Zur Frage der Angleichung der Lehrpläne. Was die Lehrplanarbeit angeht, stehen wir insgesamt vor einem doch bedeutenden Unternehmen. Wir wollen auch aufgrund der Erkenntnisse des Gutachtens des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen - IQB - über den Gymnasiallehrplan in Bayern noch im Mai dieses Jahres einen Lehrplanbeirat einberufen, der sich mit der grundsätzlichen Ausrichtung und Orientierung der Lehrplanarbeit in Bayern befasst. Das hat vor allem mit der Absicht zu tun, Kompetenzorientierung und andere Anregungen aus dem Gutachten des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen nicht nur für das Gymnasium, sondern für die Lehrpläne aller Schularten stärker zur Geltung zu bringen. Auch die weitere Verzahnung der Lehrpläne der einzelnen Schularten kann und wird in diesem Prozess miteingebracht. Aufgabe entsprechender Fördermaßnahmen und "Schulweghelfermaßnahmen" wird es sein, diesen Übergang, der heute individuell möglich ist, durch den Staat zu begleiten.
Ich darf kurz um Aufmerksamkeit bitten. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Ehrengäste aus der Region Kurdistan im Nordirak auf der Tribüne begrüßen. Ich heiße den Vizeministerpräsidenten der Regionalregierung von Kurdistan, Herrn Omar Fatah Hussein, und seine Delegation sehr herzlich willkommen. Verehrte Gäste, Sie haben gestern an der DeutschKurdisch-Irakischen Wirtschaftskonferenz hier in München teilgenommen und nutzen den heutigen Tag zum parlamentarischen Erfahrungsaustausch. Über Ihren Besuch freuen wir uns sehr. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen und interessanten Aufenthalt in München und alles Gute für die Zukunft Ihrer Region im irakischen Staatsverbund.
Ich denke, es ist wichtig für unsere Grundschüler, dass wir - damit sind alle Fraktionen angesprochen - dieses Thema wirklich ohne Hektik angehen. Gerade nachdem wir heute auch noch Gesundheitsthemen ansprechen werden, meine ich: Die Gelenkklasse heißt nicht deswegen "Gelenkklasse", weil wir sie übers Knie brechen wollen. Sie hat sicher auch noch keine Arthrose - wir haben sie ja noch gar nicht; sie brauchen ihr auch keine anzudichten.
- Das hat die FDP nicht nötig. Denn hier geht es einfach um mehr Flexibilisierung und das Wegkommen vom starren Übertrittszeitpunkt. Es geht darum, dass wir zu einer Übertrittsphase kommen. Das kann sich auch nicht allein in einer neuen Definition des Notenkorridors erschöpfen. Da ist noch mehr gefragt. Ich begrüße sehr, dass die Beratung intensiviert werden soll, dass sie früher einsetzen soll, dass der Elternwille gestärkt wird, dass die weiterführende Schule auch stärker in der Verantwortung ist, dass sie ein Jahr Zeit hat, den Schüler zu betreuen.
Die weiterführende Schule hat auch länger Zeit, die Stärken und Schwächen des Schülers zu beobachten und zu analysieren. So bekommen die Schüler noch eine zweite Chance.
Wenn die Übertrittsphase flexibilisiert werden soll und wenn wir eine zweite Chance für die Schüler wollen, muss der Lehrplan harmonisiert werden. Ich sage bewusst nicht, dass der Lehrplan "angeglichen" werden muss, denn wir wollen keine Absenkung auf ein Einheitsniveau. Wir wollen, dass der Stoff sinnvoll aufeinander aufbaut und dass auch ein Wechsel nach der 5. Klasse ohne Zeitverlust möglich ist. Meine Frage ist: Welche zusätzlichen Fördermaßnahmen planen Sie konkret in der 5. Klasse, damit die Schüler tatsächlich eine zweite Chance zum Aufstieg haben und damit ein Übertritt möglichst selten zum Abstieg führt? Die zweite Frage ist: Was möchten Sie tun, damit der Druck in der 4. Klasse und vorher beim Übertritt generell herausgenommen wird?
Die Lehrpläne an den weiterführenden Schulen weichen inhaltlich nicht so weit voneinander ab, gerade in der 5. Klasse, wenn wir Latein als erste Fremdsprache einmal beiseite lassen. Die Vermittlungsgeschwindigkeit und die Theoriedichte spielen hier eine zentrale Rolle.
