Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

Gleiches war über den Medienrat zu vernehmen. Der Medienrat war auch schon gewählt, auch da hieß es: Wir wollen ja gern, aber wir können erst 2013. Welche Argumentation der Verzögerung!

Ich will es mal auf den Punkt bringen: Ihre Politik ist die Politik des Sandmanns. Sandmann, es ist noch nicht so weit, wir warten erst auf 2013, ehe jeder Wähler weiß, was er heute entschieden hat. Das geht nicht. Sie streuen den Wählern und der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Diese Situation ist nur dadurch möglich, dass der Sandsack, den Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU in den Händen haben, von Ihren Säckchenhaltern, den Damen und Herren von der FDP, insoweit unterstützt wird. Sie halten dieses Säckchen. Das finde ich höchst undemokratisch und unziemlich.

(Beifall bei der SPD )

Tatsache ist doch, dass Sie und Ihre Säckchenhalter auf keinen Fall Macht abgeben wollen, um keinen Preis. Die Hinweise auf ein mögliches Abstimmungsverhalten im Wissenschaftsausschuss, was die Mediensituation betrifft, gehen fehl. Sie haben sich in den Ausschüssen schon um die eigene Achse gedreht und sich das Kreuz verrenkt. Wer die Einsicht zeigt, in einer Koalitionsvereinbarung festzulegen, dass es Zeit ist, Mehrheiten und Entscheidungsprofile zu ändern und dies im Stile eines Gangs nach Canossa in allen Ausschüssen verkündet und anschließend einfach die Zeitschiene auf fünf Jahre verlängert, kann damit nur zwei Ziele verfolgen: Entweder will er täuschen oder hinhalten. Oder er ist aufgrund einer grundsätzlich retardierten Wahrnehmung in einem Zustand der Agonie.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube nicht, dass Sie sich in einem Zustand der Agonie befinden; denn Ihnen geht es tatsächlich um Machterhalt. Hier geht es nicht nur um Vorgänge, die zu kontrollieren sind, sondern auch um wichtige Impulse, die zum Beispiel im Medienrat gegeben werden. Wir alle kennen die Diskussionen um die Besetzung der Intendanz. Wir wissen, welcher Direktor im Bayerischen Rundfunk, Abteilung Franken, in der Diskussion steht. Wir wissen auch, dass diesbezüglich parteipolitische Diskussionen im Vordergrund stehen und weniger die Qualifikation der Bewerber. Das ist unerträglich.

(Eberhard Sinner (CSU): Sie verwechseln die Räte!)

Die FDP scharwenzelt hier fröhlich mit. Um es deutlich zu sagen: Bei diesen Entscheidungen geht es nur darum, dass die CSU einen Platz in den jeweiligen Ausschüssen verliert und die SPD einen Platz gewinnt. Ihre Koalitionsvereinbarung ist ein Vertrag. Verträge werden normalerweise eingehalten. Hier wird jedoch nichts eingehalten, sondern fadenscheinig argumentiert. Das Parlament ist handlungsfähig. Hier und heute können entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Die Erkenntnisse liegen offen vor. Setzen wir uns jetzt und heute dafür ein, dass wir diese Verhältnisse heute ändern und nicht erst in fünf Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern, wenn Sie in dieser vertrakten Angelegenheit sagen würden, dass sie zwar eine Änderung herbeiführen könnten, dies aber nicht wollten. Ich weise darauf hin, dass bei Ihnen möglicherweise noch ein weiterer Gedanke eine Rolle spielt: In fünf Jahren wird ein neues Parlament gewählt. Dabei könnte sich - worauf die Kolleginnen und Kollegen der CSU hoffen - die Situation ergeben, dass der möglicherweise als Klotz am Bein empfundene Koalitionspartner "weggeschwitzt" werden kann. Wenn die CSU wieder die absolute Mehrheit erringen würde, was würde sie dann ihr Geschwätz von gestern kümmern. Das war ein Zitat von Adenauer. In diesem Fall wäre zu vermuten, dass gar nichts mehr geändert wird. Das wäre politisch absolut unredlich.

(Jörg Rohde (FDP): Es wäre ja dann schon geändert!)

- Herr Kollege Rohde, natürlich wäre das dann zu ändern. Das neue Parlament kann seine Gesetze ändern. Deshalb zögern Sie alles hinaus, was hinauszuzögern ist, um nach der Bundestagswahl mitschnattern zu können.

(Jörg Rohde (FDP): Sie haben gesagt, dass das Gesetz nicht geändert würde!)

