Zweitens: Weiter geht es mit dem kostenfreien Mittagessen. Wir wollen es für alle Kinder. Es gehört zur ganzheitlichen Erziehung, Bildung und Betreuung in Kindergarten und Schule. Der erste Schritt ist getan. Dagegen haben wir in keiner Weise etwas.
Aber der erste Schritt ist nicht ausreichend. Es ist eben nur der erste Schritt. Der Hinweis, der Bund müsse handeln, ist schlichtweg falsch. Das ist eine Sache des Landes, wie in anderen Bundesländern auch.
Dritter Punkt: Jugendsozialarbeit. Der Kollege Rudrof hat sich gerade loben lassen, dass für knapp 5.000
Schulen noch nicht einmal 400 Stellen für Jugendsozialarbeit ausgewiesen sind. Was wir brauchen, ist aber eine flächendeckende Schulsozialarbeit. Das ist der Unterschied. Das ist Aufgabe des Landes. Sie verlagern das schon wieder auf die Kommunen, auf die Sachaufwandsträger.
Der nächste Punkt ist: Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Sie brauchen eine Perspektive. Der Bericht des Obersten Rechnungshofes hat Ihnen schon vor Jahren ins Stammbuch geschrieben, dass die sogenannten JoA-Klassen überhaupt nicht zielführend sind, dass das den Jugendlichen überhaupt nichts gibt und dass sie abgeschafft werden sollten. Sie haben es bis heute nicht gemacht, haben uns jeden Antrag abgelehnt, jetzt im Haushalt wieder.
Sie reichen die ESF-Mittel durch. Dabei muss man wissen, wie sie zielführend verwendet werden. Auch hier hat der Oberste Rechnungshof den Finger in die Wunde gelegt. Es wird nicht evaluiert, und bei der Neuordnung des SGB II ist Ihre Haltung schlichtweg überhaupt nicht mehr zu verstehen, und das in einer Situation, wo wir nicht wissen, wie sich der Arbeitsmarkt noch entwickelt.
Fünfter Punkt: Menschen mit Behinderung. Der Landesplan ist unterfinanziert. Sie nehmen jetzt Bundesmittel dafür.
Aber wo bleibt dann die zukunftsweisende Umsetzung, die Inklusion? Im BayKiBiG kann sie nicht umgesetzt werden, ebenso wenig in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt. Die Offene Behindertenarbeit - OBA braucht mehr Geld, die Selbsthilfegruppen auch. Sie haben vorhin das Ehrenamt angesprochen. Das Ehrenamt kann wunderbar funktionieren, aber es braucht eine finanzielle Grundlage. Wo ist ein Konzept für Menschen mit Behinderung im Leben, im Alltag?
Der nächste Punkt betrifft Menschen mit Migrationshintergrund. Der Sozialbericht hat es wiederum deutlich gemacht. Ihnen lag der Sozialbericht schon vor, bevor der Haushaltsentwurf hier im Landtag ankam. Nicht umsonst wurde schon letztes Jahr in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, dass der Sozialbericht im Jahr 2008 vorgelegt wird. Der Sozialbericht macht deut
lich, dass für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund deutlich mehr getan werden muss und wahnsinnig viel versäumt worden ist. Sie haben es endlich geschafft, unsere Forderung umzusetzen, einen Integrationsbeauftragten zu benennen. Selbstverständlich unterstützen wir Herrn Neumeyer; denn er braucht alle Unterstützung. Es werden halt die Sünden der vergangenen Jahre deutlich, in denen Sie den Satz wie ein Mantra vor sich hergetragen haben, dass Bayern kein Einwanderungsland sei.
Nun noch zum Bereich Pflege, zum Leben im Alter: Wir haben aktive und weniger aktive Menschen. Wir haben Menschen, die in den unterschiedlichsten Eingruppierungen pflegebedürftig sind. 1997 waren 19 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt. 2030 werden es 35 % sein. 1964 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 420 über Hundertjährige, jetzt sind es über 12.000. Die Anzahl der an Demenz Erkrankten wird bis zum Jahr 2030 um 30 % zunehmen. Die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe sind die Menschen, die über neunzig Jahre alt sind. Was bieten wir ihnen und ihren Familien an Wohnformen, an ambulanter und stationärer Betreuung? Sie haben die Förderung der stationären Einrichtungen gestrichen. Beim Lesen des Zitats von Frau Haderthauer im Protokoll des Haushaltsausschusses habe ich zuerst gedacht, ich hätte mich verlesen. Hierin steht:
Gerade derzeit sei die ältere Generation recht vermögend und nicht unbedingt darauf angewiesen, dass der Staat die Altenheime subventioniere. Sozial Schwächere bekämen ihren Aufenthalt in Seniorenheimen ohnehin vom Steuerzahler finanziert. Derzeit bestehe also kein Grund, dass der Freistaat Bayern die Träger von stationären Seniorenheimen subventioniere. Das wäre auch eine Doppelförderung.
Zynischer kann man es vor dem Hintergrund, dass das Durchschnittseinkommen der Rentnerinnen in Bayern keine 500 Euro und das der Rentner keine 1.000 Euro beträgt, nicht sagen.
Nächster Punkt: Ausbildung der Pflegekräfte. Wir steuern auf einen massiven Mangel an Pflegekräften zu. Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt - und nicht nur er, sondern die gesamten Wohlfahrtsverbände - hat das sehr oft angemahnt. Sie verweigern über Jahre hinweg eine Ausbildungsumlage.
Mittlerweile - man höre und staune - gibt es hierzu Stimmen aus der CSU, etwa die vom Kollegen Kobler; CSAVorsitzender soll er sein.