Frau Sandt, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Anmerkung, dass es nicht um eine Angleichung von Lehrplänen, sondern um die Harmonisierung der Lehrpläne geht. In der Tat muss unser Bestreben auch bei weiteren Aufträgen aus dem Koalitionsvertrag, etwa beim Kooperationsmodell, sein, dass wir genau diesen Punkt abarbeiten, wie wir Schülern mit unterschiedlichen Begabungsspektren,die eine bestimmte Schullaufbahn eingeschlagen haben, die Möglichkeit eröffnen, leistungsbezogen eine Schulart zu wählen, eine, die mit einer stärkeren Theoriedichte fährt, oder auch eine Schulart, die der betreffende Schüler aufgrund seines Leistungsspektrums auf Dauer nicht besuchen kann. Diesem jungen Menschen soll auf den Weg in eine andere Schulart mit geringerer Theoriedichte geholfen werden. Auf diesem Weg wollen wir ihn begleiten. Frau Sandt, Sie haben mit Ihrer Frage genau den Nervus rerum getroffen.
Ich komme wieder auf das zentrale Verständnis von Bildungspolitik in dieser Legislatur zu sprechen: Das eine ist die Qualität. Das differenzierte Bildungswesen soll den Anforderungen gemäß weiterentwickelt werden. Dieser Aufgabe werden wir uns in den kommenden Monaten und Jahren auch widmen. Auf der anderen Seite sind die Wege des Einzelnen zu betrachten. Wenn jemand einen anderen Weg im System wählen will oder wählen muss, soll er begleitet werden. Ich sage es bewusst noch einmal: In der 5. Klasse sollen über alle Schularten hinweg zusätzliche Elemente der
Danke schön, Herr Staatsminister. Jetzt haben wir die Frage von Frau Karin Pranghofer. Bitte schön, Frau Pranghofer.
Herr Staatsminister, mir ist bei Ihrer Antwort auf die erste Frage aufgefallen, dass Sie sehr viel Energie darauf verwenden, Brüche zu überwinden. Sie haben davon gesprochen, dass Sie die Übergangsphasen begleiten wollen, dass Sie etwas dafür tun wollen, den Schülerinnen und Schülern zu helfen. Ich würde Ihnen vielleicht den Ratschlag geben, sich nicht sosehr auf diese Brüche zu konzentrieren, und Ihre Energie nicht darauf zu verschwenden, diese Brüche zu überwinden; vielleicht sollten Sie eher dafür sorgen, dass es gar keine Brüche gibt, nämlich mit einer längeren gemeinsamen Schulzeit.
Leider gilt in Bayern nicht die finnische Bildungsphilosophie, die besagt: Am Anfang langsam starten, am Ende Gas geben. Das führt in der Grundschulzeit vor allen Dingen dazu, dass dort die kürzeste Zeit verfügbar ist, um Leistungsunterschiede auszugleichen. Sie haben geschrieben, dass die Grundschule das gut macht, aber es ist eben schon festzustellen, dass der Übertrittsdruck in der Grundschule mindestens in der 3. Klasse ganz massiv wird.
Nun frage ich Sie noch einmal nach den Argumenten für diesen Übertrittsdruck. Sie haben gesagt, das sei mit zehn Jahren, in der 4. Klasse - die Phase, in der man entscheiden kann, ob ein Kind für das Gymnasium oder die Realschule geeignet ist oder ob es in der Hauptschule bleibt. Da möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass es in den verschiedenen Schularten viele - ich will sie mal nennen: - fehlgeleitete Schülerinnen und Schüler gibt. Sie sitzen in der Realschule, obwohl sie mit einem Gymnasiasten gut mithalten können. Ist Ihnen bekannt, dass die Gymnasialeignung, die in der 4. Klasse festgestellt wird, überhaupt noch nichts darüber aussagt, ob der betreffende Schüler, die betreffende Schülerin das Gymnasium auch mit einem Abschluss verlässt?