Nehmen wir Abschied von dieser Sandmann-Politik. Hören wir auf, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Dabei würde letztlich die Demokratie einschlafen. Ihre Politik der Zeitverzögerung und Ihr Verhalten in den Ausschüssen zwingen uns dazu, unsere eigenen Gesetzesinitiativen, die wir eingebracht haben, ablehnen zu müssen. Wir wollen nämlich die Veränderung jetzt, nicht erst in fünf Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag und Ihres Koalitionsvertrages ist das ein demokratisches Vorhaben und kein Wagnis. Aus meiner Sicht ist es unsere Pflicht, dies zu ändern. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich bitte Sie, umzudenken und Ihren Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Hoffen Sie, dass dies auch der Bürger so versteht.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tausendfreund von den GRÜNEN.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Eigentlich wäre es eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass die Gremien dieses Hauses entsprechend der tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse im Parlament besetzt werden und alle Fraktionen in allen Gremien vertreten sind. Das Verfahren nach d’Hondt - das bei den in Rede stehenden Gremien noch gilt - ist deshalb nicht geeignet. Sie wissen alle, dass das Verfahren nach d’Hondt zu erheblichen Verzerrungen der Mehrheitsverhältnisse in den Gremien und Ausschüssen führt. In vielen Gemeinden und Landkreisen wird deshalb nicht mehr das Verfahren nach d’Hondt sondern das Verfahren nach HareNiemeyer verwendet. Das Verfahren nach SainteLaguë/Schepers ist dort nicht sonderlich verbreitet. Dieses Verfahren wird im Bundestag angewandt. In Bayern wird es für die Besetzung der Ausschüsse verwendet. Mir ist es völlig unerfindlich, warum es nicht auch für die sonstigen Gremien, die über ein Gesetz geändert werden müssen, bereits in dieser Legislaturperiode angewandt werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei den Landtagsausschüssen hatten wir Erfolg. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FDP, das ist Ihr Verdienst. Die Regelung ist jedoch noch nicht durchgängig. Sie gilt nicht für die sonstigen Gremien. Natürlich ist auch die Größe der Gremien entscheidend. Sie dürfen nicht zu klein sein. Das G-10-Gremium besteht nur aus

drei Personen. Die Gremien müssten aber so groß sein, dass alle in diesem Hause vertretenen Fraktionen darin vertreten sind. Die Anzahl der Personen, die diesen Gremien angehören, darf auch nicht willkürlich gewählt werden, weil sonst wiederum Verzerrungen die Folge wären. Dies ist leider im Fall der Landtagsausschüsse mit einer geraden Anzahl von Mitgliedern geschehen. Die GRÜNEN, die SPD und die Freien Wähler haben dagegen bereits eine Verfassungsklage eingereicht.

Unser Ziel muss es sein, möglichst schnell zu einer genauen Spiegelbildlichkeit zu kommen, und zwar für alle Gremien, die vom Landtag besetzt werden. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der Freien Wähler und der SPD könnte dieses Ziel erreicht werden. Wir hatten bei den Ausschüssen bezüglich des Verteilungsverfahrens einen Konsens, nicht jedoch bezüglich der Größe der Gremien. Im Hinblick auf die übrigen Gremien ist diese positive Entwicklung ins Stocken geraten. Die Regelung zu den Untersuchungsausschüssen war einvernehmlich. Hier wurde unserem Petitum Rechnung getragen. Bezüglich der übrigen Gremien brachen jedoch die alten Denkmuster bei der CSU wieder durch: Die Opposition muss ausgeschlossen und Macht und Pöstchen müssen gesichert werden. Die FDP hat dazu den Steigbügel gehalten.

Zur G-10-Kommission: Hier war die Diskussion im Ausschuss ein bisschen merkwürdig. Herr Kollege Heike der im Moment nicht da ist - hat die Auffassung vertreten, dort würden so geheime Dinge besprochen, dass nicht jedem getraut werden könnte. Gerade bei den Abgeordneten der Opposition sei die Frage zu stellen, ob alle ihren Mund halten könnten. Das hat er in Zweifel gezogen. Ich halte es für eine bodenlose Unterstellung, wenn behauptet wird, dass die Abgeordneten der Opposition die Geheimhaltung nicht einhalten würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und den Freien Wählern)

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir eine Vergrößerung dieses Gremiums auf insgesamt sieben Personen erreichen. Damit wären alle Fraktionen vertreten. In dieser Kommission geht es schließlich um Grundrechtseingriffe, die beurteilt werden müssen. Ich nenne nur die Genehmigung von Telefonüberwachungen und deren Verlängerung. Das ist ein gravierender Grundrechtseingriff, der von allen Fraktionen kontrolliert werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bezüglich der Änderung des Rundfunk- und Mediengesetzes zum Rundfunkrat und zum Medienrat ist der federführende Ausschuss sehr komisch vorgegangen. Unser ursprünglicher Antrag lautete, sofort das Sainte

Laguë/Schepers-Verfahren anzuwenden. Durch die Hintertür wurde dann eine Überrumpelungstaktik angewandt, wonach dieses Verfahren erst in fünf Jahren angewandt werden soll. Wir haben im Verfassungsausschuss darauf bestanden, dass über unseren ursprünglichen Gesetzentwurf abgestimmt wird, was aber abgelehnt wurde. Wir kommen in die eigentlich selten vorkommende Situation, dass wir den eigenen Gesetzentwurf wegen des Zusatzes des späteren Inkrafttretens ablehnen müssen. Meines Erachtens hat es sich herausgestellt, dass es nur um das Sichern von Pfründen geht; denn die CSU müsste einen Sitz abgeben. Medienrat und Rundfunkrat haben aber eine ordentliche Aufwandsentschädigung.

