Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Deswegen fordern wir: Wir brauchen endlich Quotenregelungen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst, wir brauchen Kaskadenmodelle

(Alexander König (CSU): Mehr Bürokratie!)

an den Universitäten, wir brauchen einen Anspruch auf Kinderbetreuung, wir brauchen mehr Ganztagsschulen und wir brauchen eine gesetzliche Regelung zum Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Um dies zu erreichen, brauchen wir vor allem mehr Frauen, die sich politisch engagieren. Ich entnehme der heutigen "Süddeutschen Zeitung", dass dies auch die Frauen der CSU erkannt haben. Sehr geehrte Frau Dr. Merk, ich kann Ihnen nur zustimmen: Sie brauchen dringend die Quote. Die SPD hat es Ihnen vorgemacht. Wir sind quotiert. Machen Sie es uns nach. Dann kann sich endlich auch in Bayern etwas ändern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Brendel-Fischer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Wenn ich mich in unserem Freistaat umsehe, habe ich nicht das Gefühl, wir würden was die Gleichstellung von Frauen anbelangt, in einem Entwicklungsland leben. Wenn Sie mit offenen Augen durchs Land ziehen, werden Sie er

kennen, dass wir die Gleichstellung auf vielen Feldern erreicht haben. Mir ist bewusst, dass wir noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Ich glaube aber, dass die Darstellung mit dem leeren Glas nicht mehr passt, wenn wir die zunehmenden Erfolge in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur Kenntnis nehmen.

Wir brauchen sicher noch Anschub. Wir brauchen den Anschub, mehr Mädchen in technische Berufe und technische Studiengänge zu bringen. Wir brauchen auch attraktive Projektideen und moderne Unterrichtsformen. Wir sind aber auf einem guten Weg. Wer sich in den Schulen und den Betrieben umsieht, sieht die Umbrüche, die sich nicht verleugnen lassen.

Ich bin mir sicher, dass dieser Umbruch bei den Mädchen und jungen Frauen zum Selbstläufer wird, wie sie das bereits in den letzten Jahren und Jahrzehnten bei ihren Schulkarrieren bewiesen haben. Frauen nehmen Abstand von langen Unterbrechungen ihres Berufslebens, weil sie wirtschaftliche Unabhängigkeit und eine gute Alterssicherung anstreben. Sogenannte Ausfallzeiten - ich betone das Wort "sogenannte" - für Geburt und Kindererziehung dürfen nicht zu Stolpersteinen auf der Karriereleiter werden. Familienwelten und Berufswelten müssen kompatibler werden. Da sind wir uns in diesem Hohen Haus einig. Der öffentliche Dienst muss hier weiterhin engagiert vorangehen. Ich möchte ausdrücklich unsere Hochschulen nennen: Dort haben wir schon vor zwei Jahren ein entsprechendes Förderprogramm auf den Weg gebracht. Es bleibt unser aller Aufgabe, in diesem Bereich künftig mehr zu tun.

Eine qualitätsorientierte Kinderbetreuung, die sicher nicht von heute auf morgen entwickelt werden kann, wird diesen Prozess unterstützen. Die Auswirkungen auf das Einkommen und den Status von Frauen werden sich zeigen. Dies wird in späteren Sozialberichten, die irgendwann einmal hier verlesen werden, zum Ausdruck kommen.

Die Frauenförderung ist längst kein Defizitausgleich mehr. Nein - wir können und wollen es uns nicht leisten, auf die vielen weiblichen Talente zu verzichten. Da Sie die CSU konkret in Ihrem Antrag erwähnt haben, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass wir es geschafft haben, eine Präsidentin zu stellen. Bei den Vizepräsidenten gab es hier in einer Gruppierung Irritationen.

