Es gibt allerdings auch Situationen, die es erforderlich machen, eine gewisse Videoüberwachung zu ermöglichen. Wie man mit einem Generalverdacht umgeht, hat
uns das Bundesverfassungsgericht anlässlich einer Entscheidung zum Bayerischen Versammlungsgesetz gezeigt. Eine generelle Aufnahme und ein generelles Sammeln von Daten aufgrund dieser Situation ist unzulässig und insoweit Gegenstand der Entscheidung gewesen. Allerdings wehren wir uns nicht dagegen, gewisse Probleme auch unter dem Gesichtspunk des Datenschutzes zu sehen. Aber sehen wir es einmal so: Sie haben, Frau Guttenberger, mit der Normenbestimmtheit und Normenklarheit und mit einem - was Sie so angedeutet haben - Werkzeug operiert. Normalerweise ist im Spannungsverhältnis zwischen persönlichem Datenschutz und der Berücksichtigung öffentlicher Belange wie der Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit notwendig.
Hierzu bedarf es, um es in der Werkzeugsprache auszudrücken, eines Präzisionsbohrers. Mit diesem Artikel 21 a haben Sie dagegen einen Schlagbohrer eingesetzt.
Wir sind nicht bereit, solche Eingriffe, die unsere zum großen Teil rechtschaffene bayerische Bevölkerung veranlassen, sich vor Ort überwacht zu fühlen, unter dem Gesichtspunkt zu dulden, dass damit ein Schutz für diese Personen bezweckt wird. Im Gegenteil, es ist eine Verunsicherung.
Mit diesem Schlagbohrer ermöglichen Sie in Ihrer gesetzlichen Bestimmung die Aufklärung und Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten. Wie soll man sich das vorstellen? Werden nun vor einem Wertstoffhof oder gar vor Recyclingbehältern Videokameras aufgestellt, um die ordentliche Mülltrennung durch die bayerische Bevölkerung zu überwachen? Eine gesetzliche Grundlage dafür kann ich mir nicht vorstellen. Ich weise auch darauf hin, dass eine für diesen Zweck in Regensburg errichtete Anlage wieder abgebaut worden ist.
Sie haben im August das Datenschutzgesetz in diese Richtung geändert. Sie preisen es als einen Vorzug, dass die für die Videoüberwachung entstehenden Kosten bei den Städten, den Gemeinden und den Landkreisen anfallen. Bei den Haushaltsberatungen haben wir uns heute aber darüber unterhalten, mit welchen Einbrüchen bei der Einkommensteuer und bei der Gewerbesteuer die Landkreise und die Städte zu rechnen haben. Glauben Sie denn im Ernst, dass Sie mit diesem Gesetz reelle Möglichkeiten schaffen, dass solche Anlagen aufgebaut werden?
Ich erinnere auch an große Denkmäler, wie zum Beispiel an die Straße der Menschenrechte in Nürnberg. Dort wird nichts mit Videokameras überwacht. In dieser Zeit ist weder durch Rechtslastige noch durch Linkslastige irgendetwas geschehen, was man als Schmiererei oder dergleichen hätte geißeln können.
Sie haben hier einen Schlagbohrer ausgepackt, um Probleme zu lösen, die man letztlich nur mit einem Präzisionsbohrer und mit Geschick und Gefühl für die Verfassung in Bezug auf die Würde des Menschen lösen sollte. Aus meiner Sicht ist der Artikel 21 a viel zu streng gefasst. Wenn man diesen Artikel richtig bewertet, muss man dafür sein, dass er wieder verschwindet. Ich weise auch darauf hin, dass bei den Beratungen im Rechts- und Verfassungsausschuss nicht nur der Kollege von der FDP dieses Mittel im Verhältnis zum angestrebten Zweck als sehr überzogen empfunden hat. Auch die Kollegin Guttenberger hat gesagt, dass es in diesem Artikel Passagen gibt, die man nachbessern könnte. Bevor man sie nachbessert, macht man am besten gleich etwas Neues, statt immer wieder an einem untauglichen Mittel herumzupfuschen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass einer sein Verhalten ändert bzw. anpasst, wenn er nicht weiß oder wenn er es nicht beeinflussen kann, welche Informationen oder Bilder von ihm aufgenommen und gespeichert werden. Ein solches angepasstes Verhalten ist ein Eingriff in unsere individuelle Handlungsfreiheit und auch ein Eingriff in das Gemeinwohl, denn in einem demokratischen Gemeinwesen ist die selbstbestimmte Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger notwendig. Bei der Videoüberwachung geht es aber auch darum, dass ich das Verhalten bestimmter Personengruppen, nämlich krimineller Personen, ändern möchte. Die sollen eben ihr Verhalten ändern und von der Tat, die sie vorhaben, absehen. Deswegen ist die Videoüberwachung auch ein probates Mittel. Es ist bekannt, dass ein Täter vor der Tat zurückschreckt, wenn er Angst hat, entdeckt zu werden.
Dieses Mittel ist sowohl in der Prävention als auch in der Strafverfolgung einsetzbar, weil ich damit auch einen Täter identifizieren kann. Deswegen würde nach unserer Meinung die Abschaffung des gesamten Artikel 21 a zu weit gehen.
Allerdings haben wir jetzt auch das Bild vom Präzisionsbohrer und vom Schlagbohrer gesehen. Der jetzige Artikel 21 a ist sicher auch für unseren Geschmack viel zu weit gefasst. Er ist vielleicht sogar noch eher ein Vorschlaghammer als ein Schlagbohrer. Wir wollen allerdings daran mitarbeiten, dass wir ein Präzisionsinstrument schaffen, und dazu sollten wir den Artikel 21 a ändern. Eine radikale Abschaffung können wir leider nicht mittragen, weil wir für die Bürgerinnen und Bürger mit dem Artikel 21 a eine gewisse Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen wollen. Dort, wo ich Freiräume einschränke, schaffe ich zugleich neue Freiräume. Wo ich einen Freiraum für Verbrecher einschränke, schaffe ich einen Freiraum für den unbescholtenen Bürger. Der muss in diesem Fall vorgehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Videoüberwachung ist kein Ersatz für einen Polizeibeamten, denn eine Videokamera kann dem Opfer eines Verbrechens nicht helfen. Die Videoüberwachung ist auch kein Patentrezept gegen Kriminalität, denn sie führt vielfach nur zu einer Verlagerung der Kriminalität. Eine flächendeckende Videoüberwachung ist mit unseren Vorstellungen von einer freiheitlichen Gesellschaft nicht vereinbar, weil sie das Verhalten der Bürger in der Öffentlichkeit beeinflussen würde.
Die Videoüberwachung kann aber auch sinnvoll sein, um Kriminalität zu verhindern. Das gilt vor allem dort, wo es wie zum Beispiel an Flughäfen, in U-Bahnhöfen oder an ähnlich neuralgischen Punkten einerseits ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko, andererseits aber auch keine Möglichkeit der Verlagerung der Kriminalität gibt.
Nun kann man darüber streiten, ob der Artikel 21 a des Bayerischen Datenschutzgesetzes zu weit geht oder nicht. Ich sage es ganz offen: Mir gehen manche der Regelungen in Artikel 21 a persönlich zu weit.
Ich sage aber genauso deutlich: Die ersatzlose Streichung dieser Vorschrift ist keine Lösung. Ich möchte auf Ihr Bild vom Präzisionsbohrer und vom Schlagbohrer zurückkommen. Sie schmeißen den Schlagbohrer, der Ihnen nicht passt, einfach weg und versuchen dann, das Loch mit den Fingern zu bohren. Das funktioniert auch nicht.
Ich sage es ganz deutlich: Wir Liberale wollen Änderungen am Artikel 21 a und wir werden gemeinsam mit dem Koalitionspartner an diesen Änderungen arbeiten. Ich nenne nur ein Stichwort. Wir haben eine Verkürzung der Löschungsfristen von zwei Monaten auf drei Wochen für das Polizeiaufgabengesetz vereinbart. Wir halten es für sinnvoll, im Bayerischen Datenschutzgesetz hierzu einen Gleichklang herzustellen. Über die eine oder andere Ausgestaltung des Artikel 21 a muss man sich unterhalten können. Ich halte es aber für verantwortungslos, jede Videoüberwachung mit Ausnahme der Videoüberwachung durch die Polizei auszuschließen. Ich halte es für verantwortungslos, für die Videoüberwachung eine Rechtsgrundlage wie das Hausrecht, welche höchst umstritten ist, heranzuziehen, denn damit würde die Rechtssicherheit aufgegeben, die wir mühsam gewonnen haben. Artikel 21 a ist auch ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit.
Deswegen wird die FDP-Fraktion dem zu weit gehenden Vorschlag nicht zustimmen. Wir möchten in aller Ruhe an einer vernünftigen Verbesserung arbeiten. Wir möchten nicht ein Mittel, das zur Kriminalitätsbekämpfung einen wichtigen Beitrag leistet, völlig aus der Hand geben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich geht es bei einigen Kolleginnen und Kollegen bei der Diskussion dieses Themas etwas durcheinander. Man muss schon aufpassen, dass man, wenn man die falschen Bohrer verwendet, nicht irgendwelche Tatsachen schafft, die da oder dort gar nicht beabsichtigt sind, was ich jedenfalls hoffe und unterstelle. Klar ist jedenfalls, für die polizeiliche Videoüberwachung gibt es eine Sondernorm im Polizeiaufgabengesetz. Wir reden hier also über eine andere Videoüberwachung.
Jetzt sage ich einmal, welche praktischen Folgen es hätte, wenn Sie dieses Gesetz hier und heute beschließen würden. Dafür gibt es wohl Gott sei Dank keine Mehrheit im Haus. Aber wenn Sie es beschließen würden, dann müssten heute Nacht beispielsweise alle Videokameras, die die Landeshauptstadt München mit einem Beschluss des Stadtrats der Landeshauptstadt München, wohlgemerkt: mit rot-grüner Mehrheit beispielsweise am Marienplatz aufgestellt hat, noch
abgeschaltet werden. Sie müssen schon einmal überlegen, was für einen Unsinn Sie hier im Hinblick auf die innere Sicherheit in unserem Land diskutieren!
Wir haben vor einem Jahr über die notwendigen Konsequenzen aus den Überfällen in der Münchner U-Bahn diskutiert. Nach reiflicher Diskussion hat sich damals auch im Stadtrat der Landeshauptstadt München die Erkenntnis durchgesetzt, dass es richtig ist, die Überwachung mit Videokameras auszubauen. Sie sollten nicht nur auf den Bahnsteigen, sondern auch in den UBahnzügen eingebaut werden, und zwar zur Sicherheit der Fahrgäste. Wir haben das vertreten, und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München hat sich dieser Betrachtung angeschlossen. Es dient der Sicherheit der Menschen, wenn die Kameras an den richtigen Stellen installiert werden.
Sie würden mit diesem Gesetz diesen Videokameras die Rechtsgrundlage entziehen, meine Damen und Herren. Das ist die Realität.
- Doch! Das ist nämlich genau die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Öffentliche Stellen dürfen nicht ohne rechtliche Grundlage eine derartige Videoüberwachung betreiben. Das ist der Kern der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb ist dieses Gesetz die notwendige Rechtsgrundlage dafür, dass die Kommunen Videoüberwachung einsetzen dürfen. Wo die Kameras stehen, das entscheidet hier in München nach wie vor allein die Landeshauptstadt München. Das sind keine Kameras des bayerischen Innenministeriums oder von sonst irgendwem. Das sind Videokameras, über deren Installation die Landeshauptstadt München entschieden hat.
Wenn Sie über dieses Thema vernünftig diskutieren wollen, dann sagen Sie ganz konkret, welche Kamera nach Ihrer Auffassung von welcher Kommune an welcher Stelle überflüssiger Weise aufgestellt wurde. Die einfachste Vorgehensweise ist die, mit dem jeweiligen Stadtrat zu reden und zu sagen: Da ist die Kamera überflüssig, der Stadtrat soll sie abbauen. Es hilft aber nicht weiter, hier im Landtag eine derartige Gespensterdiskussion zu führen.
Ich sage es einmal klipp und klar: Kein einziger Polizeibeamter wird durch eine solche Videokamera ersetzt. Aber, meine Damen und Herren, in der Art, wie die GRÜNEN über dieses Thema diskutieren, stellt sich die Frage: Soll ich tatsächlich, an jede Stelle, an der eine solche Kamera ist, einen Polizeibeamten hinstellen?
Das kann doch nicht ernsthaft Ihre Vorstellung sein! Es kann doch nicht sein, dass ich an jeden öffentlichen Platz in Bayern fünf Polizeibeamte zur Beobachtung aufstelle. Das ist glatter Unfug!
Ich sage Ihnen deshalb, meine Damen und Herren, wir halten es für richtig, dass eine Kommune in Ruhe überlegen kann, wo sie aufgrund ihrer Beurteilung der Sicherheitslage eine Kamera aufstellen will. Die Kommunen sind auch Sicherheitsbehörden in diesem, unserem Land. Eine Kommune kann entscheiden, wo sie es für sinnvoll erachtet, eine Kamera zu installieren. Das kann auch vor einer Schule der Fall sein oder vor einer gefährdeten Einrichtung, wo auch immer. Hierfür ist das die richtige Rechtsgrundlage. Dazu stehen wir. Das trägt zur Sicherheit in Bayern bei.
Ich bitte deshalb noch einmal nachdrücklich, diesen wirklich schädlichen Gesetzentwurf abzulehnen, meine Damen und Herren.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der Abstimmung liegen der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/69 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/600 zugrunde.
Der federführende und endberatende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs.
Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Der Gesetzentwurf ist abgelehnt bei Zustimmung von den GRÜNEN, der SPD und einigen Abgeordneten der Freien Wähler und bei Ablehnung der Fraktion der CSU, der FDP und einigen Abgeordneten der Freien Wähler, wenn ich das richtig gesehen habe.