Bei der Datenschutzkommission war das Verfahren noch ein wenig merkwürdiger. Federführend war der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz. Beim ersten Durchlauf wurde der Gesetzentwurf einstimmig befürwortet. Danach ging er in die Beratung zurück. Andere Ausschüsse beteiligten sich nicht an der Beratung. Beim zweiten Durchlauf wurde auf die Änderung in dem anderen Gesetzentwurf Bezug genommen und erklärt, wenn Rundfunkrat und Medienrat erst in fünf Jahren anders besetzt werden sollen, kann das bei der Datenschutzkommission auch gemacht werden. Es trat wieder die Situation ein, dass unser ursprünglicher Gesetzentwurf nicht mehr zur Abstimmung kam, sondern in geänderter Fassung. Wir müssen auch diesen eigenen Gesetzentwurf ablehnen.

Ich halte das für ein merkwürdiges Vorgehen. Es ist völlig systemwidrig, dass Gesetze auf den Weg gebracht werden, die erst in fünf Jahren gelten. Wir sind der jetzt gewählte Bayerische Landtag, der die Besetzung der Gremien, die der Landtag zu besetzen hat, jetzt regeln muss

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

und nicht für den nächsten Landtag, der sich wieder völlig anders zusammensetzen kann. Ein solches Vorgehen habe ich bisher noch nicht erlebt.

Zu unserem Abstimmungsverhalten habe ich Ausführungen gemacht. Das Verhalten der Koalitionsfraktionen trifft auf sehr große Verwunderung unsererseits.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Pohl für die Freien Wähler das Wort.

Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, Herr Präsident! Draußen wird der Politik vorgeworfen, dass sie nicht glaubwürdig sei.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wo draußen?)

Leider Gottes bieten die Koalitionsfraktionen in diesem Punkt ein beredtes Beispiel dafür, dass die Menschen gar nicht so falsch liegen. Tricksen, täuschen, tarnen: Wir verabschieden heute ein Gesetz, das in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten soll. Entschuldigen Sie, das ist eine Lachnummer. Das können diejenigen, die in viereinhalb Jahren gewählt werden, auch selbst machen. Was ist denn in viereinhalb Jahren, wenn die Mehrheitsverhältnisse so sind, wie Sie es sich vorstellen? - Dann wird das Gesetz wieder geändert, dass es so passt, wie Sie es gerne hätten. Wenn die Mehrheitsverhältnisse - was sehr wahrscheinlich ist - noch schlechter für Sie ausfallen, sind Sie vielleicht froh, dass Sie als Minderheitsfraktion von diesem Gesetz, das Sie jetzt auf den Weg gebracht haben, profitieren können.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist ein Armutszeugnis, etwas, das man als richtig erkannt hat, nicht sofort umzusetzen, sondern zu sagen: Wir machen es, weil wir es für richtig halten, aber nicht heute, sondern erst in viereinhalb Jahren. Die Begründung dafür - Sie sollten ehrlich sein - ist, weil es Ihnen so in den Kram passt. Im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz hat man es etwas vorsichtiger formuliert. Es kam die Begründung: Weil sich ein Kollege halb schon eingearbeitet habe, könne man das jetzt nicht wieder ändern und zu dem von allen als richtig erkannten Verteilungsschlüssel kommen. Weil sich ein Kollege schon eingearbeitet hat! Meine Damen und Herren, wenn Sie irgendeinen Beweis dafür brauchen, dann haben Sie ihn jetzt: Parteiwohl geht vor Gemeinwohl.

(Beifall bei den Freien Wählern - Lachen und Wi- derspruch bei der CSU)

- Sie sollten nicht lachen. Darüber sollten Sie weinen. Wir haben Fastenzeit und bald Ostern. Gehen Sie zur Beichte. Kehren Sie um und

(Bernd Sibler (CSU): Gehen Sie selbst; wann waren Sie denn das letzte Mal?)

- Ich denke mal, auf diese Zwischenfrage, Herr Präsident, wann ich das letzte Mal beim Beichten war, werde ich nicht eingehen.

Kehren Sie zur Wahrheit zurück, ich sage Ihnen das in dieser Deutlichkeit, und setzen Sie das um, was Sie als richtig erkannt haben.

(Heiterkeit bei den Freien Wählern - Zurufe von der CSU)

Das sollten Sie sofort tun und nicht erst in viereinhalb Jahren, wenn Sie diesem Landtag vielleicht gar nicht mehr angehören.

(Bernd Sibler (CSU): Sie vielleicht auch nicht! - Anhaltende Zurufe von der CSU)

- Das ist richtig, dass ich diesem Landtag vielleicht auch nicht mehr angehöre. Deswegen will ich das Gesetz jetzt umgesetzt haben.

(Beifall und Heiterkeit bei den Freien Wählern)