(Beifall bei der CSU)

An der insgesamt voranschreitenden Gesamtentwicklung beim Thema "Frauen" wird sich sicherlich etwas ändern. Die Horrorszenarien, die Sie ständig darstellen, werden wir nicht erleben. Frauen gehen in Bayern ihren Erfolgsweg weiter. Niemand wird sie aufhalten. Davon bin ich überzeugt. Wir brauchen eine bessere Qualifizierung, mehr Unternehmerinnen, mehr Freiberuflerin

nen, mehr Gründerinnen, durchgängigere Berufsbiografien und vor allem weniger gutmütige Frauen als in unserer Mütter- und Großmüttergeneration. Ich bitte um Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Meyer.

Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Frau Kollegin Dr. Strohmayr hat ihren Beitrag mit dem Hinweis eingeleitet, dass am 8. März Frauentag sei. Damit begründen Sie Ihren Antrag, den Sie als Dringlichkeitsantrag eingebracht haben. Ich habe schon einmal gesagt, dass ich mit der Dringlichkeit von bestimmten Anträgen meine Probleme habe.

Im Sozialbericht, den wir vor einiger Zeit behandelt haben, steht ausdrücklich, dass die Chancengleichheit noch längst nicht verwirklicht ist und wir noch nicht von einer Chancengleichheit sprechen können. Ich denke, wir alle sind uns einig, dass hier Handlungsbedarf besteht. Wir haben gemeinsam noch sehr viel zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Mir gefällt am Antrag der FDP und der CSU, dass darin von einem Ausbau der Chancenpotenziale für Frauen und Männer die Rede ist.

(Beifall bei der FDP)

Dies kommt mir in dieser Diskussion etwas zu kurz. Ich meine das überhaupt nicht ironisch. Sehen wir uns doch einmal die Situation in den Kindergärten und den Schulen an: Wir müssen inzwischen aufpassen, dass die Jungs nicht zu kurz kommen. Wir haben keine Erzieher und keine Grundschullehrer mehr. Hier müssen wir etwas tun. Wenn Sie sich unseren Koalitionsvertrag ansehen, werden Sie feststellen, dass wir bereits die Weichen entsprechend gestellt haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kaum warten wir 20 Jahre, schon ändert sich etwas!)

Wir wissen, dass wir etwas tun müssen. Wie gesagt: Wir dürfen die Chancengleichheit nicht einseitig sehen. Das ist eine Doppelaufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen gemeinsame Anstrengungen, vor allem in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Wir dürfen das nicht verkürzt sehen. Dazu gehören auch die Projekte für die Kindertagesbetreuung. All diese Themen müssen wir anpacken. Wir sehen den Handlungsbedarf. Lassen Sie uns die

Aufgaben gemeinsam angehen. In dem Antrag, den wir vorgelegt haben, wurden einige Punkte konkret angesprochen. Wir fordern die Staatsregierung auf, diese Punkte, die auch im Koalitionsvertrag enthalten sind, umzusetzen. Ich bitte Sie herzlich, diesen unseren Antrag um der gemeinsamen Sache willen zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich darf bekannt geben, dass die CSU-Fraktion für den Antrag der CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat.

(Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

- Liebe Kollegen und Kolleginnen, es bleibt jeder Fraktion überlassen, eine namentliche Abstimmung zu beantragen, wenn sie dies für geboten und für notwendig hält.

Zu diesem wichtigen Thema darf ich jetzt - was mich ganz besonders freut - einem Kollegen, nämlich Herrn Dr. Vetter, das Wort erteilen. Wir sind gespannt, Herr Kollege.

Bevor ich Herrn Kollegen Dr. Vetter das Wort erteile, darf ich noch bekannt geben, dass auch die SPD für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Bitte, Herr Kollege Dr. Vetter.

Frau Präsidentin, ich kann auch nicht sehr viel anderes sagen als die Kolleginnen. Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen zunächst zu Ihrer neuen Pressesprecherin recht herzlich gratulieren. Das ist eine hervorragende Dame, die sehr qualifiziert ist, weil sie nämlich zusammen mit mir in die Schule gegangen ist. Das wollte ich hier einmal sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Sie rennen mit Ihrem Antrag bei uns offene Türen ein. Gleichheit, Gerechtigkeit und Gleichstellung sind Kernanliegen der Freien Wähler und sie betreffen auch unsere Kernkompetenz.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Echt?)