Ich komme auch auf die Frage der sozialen Schicht zu sprechen. Sie wissen sicherlich auch, darüber gibt es Studien, dass Lehrerinnen und Lehrer durchaus unterschiedliche Noten geben - je nach Zugehörigkeit der Schülerinnen und Schüler zu gewissen sozialen Schichten. Auch das ist nicht objektiv und sachorientiert. Ich denke, sicherlich ist Ihnen auch bekannt, dass die Entwicklung der kognitiven Leistungen der Kinder in diesem Alter einfach noch nicht abgeschlossen ist. Eine
zweite Frage: Welche Argumente zu den Gelenkklassen veranlassen Sie eigentlich, bei diesem Übertrittsverfahren zu bleiben? Sie haben das Übertrittsverfahren beschrieben. Ich nenne das Stichwort Gelenkklassen. Bei Ihrem Redebeitrag konnte man meinen, dass es sich bei den Gelenkklassen um eine Wellness-Veranstaltung oder eine Wohlfühlphase in der vierten Klasse handelt und wir in der fünften Klasse dann gespannt sein können, wie es den Schülerinnen und Schülern geht. Ich bitte Sie darum, noch einmal genau zu sagen, wo die Gelenkklassen angesiedelt werden. Werden sie an der Realschule oder am Gymnasium angesiedelt, oder bleiben die Kinder in der Hauptschule? Wie sieht der Übertritt realistisch aus? Schließlich gibt es auch unterschiedliche Lehrpläne.
Ich nehme an, dass Sie das, was Sie gesagt haben, nicht so gemeint haben. Ich habe es mitgeschrieben. Sie gehen davon aus, dass an bayerischen Schulen von bayerischen Lehrerinnen und Lehrern Noten vergeben werden, die auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht Rücksicht nehmen. Das heißt also, das Akademikerkind bekommt eine bessere Note als das Arbeiterkind.
Wir haben klare Defizite bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Das wissen Sie. Dafür werden wir am 24. März die Initiative "Bildung und Integration" auf den Weg bringen. Wenn Sie das Übertrittsverfahren als Wellness-Veranstaltung bezeichnen, ist es Ihre Wortwahl. Mir und uns geht es darum, dass die Wege, die ein junger Mensch in einem differenzierten Bildungssystem geht, vom Staat begleitet werden. Das ist bildungspolitische Gesamtverantwortung. Sicher werden wir uns manchmal darüber unterhalten müssen, wie wir dafür zusätzliche Ressourcen mobilisieren können. Wir wollen in der fünften Klasse über alle Schularten hinweg zusätzliche Fördereinheiten etablieren. Die Gelenkklasse ist jede fünfte Klasse an jeglicher Schulart. Wir wollen die Frage beantworten, ob und wie der junge Mensch den ersten Schulartwechsel in seiner Schülerlaufbahn und in seiner Bildungsbiographie bewältigt. Wenn ein Schüler in einer bestimmten Schulart Probleme hat, werden wir ihn begleiten. Frau Kollegin Sandt hat bereits darauf hingewiesen, dass das bayerische Schulsystem eines der durchlässigsten in der gesamten Republik ist. Es kann durchaus sein, dass ein Schüler seine Schullaufbahnwahl ein weiteres Mal verän
dert, wenn er sich für eine theoriestärkere Schulart entscheidet. Mein Blick richtet sich aber auch auf die Schwächeren. Fast 3000 Realschüler machen sich jedes Jahr in Bayern noch im Laufe des Schuljahres auf den Weg zur Hauptschule, um dort den Quali zu erreichen. Die wollen wir genauso informieren und sie diesen Weg nicht alleine gehen lassen. Die institutionellen Brüche müssen wir so gestalten, dass sie von den einzelnen und auch von den Familien überwunden werden können.
Es gibt eine Fülle wissenschaftlicher Studien, die eine solche Entwicklung für verantwortbar halten. Ob die Grundschulzeit vier oder sechs Jahre dauert, ist für mich keine Glaubensfrage. Glaubensfragen sind in der Bildungspolitik immer falsch, weil wir dabei mit jungen Menschen umgehen.
In der Bildungspolitik muss ich in einer nüchternen und verantwortlichen Güterabwägung die Vorteile eines Weges in einem differenzierten Schulwesen mit unterschiedlichen Fördermöglichkeiten zum richtigen Zeitpunkt sehen. Diese Möglichkeiten sind auch aufgrund der wissenschaftlichen Studien von Herrn Prof. Heller aus München und Herrn Peter Roeder aus Berlin sehr eindeutig gegeben. Sie stellen fest, dass die sechsjährige Grundschule oder die integrativen Orientierungsstufen für die Entwicklung gar nichts bringen.
Mir geht es um einen weiteren Schritt. Wenn wir der Meinung sind, dass eine vierjährige Grundschulzeit gegenüber einer längeren Grundschulzeit eher verantwortet werden kann, und wenn Sie davon ausgehen, dass auch der erste Schulartwechsel bewältigt werden muss, schieben Sie mit einer verlängerten Grundschulzeit die Entscheidung über den Schulartwechsel doch nur um ein Jahr hinaus, wenn Sie den Übergang nicht begleiten und gestalten. Die Koalition geht hier einen innovativen Weg. Wir nehmen die Phase des Übergangs ernst. Wir unterziehen uns einer intensiven bildungspolitischen Arbeit, um diese Übergangsphasen fortzuentwickeln und neu zu gestalten, ohne dabei Bewährtes aufzugeben. Das ist die Güterabwägung, die wir in der Koalition mit einer ersten groben Skizze einer Fortentwicklung des Übertrittsverfahrens hin zu einer Übertrittsphase vorlegen.
Herr Minister, Sie haben bereits einige Punkte des Übertrittsverfahrens genannt. Ich halte es für wichtig, dass Sie in der Frage nach vier oder sechs Jahren nicht emotionsgeladen entscheiden. Hier muss man auch die Wissenschaft der
Psychologie heranziehen, denn die Entwicklungspsychologie bietet uns sehr gute Grundlagen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Wir wissen sehr wohl, dass jedes Kind einzigartig ist. Dennoch sind viele Kinder mit zehn Jahren bereits reif, um den Übertritt zu schaffen.
Wir wissen aber auch alle, dass die Kinder sehr unter Druck stehen. Wir wissen auch, dass es verschiedene Faktoren gibt. Sie haben teilweise ausgeführt, was Sie machen möchten, um das Übertrittsverfahren zu erleichtern. Des Weiteren sollten Sie aber auch noch darstellen, wie Sie die Durchlässigkeit der Schularten betrachten und was Sie dabei verändern wollen. Wie wollen Sie den Eltern bewusst machen, wie viele Möglichkeiten es gibt, höherwertige Abschlüsse zu erreichen? Diese Möglichkeiten sind oftmals gar nicht bekannt.
Eine ganz entscheidende Rolle spielt natürlich die Information über die Möglichkeiten, die weiterführende Schulen in Bayern bieten. Deshalb wollen wir den Eltern mit einem neu gestaffelten Beratungsrhythmus, der in der dritten Klasse beginnt und auf den Ergebnissen der Vera-Leistungsstanderhebung aufbaut, diese Informationen geben. Wir wollen in der Schullaufbahnberatung auf alle weiterführenden Schularten hinweisen. Wir wollen schon in der Grundschule auf den gesamten Bereich der beruflichen Bildung, der von der Fachoberschule - FOS - bis zur Berufsoberschule - BOS - mit der beruflichen Oberschule als ganz wichtiger Komponente der Durchlässigkeit reicht, hinweisen. Denn die strukturelle Stärke der Hauptschule liegt gerade in der Vorbereitung auf die duale Ausbildung, auf die berufliche Bildung in unserem Land mit fünfzehn Möglichkeiten, neben dem Abitur auch über die berufliche Bildung die Hochschulreife zu erreichen. Wir wollen deshalb die Schullaufbahnberatung sehr ernst nehmen und die Präsenz der beruflichen Bildung verstärken. Das halte ich für eine ganz wesentliche Aufgabe. Wenn wir die fünfte Klasse mit einer zusätzlichen Fördereinheit über alle Schularten hinweg ausstatten, geht es uns darum, die Durchlässigkeit zu verstärken.
Bisher gibt es die Möglichkeit, den Elternwillen einzubeziehen, schon in einer bestimmten Fallkonstellation an der Realschule. Wir wollen aber die Einbeziehung des Elternwillens am Übertrittsverfahren in Richtung aller weiterführenden Schularten als Kernelement. Die Durchlässigkeit zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Schullaufbahn, insbesondere aber in den ersten Klassen zu verbessern, ist unser Ziel. Wir wollen die Durchlässigkeit und die Gerechtigkeit - die zweite Seite der
Sehr geehrter Herr Minister, zunächst drei oder vier kleine Anmerkungen. Man kann genauso viele Wissenschaftler zitieren, die für den frühen Übertritt sind, wie solche, die dagegen sind. Momentan steht es in der wissenschaftlichen Forschung wirklich fifty-fifty.