Protokoll der Sitzung vom 17.07.2013

Unbestritten sind die zwischenzeitlich eingeleiteten Anzeigen und Verfahren ein Beleg für einen gewissen Wahrheitsgehalt. Für die ganz große Geschichte blieb Herr Mollath aber trotz einer Zeugenanhörung im Landtag – und das war gut, dazu stehe ich -, trotz Nachfragen, auch meinerseits, und trotz der Möglich keit, sich ganz konkret dazu zu äußern, sehr unver

bindlich und vage. Es gibt keine eindeutigen Aussa gen der Zeugen dazu, dass bei rechtzeitiger Kenntnis dieses Revisionsberichtes tatsächlich alles hätte an ders laufen können. Der Umstand, dass Herr Mollath selbst zu seinen Anzeigen nie gehört wurde, wird von uns in dem Bericht ausdrücklich mit folgendem Hin weis kommentiert:

Die dazu vorliegenden Einschätzungen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung sind ver tretbar. Dennoch scheint eine Vernehmung unter Beachtung der vorgenannten Aspekte möglich.

Auch das haben wir also eingeräumt. An dieser Stelle darf aber auch darauf hingewiesen werden, dass Herr Mollath selbst nicht zwangsläufig an einer Zusam menarbeit interessiert war. Das sagte zumindest der Zeuge Heß von der UniKredit-Bank aus, der im Zuge seiner Ermittlungen mehrfach versucht hatte, mit Herr Mollath Kontakt aufzunehmen, was von diesem aber sinngemäß mit dem Hinweis darauf abgelehnt wurde, dass er nicht weiter unterstützend tätig sein wolle.

Aus all den Zeugenanhörungen im Ausschuss ergibt sich für mich die Einschätzung, dass es auch für die große Verschwörungstheorie keine Grundlage gibt. Für mich hat die Zeugenaussage den klaren Eindruck gegeben, dass es eine Verschwörung gegen den Zeugen Herrn Mollath nicht gegeben hat. Ja, man ches ist im Rückblick – und da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Streibl – sehr, sehr unglücklich gelaufen, aus welchen Gründen auch immer. Manches wurde in seiner Brisanz wohl auch nicht ganz klar eingeschätzt und erkannt. Deshalb steht in unserem Bericht auch die durchaus kritische Anmerkung auf Seite 16: "Selbstverständlich wären auch andere Vorgehens weisen denkbar und vertretbar gewesen."

Herr Dr. Runge, Sie haben vorhin gesagt, wir hätten das nicht thematisiert. Wir haben das sehr wohl in un serem Bericht drinstehen.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Immer der Konjunk tiv!)

Man hätte selbstverständlich auch rechtfertigen kön nen, die Schreiben der Zeugen Mollath und Braun an ders zu behandeln. Der eingeschlagene Weg der Be hörden war jedoch nicht zu beanstanden. Ich ergänze: Weil er im Sinne der vorgegebenen Verfah rensabläufe nicht unkorrekt gewesen ist. Ja, der Revi sionsbericht hätte schon ein Jahr früher bei der Minis terin aufschlagen können und vielleicht auch sollen. Aus heutiger Sicht wäre es unter Umständen auch möglich gewesen, die Briefe des Herrn Braun im Ge schäftsgang anders zu behandeln, aber die Vorgänge wurden so behandelt, wie es in der Verwaltung eben

üblich gewesen ist. Daraus jetzt eine Rücktrittsforde rung abzuleiten, halte ich für absolut unmöglich.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

In unserem Bericht, dem ersten Satz unter Punkt 4, steht zu lesen, ich zitiere in Teilen, und das muss man sich eben auch bitte durchlesen: "Als Ergebnis ist festzuhalten, dass es ein grob fahrlässiges oder vor sätzliches Fehlverhalten … nicht gibt."