Viele der Kolleginnen und Kollegen von den Freien Wählern sind deshalb im Landtag, weil sie die Kompetenz für diese Themen beanspruchen. Das Thema ist momentan brandaktuell, weil der EU-Kommissar vor ein paar Tagen diese Zahlen herausgegeben hat. Das Thema ist aber auch uralt, da schon Sokrates etwas dazu gesagt hat: Die Frau, einmal dem Manne gleichgestellt, ist dann diesem auch gleich überlegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir Freien Wähler nehmen für uns in Anspruch, dass wir diesen Zustand nicht fürchten. Wir freuen uns schon darauf. Spaß beiseite! Kolleginnen, Frauen verdienen in Deutschland nach wie vor 23 % weniger als Männer. Nur in Zypern, Tschechien, Island, Österreich und den Niederlanden sind die Unterschiede noch größer. Diese Zahlen sind seit langem bekannt. Was tut die Staatsregierung dagegen? Wir von den Freien Wählern glauben nicht, dass starre bürokratische Regelungen der richtige Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sind. Deshalb tut es mir fast leid, es sagen zu müssen: Ich hätte dem Antrag gerne zugestimmt, aber die Quotenregelung im öffentlichen Dienst scheint uns nicht der richtige Weg zu sein, weil sie in der Praxis die Gefahr in sich birgt, zu sehr die Personalpolitik zu beschneiden.

(Zurufe von der SPD: So ein Schmarrn! - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist aber komisch!)

Aus diesem Grund können wir dem Antrag in dieser Form leider nicht zustimmen. Zumindest gilt das für mich.

Nach unserer Meinung gibt es bessere Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. In anderen Ländern, zum Beispiel in Baden-Württemberg, unterstützt das Wirtschaftsministerium eine familienbewusste Personalpolitik durch die Förderung des sogenannten "audit berufundfamilie". Ich glaube, das ist bekannt. Auch in Thüringen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg gibt es vergleichbare Förderprogramme. Ich frage mich, warum die Regierung in Bayern untätig ist. Worauf warten wir alle noch? Warten wir darauf, dass wir in den Statistiken in Deutschland noch schlechter plaziert sind? Das ist doch fast kaum möglich.

Unsere Wirtschaft kann sich diese Ungleichbehandlung auf Dauer nicht leisten. Es gibt zahlreiche Ansätze, die Gleichstellung zu fördern. Wir Freie Wähler treten für ein umfassendes Maßnahmenpaket mit diesen Zielen ein. Erste Schritte wären zum Beispiel der sowohl quantitative als auch qualitative Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder. Für Kinder müssen flächendeckende und umfassende Betreuungsangebote geschaffen werden, um die Berufstätigkeit beider Elternteile in dem von Ihnen gewünschten Rahmen zu ermöglichen. Ich bin jetzt ein bisschen im Stress, weil die Uhr tickt.

(Allgemeine Heiterkeit - Hubert Aiwanger (FW): Ein bisschen darfst du überziehen!)

Dies bedeutet, dass eine Ganztagsbetreuung nötig ist. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass der Ausbau nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ erfolgt. Die Erhöhung des Personalschlüssels und die Qualifizierung von Mitarbeitern ist nur ein Weg dahin.

Kolleginnen und Kollegen, gerade in unserer Zeit ist nach dem Gesetz die Gleichberechtigung von Frauen und Männern erreicht. Zunehmend geht es aber darum, diese auch in der Praxis durchzusetzen.

Ich erwähne ganz kurz noch einen Aspekt. Auch die Armut ist leider sehr oft noch weiblich, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Hier ist nicht nur die Politik gefordert. Auch ein gesellschaftlicher Wandel ist Grundvoraussetzung und Auftrag für jeden einzelnen, um in Zukunft die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben.