Realität und das läuft problemlos ab. Aber wir wollen nicht, dass Randale auf unseren Straßen stattfinden. Auch das ist der Sinn eines guten Versammlungsgesetzes.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Verhinderung von gewalttätigen Ausschreitungen und Randale Aufgabe des Sicherheits- und Ordnungsrechtes ist und nicht Grundlage des Versammlungsrechts sein kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sondern?

Weiter bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Versammlungsgesetz,

das Sie in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben, weder für Passau noch für die Sicherheitskonferenz in München benötigt wurde oder hilfreich gewesen ist und dass ein Versammlungsrecht im Wesentlichen die Aufgabe hat, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Versammlungsfreiheit zu schützen. Da haben wir in den letzten Monaten leider schon Einschränkungen erleben müssen.

(Zuruf von der CSU: Beispiel?)

- Wenn beispielsweise friedliche Bürgerinnen und Bürger auf dem Gehsteig auf irgendwelche historische Ereignisse oder Gedenktafeln hingewiesen haben, wurde das schon als Versammlung interpretiert, mit erheblichen Nachteilen für den Betreffenden.

Herr Minister, es ist ein fauler Kompromiss, wenn Sie sich an der Verfassungsstreitigkeit nicht beteiligen. Ich denke, die CSU und die FDP sind sich nicht einig, wo sie hinwollen. Deswegen haben Sie sich an der Verfassungsstreitigkeit nicht beteiligt; aber die Probleme müssen gelöst werden. Wir brauchen ein Versammlungsrecht, das den Bürgerinnen und Bürgern nützt. Gewalttätige Randale können und müssen Sie anders verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, möchten Sie darauf eingehen?

Ja, Frau Präsidentin.

Frau Kollegin Kamm, da haben Sie ein paar Dinge durcheinandergebracht, und zwar sowohl im ersten Teil Ihrer Ausführungen als auch im zweiten. Bezüglich des ersten Teils knüpfe ich an das an, was Kollege Schindler vorhin gesagt hat. Ich stimme ihm nämlich vom ersten Ansatz her zu: Das Demonstrationsrecht ist als Freiheitsrecht der Bürger unmittelbar durch die Verfassung gewährleistet, es muss nicht durch ein Gesetz gewährt werden. Es gibt auch keine Genehmigung, sondern das ist ein Recht, das die Bürger haben. Insofern braucht man kein Gesetz, das das Demonstrationsrecht besonders schützt, sondern das vorliegende Gesetz dient in der Tat dazu, zu verhindern, dass dieses Freiheitsrecht, das allen Bürgern zusteht, durch einige extreme Elemente in bestimmten Situationen zum Beispiel zu Gewalttätigkeiten missbraucht wird. Deshalb hat dieses Gesetz natürlich sehr viel mit Recht und Ordnung zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Das Demonstrationsrecht des einzelnen Bürgers braucht nicht in irgendeiner Weise ausgestaltet zu wer

den. Das hat der Bürger. Es geht vielmehr darum, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass dieses Recht nicht missbraucht wird und dass nicht die Freiheit der anderen, die Menschenwürde sowie Leib und Leben anderer Menschen beeinträchtigt werden. Das ist das Erste.

Das Zweite habe ich Ihnen eigentlich ziemlich deutlich gesagt. Ich weiß nicht, warum Sie mich persönlich angesprochen haben. Ich vertrete in der Tat meine Rechtsauffassung sehr deutlich. Sie wird von Herrn Prof. Badura als Vertreter der Staatsregierung in Karlsruhe vorgebracht. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Ich bin sicher, dass sich das Problem in Karlsruhe erledigen wird. Vielleicht werden sich unsere Prozessvertreter dort begegnen. Frau Kollegin Kamm, Sie brauchen keine Sorge zu haben, dass ich nicht mit Nachdruck weiter meine Auffassung vertreten werde.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Die CSUFraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Grundlage der Abstimmung ist das, was im Verfassungsausschuss beschlossen worden ist. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz schlägt vor, dass der Landtag im Verfahren keine Stellungnahmen abgeben solle. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Die Urnen stehen bereit. Sie haben fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 14.44 bis 14.49 Uhr)

Die fünf Minuten sind vorüber; ich schließe die Abstimmung. Die Stimmzettel werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.

(Unruhe)

Ich würde gern in der Tagesordnung fortfahren. Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Schule ohne Übertrittsdruck kindgerecht und zeitgemäß gestalten"

Zuständig für die Beantwortung ist der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus.

Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie noch einmal darum bitten, dass Sie sich am Mikrofon bereithalten, damit wir hier die Reihenfolge erkennen können.

Als erstem Fragesteller darf ich Herrn Kollegen Gehring das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die frühe Trennung und Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse im gemeinsamen Unterricht für die weiterführenden Schulen ist die größte Schwachstelle des bayerischen Bildungssystems. Das ist allgemein bekannt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kinder erleben diese Situation als großen Druck, sie erleben, dass sie für bestimmte Schularten nicht tauglich sind, sie bekommen signalisiert, "das kannst du nicht, das schaffst du nicht". Ein solches Erlebnis vergisst man sein ganzes Leben lang auch als Lernender im späteren Leben nicht.

Auch Eltern empfinden großen Druck. Sie empfinden die Zuteilung ihrer Kinder an bestimmte Schularten als nicht gerecht und nicht ihren Entscheidungen entsprechend. Sie akzeptieren es nicht mehr, dass ihre Kinder von der Schule bestimmten Schularten zugewiesen werden, und wehren sich. Gleichzeitig wird auf der Grundschule immer mehr Nachhilfe in Anspruch genommen.

Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sehen ihre Arbeit durch das Übertrittsverfahren als erheblich beeinträchtigt an. Dabei ist die Grundschule die Schule in Deutschland mit den innovativsten Unterrichtskonzepten. Die Grundschule ist erfolgreich, was auch die IGLU-Studie zeigt. Meine Frage ist: Warum setzen Sie dieses erfolgreiche Unterrichtskonzept des gemeinsamen Lernens nach der vierten Klasse nicht weiter um?

(Beifall bei den GRÜNEN)