Das lässt durchaus den Schluss zu, dass das eine oder andere mit größerer Sorgfalt, größerer Sensibili tät oder größerer Umsicht hätte behandelt werden können und müssen. Dort, wo es aus meiner Sicht am ehesten der Fall gewesen sein könnte, nämlich im Be reich der Justiz, steht es dem Untersuchungsaus schuss aber nicht zu, zu werten und einzugreifen. Das kann nur im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfah rens erfolgen. Dies ist so, und das ist der Gewaltentei lung geschuldet. Dafür stehe ich, dafür steht meine Partei völlig uneingeschränkt.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CSU)

Nur Gerichte sitzen in unserem Land über Gerichte zu Gericht. Dieser Satz wurde oft zitiert. Ich denke, die ser Satz ist so wahr und wird wahr bleiben, hoffentlich auch in Zukunft. Wenn auch wortgleich, haben wir diesen Satz beide in unseren Berichten enthalten. Da verbindet uns an einer Stelle etwas. Allerdings stelle ich mir die Frage, wie ernst Sie von den Oppositions parteien diesen Satz nehmen, wenn Sie in Ihrem letz ten Satz die Forderung stellen:

Es müssen personelle Konsequenzen gezogen werden: Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich, Dr. Roland Jüptner, Justizministerin Dr. Merk und Herr Mollath sind zu entlassen!

Mit diesem Zitat wollte ich deutlich machen, was Sie von der Gewaltenteilung halten.

Vermutlich geht es vielen von Ihnen bei Gesprächen in der Öffentlichkeit genauso wie mir. Der Fall Mollath ist bei den Menschen sehr, sehr präsent. Was vielen Menschen Angst macht und was dem Fall diese un geheuere Dynamik verleiht, ist die Frage: Kann mir das auch passieren? Wie schnell landet man bei uns in der Psychiatrie? – Ich bin deshalb der Bundesjus tizministerin wirklich sehr dankbar, dass sie grund sätzliche und wichtige Reformüberlegungen zur Un terbringung nach § 63 StGB angestoßen hat.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Nach Ansicht der FDP-Fraktion im Bayerischen Land tag zeigt sich an dem Fall Mollath besonders deutlich,

dass die Rechtslage bei Unterbringungen Reformbe darf aufweist. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus einer stark wachsenden Zahl von Untergebrachten in Bayern. Dort, wo eine Unterbringung nicht zwingend erforderlich ist, darf sie gar nicht erst angeordnet oder weiter aufrechterhalten werden.

(Beifall bei der FDP)

In der kommenden Legislaturperiode werden wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Unterbrin gung auf gravierende Fälle beschränkt wird. Nach Vorschlägen aus dem Bundesjustizministerium soll die Dauer der Unterbringung begrenzt und auf die weitere Notwendigkeit hin überprüft werden. Ferner wollen wir, dass Unterbringungsentscheidungen künf tig bereits nach vier Monaten zum ersten Mal über prüft werden, statt erst nach einem Jahr. Danach müssen weitere Prüfungen nach acht Monaten und nach einem Jahr erfolgen. Als wesentlich erachten wir, dass zur Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung endlich die Einholung eines Sach verständigengutachtens im Gesetz zwingend vorge schrieben ist. Auch ist es erforderlich, dass schon nach zwei Jahren der Vollstreckung ein neuer exter ner, von der Einrichtung unabhängiger Gutachter bei gezogen wird, nicht wie bisher erst nach fünf Jahren. Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem Erfordernis der Doppelbegutachtung nach sechs Jahren Unterbringungsdauer soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass für einen derart lan gen Eingriff in die Freiheit den Richtern eine möglichst umfassende Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen muss. So handeln wir entschieden dort, wo Handlungsbedarf besteht, anstatt nur dem Wahlkampf geschuldete Schuldzuweisungen vorzunehmen.

Wie bereits anfangs angesprochen, hat dieser Unter suchungsausschuss unter unglaublichem Zeitdruck ein ganz gewaltiges Arbeitspensum absolviert. Ich möchte an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an alle sagen, die dazu beigetragen haben, dass es überhaupt in dieser kurzen Zeit möglich war, dies alles aufzuarbeiten.

(Beifall bei der FDP, der CSU und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Dann möchte ich meinen Dank den Damen und Her ren des Stenografischen Dienstes aussprechen. Sie leisten wirklich Unglaubliches, heute und immer. Mit großer Disziplin, großem Einsatz und großem Enga gement haben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter des Landtags, der Ministerien und unserer Fraktio

nen wirklich Großartiges geleistet. Ich habe das mit großer Hochachtung zur Kenntnis genommen.

(Allgemeiner Beifall)

Dank aber auch an die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss – Herr Runge hat bereits gesagt, dass wir uns auf einer menschlichen, sehr kollegialen und fai ren Basis bewegt haben –, wenngleich wir am Schluss das Ganze unterschiedlich bewerten. Viel leicht hätten wir doch, wenn wir mehr Zeit gehabt hät ten, uns an dem einen oder anderen Punkt angenä hert. Dank geht natürlich auch an den Vorsitzenden, der wirklich keine leichte Aufgabe hatte. Wenn ich an so manche Zeugenvernehmung denke, muss ich sagen: Sie haben Ihre Aufgabe wirklich sehr souverän gemeistert.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die Frage, ob der Zeuge Mollath zu Recht oder zu Unrecht in der Psychiatrie untergebracht ist, kann und darf nicht Gegenstand des Untersuchungsausschus ses sein. Die Entscheidung hierüber – ich habe es schon gesagt, aber man kann es gar nicht oft genug sagen – obliegt nicht der Politik, ob das immer allen passt oder nicht. Sehr wohl aber hat sich die Politik darum zu kümmern, welche rechtlichen Rahmenbe dingungen es in unserem Land gibt. Das immer wie der zu überprüfen und neu zu justieren, das ist unser Auftrag, der uns allen durch den Fall Mollath - ein trauriger Anlass, aber sehr eindrucksvoll - bewusst gemacht worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Dr. Pauli das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Redezeit von fünf Minuten. Es ist schwer für mich, einzuschätzen, wie lange das ist. Wenn ich ein Ei koche, wird es manchmal zu hart oder zu weich.

Sie haben die Uhr vorne, Frau Kollegin.

Ich werde heute meine letzte Rede dieser Legislaturperiode halten. Ich gehe gleich auf den Fall Mollath ein. Die Zeit im Land tag, in der ich keiner Partei angehört habe, hat mir eine andere Sicht auf manches Thema ermöglicht. Deshalb habe ich mich hier zu Wort gemeldet.

Ich habe mit Herrn Mollath Kontakt und habe mit ihm gesprochen. Ich habe ihn gebeten, mir zu sagen, was

er gerne heute bei der Besprechung des Abschluss berichts sagen würde. Ihm ist es ein sehr großes An liegen, dass er seine Akten bekommt. Es handelt sich um fünf Koffer mit Akten, in die er bis heute keine Ein sicht nehmen konnte. Ihn verwundert es sehr, dass nicht er seine Unterlagen erhalten hat, sondern seine ehemalige Frau. Seine ehemalige Frau durfte im April 2006 in sein Haus; sie durfte diese fünf Koffer sichern und nach seiner Vermutung – genaue Auskunft erhält er nicht – einsehen. Sie hat sie möglicherweise in Be sitz nehmen können. Herr Mollath hat reklamiert und versucht, Auskunft zu erhalten, warum nicht auch er Einsicht bekommt. Er hat versucht, sein Eigentum zu erhalten, aber es ist ihm bis heute nicht gelungen.

Die Polizei hat die Aktion seiner Frau damals beglei tet. Die Polizeieinsätze wurden ihm gegenüber nicht näher begründet. Er hat öfter nachgefragt, auch bei Innenminister Beckstein. Seinem Wunsch, seine Be weismaterialien, die vieles in dem Verfahren erhellt hätten, vorzulegen, wurde nicht stattgegeben. Zudem: Herr Mollath hat die Vermutung geäußert, dass es eine freundschaftliche Verbindung zum Hause Beck stein gibt, und zwar über seine Exschwiegermutter, die Mutter seiner Frau.

Seine Beweise kann er nicht vorlegen, sie sind in den Händen seiner Gegner. Er weiß nicht, was – in Anfüh rungszeichen – seine Gegner damit machen. Er weiß nicht, ob die Koffer aussortiert worden sind und ob die Beweise überhaupt noch vorhanden sind. Möglicher weise sind sie vernichtet worden. Herr Mollath glaubt, dass er mit den Unterlagen in Einzelfällen hätte nach weisen können, dass es um Steuerhinterziehung ge gangen ist. Diese Unterlagen stehen jetzt leider nicht mehr zur Verfügung.

Was er aber sicher sagt, ist: Der Staatsanwaltschaft war 2003 bekannt, dass bei der Hypobank eine Revi sion stattfand. Der Revisionsbericht lag schon damals vor. 2003 hat man darauf keine Rücksicht genommen. Weder hat man den Hinweis, dass es eine Revision gegeben hat, ernst genommen, noch hat man sich diesen Bericht seiner Kenntnis nach vorlegen lassen. Wie wir wissen, ist er merkwürdigerweise erst 2012 aufgetaucht. In diesem Bericht habe gestanden, dass Herr Mollath Insiderwissen und möglicherweise auch Beweise habe. Das war bereits 2003 in diesem Revi sionsbericht enthalten. Die Aussage, dass er mögli cherweise Beweise habe, war ein Ergebnis des Revi sionsberichts. Dem hätte man 2003 schon nachgehen sollen. Anstatt das ernst zu nehmen, hat man ihm einen Betreuer zugeordnet, er wurde entmündigt und mittellos gemacht. Er hat kein Vermögen und kein Geld mehr.

Er hat Hinweise darauf, dass weite Kreise der mittel fränkischen Wirtschaft an diesem Geldtransfer in die Schweiz beteiligt sind. Im Bericht des Untersuchungs ausschusses heißt es, alleine im Jahr 1999/2000 habe dieser Transfer einen Umfang von 18,5 Millio nen Euro gehabt. Inwieweit Schwarzgelder betroffen sind, müsste man im Einzelfall nachweisen bzw. prü fen. Es kann aber auf keinen Fall sein, wie es im Be richt heißt, dass es keinerlei Anhaltspunkte über Schwarzgeldverschiebungen geben würde. Die hätte Herr Mollath, wenn man ihm die Möglichkeit gegeben hätte, seine Unterlagen vorzulegen. Stattdessen hat man seine Beweise entsorgt. Er möchte, dass man ihm seine Unterlagen aushändigt.

(Franz Schindler (SPD): Er hat doch gute Anwäl te! Warum organisieren die das nicht?)

Meines Erachtens ist das staatlicher Diebstahl, der hier begangen wird, und zwar nicht nur, was die Un terlagen betrifft, sondern auch, was sein Vermögen betrifft. Sein Haus ist leergeräumt. Es handelt sich um Freiheitsberaubung eines Informanten.

Ich möchte nicht in einem Staat leben, der Kritiker auf diese Weise mundtot macht. Ich denke, das ist die Sorge auch vieler Menschen. Das wurde heute schon öfter vorgetragen. Die Menschen fürchten, dass man mit ihnen ähnlich verfährt. Inzwischen melden sich auch andere Personen, die ebenfalls behaupten, dass sie aufgrund von Hinweisen, die sie gegeben haben, am Schluss mit der Psychiatrie zu tun hatten. Wir soll ten das hier in Bayern sehr ernst nehmen. Es ist Wahlkampf. Ich bitte Sie, der Bevölkerung in Zukunft glaubhaft zu versichern, dass Konzepte erarbeitet werden, die unseren Bürgern die Angst nehmen, dass man seine Meinung in diesem Staat nicht frei äußern kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER - Franz Schindler (SPD): Bodenlos!)

Jetzt hat Herr Kollege Seidenath für die CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Ich bitte, die Gespräche auf der Regie rungsbank einzustellen.

(Franz Schindler (SPD): Neues aus der Anstalt!)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Untersuchungsausschuss zum Fall Mollath legt heute seinen Abschlussbericht vor. Wir erleben zwei vollkommen verschiedene Berichte. So konstruktiv die Arbeit im Ausschuss war, so wenig spiegelt sich die konstruktive Arbeit in den Abschluss berichten wider, und so befremdlich ist auch der Ton,

den insbesondere Frau Aures hier heute angeschla gen hat. Unerträglich ist auch der spöttische Ton des Minderheitenberichts. Frau Meyer hat darauf hinge wiesen.