- Ja, ein guter Mann. Herr Schmid, wissen Sie, was er gesagt hat? "Wir bräuchten für Pflegekräfte eine Ausbildungsumlage." Herr Schmid, das ist ein guter Mann. Jawohl, ich stimme Ihnen zu.
Die Einkommensverteilung wird immer schiefer. Das Vermögenseinkommen im Lande Bayern steigt. Das Einkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Arbeit sinkt. Der Anteil an Niedriglöhnen nimmt massiv zu. 17,1 % der Niedriglohn-Empfänger sind vollbeschäftigt. Deren Anteil in Bayern ist im Durchschnitt stärker gestiegen als in der Bundesrepublik. Der Aufstocker-Anteil aller SGB II-Bezieher liegt in Bayern über dem Durchschnitt der Bundesrepublik; zwar wenig, aber er liegt darüber. Das sind bedenkliche Signale, denen wir entgegensteuern müssen.
Es kann nicht sein, dass die Sozialministerin im Sozialbericht sagt, die Ausweitung des Niedriglohnbereichs sei durchaus zu begrüßen, soweit sie auf zusätzliche Arbeitsplätze zurückgehe und zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit führe. Das ist im Niedriglohnbereich nicht der Fall. Wir wollen, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können, und zwar auskömmlich.
Dem und nicht nur dem wird dieser Haushalt nicht gerecht. Sie haben alle unsere Anträge und Initiativen wider besseres Wissens abgelehnt. Der Einzelplan 10, der Sozialhaushalt, ist von unserer Seite aus so zu bewerten: Gewogen und für zu leicht befunden. Einige Ansätze sind da. Aber das genügt bei Weitem nicht für eine zukunftsweisende Sozialpolitik, dafür, diese in diesem Lande so zu gestalten, wie es notwendig wäre, um den Menschen gerecht zu werden. Es gibt zu wenig Vorsorge und zu wenig Prävention, die notwendig wäre, weil das Geld, das vorausschauend in eine Sozialpolitik fließt, später ein Vielfaches an Reparaturen erspart.
Wir lehnen diesen Haushaltsentwurf ab. Das wird Sie nicht überraschen. Aber ich möchte zum Schluss die VdK-Präsidentin zitieren - das sollten Sie sich für die zukünftigen Haushalte im Sozialbereich merken -: "Sozialpolitik ist nicht das Sahnehäubchen auf dem Cappuccino, sondern die Grundlage für eine humane Gesellschaft." Das ist mit diesem Sozialhaushalt nicht der Fall.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrtes Präsidium, hoch verehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Frau Staatsministerin Haderthauer, ich freue mich, dass Sie so lange durchgehalten haben; denn ich möchte mich hier kurz vorstellen. Sie waren ja bisher noch nie eine Minute im Sozialausschuss. Sie kennen mich gar nicht. Deswegen freue ich mich, dass wir uns auf diese Art und Weise einmal kennenlernen. Vielen Dank, dass Sie hier sind.
Wenn ich an die Überlegungen in der gestrigen Debatte denke, muss ich feststellen: Der Doppelhaushalt 2009/2010 ist für die Sozialpolitiker schlichtweg ein Desaster. Anders kann man es leider nicht nennen. Milliarden werden für den sozialen Reparaturbetrieb ausgegeben, aber für die Nachhaltigkeit wird viel zu wenig ausgegeben, zum Beispiel für die von uns vorgeschlagene Prävention und die vorbeugenden Maßnahmen, das ist schon alles gesagt worden. Das heißt, die Gewichte sind falsch verteilt worden.
Unser Auftrag im Landtag ist es, eine nachhaltige Sozialpolitik zu gestalten, und zwar vernünftigerweise durch die Betonung dieser drei zentralen Probleme; denn wir verhindern dadurch Milliarden an Folgekosten, zum Beispiel in der Forensik.
Lassen wir die Redebeiträge von gestern kurz Revue passieren: Leider ist Herr Schmid, der verehrte Fraktionsvorsitzende der CSU, nicht da. Ich hätte ihm gerne zu diesem Thema noch einiges gesagt.
- Ich habe ihn vertreten. Sie haben wohl gar nicht mitbekommen, dass ich vorne gesessen bin und die Debatte sehr aufmerksam verfolgt habe. Er hat mich gebeten, das zu machen, und das habe ich natürlich getan. Ich war sehr nahe dran. Ich war über die Lautstärke, über die Aggressivität und über den Hass erschrocken. Aber gut, lassen wir das, es war auch viel Sachliches dabei.
Ich möchte an dieser Stelle Herrn Kollegen Barfuß herzlich danken; denn er ist eigentlich für mich das Vorbild in einer politischen Auseinandersetzung, so wie er das gestern gemacht hat. Genauso stelle ich mir unsere Auseinandersetzung vor, ohne hier mit einem groben
Keil auf irgendwelche Dinge einzuhacken. Persönliche Erniedrigungen, das geht nicht. Das ist nicht meine Vorstellung von Politik.
- Nein, bin ich nicht. Herr Huber, ich bin zum Glück Mediziner. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich in meiner Praxis stehe und ich einem Patienten, der mit Schmerzen kommt, helfen kann.
Das ist das Thema, Herr Huber. Zu Ihnen kommen sehr viele Leute mit seelischen Schmerzen. Sie versprechen etwas, aber helfen können Sie nicht. Helfen und heilen kann nur der Arzt. Darauf bin ich stolz.
Wenn dann die Patienten sagen, Doktor, es geht mir besser, freut mich das, denn das ist mein Lebensziel und nicht, mir hier dumme Bemerkungen anzuhören.